Nordstadt-SPD im Sinkflug: schlimmer geht´s nimmer – sowas kommt von sowas

Das waren noch Zeiten, als man als Nordstadt-SPD-Mitglied sich eingebunden fühlen konnte in so etwas wie in eine SPD-/Gewerkschaftskultur. Da waren im Ortsverein noch über 350 Mitglieder, von denen rund 20 Prozent, manchmal Vertreter aller 3 Generationen einer Familie, zu den monatlichen Ortsvereinsversammlungen kamen.

Da wurde das Klientelsystem gepflegt und am Rande der Sitzung konnte die Mutter den Rechtsanwalt zur Seite nehmen, damit der sich für den missratenen Bengel, der mal wieder etwas ausgefressen hatte, einsetzte und einen Brief schrieb. Da machte der Fraktionsvorsitzende in der Bezirksvertretung als Barfußarzt noch spät abends bei den Genossen Hausbesuche. Da versprach der Vorsitzende, sich beim Parteifreund Steuerberater für den Ausbildungsplatz der Tochter einer verwitweten Genossin, die Leistungen vom Sozialamt bezog, nachzuhaken. Da konnte die Frau eines griechischen Kleinselbständigen, der in Konkurs gegangen war, bei der Stadt als tarifbezahlte Reinigungskraft anfangen, um die Familie vorerst durchzubringen. Da kam der Kassierer einmal im Monat samstags um 10.00 Uhr, leicht angesäuselt, um den Beitrag zu holen und die Marke fürs Parteibuch abzuliefern, auch um den beliebten roten Aufgesetzten zu kippen und im Anschluss den kriegsverletzten einsamen Nachbarn für mindestens eine Stunde zu unterhalten.

Die Partei in der Nordstadt war natürlich geprägt von der gewerkschaftlich organisierten und gut abgesicherten Facharbeiterschaft, aber auch die „kleinen Leute“ und die „Verlierer“ arbeiteten engagiert mit und erlebten praktizierte Solidarität.

Diese Zeiten sind längst vorbei, nostalgische Gedanken helfen nicht darüber hinweg, dass die Partei in vielen Gegenden, wie in der Dortmunder Nordstadt, fast in der Bedeutungslosigkeit angelangt ist.

Das wurde nun noch einmal deutlich, als der Ortsvereinsvorsitzenden zur Versammlung einlud und für Veranstaltungen des Nachbarortsvereins in der Nordstadt warb.

Einladung:

Einladung zur Pilgerfahrt in ein Hetmeierhaus in der Nordstadt

„Liebe Genossinnen und Genossen,

im vergangenen Jahr haben wir mit einigen GenossInnen die ehemalige „Problemimmobilie“ Mallinckrodt 66 besichtigt, die zuvor von den Eheleuten Hettmeier bei einer Zwangsversteigerung der Stadt Dortmund erworben wurde. 

Sie fanden ein Haus vor, in dem Menschen – vor allem auch Familien mit Kindern (!) – unter geradezu menschenunwürdigen Zuständen hausen mussten. Die Bausubstanz der Immobilie war marode: Feuchtigkeit im Mauerwerk, Schimmel, offene Stromkabel und Leitungen, keine Warmwasser-Versorgung oder Heizung; ganz zu Schweigen von dem Abfall und Ungeziefer im Haus… 

Bei unserer letzten Besichtigung war der Sanierungsprozess bereits in vollem Gange. Ein Großteil des Gebäudes musste dabei entkernt werden. Die Eheleute Hettmeier berichteten uns davon welche Hürden sie nehmen mussten, um nicht nur die Immobilie wieder in einen bewohnbaren Zustand zu bringen, sondern sich auch um die Wohnsitutation derjenigen „MieterInnen“ und ihrer Kinder zu kümmern, die bis dahin ausgebeutet und zahlreichen Gesundheitsrisiken und anderen Gefahrenquellen ausgesetzt worden waren.

Umso gespannter sind wir daher nun zu sehen, wie das Resultat der unermüdlichen Bemühungen der Eheleute Hettmeier ausgefallen ist. 

Die nächste Begehung der Immobilie findet statt am Montag ….

