Hintergrund: Atomausstieg Deutschland – 50 Jahre nach Beginn der Wyhl-Proteste

Von Axel Mayer

Der Atomausstieg am 15.4.23 ist schon ein erstaunliches Phänomen. Seit wann setzen sich in a »Rich Man´s World« die Vernunft gegen die Macht, die Nachhaltigkeit gegen die Zerstörung und die Kleinen gegen die Großen durch?

Vor 50 Jahren erkannten die Verantwortlichen des damaligen Energiekonzerns Badenwerk, dass der Atomkraftwerksstandort Breisach politisch nicht durchsetzbar war. Am 19. Juli 1973 wurde erstmals der neue Standort eines Atomkraftwerkes in Wyhl bekannt. Dort scheiterten ab 1975 die Pläne ein AKW zu bauen am massiven Widerstand der örtlichen Bevölkerung.

Fast 50 Jahre später, genau 111 Jahre nach dem Sinken der unsinkbaren Titanic, werden am 15.4.2023 endlich die drei letzten deutschen AKW Neckarwestheim-2, Emsland und Isar-2 abgeschaltet. Der Atommüll, der in etwas mehr als 3 Jahrzehnten entstand, strahlt noch eine Million Jahre und gefährdet 30.000 Generationen. Geschichtlich gesehen war und ist die Nutzung der Kernenergie zutiefst asozial. Die AKW-Stilllegung ist kein „Selbstzweck“ sondern berechtigte Gefahrenabwehr.

Leider umfasst der Atomausstieg nicht auch die Anlagen der Urananreicherung in Gronau und die Brennelementfertigung in Lingen. Hintergrund: Atomausstieg Deutschland – 50 Jahre nach Beginn der Wyhl-Proteste weiterlesen

2021 wurden von der Bundesagentur für Arbeit 1,9 Milliarden Euro an ALG II-Leistungen zurückgefordert – 1.227.823 Millionen Menschen erhielten Rückforderungsbescheide und viele rutschen deshalb die Schuldenspirale hinunter

Die meisten Menschen, die Arbeitslosengeld-II-Leistungen vom Jobcenter erhalten, schaffen es immer weniger, ihren laufenden Lebensunterhalt mit den Regelsätzen zu decken. Ein Zustand, der sich durch die hohe Inflation drastisch verschärft hat. Da der Regelbedarf oft nicht ausreicht, um notwendige größere Anschaffungen, wie z. B. eine Waschmaschine zu bezahlen, haben die Jobcenter die Möglichkeit, auf Antrag der Betroffenen hin Darlehen zu gewähren. Die Schulden beim Jobcenter werden in der Regel im Anschluss bei laufendem Bezug aufgerechnet, also in Raten von 10 Prozent vom Regelbedarf einbehalten und dadurch schrittweise getilgt. Neben Darlehen können Schulden beim Jobcenter auch durch die Rückforderungen von Leistungen entstehen, z. B. nach Sonderzahlungen wegen geleisteter Überstunden beim Bezug von ergänzenden Leistungen. 2021 wurden von der Bundesagentur für Arbeit 1,9 Milliarden Euro an ALG II-Leistungen zurückgefordert – 1.227.823 Millionen Menschen erhielten Rückforderungsbescheide und viele rutschen deshalb die Schuldenspirale hinunter weiterlesen

Neuer Bericht zur EU-Migrationspolitik: „Widerstand gegen das europäische Grenzregime“

Von Kristina Di Bella

Gewalt, Armut und Perspektivlosigkeit veranlassten auch im vergangenen Jahr unzählige Menschen dazu, lebensgefährliche Wege auf sich zu nehmen, um Sicherheit in Europa zu suchen. Alleine bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, sind seit 2014 mehr als 25.000 Menschen gestorben oder gelten als vermisst. Die Antwort der EU: Militarisierung, Kriminalisierung und Abschottung. Die letzten Jahre haben zu einer stetig zunehmenden Eskalation in der europäischen Migrationspolitik geführt. Von obskuren Abkommen mit außereuropäischen Drittländern, über den Bau von als Aufnahmezentren getarnten Hochsicherheitstrakts bis zu körperlicher Misshandlung von Schutzsuchenden durch vermummte EU-Grenzschutzbeamt*innen.

