„Trotz guter Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist das Problem der Arbeitslosigkeit mit all seinen Risiken und Nebenwirkungen keineswegs überwunden. Im Laufe eines Jahres verlieren immer noch 2,7 Millionen Frauen und Männer ihren Arbeitsplatz und müssen sich neu arbeitslos melden. Das soziale Netz für Arbeitslose ist zu grobmaschig geknüpft und bietet keinen ausreichenden Schutz. Soll der soziale Schutz verbessert werden, gibt es dafür nicht die eine große Lösung für alle Problemlagen. Vielmehr sind unterschiedliche Ansätze notwendig, um den unterschiedlichen Lebenssituationen und den Wechselfällen des Lebens gerecht zu werden. In diesem Positionspapier mach der DGB Vorschläge, wie für viele Menschen ein Hartz-IV-Bezug vermieden bzw. beendet werden kann. Dabei stehen Beschäftigte, die viele Jahre gearbeitet und Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, in einem besonderen Fokus. Sie sollen vor einem Abrutschen ins Hartz-IV-System geschützt werden. Gleichwohl betreffen die bestehenden Schutzlücken natürlich auch Personen mit gebrochenen Erwerbsbiografien, Soloselbstständige und prekär Beschäftigte. Auch deren soziale Absicherung muss dringend verbessert werden, insbesondere indem der Zugang zum Arbeitslosengeld erleichtert wird. Vor allem muss jedoch prekäre Arbeit zurückgedrängt und in reguläre, weniger risikobehaftete Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden. Dazu hat der DGB an anderer Stelle Vorschläge unterbreitet.1
Das Hartz-IV-System bietet heute keine ausreichende soziale Sicherheit sondern schürt Sorgen und Ängste vor einem sozialen Abstieg im Falle länger andauernder Arbeitslosigkeit. Die Mängelliste im Hartz-IV-System ist lang. Die bestehenden Defizite betreffen keineswegs nur randständige Aspekte, die durch das Neujustieren einiger kleinerer Stellschrauben leicht zu reformieren wären. Gemessen an den Interessen der abhängig Beschäftigten sowie der Arbeitslosen war und ist vielmehr die Grundkonstruktion des Hartz-IV-Systems grundfalsch. Somit besteht die Herausforderung darin, tragende Säulen des Systems zu verändern und so wesentliche Charakterzüge des Hartz-IV-Systems zu überwinden und das System grundlegend neu zu gestalten. Daher liegt es im gewerkschaftlichen Interesse, dass Robert Habeck und Andrea Nahles mit ihren Vorschlägen zur Überwindung des Hartz-IV-System die Debatte über Alternativen zu Hartz IV deutlich belebt haben.
Wirksamen Schutz vor sozialem Abstieg herstellen
Ein zentrales Gerechtigkeitsdefizit der sozialen Absicherung bei Arbeitslosigkeit besteht heute darin, dass selbst Beschäftigte, die viele Jahre gearbeitet haben, sehr schnell in das Hartz-IV-System abstürzen. Das schnelle Abrutschen von Beschäftigten mit langer Erwerbsbiografie ins Hartz-IV-System ist zutiefst ungerecht. Arbeits- und Beitragsleistungen, auch langjährige, werden nicht angemessen anerkannt und gewürdigt, die Arbeits- und Lebensleistung selbst langjährig Beschäftigter wird mit dem Abrutschen ins Hartz-IV-System entwertet. Arbeitslosengeld wird im Regelfall nur längstens zwölf Monate gewährt. Bei 370.000 Arbeitslosen endete im letzten Jahr der Anspruch auf Arbeitslosengeld, bevor ein neuer Arbeitsplatz gefunden werden konnte. In diesen
Fällen droht ein sozialer Abstieg: Denn das Hartz-IV-System bietet nur ein Leistungsniveau auf Sozialhilfeniveau: Für fast alle Haushaltskonstellationen liegen die Hartz-IV-Leistungen unterhalb der offiziellen Armutsrisikogrenze. Hartz IV schützt somit nicht wirksam vor Armut, sondern bedeutet ein Leben in Armut und Ausgrenzung. Zudem müssen Ersparnisse oberhalb eines Freibetrags zunächst aufgebraucht werden, um überhaupt leistungsberechtigt zu sein. Unter Umständen ist sogar die Wohnung bedroht, wenn die Wohnkosten als unangemessen hoch eingestuft werden.