Ich würde mich enorm freuen, wenn zahlreiche Genossinnen und Genossen aus den verschiedenen OVs der Nordstadt an der Besichtigung teilnehmen. Projekte wie die Sanierung dieser Immobilie sind meines Erachtens wichtige Hoffnungsschimmer für uns Nordstädter, die unseren Blick auf das POSITIVE und den FORTSCHRITT in unserem Stadtteil lenken, statt auf den Schmutz, die Armut und weitere Problemlagen.

Bitte meldet euch bis zum Montag den 04. Juni kurz bei mir zurück, wenn ihr an der Besichtigung mit teilnehmen möchtet. Ich freue mich bereits sehr und verbleibe mit solidarischen Grüßen, 

Lena Pickhardt

  1. Vorsitzende, OV-Nord“

 

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Dazu muss angemerkt werden, dass es seit Jahrzehnten in der SPD Beschlusslage ist, dass der Beruf des Maklers abgeschafft gehört und überflüssig wie ein Kropf ist. Dass Marita Hetmeier, die früher in der Erwachsenenbildung tätig war, gerade diese Beschäftigung in der Nordstadt ausbaute, hat auch damit zu tun, dass die Ratsvertreterin und SPD-Stadtbezirksvorsitz- ende alles auf das Bundestagsmandat setzte, das im Rahmen der Wahl 2013 neu vergeben wurde. Sie unterlag im innerparteilichen Auswahlverfahren der jetzigen Abgeordneten Sabine Poschmann. Als es dann mit der Berufspolitik nichts wurde, behielt sie aber die SPD-Mitgliedschaft bei und engagierte sich geschäftlich in der Nordstadt.

Viele Nordstädter atmeten hörbar auf, als das Ende der Politischen Karriere bekannt wurde. Hatte sie doch mit ihren rechten und kruden Ansichten zur die Spaltung und letztlich zum Absturz der SPD im Dortmunder Norden maßgeblich beigetragen.

Heute setzt sie sich öffentlichkeitswirksam in Szene und lässt die Presse antanzen, um den Nordstädtern weiszumachen, dass sie und ihr Ehemann eigenhändig die Problemhäuser entkernen und instantsetzen. Sie verschweigen aber, dass sie diese Häuser und Wohnungen für einen Appel und ein Ei von irgendwelchen insolventen „Investoren“ beim Amtsgericht Dortmund ersteigern und dann weiterverkaufen oder durch die Mieteinnahmen die Investition schnell wieder reinbekommen.

Das altbekannte Geschäftsmodell, das der Konkurrent bei den Zwangsversteigerungen, die HAK Immobilien in der Münsterstraße, seit Jahrzehnten betreibt und viele türkische Familien in die Insolvenz getrieben hat.

Wenn der Ortverein Nord die Nordstadt-SPD-Mitglieder zur Pilgerfahrt in ein saniertes Hetmeier-Haus einlädt, ist das nicht nur dumm, sondern reine Verhöhnung der Bevölkerung.

 

Infos aus dem Ortsverein:

„Sollte jemand beobachten, dass Drogen konsumiert werden, Prostituierte an der Straße werben, o.ä. Ordnungswidrigkeiten, so meldet dies bitte umgehend unter der Rufnummer…“

„Liebe Genossinnen und Genossen,

in der letzten Versammlung wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass sich in den Straßen um den FABIDO Kindergarten Bornstr. 52 (Innenstadt-Nord / Nordmarkt-Süd, 44145 Dortmund) vermehrt tagsüber Prostituierte aufhalten. Das Problem scheint sich offenbar erneut verschlimmert zu haben, seitdem Bauarbeiten an der dortigen Kindertageseinrichtung aufgenommen wurden.

Aus diesem Grunde habe ich heute das Ordnungsamt heute telefonisch über die Problematik in Kenntnis gesetzt. Ebenfalls habe ich die kaputte Ampel an der Kreuzung Bornstraße/Heiligegartenstraße gemeldet, da ich selbst dort vermehrt beobachtet habe, dass Kinder die Straße dort bei rot überqueren, weil sie die Ampelschaltung nicht sehen können. 

Im Zuge dieses Telefonats habe ich erfragt, was wir als Bürgerinnen und Bürger tun können, um das Ordnungsamt bei der Eindämmung der Drogenkonsum- und Prostitutionsproblematik zu unterstützen. Sollte jemand beobachten, dass Drogen konsumiert werden, Prostituierte an der Straße werben, o.ä. Ordnungswidrigkeiten, so meldet dies bitte umgehend unter der Rufnummer:  0231 / 50 xxxxx

Die Meldestelle ist Mo. bis Fr. bis 21 Uhr besetzt, ab 21 Uhr bis einschließlich 23 Uhr wird der Anruf an eine zuständige Stelle weiter geleitet. 