Bis dato bestehende Zweifel an dem politischen Willen hinter dem menschenfeindlichen Vorgehen gegenüber Menschen auf der Flucht, haben sich spätestens mit den Entwicklungen im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auf. Das Ereignis löste sowohl auf politischer Ebene als auch in der Bevölkerung tiefes Entsetzen und ungekannte Solidarität aus. Die Aktivierung der sogenannten EU-Massenzustromsrichltinie oder Richtlinie zum vorübergehenden Schutz veranschaulichte auf eindrückliche Weise, dass die europäische Politik durchaus in der Lage ist, angemessen auf Fluchtbewegungen zu reagieren und Menschen auf unbürokratische und schnelle Weise in Sicherheit zu bringen, wenn der politische Wille es zulässt.

Gleichzeitig wurde schnell klar, dass dieser Schutz nicht allen Flüchtenden gleichsam vorbehalten war: unzählige afrikanische Studierende wurden an der Flucht gehindert, an den Grenzen gewaltvoll abgewiesen und im Kriegsgebiet zurückgelassen. Neuer Bericht zur EU-Migrationspolitik: „Widerstand gegen das europäische Grenzregime“ weiterlesen

Ostermarsch Rhein-Ruhr 2023: Waffenstillstand statt Waffenlieferungen! – Aufrüstung stoppen! – Für Frieden und Klimaschutz! Ostern für den Frieden! Den Ukraine-Krieg beenden, die Aufrüstung stoppen! Diplomatie statt Eskalation!

Das Töten stoppen, die Eskalationsgefahr bannen!

Die weltweiten Kriege bringen zahllosen Menschen Tod und Leid. Hunderttausende Menschen bezahlten bisher den immer noch andauernden völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine mit dem Leben oder wurden verwundet. Wir verurteilen diesen Krieg und fordern von beiden Seiten das sofortige Ende der Kampfhandlungen. Auch die NATO Staaten befeuern den Krieg mit massiven Waffenlieferungen und sonstiger militärischer Unterstützung. In der Ukraine hat sich ein Stellvertreterkrieg entwickelt.

Nichts legitimiert Krieg. Das gilt für alle Kriege weltweit. Kein Krieg führt zum Frieden.

Eine weitere Eskalation des Krieges ist jederzeit möglich, mit Angriffen auf das Territorium Russlands, einer Ausdehnung auf NATO-Staaten, der Havarie eines Atomkraftwerkes im Kriegsgebiet oder dem Einsatz von Atomwaffen. Auch deshalb braucht es einen sofortigen Waffenstillstand. Bundesregierung und Europäische Union müssen sich ernsthaft um Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen bemühen. Wir sagen nein zur Lieferung von Panzern und anderen schweren Waffen, die den Krieg weiter eskalieren und verlängern.

Auch andere Kriege und bewaffnete Konflikte – wie beispielsweise die völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei auf kurdische Gebiete oder der Krieg im Jemen – verursachen unsägliches Leid. Schluss damit! Ostermarsch Rhein-Ruhr 2023: Waffenstillstand statt Waffenlieferungen! – Aufrüstung stoppen! – Für Frieden und Klimaschutz! Ostern für den Frieden! Den Ukraine-Krieg beenden, die Aufrüstung stoppen! Diplomatie statt Eskalation! weiterlesen

Stahlindustrie in NRW: IG Metall bezeichnet das Thyssenkrupp Strategie-Konzept als gescheitert und favorisiert die Produktion von U-Booten und weiteren Kriegsschiffen

In Nordrhein-Westfalen werden jährlich etwa 16,5 Millionen Tonnen Rohstahl produziert, das sind 38 Prozent der gesamten bundesdeutschen Produktion. In der NRW-Stahlindustrie sind aktuell mehr als 45.000 Menschen beschäftigt.