Mehrdimensionaler Ansatz notwendig: Alternativen zum Hartz-IV-Bezug eröffnen
Soll das Hartz-IV-System in seiner bestehenden Form überwunden werden, sind selbstverständlich neue gesetzliche Regelungen zum Leistungsanspruch, dessen Höhe, zu Rechten und Pflichten der Leistungsbezieher sowie zu den aktiven Förderinstrumenten notwendig – also ein Neustart der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Darüber hinaus ist aber ein weitergehender, mehrdimensionaler Ansatz dringend erforderlich, um das Hartz-IV-System auszutrocknen und den Menschen eine Perspektive jenseits von Hartz IV zu eröffnen. Es gilt, einen Teil der heutigen Leistungsbezieher aus dem Bezug herauszuholen sowie einen Hartz-IV-Bezug zukünftig präventiv zu vermeiden. Denn oft ist Hartz IV heute ein Lückenbüßer und ein Auffangnetz für vorgelagerte Defizite: Vielfach muss Hartz IV nur deshalb bezogen werden, weil andere – eigentlich sachgerechtere und auf die jeweilige Lebenssituation besser passendere – Sozialleistungen fehlkonstruiert oder zu löchrig sind. Oder Hartz IV muss bezogen werden, weil der Lohn nicht zum Leben reicht.
Der DGB fordert eine grundlegende Neuausrichtung der sozialen Absicherung bei Arbeitslosigkeit. Kernelement einer solchen Neuausrichtung ist es, Beschäftigten, die viele Jahre gearbeitet haben, ein sozialstaatliches Auffangversprechen zu geben: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zusammengezählt mindestens eine Gesamt-Beschäftigungsdauer von zehn Jahren erreichen, sollen vor einem Wechsel ins Hartz-IV-System geschützt werden – gleich ob Industriearbeiter, Verkäuferin oder Erzieherin und unabhängig davon, ob die Beschäftigungszeit am Stück oder in Etappen angesammelt wurde. Das Äquivalenzprinzip in der Arbeitslosenversicherung würde gestärkt. Ein solches Auffangversprechen würdigt die Arbeitsleistung von Beschäftigten, schafft soziale Sicherheit und überwindet bestehende Ungerechtigkeiten.
Sozialstaatliches Auffangversprechen:
Wer zehn Jahre und länger gearbeitet hat, soll nach Auslaufen des Arbeitslosengeldanspruchs nicht ins Hartz-IV-System abstürzen, sondern in der Arbeitslosenversicherung verbleiben.
Dazu müssen der Schutz der Arbeitslosenversicherung ausgeweitet und die Rechte von Arbeitslosengeldbeziehern gestärkt werden. Bezieher von Arbeitslosengeld, die im Laufe ihrer Erwerbsbiografie insgesamt mindestens 10 Jahre versicherungspflichtig beschäftigt waren2, erhalten einen Rechtsanspruch auf Hilfe und Unterstützungsleistungen im Rahmen der Arbeitslosenversicherung, mit denen ein Absturz ins Hartz-IV-System vermieden wird. Bestimmte Zeiten der Kinderbetreuung und der Pflege von Angehörigen werden den Beschäftigungszeiten gleichgestellt.
Der Rechtsanspruch umfasst alternativ
- ein Recht auf eine Weiterbildungsmaßnahme, sofern eine Qualifizierung für die Integration in den Arbeitsmarkt erforderlich ist,
- ein Recht auf eine verstärkte, intensivierte Vermittlung, Beratung und Betreuung oder
- ein Recht auf einen öffentlich geförderten Arbeitsplatz im Sozialen Arbeitsmarkt.
Der Rechtsanspruch auf eine „Hartz IV vermeidende“ Unterstützungsleistung soll spätestens drei Monate bevor das Arbeitslosengeld (nach geltendem Recht) auszulaufen droht, greifen. Während der Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme besteht ein Anspruch auf ein Weiterbildungsgeld, eine gegenüber dem Arbeitslosengeld um 15 Prozentpunkte, mindestens jedoch um 200 Euro erhöhte Geldleistung.
Die Löhne im Sozialen Arbeitsmarkt müssen mindestens ein Leben unabhängig von Hartz IV ermöglichen, so dass auch in dieser Variante ein aufstockender Bezug von Hartz-IV-Leistungen nicht erforderlich ist. Die Beschäftigten im Sozialen Arbeitsmarkt werden von den Arbeitsagenturen weiterhin beraten und betreut. Dabei werden auch mögliche Wechsel in Qualifizierungsmaßnahmen oder in ungeförderte Arbeit erörtert.
Bei der Variante einer verstärkten Vermittlung kann auf positive Erfahrungen mit dem „INGA“-Programm3 sowie dem ESF-Programm zur Eingliederung Langzeitarbeitsloser angeknüpft werden: Eine intensive und individuelle Unterstützung, eine gezielte und bewerberorientierte Betriebsakquise und die Begleitung von Arbeitslosen bei Vorstellungen in Betrieben können die Integrationschancen deutlich erhöhen.
Die Arbeitsagenturen erörtern mit den Arbeitslosen auf Augenhöhe, welche Art der aktiven Förderung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, am erfolgversprechendsten und im Einzelfall am passendsten ist und vereinbaren diese Förderung im Einvernehmen.
