Geplante Änderungen im Bürgergeldgesetz – Umsetzung der „Wachstumsinitiative“

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat eine sog. Formulierungshilfe für die Regierungsfraktionen vorgelegt, mit dem hauptsächlich die in der „Wachstumsinitiative“ angekündigten Änderungen im Bürgergeld rechtlich verbindlich umgesetzt werden sollen. Die Frist für die Erarbeitung einer Stellungnahme war extrem kurzfristig. Daher hat der Paritätische keine Stellungnahme abgegeben. An dieser Stelle soll gleichwohl über die zentralen Inhalte informiert werden.
Am Freitag, den 27. September hatte das Bundesministerium eine Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der FDP: „Neuregelungen im SGB II und SGB III zur Umsetzung von Vorhaben der Wachstumsinitiative im Bereich Arbeitsmarkt“ an die Verbände mit der Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum Montag, den 30. September, 16 Uhr geschickt. Angesichts der Komplexität der Regelungsinhalte ist dies eine unangemessen kurze Frist. Eine fundierte Auseinandersetzung war in dieser Frist nicht möglich. Der Paritätische hat daher auf die Abgabe einer Stellungnahme verzichtet.Die Formulierungshilfe soll nunmehr als Änderungsantrag der Regierungsfraktionen in ein laufendes Gesetzgebungsverfahren zur „Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung“ (Drucksache 20/12779) eingebracht und beschlossen werden. Zu diesem Gesetz ist für den 4. November eine Anhörung im Bundestagausschuss Arbeit und Soziales geplant. Ob die Formulierungshilfe ebenfalls Gegenstand der parlamentarischen Anhörung sein wird, ist derzeit noch nicht ersichtlich.An dieser Stelle sollen gleichwohl die Inhalte der Formulierungshilfe dargestellt und summarisch bewertet werden.

Die Inhalte gehen zum größten Teil auf die „Wachstumsinitiative“ der Bundesregierung zurück (vgl. dazu: Fachinfo vom 8. Juli 2024). Der Druck auf die Leistungsberechtigten im Bürgergeld eine Beschäftigung anzunehmen, soll erhöht werden, inbesondere durch die verschärfte Androhung von Sanktionen und die Verschärfung von Vorschriften zur zumutbaren Pendelzeit oder zum Umzug. Daneben gibt es einzelne unterstützende Änderungen, wie die Anschubfinanzierung für die erfolgreiche Aufnahme von bedarfsdeckender sozialversicherungspflichtigter Erwerbsarbeit und Ergänzungen bei der Arbeitsförderung, die nicht Gegenstand der Wachstumsinitiative waren.

Im Einzelnen:

Änderungen im SGB II:

* Die zentrale Maßnahme ist die (erneute) Verschärfungen der Sanktionsregeln. Hier wird zunächst Schwarzarbeit als zusätzliche sanktionsbewehrte Pflichtverletzung eingeführt. Wer wegen Schwarzarbeit rechtskräftig belangt wurde, wird darüber hinaus zusätzlich noch einmal im Bürgergeld sanktioniert. Die Rechtsfolgen einer sog. Pflichtverletzung, also die Ablehnung oder der Abbruch einer zumutbaren Arbeit, Ausbildung oder Eingliederungsmaßnahme, werden verschärft: es werden nunmehr (wieder) 30 Prozent des Regelbedarfs für drei Monate gekürzt. Auch bei Meldeversäumnissen soll der Regelbedarf nunmehr um 30 Prozent (für einen Monat) gekürzt werden. Dies ist sogar strenger als zu den Hartz IV Zeiten vor der Bürgergeldreform.

* Die Zumutbarkeitsbedingungen nach § 10 SGB II werden gesetzlich verschärft: die zumutbare Pendelzeit soll um eine halbe Stunde verlängert werden, d.h. bei einer Beschäftigungszeit von mehr (weniger) als 6 Stunden wird eine Pendelzeit von 3 Stunden (2 1/2 Stunden) als zumutbar normiert. Dramatischer noch: ein Umzug soll bereits zumutbar sein, wenn eine Verringerung der Hilfebedürftigkeit realisiert werden kann. Für Leistungsberechtigte mit „familiären Bindungen“ gelten diese Regeln nicht.

* Die Karenzzeit beim Schonvermögen soll von 12 Monaten auf 6 Monate verkürzt werden.

* Für Geflüchtete wird die Einführung einers verpflichtenden „Integrationspraktikums“ rechtlich verankert (§ 16j SGB II). Gefüchtete können sechs Monate nach Beendigung eines Integrationskurses zu einem derartigen Praktikum verpflichtet werden.

* Die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Erwerbsarbeit durch Langzeitarbeitslose soll mit einer sogenannten Anschubfinanzierung prämiert werden. Nach 12 Monate Erwerbsarbeit (davon zumindest die letzten sechs Monate: bedarfsdeckend) soll auf Antrag eine Prämie von 1.000 Euro gezahlt werden.

* Desweiteren wird die Möglichkeit passive Leistungen für die Arbeitsförderung einzusetzen („Passiv-Aktiv-Transfers“) gesetzlich im SGB II geregelt und ausgeweitet. Bislang war ein Passiv-Aktiv-Transfers lediglich auf der Grundlage eines Haushaltsvermerks bei dem Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) möglich. Zukünftig sollen eingesparte Mittel für die Deckung des Lebensunterhalts bis zu max. 50 Prozent für weitere Maßnahmen der Arbeitsförderung eingesetzt werden können (bei Aufnahme einer soz-ver. Beschäftigung nach § 16 Abs 1 S. 2 Nr. 5, § 16b, 16e SGB II). Diese Umwidmung der Mittel ist bis zu einer Gesamthöhe von max. 700 Mio. Euro / Jahr möglich.

SGB III:

* Neu eingeführt wird die sog. Erprobung einer Beschäftigungsperspektive  (§ 45a SGB III). Danach soll es zukünftig mit Unterstützung der Agentur für Arbeit ermöglicht werden, in einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis für vier Wochen eine andere Arbeit bei einer anderen Arbeitsstelle zu erproben.

* Arbeitgeber, die Beschäftigte für berufsbegleitende Berufssprachkursen ( § 134) freistellen, werden zukünftig –  je nach Größe des Betriebs unterschiedlich – finanziell unterstützt.

Aufenthaltsgesetz

* Für Drittstaatengehörige, die in Deutschland im Rahmen von Leiharbeit erwerbstätig sind, wird unter bestimmten Bedingungen ein Aufenthaltstitel erteilt. Für diese Leiharbeitenden gilt der Grundsatz des „Equal Pay“, also Bezahlung nach den Standards der inländischen Beschäftigten.

Die Änderungen im SGB II stellen eine Rolle rückwärts in der Politik der Bundesregierung dar. Die Maßnahmen konterkarieren die Ziele und Absichten der Bürgergeldreform und nehmen Verbesserungen  – insbesondere bei den Sanktionen und beim Schonvermögen – wieder zurück. Statt bessere Qualifizierung, soziale Sicherheit und Respekt zu realisieren, wird wieder auf mehr Druck, Kontrolle und weniger Rechte für die Leistungsberechtigten gesetzt.

 

 

 

 

 

Quelle und weitere Infos: https://www.der-paritaetische.de/

Bild: paritätische