Krisengewinner: Insolvenzgerichte

Im Jahr 2019 meldeten in Deutschland 19.005 Firmen Insolvenz an und es gab 86.838 Privatinsolvenzen.  Die durchschnittliche Schadenssumme je Insolvenzfall betrug für die privaten Insolvenzgläubiger, dazu zählen beispielsweise Banken, Lieferanten und sonstige Kreditgeber, 910.000  Euro. Zu den Leidtragenden einer Insolvenz zählen immer auch die Beschäftigten des insolventen Unternehmens. Die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze summierte sich deutschlandweit auf  218.000.

Für das Jahr 2020 rechnen Experten mit mindestens zehn Prozent mehr Insolvenzverfahren und mit einer Schadenssumme von insgesamt 223,5 Milliarden Euro.

Aber es gibt in den Insolvenzverfahren auch Gewinner, dazu gehören auch die Insolvenzgerichte.

Das Insolvenzgericht ist in Deutschland für die Durchführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens für natürliche Personen (IK ) und des Regelinsolvenzverfahrens (IN) für Unternehmen, Selbständige und Freiberufler zuständig.

Es gibt 149 Amtsgerichte, die für diese Aufgaben zuständig sind:

  • Eröffnung oder Ablehnung und Beendigung des Insolvenzverfahrens
  • Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters
  • Prüfung des Insolvenzantrags
  • Ernennung und Beaufsichtigung des Insolvenzverwalters
  • Festsetzung der Verwaltervergütung
  • Beschlüsse zum Gläubigerausschusses
  • Beschlüsse zur Gläubigerversammlung

und die Durchführung des Schuldenbereinigungsplanverfahrens.

Mit der Durchführung der  Insolvenzverfahren an den fast 150 Amtsgerichten sind nicht nur die Insolvenzrichterinnen im Insolvenzrichter betraut, sondern auch die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, die das Verfahren nach Verfahrenseröffnung begleiten und nicht zu vergessen die unzähligen Justizfachangestellten.

Als die Insolvenzordnung zum 01.01.1999 in Kraft trat, mussten die überschuldeten und zahlungsunfähigen Menschen die Kosten für das Insolvenzfahren von damals rund 1.200 D-Mark vor der Eröffnung beim Amtsgericht einzahlen. Das war für die meisten Schuldner ein unlösbares Problem, weil sie das Geld nicht aufbringen konnten, da die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag  ja die Zahlungsunfähigkeit ist. Die Proteste der Schuldner und ihrer Vertreter fanden in NRW offene Ohren und es wurde geregelt, dass die Verfahrenskosten für die Dauer des Verfahrens gestundet und analog zur Beratungs- und Prozesskostenhilfe danach zurückgefordert werden können.

Stundung der Verfahrenskosten

Voraussetzung für die Stundung  ist, dass das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichend ist, um die Verfahrenskosten zu decken und das keine Versagungsgründe vorliegen.

Die Aufhebung der Stundung der Verfahrenskosten durch das Insolvenzgericht hat in den vergangenen Jahren in den laufenden Verbraucherinsolvenzverfahren zugenommen, auch um die Kosten der Verfahren insgesamt zu senken. Nach § 4 c Nr. 1 InsO kann das Gericht die Stundung aufheben, wenn der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben über Umstände gemacht hat, die für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Stundung maßgebend sind oder eine vom Gericht verlangte Erklärung über seine Verhältnisse nicht abgegeben hat.

Mit der Aufhebung der Verfahrenskostenstundung werden die Kosten in einer Summe fällig. Die Summe kann naturgemäß kaum ein Schuldner aufbringen, sodass das gesamte Verfahren beendet wird und die verbliebenen Schulden ebenfalls fällig werden.

In diese Situation können Schuldner recht häufig geraten, wenn z.B. die Schreiben des Insolvenzverwalters oder des Gerichts ihnen nicht zugestellt werden konnten, was in den „Problemhäusern“ der Großstädte häufig der Fall ist oder die Unterlagen beim Insolvenzverwalter oder beim Insolvenzgericht eingereicht wurden, ohne  dass die Schuldner eine Empfangsbestätigung erhalten haben, dann vorgeblich nicht vorhanden sind und ihnen mangelnde Mitwirkung unterstellt wird.