Verlängerung der ALG-Bezugsdauer in Abhängigkeit von der Beschäftigungszeit
Neben dem Rechtsanspruch auf eine aktive Förderung soll für Beschäftigte mit mindestens 10 Beschäftigungsjahren auch das Arbeitslosengeld verbessert und länger ausgezahlt werden. Unter 50-Jährige erhalten heute Arbeitslosengeld höchstens für ein Jahr, über 50-Jährige gestaffelt nach dem Alter bis zu längstens zwei Jahren. Dies ist nicht problemadäquat: Trotz der günstigen Arbeitsmarktentwicklung endete bei 370.000 Arbeitslosen letztes Jahr der Anspruch auf Arbeitslosengeld, bevor ein neuer Arbeitsplatz gefunden werden konnte. Zudem stehen langjährige Beitragszahlungen und die nur kurze Dauer des Arbeitslosengeldbezugs in keinem gerechten Verhältnis zueinander. Der DGB fordert, für langjährig Beschäftigte die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes zu verlängern, um einen Absturz ins Hartz-IV-System zu vermeiden. Das verlängerte Arbeitslosengeld soll für die Zeit gezahlt werden bis die aktiven Förderinstrumente, für die der neue Rechtsanspruch gilt, zum Erfolg geführt haben bzw. an Personen gezahlt werden, wie etwa rentennahe Arbeitslose mit gesundheitlichen Problemen, bei denen eine aktive Fördermaßnahme kein passendes Angebot darstellt.
Die verlängerte Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes soll sich nach der Beschäftigungsdauer richten. So könnte für je zwei Beschäftigungsjahre ein zusätzlicher Leistungsmonat gewährt werden: Wer beispielsweise insgesamt 20 Jahre sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat, bekäme bis zu 10 Monate länger Arbeitslosengeld, die Gesamtleistungsdauer würde in Abhängigkeit vom Alter bis zu 34 Monate betragen (maximal 24 Monate nach geltendem Recht plus bis zu zusätzliche 10 Monate; siehe Tabelle im Anhang). Aufgrund des vorgeschlagenen Rechtsanspruchs auf eine aktive Förderung ist davon auszugehen, dass die maximale Anspruchsdauer nur in den seltensten Fällen ausgeschöpft wird und im Regelfall die Arbeitslosigkeit deutlich früher beendet werden kann.
Zu diskutieren ist zudem, ob zur Vermeidung von Wechseln in das Hartz-IV-System in einem zweiten Schritt für alle Versicherten ein Anschluss-Arbeitslosengeld eingeführt werden sollte. Dies könnte 58 Prozent vom letzten Nettoverdienst betragen, auf die Dauer von zwei Jahren begrenzt sein und der Anspruch an eine „entschärfte“ Einkommens- und Vermögensprüfung gekoppelt werden, wobei ein Freibetrag für das Partner-Einkommen gelten sollte und der Vermögensfreibetrag im Vergleich zu Hartz IV deutlich angehoben werden sollte. Ein solches Anschlussarbeitslosengeld hat deutliche Vorteile gegenüber dem Hartz-IV-System: Die Autonomie der leistungsberechtigten wird gestärkt, da die Höhe der Wohnkosten generell nicht problematisiert wird. Zudem ist die Bedürftigkeitsprüfung deutlich entschärft, da nur das eigene und das Partnereinkommen berücksichtigt werden und höhere Freibeträge gelten sollen.
Zudem schlägt der DGB vor, für Beschäftigte, die mindestens zehn Jahre Vollzeit gearbeitet haben bzw. die aufgrund von Kindererziehung oder Pflegetätigkeit nur Teilzeit arbeiten konnten, eine Mindesthöhe des Arbeitslosengeldes einzuführen. Dabei wird der rechnerische Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von 60 Prozent (mit Kind 67 Prozent) auf 850 Euro4 aufgestockt. Dieses Mindestarbeitslosengeld liegt über dem durchschnittlichen Hartz-IV-Anspruch in Höhe von 788 Euro für Alleinstehende. Das Mindestarbeitslosengeld soll verhindern, dass geringe Ansprüche auf Arbeitslosengeld mit Hartz IV aufgestockt werden müssen.5 Der Bund erstattet der Arbeitslosenversicherung die Mehrausgaben aus Steuermitteln.
