Die wichtigsten Maßnahmen der aktuellen Militarisierung der Gesellschaft sind die massive Anwerbekampagne der Bundeswehr und die angekündigte, teilweise Reaktivierung der Wehrpflicht. Bei diesen Kampagnen geht es nicht nur darum, die „Personalnot“ der Bundeswehr zu beheben, sondern auch um die Truppe wieder zur „Schule der Nation zu machen“. Dort sollen die jungen Menschen wieder „dienen lernen“ und die allgemeine Dienstpflicht wird als Gemeinschaft und „Solidarität in den Schützengräben“ beschworen.
In diesem Zusammenhang ist auch ein geplantes Kinderferienprogramm in Kellmünz an der Iller zu sehen, bei dem Kinder mit Soldaten der Bundeswehr zusammenarbeiten sollen. Dies wird von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert, sie befürchtet eine Früh-Militarisierung und sieht die Veranstaltung als problematisch an. Der Bürgermeister von Kellmünz verteidigt das Programm und betont den persönlichen Kontakt zwischen Kindern und Soldaten.
Für einen Unkostenbeitrag von zwölf Euro wird das zweitägige „Kinderferienprogramm mit der Bundeswehr“ vom Rathaus Kellmünz in Kooperation mit der „Gefechtsstandstaffel Multinationales Kommando Operative Führung“ für Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren angeboten.
Die Gemeinde Kellmünz (Kreis Neu-Ulm) will im August an zwei Tagen Kinder und Soldaten einer Ulmer Gefechtsstaffel zusammenbringen. Das Ferienprogramm wird für sechs bis zwölf Jahre alte Kinder in den Sommerferien veranstaltet und zwar gemeinsam mit einer „Gefechtsstaffel“ des Multinationalen Kommandos Operative Führung aus Ulm. Geworben wird mit einem Plakat in Tarnfarben, auf dem sieht man Kinder, die ein Militärfahrzeug bestaunen.
Die GEW übt scharfe Kritik: Es handele sich um eine „Kinderfreizeit im Flecktarn“ und hält eine Ferienfreizeit mit Unterstützung des Militärs für problematisch: „Da haben wir eben Themen wie potenzielle Kriegseinsätze, geistige, seelische und körperliche Verletzungen, die da im Raum stehen“, sagte die Bayerische Landesvorsitzende der GEW, Martina Borgendale. „Und das halte ich für Kinder in dem Alter einfach für unangemessen.“
Der Bürgermeister von Kellmünz, Michael Obst (CSU), selbst Bundeswehroffizier der Reserve, versteht die Aufregung gar nicht und wiegelt ab: „Die kommen mit Lastwagen, die grün sind, weil sie einen Haufen Material mitbringen. Die haben eine Hüpfburg im Gepäck, die haben Grillsachen dabei. Also alles, was man halt braucht, um 25 bis 30 Kinder zwei Tage lang gut zu unterhalten.“ Er sagt weiter: „Es geht letztendlich auch darum, dass der Bezug zur Bundeswehr ganz bewusst wahrgenommen wird. Und das möchten wir auch nicht verstecken.“ Als „Highlight“ sei auch geplant, einen Hubschrauber vom Hubschraubergeschwader Laupheim (Kreis Biberach) in Kellmünz landen zu lassen.
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Während die Information der Anmeldung zu Teilnahme an dem Ferienprogramm vom 10.06.2025 noch recht einsilbig gehalten ist…
Kinderferienprogramm mit der Bundeswehr
- 10.06.2025
- Markt Kellmünz
Allgemeine Informationen zum Kinderferienprogramm 2025
Termin: 13.08.2025 09:00 Uhr bis 14.08.2025 15:00 Uhr
Teilnehmeralter: 6 bis 12 Jahre
Die Teilnehmerzahl konnte auf max. 32 Kinder erweitert werden.
Kosten: Der Unkostenbeitrag beträgt 12 € und wird bei Veranstaltungsbeginn eingesammelt.
Anmeldung: Die Anmeldung ist bis 25.07.2025 im Rathaus
Kellmünz persönlich, per E-Mail oder telefonisch durchzuführen.