Einige Rechtspfleger sind bei der Aufhebung der Stundung  der Verfahrenskosten recht kreativ geworden und der einzelne Schuldner ist ihnen ohne anwaltliche Hilfe schutzlos ausgeliefert.

Eine weitere Möglichkeit den Schuldner zur Zahlung der Verfahrenskosten zu zwingen, ist die Behauptung des Gerichts, dass eine Verlängerung, also die Fortsetzung der bereits gewährten Stundung nur möglich sei, solange das Verfahren noch anhängig, also noch nicht abgeschlossen ist. Wenn der Schuldner im Rahmen der Beschwerde gegen den Beschluss vorgeht und das Gericht darauf hinweist, dass es nach § 4 b der Insolvenzordnung keine Ausschlussfrist gibt und somit eine Verlängerung der Verfahrenskostenstundung möglich ist, bekommt der Schuldner recht und die Verlängerung der Verfahrenskostenstundung wird gewährt.

Manchmal aber, wenn das Landgericht nach Anhörung des Schuldners der Beschwerde stattgegeben, der Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen wird, bleibt der gesamte Vorgang so lange in der Schublade liegen, bis die Frist von 4 Jahren nach Verfahrensende abgelaufen ist, in der die Kosten vom Gericht eingefordert werden können.

Vollstreckung der Verfahrenskostenzahlung

Schwierig wird es für die Schuldner immer dann, wenn die Oberjustizkasse die Verfahrenskostenzahlung in einer Summe vollstreckt, was zunehmend häufiger vorkommt und das Insolvenzgericht nicht mehr beteiligt ist. Er hat auch dann die Möglichkeit einen Antrag auf Verfahrenskostenstundung zu stellen, wenn er keine pfändbaren Einkommensanteile erwirtschaftet, doch das durchzusetzen ist äußerst schwierig.

Der Rückgang der Insolvenzverfahren in den letzten Jahren hat auch damit zu tun, dass Personal in den Insolvenzberatungsstellen abgebaut wurde oder Stellen zwar ausfinanziert, aber nicht besetzt sind. Damit ist vielen überschuldeten Menschen, die das Verbraucherinsolvenzverfahren anstreben, der Weg versperrt, weil für das Verfahren eine außergerichtliche Einigung mit Hilfe einer anerkannten und geeigneten Insolvenzberatungsstelle vorgeschaltet ist. Sie müssen lange Wartezeiten in Kauf nehmen oder die teuren, teils unseriösen gewerblichen Beratungsstellen kontaktieren, um die außergerichtliche Einigung zu versuchen.

Rückgang der Verfahren

Der jahrelange  Rückgang der Verfahren bis in das Jahr 2020 hinein hat bei den Gerichten Befürchtungen genährt, dass Stellen abgebaut und Versetzungen notwendig werden. Man ist an den einzelnen Gerichten deshalb an bleibenden oder höheren Fallzahlen interessiert. Das scheint auch ein Grund dafür zu sein, dass der Trend, wachsender Anzahl von Verfahren, die auf einen Gläubigerinsolvenzantrag beruhen, von den Gerichten begrüßt wird. Hier tun sich derzeit vor allem die Kommunen als Gläubiger hervor, um die Schuldner unter Druck zu setzen und sämtliche Vollstreckungswerkzeuge, auch bei geringen Forderungen, anwenden und verursachen zusätzlich enorme Kosten.

Aufgrund der prognostizierten Pleitewelle zum Jahresende 2020 oder spätesetens nach den Bundestagswahlen brauchen die Beschäftigten bei den Insolvenzgerichten keine größeren Zukunftsängste machen.

 

 

 

Quellen: Insolvenzordnung, insolvenz-portal.de, Statistisches Bundesamt, AG Schuldner- und Insolvenzberatung, Stadt Dortmund, Creditreform
Bild: pixabay cco