Alternativen zu Hartz IV für weitere Personengruppen
Mit dem vorgeschlagenen Rechtsanspruch auf Hilfs- und Unterstützungsleistungen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor einem Abrutschen ins Hartz-IV-System schützen, würden die Wechsel vom Versicherungssystem in das Fürsorgesystem Hartz IV um schätzungsweise 220.000 Übergänge im Jahr reduziert und so die Zahl der Hartz-IV-Bezieherinnen und -bezieher mittelfristig deutlich gesenkt. Zudem können und müssen weitere Personengruppen aus dem Hartz-IV-Bezug herausgeholt werden: Das sind zum einen erwerbstätige Aufstocker, die Vollzeit oder vollzeitnah arbeiten sowie Personen in einer Ausbildung. Beide Personengruppen sind im Hartz-IVSystem, dessen erklärtes Ziel die Integration in den Arbeitsmarkt ist, offenkundig nicht sachgerecht aufgehoben, da ein fehlender Arbeitsplatz gar nicht die Ursache für den Leistungsbezug darstellt. Aufstocker beziehen Hartz IV, weil ihr Lohn nicht zum Leben reicht und die dem Hartz-IV-System vorgelagerten Sozialleistungen erhebliche
Schwachstellen aufweisen. Personen in Ausbildung müssen (ergänzend) Hartz IV beziehen, weil die Geldleistungen der Ausbildungsförderung nicht existenzsichernd sind. Ebenfalls nicht sachgerecht im Hartz-IV-System aufgehoben ist ein Teil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, aber im Falle von Arbeitslosigkeit an den hohen Zugangshürden beim Arbeitslosengeld scheitern.
Der DGB fordert folgende Änderungen vorzunehmen, um die genannten Personengruppen aus dem Hartz-IV-Bezug herauszuholen:
Kein Vollzeit-Beschäftigter soll auf Hartz IV angewiesen sein, nur weil sie oder er Kinder hat oder eine hohe Miete zahlen muss.
Über eine Million abhängig Beschäftigter müssen ihren Lohn mit Hartz IV aufstocken, darunter nahezu 600.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und rund 200.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Vollzeit arbeiten. In diesen Aufstocker-Haushalten leben über eine halbe Million Kinder. Der DGB tritt dafür ein, dieses massenhafte Aufstocken zu überwinden. Neben Verbesserungen auf der Lohnseite – weitere, schrittweise Erhöhung des Mindestlohns, Stärkung der Tarifbindung, Erleichterung von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen – müssen dazu das Wohngeld6 und der Kinderzuschlag reformiert werden: Beim Wohngeld muss die Anrechnung von Erwerbseinkommen entschärft werden, so dass mehr Haushalte anspruchsberechtigt sind bzw. höhere Zahlbeträge erhalten. Der maximale Zahlbetrag beim Kinderzuschlag muss deutlich erhöht und nach dem Alter der Kinder gestaffelt werden und die Leistung muss leichter zugänglich gemacht werden, indem der Kinderzuschlag direkt mit dem Kindergeld beantragt werden kann. Mit diesen Verbesserungen kann die materielle Lage von Geringverdienenden so verbessert werden, dass sie unabhängig von Hartz-IV-Leistungen leben können. Würden die konkreten Reformvorschläge des DGB zum Kindergeld und Wohngeld realisiert7, wären schätzungsweise 300.000 Haushalte, in denen 480.000 Erwachsene und 400.000 Kinder leben, zukünftig nicht mehr auf Hartz IV angewiesen.
Die Geldleistungen der Ausbildungsförderung – die Bundesausbildungsbeihilfe (BAB) und das BAföG – müssen existenzsichernd ausgestaltet und erhöht werden, sodass ein Bezug von Hartz-IVLeistungen überflüssig wird.
Im Jahresdurchschnitt 2017 bezogen 410.000 Schülerinnen und Schüler (ohne Schulkinder bis 14 Jahre), Auszubildende und Studierende Hartz IV. Die Leistungen der Ausbildungsförderung sind für sich genommen nicht in allen Fallkonstellationen – gemessen am Hartz-IV-Niveau – existenzsichernd. Die Leistungsgewährung bei der BAB und beim BAföG gehört auf den Prüfstand. Es ist zu prüfen, inwiefern die Regelungen zur Einkommensanrechnung und zur Leistungshöhe mit denen des Hartz-IV-Systems harmonisiert werden müssen, mit dem Ziel, dass BAB und BAföG alleine für sich genommen existenzsichernd sind und ein ergänzender Hartz-IV-Bezug überflüssig gemacht wird.
Wer mehr als nur kurzeitig beschäftigt war, soll im Fall von Arbeitslosigkeit von der Arbeitslosenversicherung aufgefangen und nicht mehr direkt ins Hartz-IV-System durchgereicht werden
Im Jahr 2017 wurden 400.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verloren und sich arbeitslos melden mussten, direkt ins Hartz-IV-System durchgereicht, weil sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerben konnten – obwohl sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren und Beiträge eingezahlt hatten. Dieser versperrte Zugang betrifft nahezu jeden Fünften vormals sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Falle von Arbeitslosigkeit.
Der Zeitraum, in dem Anwartschaftszeiten für die Arbeitslosenversicherung gesammelt werden können, muss wieder von zwei auf drei Jahre verlängert werden (Rahmenfrist). Zudem sollte die geforderte Mindestanwartschaftszeit von heute 12 Monate auf 10 Monate abgesenkt werden. Von diesem erleichterten Zugang zum Arbeitslosengeld würden nahezu 100.000 Arbeitslose profitieren und somit die „Reichweite“ der Arbeitslosenversicherung spürbar erweitert werden. Dieser erleichterte Zugang käme vor allem prekär Beschäftigten zugute. Denn Leiharbeiter sowie befristet Beschäftigte haben heute ein hohes Risiko, nach nur kurzer Beschäftigungsdauer arbeitslos zu werden.