Die Stahlindustrie steht derzeit gewaltig unter Druck und allen Beteiligten ist bewusst, dass die drastische Reduktion der CO2-Emissionen nur mit einer neuen, teuren Technologie möglich ist. Das favorisierte neue Verfahren scheint die Roheisenherstellung mittels Wasserstoffes zu sein. Für diese neue Technologie hat der schwedische Stahlhersteller SSAB in Lula eine erfolgversprechende Pilotanlage aufgestellt, die bei der Roheisenherstellung Koks durch Wasserstoff ersetzt. Zur Erzeugung von Wasserstoff sind sehr große Mengen an Energie nötig. Für die Energiegewinnung sind die Verhältnisse in Schweden recht günstig, weil dort große Mengen an emissionsfreier Elektrizität aus Wasser- und Windkraft zur Verfügung stehen.

In Deutschland müsste nach Angaben der IG Metall für die Umstellung auf „grünen Stahl“ ein Plan für die gesamte Stahlindustrie entwickelt werden und würde bis 2050 rund 30 Milliarden Euro kosten. Die gegenwärtige privatwirtschaftliche Verfassung der Stahlindustrie ist für eine solche Umstellung nicht in der Lage. Das größte deutsche Stahlunternehmen ThyssenKrupp hat sein Eigenkapital nahezu vollends verfrühstückt. Der Konzern ist wirtschaftlich am Ende, eine Sanierung von innen ist kaum noch möglich.

Doch nun nach der „Zeitenwende, Kriegswirtschaft und Superaufrüstung“ will die IG Metall ein Stück von dem Kuchen des Sondervermögens Bundeswehr zur Lösung der Probleme haben und unterstützt die Vorbereitungen zur Verselbstständigung der Marine-Aktivitäten, zu der die Produktion von U-Booten und weiteren Kriegsschiffen gehört. Stahlindustrie in NRW: IG Metall bezeichnet das Thyssenkrupp Strategie-Konzept als gescheitert und favorisiert die Produktion von U-Booten und weiteren Kriegsschiffen weiterlesen

EuGH-Generalanwalt zur Schufa Praxis: Die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Fähigkeit einer Person, einen Kredit zu bedienen, ist ein Profiling im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung

Die Schufa Holding AG lieferte, wie immer, einem Kreditinstitut einen Score-Wert in Bezug auf eine Person, die einen Kredit bei ihrer Bank beantragte. Auch, wie immer, diente der Score-Wert als Grundlage für die Verweigerung des  beantragten Kredits. Das ließ sich der Bankkunde nicht gefallen, machte geltend, dass die Ablehnung seines Ersuchens durch die Schufa gegen Datenschutzrecht verstoße und klagte. Demnächst wird der Europäische Gerichtshof EuGH vom Verwaltungsgericht Wiesbaden ersucht, über die Beschränkungen zu entscheiden, die die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der wirtschaftlichen Tätigkeit von Auskunfteien im Finanzsektor, auferlegt, sowie über die Bedeutung, die dem Geschäftsgeheimnis zuzuerkennen ist.

Vorab hat sich EuGH-Generalanwalt Pikamäe in seinem Entscheidungsvorschlag schon dahin gehend geäußert, dass die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Fähigkeit einer Person, einen Kredit zu bedienen, ein Profiling im Sinne der DSGVO darstellt.

Erfahrungsgemäß wird ein solcher Entscheidungsvorschlag auch das Urteil des EuGH beeinflussen, in diesem Fall hieße das, die Schufa an die Leine zu legen und dem unrühmliche Scoring ein Ende zu bereiten. EuGH-Generalanwalt zur Schufa Praxis: Die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Fähigkeit einer Person, einen Kredit zu bedienen, ist ein Profiling im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung weiterlesen

20 JAHRE AGENDA 2010 – Als Hartz IV kam

 

Von Inge Hannemann

„Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fordern und mehr Eigenleistung von jedem einzelnen abfordern müssen.“