Ich weiß, dass die Probleme der Nordstadt sich nicht auf ein Mal lösen lassen. Sie sind wiederkehrend, sie sind ermüdend zum Teil, aber sie lassen sich durch Einsatz der Zivilbevölkerung und durch unseren Einsatz, als ehrenamtliche Mitglieder der SPD nach und nach verbessern. 

In diesem Sinne, Glückauf! 

Lena Pickhardt (1. Vorsitzende, OV-Nord)

 

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Diese Einladung zeigt, dass die Nordstadt SPD mittlerweile im freien Fall ist und sich nicht schämt, dazu aufzurufen, die Schwächsten bei den Behörden anzuschwärzen.

Auch das hat seine Geschichte.

In den vergangen 20 Jahren wurden keinerlei Nachwuchsarbeit geleistet, weil die Platzhirsche und Funktionsträger auf ihren Sesseln festklebten und als dann die Personaldecke dünn wurde und einige Parteiposten auf der kommunalen und regionalen Eben besetz werden musste, waren keine Leute mehr da.

Da griff man in der Nordstadt ganz schnell auf junge Studierende zurück, die vom platten Land in die die Großstadt geschwemmt worden waren und einen rasanten Aufstieg erlebten, der nach kurzer Zeit zum Stadtbezirksvorsitzenden und dann zum Ratsmitglied reichte. Von den Problemen und Schwierigkeiten der Nordstadtbewohner hatten diese Leute keinerlei Ahnung, sie wurden mit der Bevölkerung erst gar nicht warm, es reichte auch, dass sie die rechten Sprüche und entsprechende Politikpraxis der Altvorderen nachplapperten und ausführten.

So ist den verbliebenen und auch zugezogenen Menschen ein Ansprechpartner im Stadtteil abhandengekommen – von einem Vertreter ihrer Interessen ganz zu schweigen. Sie finden keine Partei mehr, die ihnen ein Angebot macht. Niemand fragt sie nach ihren Interessen und keiner setzt sich für ihre Belange ein. Während sich die Ärmeren immer mehr vom politischen Mitmachen abwenden, bestimmen immer mehr Wohlhabende die Politik in der Stadt.

Die Menschen, die den unteren Schichten zugerechnet werden, haben gute Gründe, nicht zur Wahl zu gehen oder sich politisch zu betätigen. Es ist ein Kreislauf entstanden, der nur den konservativen bzw. rechten Parteien nützt und die ganze Gesellschaft weiter nach rechts rückt.

Auch in Dortmund machen aufmerksame Leute schon seit langem die Beobachtung, dass der Einfluss der ärmeren Menschen auf die Politik kaum noch vorhanden ist. Besonders deutlich wird dies in den „abgehängten Statteilen“, wie in der Dortmunder Nordstadt:

·       Nur jeder dritte Dortmunder – 32,7 Prozent der Wahlberechtigten – hat bei der Ratswahl im Jahr 2012 seine Stimme abgegeben. Zweidrittel aller wahlberechtigten Dortmunder sind zu Hause geblieben. Das macht rund 300.000 Bürger dieser Stadt aus. Kaum 150.000 Personen haben somit über die Zusammensetzung des Stadtparlaments mit abgestimmt. Obwohl bei der Wahl die Wählerschaft die 16- und 17-Jährigen ebenso einschloss, wie die in Dortmund lebenden EU-Bürger.

·       Auffallend ist die extrem niedrige Wahlbeteiligung in der Innenstadt Nord. Von 30.339 Wahlberechtigten haben hier nur 4.965 Wähler ihre Stimme gültig abgeben, das macht eine Wahlbeteiligung von nur 15 Prozent aus. Insgesamt gesehen hatten also Dreiviertel aller Einwohner der Nordstadt mit der Zusammensetzung ihrer Volksvertretung rein gar nichts mehr zu tun oder wollen nichts damit zu tun haben.