Individualisierung der Hartz-IV-Leistungen
Mit den bisher genannten Vorschlägen könnte für rund 1,4 Millionen Menschen eine Alternative zum Hartz-IVBezug geschaffen werden8. Das sind immerhin mehr als ein Fünftel aller heutigen Personen im Hartz-IV-System. Damit das Herausholen aus dem Hartz-IV-Bezug auch in Mehrpersonen-Haushalten gelingt, ist eine individuelle Betrachtung und Leistungsprüfung notwendig. Dazu müssen die Konstruktion der „Bedarfsgemeinschaft“ und die Regeln zur Anrechnung von Einkommen geändert werden. Zukünftig sollen beispielsweise Erwerbstätige oder Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen, die Weiterbildungsgeld erhalten, nicht mehr als hilfebedürftig und als HartzIV-Bezieher gelten, wenn ihr individuelles Einkommen ausreicht, um den individuellen Lebensunterhalt zu decken.
Heute wird vorhandenes Einkommen nach einer speziellen Regel auf alle Personen der Bedarfsgemeinschaft verteilt. Dies führt dazu, dass alle Personen in der Bedarfsgemeinschaft einen Leistungsanspruch haben – auch diejenigen, die ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Zukünftig muss vorhandenes Einkommen zunächst individuell der Person zugeordnet werden, die das Einkommen erzielt. Ist das Einkommen bedarfsdeckend, gilt die Person, die das Einkommen erzielt, nicht mehr als hilfebedürftig und benötigt keine Hartz-IV-Leistungen mehr.
Bei dem Vermeiden eines Hartz-IV-Leistungsbezugs bzw. dem Herausholen aus dem Leistungsbezug geht es um mehr als die bloße „Um-Etikettierung“ von Sozialleistungen. Viele der hier vorgeschlagenen Änderungen – beispielsweise für Vollzeit-Erwerbstätige – zielen auf eine materielle Besserstellung ab, die zur Folge hat, dass das verfügbare Haushaltseinkommen über dem verfügbaren Einkommen im Hartz-IV-Bezug liegt. Zudem ist es ein grundlegender Unterschied, ob eine bedürftigkeitsgeprüfte Fürsorgeleistung bezogen wird, die mit vielen Auflagen verbunden ist und deren Bezug von vielen als „dornig“ erlebt wird, oder beispielsweise stattdessen ein verbessertes Wohngeld bezogen wird, das allgemein auf breite Akzeptanz stößt und das mit keinen weiteren Verpflichtungen verbunden ist.
Ausstiege aus Hartz IV ermöglichen – Förderoffensive im Hartz-IV-System starten
Ein Grundübel im Hartz-IV-System besteht in der krassen Unwucht zwischen Fordern und Fördern. Gefordert wird immens viel, während ein Fördern mit Perspektive kaum stattfindet: Die aktive Förderung im Hartz-IVSystem fällt qualitativ und quantitativ deutlich hinter die Hilfsangebote im Versicherungssystem zurück. In der Arbeitslosenversicherung werden beispielsweise zurzeit 20 von 100 Geringqualifizierten in Bildungsmaßnahmen gefördert, bei denen sie einen Berufsabschluss nachholen können. Im Hartz-IV-System erhalten jedoch nur drei von 100 Arbeitslosen ohne Abschluss diese Chance. Dringend notwendig ist somit eine Weiterbildungsoffensive im Hartz-IV-System. Es muss sichergestellt sein, dass jeder, der eine Weiterbildung benötigt, diese auch bekommt. Dazu ist ein Rechtsanspruch auf Weiterbildung vorzusehen. Dieser umfasst eine Weiterbildungsberatung und – sofern ein Qualifizierungsbedarf festgestellt wird – die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme. Während der Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme besteht ein Anspruch auf einen Weiterbildungszuschlag in Höhe von 200 Euro monatlich zusätzlich zu den Hartz-IV-Leistungen. Bezogen auf den Bestand an Arbeitslosen werden im Versicherungssystem insgesamt 10,6 Prozent der Arbeitslosen mit Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung gefördert, im Hartz IV System sind es nur 3,5 Prozent. Bei einer Anhebung der Förderintensität auf das Niveau der Arbeitslosenversicherung stiege die Zahl der Geförderten im Hartz-IV-System von heute 69.000 auf 177.000 (Bestand im Jahresdurchschnitt) an. Aufgrund der relativ guten Eingliederungschancen nach einer Weiterbildung – 39 Prozent der Teilnehmer sind ein halbes Jahr nach Ende der Maßnahme sozialversicherungspflichtig beschäftigt – könnte mit einer Förderoffensive schätzungsweise bis zu 200.000 Personen jährlich ein Ausstieg aus Hartz IV gelingen.9
Für einen Teil der Langzeitarbeitslosen mit deutlich verminderten Integrationschancen müssen öffentlich geförderte Arbeitsplätze in einem sozialen Arbeitsmarkt angeboten werden. Primäre und kurzfristige Funktion der geförderten Beschäftigung ist nicht, Übergänge in ungeförderte Beschäftigung zu erreichen. Vielmehr soll die Beschäftigung soziale Teilhabe über Erwerbsarbeit und eine Einkommenserzielung mittels Erwerbsarbeit sicherstellen und dazu beitragen, dass kommunale bzw. gemeinwohlorientierte Angebote ausgeweitet werden. Anders als bei Ein-Euro Jobs müssen diese Arbeitsplätze vollständig sozialversicherungspflichtig sein, dem allgemeinen Arbeitsrecht entsprechen und tariflich bzw. mindestens ortsüblich entlohnt werden. Sie müssen arbeitsmarktnah und sinnstiftend sein. Um Verdrängungseffekte weitgehend auszuschließen, sollten die Tarifparteien vor Ort über die Einsatzfelder der öffentlich geförderten Beschäftigung entscheiden.
