GEGEN LINKE REDEN – Die Politisierung beruflicher Bildungsarbeit in der Bundesrepublik der 1970er-Jahre

Von Franziska Rehlinghaus

Ab Mitte der 1960er-Jahre avancierte Weiterbildung auf internationaler Ebene zum dreifachen Schlüssel gesellschaftlicher Zielvorstellungen: Sie versprach ökonomische Prosperität, soziale Gerechtigkeit und individuelle Selbstverwirklichung. Durch diesen umfassenden Anspruch lösten sich die Grenzen zwischen beruflicher und politischer Bildung auch in der Bundesrepublik auf. Weiterbildung wurde hier zum Kampfplatz divergierender politischer Ordnungsmodelle, deren Legitimität unter dem Eindruck der Proteste um 1968 zwischen den Vertretern von Arbeit und Kapital besonders vehement ausgefochten wurde.

Der Beitrag analysiert, wie Unternehmen und ihre Interessenverbände bewusst in die politische Bildung einstiegen, um sie im Sinne der eigenen Gesellschaftsideale zu einem wirksamen Instrument der Personalentwicklung zu machen. Im Zentrum stand dabei die Einübung politischer Kommunikation als eine Form der Selbstermächtigung gegen linke Herausforderer.

Am Beispiel von Marxismus- und Dialektik-Seminaren für Führungskräfte aus Unternehmen wird gezeigt, wie diese politische Schulung auf eine Stärkung der Gruppenidentität und eine Transformation individueller Selbstverhältnisse zielte. Komplementär dazu versuchten die Arbeitgeber, die Weiterbildung für Betriebsräte zu entpolitisieren und sie dem Einfluss der Gewerkschaften zu entziehen.

1972 verkündete der Vizepräsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) Hanns Martin Schleyer, dass das Überleben des wirtschaftlichen »Wertesystems« vom Kampf um die Zustimmung der Arbeitnehmer abhänge. Deshalb sei auch deren Aus- und Fortbildung wichtig: Der »deutlich sichtbare Zuwachs an Mündigkeit und Selbstbewußtsein« solle nicht als Gefahr betrachtet werden, sondern als »ein wertvolles Potential, dessen sich die Unternehmensführung […] bedienen muß«. Die Umlenkung von Kritik am Wirtschaftssystem in Arbeitsleistung sei eine Aufgabe, mit der die Unternehmen ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung gerecht würden…

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