E-Mail: rathaus@, Tel. 08337 2…
Öffnungszeiten: Mo, Di und Do von 8:00 bis 12:00 Uhr und Do 16:00 bis 18:00 Uhr
Für die Anmeldung benötigen wir folgende Daten: Name, Adresse und Alter des Kindes sowie Kontaktdaten eines Erziehungsberechtigten (Erreichbarkeit während der Veranstaltung).
- Kellmünzer Kinder werden bei der Anmeldung bevorzugt berücksichtigt; es sind noch wenige einzelne Plätze verfügbar.
- Auswärtige Kinder konnten sich auf eine Warteliste setzen lassen. Aufgrund der großen Nachfrage können wir hierfür keine Anmeldungen mehr entgegennehmen.
- Nachmeldungen direkt am Platz sind nicht mehr möglich.
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… sehen die „Spielkameraden“ der Kinder in ihren Ferien so aus:
Sie gehören zur „Gefechtsstaffel“ des Multinationalen Kommandos Operative Führung aus Ulm. Aus diesem NATO-Kommando der Bundeswehr werden Auslandseinsätze, wie z. B. in Litauen oder Norwegen koordiniert. Das „Multinationale Kommando Operative Führung“ dient der Absicherung von Übungs- und Kriegseinsätzen mit bis zu 60.000 NATO-Soldatinnen und Soldaten aus verschiedenen Ländern unter dem Kommando der Bundeswehr.
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Gezielte Anwerbung und Kriegsvorbereitung
Die Bundeswehr hat im vergangenen Jahr über 2.200 Minderjährige an Waffen ausgebildet. Aktuell ist etwa jede zehnte Person bei der Rekrutierung minderjährig.
Um die Zahlen weiter zu erhöhen werden öffentlichkeitswirksam z.B. „Tage der Bundeswehr“ veranstaltet, dort krabbeln dann schon kleine Kinder durch Panzer hindurch. Jugendliche erhalten Postkarten, auf denen steht: „Tu was für dein Land“. Bei Abenteuer- und Sportevents, Ausstellungen, Messen, in Jobcentern, Arbeitsagenturen und Berufsinformationszentren wirbt die Bundeswehr offensiv Jugendliche an. Es geht um „Fun und Abenteuer“, um das „Wir gemeinsam“. Über Medien wie Facebook, Snapchat oder Instagram wirbt die Bundeswehr mit Videoclips, die als Abenteuerserien aufgebaut sind. Risiken von Kriegseinsätzen werden ausgeblendet. Dabei geht es beim Militär aber konkret darum, mit Waffen auf Menschen zu schießen, also ums Töten, Verwunden und Sterben. Selbst der Zivildienst dient dazu, um auf den Kriegsdienst vorzubereiten, wie die Arbeit in Hospitälern zeigt.
Verantwortlich ist die Bundesregierung
Im Koalitionsvertrag von 2021 hatten die damaligen Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP noch vereinbart, dass nur Volljährige an der Waffe ausgebildet werden sollen. Die Bundeswehr argumentiert aber erfolgreich damit, dass ihre minderjährigen Rekruten gegenüber gleichaltrigen Berufseinsteigern im zivilen Bereich benachteiligt wären, wenn sie mit ihrer Ausbildung bis zum 18. Geburtstag warten müssten und die 17-Jährigen würden ja generell nicht in Einsätze geschickt.
Gleichzeitig werden die Auftritte von Jugendoffizieren der Bundeswehr an Schulen erheblich ausgebaut und Jugendliche bewusst angeworben. Der Einsatz ist schon gewaltig: Nach Angaben des Verteidigungsministeriums waren Mitte Juli diesen Jahres 85 Jugendoffiziersposten besetzt. 2023 hielten sie an Schulen und Hochschulen 3.460 Vorträge und erreichten damit etwa 90.000 Schüler und Studenten.
Auch hier weist das Verteidigungsministerium den Vorwurf der Militarisierung im Zusammenhang mit Jugendoffizieren zurück, diese würden sich auch der Diskussion mit militärkritischen Positionen stellen.
Die Anwerbungsversuche durch Jugendoffiziere in Schulen oder Karriereberater auf Berufsmessen sind immer erfolgreicher. Im Jahr 2024 waren 10.6 Prozent der rekrutierten jungen Leute nicht volljährig.