Ausgehend von den im Koalitionsvertrag anvisierten 150.000 Förderfällen kann geschätzt werden, dass rund 92.000 geförderte Personen mit 37.000 Kindern10 mit der Beschäftigung im Sozialen Arbeitsmarkt den Hartz-IVBezug überwinden können – falls im Sozialen Arbeitsmarkt existenzsichernde Löhne gezahlt werden und der Kinderzuschlag wie vom DGB gefordert reformiert und verbessert wird.
Mit den skizzierten Ansätzen zur Vermeidung eines Bezugs von Hartz-IV-Leistungen und der Förderoffensive, die Ausstiege aus dem Leistungsbezug schafft, könnte insgesamt die Zahl der Hartz-IV-Bezieher dauerhaft um 1,6 Millionen reduziert werden.
Hartz-IV-Regelwerk grundlegend neu gestalten… … und so das „Hartz-IV-Unwesen“ überwinden und Würde wiederherstellen
Das Vermeiden von Hartz IV sowie das Herausholen bestimmter Personengruppen aus dem Leistungsbezug macht eine grundlegende Umgestaltung des – dann noch verbleibenden – Hartz-IV-Systems keineswegs überflüssig. Denn selbst wenn eine „weltbeste“ Arbeitsförderung durchgesetzt und Vollbeschäftigung erreicht wäre, bleiben Personengruppen, die auf eine ausreichende materielle Absicherung über eine Grundsicherung angewiesen sind. Im Hartz-IV-Bezug sind heute beispielsweise 323.000 Pflegende und Erziehende und 308.000 Kranke. Für diese und weitere Personengruppen ist die Aufnahme einer Erwerbsarbeit zumindest auf kurze Sicht keine Ausstiegsoption. Die Hartz-IV-Regelsätze müssen grundlegend neu ermittelt werden. Sie müssen einen wirksamen Schutz vor Armut bieten und ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe ermöglichen. Der DGB spricht sich dafür aus, eine Sachverständigenkommission einzusetzen, bestehend aus Wissenschaftler/innen, Vertreter/innen der Tarifparteien, von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden sowie von Betroffenenorganisationen. Die Kommission soll eine Empfehlung für den Gesetzgeber entwickeln. Die Leistungen für die Wohnung sollten so ausgestaltet werden, dass die bisherige Wohnung in aller Regel erhalten werden kann und die tatsächlichen Wohnkosten11 erstattet werden, so dass nicht wie heute vielfach nötig ein Teil der Miete aus dem Regelsatz finanziert werden muss. Nur in den Ausnahmefällen luxuriöser, sehr großer oder teurer Wohnungen sollte ein Wohnungswechsel in Betracht kommen. Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Ist die Wohnung in Gefahr, weil sie als unangemessen teuer gilt, löst dies Existenzängste aus, die einer beruflichen Neuorientierung oder aktiven Arbeitsuche entgegenstehen. Die Arbeitsweise der Jobcenter bezüglich Vermittlung, Beratung und Integrationshilfen muss adressatenorientiert ausgerichtet werden und auf Kooperation setzen. Statt Fördermaßnahmen einseitig „überzustülpen“, sollten Integrationsziele und -schritte auf Augenhöhe ausgehandelt und im Einvernehmen verabredetet werden. Eine solche, auf Kooperation setzende Arbeitsweise erhöht auch die Chance für passgenaue und dauerhafte Integrationen in den Arbeitsmarkt.