Am 14. März 2003 ahnten die SPD und die Grünen noch nicht, dass diese Worte von Gerhard Schröder ihnen in Teilen das Genick brechen werden. Mitgliederschwund war die Folge, Wähler*innenstimmen gingen verloren und die daraus folgende Agenda 2010 klebt bis heute wie eine Schmeißfliege an ihren Fersen. Heute, 20 Jahre später, haben wir die höchste Armutsgefährdungsquote seit 2005. Menschen wurden in den Niedriglohnsektor gepresst und ihre Lebensläufe damit versaubeutelt. 20 JAHRE AGENDA 2010 – Als Hartz IV kam weiterlesen

IMI: Krisenprofiteur wird Generalinspekteur – Wer ist der neue Mann an der Spitze der Bundeswehr?

Von Martin Kirsch

Bereits seit Tagen war darüber berichtet worden. Seit dem 15. März 2023 ist es offiziell. General Carsten Breuer wird neuer Generalinspekteur der Bundeswehr und damit „militärischer Berater der Bundesregierung“, „höchster militärischer Repräsentant der Bundeswehr“ und „Teil der Leitung des Verteidigungsministeriums“.[1] Er löst den scheidenden Generalinspekteur Eberhard Zorn ab, der bereits vor fünf Jahren, noch unter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, ins Amt berufen wurde.

Doch wie kam der ausgebildete Heeresflugabwehrsoldat, studierte Pädagoge und zwischenzeitige Jugendoffizier[2] Breuer zu seinem neuen Spitzenposten? Noch vor wenigen Jahren war diese steile Karriere kaum absehbar. Damals mit zwei Sternen auf der Schulter wechselte Breuer 2018 aus der dritten Reihe des Kommandos Heer auf den Kommandeursposten des damals eher zweitrangigen Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr in Berlin.[3] Dann kam die Corona-Pandemie und Breuers Kommando stand plötzlich im Mittelpunkt der Unterstützung der Bundeswehr für diverse zivile Bereiche – einem der größten Inlandseinsätze in der Geschichte der Bundeswehr. IMI: Krisenprofiteur wird Generalinspekteur – Wer ist der neue Mann an der Spitze der Bundeswehr? weiterlesen

DGB Gewerkschaften im Sinkflug – sie sind dem neuen Burgfrieden beigetreten und nehmen Reallohnsenkungen in Kauf

Für Gewerkschaften gibt es nichts Wichtigeres als Mitglieder. Wenn sie die Unternehmen nicht mit Mitgliedern beeindrucken können, können sie sie auch nicht mit Streikdrohungen erschrecken. Wer nicht einmal mit Streiks drohen kann, der braucht an den Tischen der Tarifverhandlungen gar nicht erst Platz zu nehmen.

Die Zahl der Mitglieder, die in den DGB-Gewerkschaften organisiert sind, ist seit der Wiedervereinigung etwa um die Hälfte eingebrochen. Im Jahr 2017 ist sie erstmals unter die 6 Millionenmarke gesunken. Zum Jahresende 2022 waren es noch 5.643.762 Mitglieder, gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 85.609.

Von offizieller Seite wird diese Situation hauptsächlich auf die demografische Entwicklung, Beschäftigungsabbau allgemein, Strukturwandel in der Berufswelt und neuerdings zusätzlich noch auf die Pandemie, mit ihrer erschwerten Mitgliederwerbung geschoben. Doch diese Sichtweise ist mehr als kurzsichtig, die Gründe sind vielfältiger und durch den DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften auch hausgemacht.

So haben sie sich nicht eindeutig gegen Aufrüstung und Krieg ausgesprochen und waren bereit, sich dem neuen Burgfrieden anzuschließen und dafür Reallohnsenkungen in Kauf zu nehmen. DGB Gewerkschaften im Sinkflug – sie sind dem neuen Burgfrieden beigetreten und nehmen Reallohnsenkungen in Kauf weiterlesen

Öffentlich – rechtliche Sender: Neue Skandale – Wie überbezahlte Elite-Journalisten von ARD und ZDF ihre Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit aufs Spiel setzen