Das Ziel der Bundeswehr, mehr Jugendliche für die Ausbildung an der Waffe zu gewinnen und begeistern, ist im Zusammenhang mit der Kriegstüchtigmachung unserer Gesellschaft bis 2029 zu sehen. Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) sieht darin ein zentrales Mittel, um die Truppenstärke anzuheben. Es sollen 400.000 Schüler einen Fragebogen ausfüllen, der nach geeigneten Rekruten abfragt und diese verpflichtend zu einem Musterungstermin einlädt.
Ergänzen sollen die Indoktrinationsversuche speziell ausgebildete Jugendoffiziere, Unterrichtsmaterialien mit dem Ziel, friedenspolitische Inhalte in „sicherheitspolitische“ Bildung umzuwandeln und die Propaganda in den (vor allem den „sozialen“) Medien und mit Werbekampagnen im gesellschaftlichen Leben begleiten.
Wie stark die Werbung der Bundeswehr auf Jugendliche wirkt, zeigt sich spätestens dann, wenn die jungen Menschen die Bundeswehr trotz Vertrages wieder verlassen wollen. Der rüde Umgangston und der alltägliche Militärdienst belasten sie enorm und können zu schweren psychischen Problemen führen kann.
Vereinte Nationen kritisieren die Bundesregierung wegen der gezielten Rekrutierung Minderjähriger
Die Vereinten Nationen kritisieren die Bundesregierung immer wieder wegen der gezielten Rekrutierung Minderjähriger und fordern sie schon seit 2008 auf, das Mindestalter für die Bundeswehr auf 18 Jahre zu erhöhen, so wie es 150 andere Länder bereits getan haben. Obwohl Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert hat, plant die Bundesregierung hier keine Änderungen. Sie verweist immer wieder auf eine Ausnahmeregelung für staatliche Armeen in einem Zusatzprotokoll der UN-Kinderrechtskonvention. Diese wäre nur zulässig, wenn alle Kinderrechte der Konvention eingehalten werden könnten. Dass dies bei der Bundeswehr nicht der Fall ist, wurde vielfach belegt und wird durch die neuen Daten wieder bestätigt.
Die Haltung der Bundesregierung ist völlig rückständig, denn nur noch wenige Staaten weltweit nutzen die Ausnahmeregelung, mehr als dreiviertel aller Staaten rekrutieren Soldaten frühestens, wenn sie volljährig sind.
Junge Menschen werden skrupellos ausgenutzt
Die massive Anwerbekampagne der Bundeswehr und die angekündigte, teilweise Reaktivierung der Wehrpflicht sind wichtige Maßnahmen der aktuellen Militarisierung der Gesellschaft.
Während man an der Bildung junger Menschen offenbar hemmungslos sparen kann, sind sie für Kriegseinsätze und Aufrüstungsbestrebungen anscheinend gut genug.
Der direkte Einfluss der Bundeswehr auf den Unterricht verschlechtert nachhaltig die konkreten Bildungsbedingungen. Das Versprechen einer allseitigen Bildung, die jeden jungen Menschen zur kritischen Auseinandersetzung mit den herrschenden Zuständen befähigen sollte, wird angegriffen. Die Zukunftsängste der Jugend vor Krieg, schlechten Ausbildungsbedingungen, sinkenden Reallöhnen, Ausgrenzung, Abstieg und Wirtschaftskrisen nutzt die Bundeswehr schamlos aus. Sie stellt sichere und Abenteuer bietende Arbeitsplätze in Aussicht.
In der Wirklichkeit marschieren die jungen Menschen für die Interessen der Unternehmen in den Krieg. Sie sollen wieder „dienen lernen“, dabei dienen sie lediglich als Kanonenfutter.
Quellen: Schattenbericht Kindersoldaten 2007, 2013, 2019 (offizielle Dokumente im UN-Staatenberichtsverfahren zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention durch Deutschland), Friedensforum Bonn, Studie „Why 18 matters – eine Analyse der Rekrutierung von Kindern“ (2019), Kampagne „Unter 18 nie“ Bild: Gemeinde Kellmünz