Das Konzept des „aktivierenden Sozialstaats“ unterstellt, dass Arbeitslose „aktiviert“ werden müssen. Es geht davon aus, dass in vielen Fällen Arbeitslose von sich aus nicht ausreichend „aktiv“ seien und dass das Problem vorrangig im Verhalten der Betroffenen liege. Damit wird das Problem der Arbeitslosigkeit individualisiert und in den Verantwortungsbereich des Arbeitslosen verschoben. Soweit Untersuchungen vorliegen, zeigen diese, dass sich nur ein sehr kleiner Teil der Hilfebezieher/innen im System „einrichtet“ und dass dafür die subjektiven Lebensumstände (wie z.B. Krankheit, Trennung vom Partner) erheblich sind. Das Gros der Hilfeempfänger/innen braucht keine Aktivierung, sondern (neben qualifikationsgerechten Arbeitsplätzen) passgenaue Hilfen bei der beruflichen Eingliederung sowie ggfs. sozial flankierende Leistungen (z.B. Kinderbetreuung, Schuldenberatung). Insofern sind Pflichten und Auflagen, die Arbeitslose zur Arbeitsuche und Arbeitsaufnahme anhalten sollen, für die allermeisten Arbeitslosen schlicht überflüssig, weil es gar nicht an Arbeitsbereitschaft mangelt.
Andererseits erkennt der DGB an, dass in der deutschen Sozialstaatstradition das Prinzip der Gegenseitigkeit strukturprägend ist. Es besteht eine starke normative wechselseitige Bindung in Form von Rechten und Pflichten. Die Solidarbereitschaft und die Bereitschaft als Steuerzahler eine Fürsorgeleistung zu finanzieren korrespondieren mit der Erwartung, dass der Leistungsbezug an „gute Gründe“ geknüpft ist. Insofern kann das Prinzip der Wechselseitigkeit von Rechten und Pflichten die Akzeptanz und Legitimität einer steuerfinanzierten Sozialleistung stärken. Völlig inakzeptabel ist es aber, wenn – wie derzeit bei Hartz IV praktiziert – Pflichten und Sanktionen dazu führen, dass das Existenzminimum unterschritten wird und/oder Arbeitslose in prekäre und niedrig entlohnte Arbeit gezwungen werden.
Die bestehenden Sanktionen untergraben das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum und sind sozialpolitisch in ihrer Schärfe nicht zu vertreten. Das bestehende, existenzbedrohende Sanktionsregime mit seinen Kürzungsschritten in Höhe von 30, 60 und 100 Prozent sowie den verschärften Strafen für unter 25-Jährige ist nicht zu akzeptieren und muss überwunden werden.
Zudem müssen die Zumutbarkeitsregelungen grundlegend entschärft und am Leitbild „Gute Arbeit“ ausrichtet werden: Zukünftig sollen – einheitlich sowohl in der Arbeitslosenversicherung als auch im Hartz-IV-System – nur solche Stellenangebote als zumutbar gelten, die sozialversicherungspflichtig sind und tariflich entlohnt werden. Kommt kein Tarifvertrag zur Anwendung, sind die ortsüblichen Löhne maßgebend. Um Qualifikationen nicht zu entwerten und um eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration zu befördern, gelten in den ersten sechs Monaten der Erwerbslosigkeit Stellenangebote unterhalb des erworbenen Qualifikationsniveaus sowie Leiharbeitsverhältnisse nicht als zumutbare Arbeit, sie sind also freiwillig.
Die bestehenden Sanktionen und Zumutbarkeitsregelungen müssen auch deshalb überwunden werden, weil die bestehenden Regelungen den Arbeitsmarkt in Unordnung bringen. Die Sanktionsdrohung wirkt disziplinierend auf alle Arbeitsuchenden im Hartz-IV-Bezug und verschärft die ohnehin gegebene Macht-Asymmetrie auf dem Arbeitsmarkt zu Lasten der abhängig Beschäftigten und zu Gunsten der Unternehmen: Arbeitsuchende, die wissen, dass sie bei Ablehnung einer Arbeit sanktioniert werden, können nicht frei und selbstbewusst mit Arbeitgebern über Löhne und Arbeitsbedingungen verhandeln. Und die Pflicht, nahezu jede Arbeit annehmen zu müssen, wirkt zusätzlich als Prekarisierungsmotor, der die Menschen in prekäre und niedrig entlohnte Arbeit treibt.