Von Wilhelm Neurohr

„Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich`s fortan ungeniert“. Das Image der Journalisten ist mittlerweile bei Befragungen am unteren Ende der Skala angelangt, quasi neben Autohändlern und Maklern. Daran sind die hochbezahlten Spitzen-Journalisten und politischen Moderatoren bei den öffentlich-rechtlichen Sendern als „Leitmedien“ nicht ganz unschuldig. Denn statt nach dem Pressekodex für Medienvertreter die gebotene Distanz einzuhalten, bringen sie durch ihre Nähe zum Staat, aber auch zur Wirtschaft, die einstmals seriösen und allseits geschätzten Qualitätsmedien immer mehr in Verruf und verlieren deshalb Zuschauer. Und das nicht nur wegen des ungeheuerlichen Intendanten-Skandals, der eine unsägliche Diskussion um den Fortbestand von ARD und ZDF auslöste.

Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen ja kein „Staatsfunk“ sein, sondern als „vierte Gewalt“ im Staate als „Kontrolleure der Mächtigen“ auftreten und Verfehlungen aufdecken. Sie haben neben ihren Informationspflichten auch einen Kultur- und Bildungsauftrag und sollen deshalb auch zu einer politischen Kultur beitragen. Deshalb gehören die Formate der Politikvermittlung und Demokratiediskussion immer wieder auf den Prüfstand. Doch deren Spitzenjournalisten treiben es hinter den Kulissen mit ihren fragwürdigen politischen und wirtschaftlichen Vernetzungen zu den Regierungskreisen wie auch zur Wirtschafts- und Finanzwelt selber besonders dreist und unverfroren, wie jetzt wieder einmal publik wurde. Doch das meiste bleibt der kritischen Öffentlichkeit noch verborgen und soll hier ein wenig transparenter werden. Öffentlich – rechtliche Sender: Neue Skandale – Wie überbezahlte Elite-Journalisten von ARD und ZDF ihre Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit aufs Spiel setzen weiterlesen

Für die Lohnarbeit unabdingbar: Die akribische Suche nach jedem einzelnen erwerbsfähigen Menschen zur Hege der „Stillen Reserve“ auf dem Arbeitsmarkt

Seit vielen Generationen hat die organisierte Unternehmerschaft den Grundsatz verinnerlicht, dass Mehrwert allein durch Lohnarbeit geschaffen wird. Deshalb ist sie stets darum bemüht, genau zu wissen, mit wie vielen potenziell lohnabhängigen Beschäftigten zu rechnen ist und welche Reserven zur möglichen Mobilisierung zur Verfügung stehen. Die Arbeitsverwaltung wird permanent beauftragt, alle Bewegungen und Bestände am Arbeitsmarkt angemessen zu erfassen und auch die Reserve an Arbeitskräften im Auge zu haben.

Falls harte Fakten nicht ermittelt werden können, greift man auch auf Prognosen und Schätzungen zurück, denn es darf auf keinen Fall passieren, dass der Strom der lohnabhängigen Menschen als Arbeitskräfte versiegt. Für die Lohnarbeit unabdingbar: Die akribische Suche nach jedem einzelnen erwerbsfähigen Menschen zur Hege der „Stillen Reserve“ auf dem Arbeitsmarkt weiterlesen

Und es gab ihn doch, den politischen Streik in der BRD – „Zeitungsstreik“ der IG Druck und Papier im Mai 1952

Der DGB hatte schon im Sommer 1951, angesichts der unnachgiebigen Haltung der Adenauerregierung gegenüber den Neuordnungsforderungen der Gewerkschaften die Mitarbeit in den wirtschaftspolitischen Gremien der BRD eingestellt, sich konfliktbereit gezeigt und drohte der Bundesregierung, seine Mitglieder zu gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen aufzurufen.

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand die Ausdehnung der paritätischen Mitbestimmung auf die gesamte Wirtschaft, was vehement von den Unternehmerverbänden und den Regierungsparteien, der CDU/CSU und der extrem kapitalorientierten FDP verweigert wurde.

