Ein Gespräch mit Tobias Pflüger
Von Tobias Pflüger und Gitta Düperthal
Der künftige Kanzler Friedrich Merz von der CDU hat eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen. Eine Regierung mit der SPD ist aktuell am wahrscheinlichsten. Erwarten Sie unter einer »schwarz-roten« Koalition noch mehr Militarisierung?
Die Aufrüstung nach der Wahl war angekündigt. Im Wahlkampf redete zwar kaum jemand darüber, aber es war klar: Sie wird kommen. Beim Wettbewerb der Prozentzahlen bei Militärausgaben – zwei, 3,5 oder fünf Prozent – wurde ausgespart, was das für unsere Gesellschaft real bedeutet. Es gab durchaus Presseberichte, was zu erwarten ist, wie beim Spiegel unter dem Titel »Der Wehrschwindel«. Das Handelsblatt forderte zum Ausbau des künftigen Militärhaushalts auf, unter anderem auch für atomare Aufrüstung. Jetzt läuft es auf die Koalition mit der SPD hinaus.
Die rüstungswillige Union wäre mit den Grünen »billiger« dran gewesen, hätte weniger aushandeln müssen. Doch auch die SPD hat die Friedenstauben weitgehend »entsorgt«. So gibt etwa Rolf Mützenich jetzt den Fraktionsvorsitz ab. Es ist davon auszugehen, dass die NATO neue Vorgaben für Aufrüstung von etwa drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausgeben wird. Die EU, mit der Kommissionsvorsitzenden Ursula von der Leyen, hat eine Umgehung der Defizitkriterien für Mitgliedstaaten mit der sogenannten Ausweichformel vorbereitet. Und: Das Aufrüsten wird mit Kürzungen im Sozialbereich einhergehen.
Personal steht bereit: Boris Pistorius von der SPD würde sich anbieten, sowie auch die Exmilitärs und Unions-Abgeordneten Roderich Kiesewetter oder Johann Wadephul.
Pistorius hat die »verteidigungspolitischen Richtlinien« zu verantworten, mit dem Ziel: »Kriegstüchtigkeit« der gesamten Gesellschaft. Kiesewetter und Wadephul sind ständige Wegbereiter der Aufrüstung. Die Hauptantreiber kommen in die wesentlichen Positionen. Das kann sehr gefährlich werden, weil es kaum mehr relevante Bremsklötze gibt.
Das CDU-Programm verheißt, die Truppenstärke zu erhöhen. Die Union setzt auf ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr, das eine Musterung beinhalten soll. Was bedeutet das?
Merz hat als zentralen Punkt benannt, dass die Bundeswehr mehr Geld erhalten soll. Er will die sogenannte »aufwachsende Wehrpflicht« einführen. Dabei geht es um eine Wiederinkraftsetzung der Wehrpflicht für alle Geschlechter. Sobald diese angesagt ist, wird es vermutlich leichter, Widerstand zu organisieren – weil es mehr Menschen direkt betrifft.
Obwohl unklar ist, was der US-amerikanische und der russische Präsident in bezug auf die Ukraine verhandeln, will Merz den Marschflugkörper »Taurus« liefern.
Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Wahltaktisch hatte SPD-Kanzler Olaf Scholz diesen Schritt abgelehnt. Das ist jetzt vorbei. Annalena Baerbock von den Grünen hat sich verplappert, dass die Aufrüstung der Ukraine großteils über die EU und deren Mitgliedstaaten laufen soll. Trump will vor allem Zugang zu den seltenen Erden in der Ukraine, woran aber auch die EU Interesse hat. Sobald Waffen wie der »Taurus« an die Ukraine geliefert werden, sind sie im Umlauf. Das ist eine gefährliche Entwicklung.
Militärhistoriker wie Sönke Neitzel schnuppern Morgenluft: Eine deutsche Streitmacht müsse sich von ihrer Doktrin der Beweglichkeit zur Feuerkraft umorientieren. Was ist damit gemeint?
Es wird vorbereitet, einen eigenen Angriffskrieg führen zu können. Neitzel liefert die rhetorische Begleitmusik, um dies in die Gesellschaft so einzuhämmern, dass es keinen allzu großen Widerstand hervorruft. Ziel ist, die Gesellschaft in allen Bereichen zu militarisieren. Bayern hat das Bundeswehrfördergesetz auf den Weg gebracht, im Gesundheitsbereich steht uns einiges bevor.
Wie kann die Friedensbewegung dagegen halten?
Wir sind an dem Punkt, an dem mit Sozialabbau verbundene Aufrüstung konkret angekündigt ist. Rechtsentwicklung geht stets mit Militarisierung und Repression nach innen einher. Friedenskräfte und Linke sind aufgefordert, sich dem entgegenzustellen. Die neu erstarkte Fraktion Die Linke im Bundestag muss Teil unserer Bewegung, mit Protesten und Widerstand dagegen, sein.
Quelle: https://www.imi-online.de/ Bild: Symbolbild