Notwendig ist zudem, die Rechte von Hartz-IV-Leistungsbeziehern zu stärken und die Ressourcen der Jobcenter zu erhöhen und die Arbeitsbedingungen der Jobcenter-Mitarbeiter so zu verbessern, dass eine bürgerfreundliche Arbeitsweise der Jobcenter möglich wird. Würde das Hartz-IV-System entsprechend diesen Vorschlägen grundlegend umgestaltet, dann hätte die „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ ein ganz anderes Gesicht und einen ganz anderen Charakter. Das Hartz-IV-System würde seinen Schrecken verlieren und die sozialstaatlichen Auffangversprechen sowie die Verbesserungen bei den vorgelagerten Sicherungssystemen würden die Ängste vieler Menschen vor sozialem Abstieg deutlich minimieren.“
siehe auch: file:///C:/Users/Admin/Downloads/Soziale-Sicherheit-statt-Hartz-IV-Diskussionspapier-des-Geschaeftsfuehrenden-Bundesvorstandes-des-DGB.pdf Bild: dgb.de
Anmerkungen:
1 DGB Bundesvorstand, Abteilung Arbeitsmarktpolitik: Prekäre Beschäftigung – Herausforderung für die Gewerkschaften, Anregungen und Vorschläge für die gewerkschaftliche Diskussion; abrufbar über ww.dgb-bestellsystem.de 2 Von den 370.000 Arbeitslosen, deren Arbeitslosengeldanspruch im Laufe eines Jahres endet, erfüllen schätzungsweise 220.000 diese Bedingung. 3 INGA steht für „Interne ganzheitliche Integrationsleistung im SGB III“. Bei diesem Programm ist die Arbeitsvermittlung intensiver, arbeitnehmer- und stärkenorientiert, das Personal speziell geschult und der Betreuungsschlüssel deutlich günstiger als im Regelgeschäft der Arbeitsagenturen. 4 Hintergrundinfo für unsere interne Debatte: Das durchschnittliche ALG beträgt zurzeit 962 Euro, Arbeitslose ab 50 Jahren erhalten im Schnitt 1.053 Euro. 5 Die Idee eines Mindestarbeitslosengeldes drängt sich nahezu zwangsläufig auf, wenn der Anspruch ernsthaft eingelöst werden soll, ergänzenden Hartz-IV-Bezug vermeiden zu wollen. Die Forderung ist – sinngemäß – bereits in der DGB-Broschüre „Für eine sozialstaatliche Arbeitsmarktpolitik“ enthalten. 6 Bezahlbare Wohnungen müssen vorrangig über Marktregulierung, eine Begrenzung des Mietanstiegs, mehr Wohnungen im öffentlichen Eigentum und sozi- alem Wohnungsbau geschaffen werden. Die Planung, Genehmigung und der Bau von Wohnungen braucht jedoch Zeit. Für eine Übergangszeit kommt daher dem Wohngeld eine wichtige Brückenfunktion zu. Zwar ist es ordnungspolitisch nicht sinnvoll, das Wohngeld massenhaft und auf Dauer auszuweiten und so Mietforderungen der Vermieter aus Steuermitteln zu bedienen – erst recht nicht, wenn es sich um überzogene Mietforderungen und Gewinnerwartungen der Wohnungseigentümer handelt. Doch ist – ergänzend zur Marktregulierung und zum sozialen Wohnungsneubau – eine temporäre Ausweitung des Wohngelds sinnvoll und notwendig, bis die Wohnungsmärkte wieder entspannter sind. 7 DGB-Positionspapier: Geringverdienende unterstützen, Kinderarmut überwinden; siehe: http://www.dgb.de/-/EN8 8 Der jahresdurchschnittliche Bestand an Hartz-IV-Beziehern kann durch die vorgeschlagenen Maßnahmen um 1,4 Millionen Personen reduziert werden. Die genannten Zahlen zu vermiedenen jährlichen Zugängen ins Hartz-IV-System, nahezu 100.000 aufgrund des erleichterten Zugangs zum Arbeitslosengeld sowie 220.000 aufgrund des Verbleibs von langjährig Beschäftigten im Versicherungssystem, mindern den Jahresdurchschnitt des Bestands nicht in der gleichen Größenordnung, da im heutigen Vergleichsszenario ein Teil der Zugänge das Hartz-IV-System im Laufe eines Jahres auch wieder verlassen. 9 Die genannten bis zu 200.000 Eingliederungen in den Arbeitsmarkt errechnen sich nicht aus der genannten, erhöhten Bestandzahl von 177.000 Teilnehmern an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung. Vielmehr ist die Eingliederungsquote von 39 Prozent auf die Zahl derer, die im Laufe eines Jahres eine Weiterbildung beenden, zu beziehen. Die Zahl dieser „Abgänge“ aus Bildungsmaßnahmen liegt um den Faktor 2 über der Bestandszahl. 10 In der Regel wird nur eine Vollzeiterwerbstätigkeit zu einem Einkommen führen, das unabhängig von Hartz IV macht. Die Schätzung berücksichtigt, dass eine Vollzeiterwerbstätigkeit nicht für alle möglich ist, beispielsweise weil dem gesundheitliche Einschränkungen oder eine fehlende Kinderbetreuung entgegenstehen. 11 Zwar ist es dringend geboten, überzogenen Mietforderungen entgegenzutreten. Dies muss jedoch über Marktregulierung und eine Begrenzung der Mietsteigerungen geschehen und nicht zu Lasten von Hartz-IV-Beziehern über nicht kostendeckende Leistungen für die Wohnung.