·       Die Gewählten wollen das nicht wahrhaben und möchten dieses politische Armutszeugnis unter der Decke halten. Die Vertreter der CDU und einige Mandatsträger der SPD und Grüne haben den Spies umgedreht und sagen: „Warum sollen wir etwas für die Armen tun, die wählen uns doch sowieso nicht“. Mehr noch, das Verhältnis zwischen diesen Mandatsträgern und den ärmeren Wahlberechtigten ist in den vergangenen Jahren ein einseitiges, pädagogisches Verhältnis geworden.

·       Bei den an den Rand gedrängten Menschen im Stadtteil wird nach den „Kosten-Nutzen“ der verarmten Menschen gefragt, sie werden als „unproduktive Elemente“ eingestuft und als „Kostenfaktoren“ gesehen, so wie ihr kapitalistisches Rentabilitätsdenken es diesen Politikern vorgibt.

·       Diese Parteifunktionsträger sehen sich eher als Vertreter der „Leistungserbringer“, als Ansprechpartner für die ab der „Mittelschicht“ nach oben aufsteigend an, für die der Stadtteil attraktiver werden soll. Sie lassen in der politischen Alltagspraxis schnell ihren Sozialdarwinismus heraus, der oftmals in Richtung Rassismus ausschlägt. Die Stadt oder der Stadtteil wird von ihnen, die oft nur mit ein paar Handvoll Wählerstimmen für ihr Mandat ausgestattet sind, als „Leistungsgemeinschaft“ gesehen, die immer durch die „unproduktiven Bewohner“, „faulen Erwerbslose“ und „kriminelle Nordafrikaner“ bedroht wird. Sie sind vom „Kampf gegen Drogen“ zum „Kampf gegen die Dealer“ übergegangen. Sie sprechen nach der Kosten-Nutzenrechnung den Menschen das Bleiberecht in der hiesigen Gesellschaft ab.

·       Sie haben das Konkurrenzdenken, das wichtigste Merkmal des Neoliberalismus verinnerlicht, sie unterwerfen sich den „Sachzwängen“, die den Kahlschlag im Sozialbereich erfordern. Für sie gibt es keine Alternative, die aktuelle Gesellschaftsordnung ist für sie alternativlos, wenn es nichts mehr zu entscheiden gibt und alles alternativlos ist, braucht man eigentlich auch keine Wahlen.

·       Sie arbeiten daran mit, dass die politischen Institutionen immer weniger Einfluss und Macht bekommen und schämen sich nicht, von einer verschwindend geringen Minderheit ihr Mandat zu erhalten, sondern sie fühlen sich von ihren paar Wählern beauftragt, die Sachzwänge möglichst gut umzusetzen und sind sich ihrer politischen Ohnmacht dabei gar nicht bewusst.

·       Sie sind die modernen Vertreter des autoritären Charakters, die nach oben buckeln und nach unten treten. Dabei wird dann geklotzt und geholzt, deftige Parolen gedroschen und die Rede ist von „Spannern und Säufern. Grölenden Saufgelagen. Drogensumpf der kriminellen Drogenbanden. Vandalen. Wildpinklern und organisierten Strukturen“.

 

Wenn dann noch Oberbürgermeister Sierau, der seiner Partei, der SPD ganz viel verdankt, in die Nordstadt geht und verkündet, dass sich Investoren an die „fantastischen Häuser” in der Nordstadt heranwagen und er sich freut, dass in den letzten acht Jahren die Angebotsmieten in der Stadt, also die Nettokaltmiete bei Neu- oder Wiedervermietung, jährlich um 5,7 Prozent angezogen haben, dann sei das gut so, um Investoren zu locken.

Er sagt auch noch, wer diese hohen Mieten nicht aufbringen kann, der gehört dann auch nicht in die Nordstadt, wörtlich sagt er: „Auf Menschen mit Drogenproblemen wird es dann Druck geben. Die werden hier nicht wohnen bleiben können“ und die Nordstadt bezeichnet er bereits jetzt als „attraktives Wohngebiet” – wenn man die Probleme außen vorließe.

Da wundert es nicht, wenn junge Parteimitglieder, die sich engagieren, diesen Quatsch nachplappern.

Da gibt es für die Dortmunder SPD einiges zu erneuern, will sie nicht in die Bedeutungslosigkeit abrutschen.

 

 

Quellen: WAZ, Stadt Dortmund, gewedo,

Bild: swr-3