Doch nach der Demonstration gewerkschaftlicher Kampfbereitschaft und -fähigkeit in den Auseinandersetzungen um die Montanmitbestimmung war es für die Gewerkschaft klar, dass es nur durch harte und offene Konflikte zwischen der Arbeiterbewegung und den reaktionären, teils offen faschistischen Kräften eine Restauration der Machtverhältnisse zu verhindern war.

Gegen den Protest der Gewerkschaften, der SPD und der KPD wurde im Juli 1952 der Entwurf des Betriebsverfassungsgesetzes durch den Bundestag gepeitscht.

Für die Gewerkschaften bedeutete das einen schweren Rückschlag für die gewerkschaftliche Neuordnungspolitik. Für sie war das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) kein Ersatz für ein einheitliches Arbeitsgesetzbuch und sie sahen mit dem parlamentarischen Vorstoß die Gefahr der Trennung von Gewerkschaften und Betriebsräten, die ja auch bis heute in der Spaltung von innerbetrieblichen Organen und den Gewerkschaften außerhalb der Betriebe sichtbar ist. Und es gab ihn doch, den politischen Streik in der BRD – „Zeitungsstreik“ der IG Druck und Papier im Mai 1952 weiterlesen

Die Kaltschnäuzigen – Die Sozialbehörden lassen Bedürftige auf den hohen Heizkosten sitzen

Von Susan Bonath

Keiner solle frieren: Mit diesem Versprechen sicherte die Bundesregierung Bedürftigen die Übernahme ihrer gestiegenen Heizkostenabschläge mittels Bürgergeld und Sozialhilfe zu. Manch ein Jobcenter sieht das anders und kürzt den Menschen munter die Hilfen. Die mit kommunaler Sparvorgabe erzeugte Existenznot sollen private Tafeln ausgleichen. Doch die sind selbst am Limit.

Die längst auf Vorkriegsniveau gesunkenen Gaspreise an der europäischen Börse und die „Energiepreisbremsen“ sind bei vielen Mietern in Deutschland noch nicht angekommen. Vor allem arme Menschen leiden weiter unter hohen Abschlägen für Heizung und Warmwasser. Wie viel sie abdrücken sollen, liegt am Versorgungsunternehmen, nicht an ihnen.

Laut politischem und medialem Tenor sollen Sozialämter und Jobcenter Bedürftige nicht auf diesen Kosten sitzen lassen. Doch vielerorts passiert das Gegenteil: Behörden verweigern unter Berufung auf undurchsichtige Berechnungen, schwammige Kann-Regelungen oder alte Richtlinien die Übernahme der Heizkostenabschläge ― und treiben Menschen in teils dramatische Existenznot. Die Kaltschnäuzigen – Die Sozialbehörden lassen Bedürftige auf den hohen Heizkosten sitzen weiterlesen

Der Arbeitskampf der digitalen Dienerschaft

Von Fridolin Herkommer

Für die Generation der Digital Natives lohnt sich Arbeit immer weniger. Für die einen nicht, weil sie ohnehin viel erben, für die anderen nicht, weil sie ohnehin nichts erben. Ein langes, hartes Arbeitsleben kann diesen Unterschied immer seltener ausgleichen. Der Konflikt zwischen Arbeit und Kapital wird wieder deutlicher und der technische Fortschritt spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Digitalisierung verändert nicht nur Wirtschaft und Gesellschaft, sondern auch unsere Arbeit. Der Arbeitskampf der digitalen Dienerschaft weiterlesen

Lehrstück über kleine Unterschiede – Drei Länder, eine Krise, verschiedene Reaktionen

Von Renate Dillmann

Die Berichte zur Lage sehen in Deutschland, Großbritannien und Frankreich ziemlich gleich aus: Steigende Energiepreise, eine bereits ziemlich heftig „trabende“ Inflation, massive Zunahme der Staatsschulden, sinkende Wechselkurse der Landeswährung. Überall stehen die Regierungen nach eigener Darstellung angesichts des Kriegs gegen Russland, den sie mitveranstalten und eskalieren, vor „harten Herausforderungen“. Ausgetragen wird das auf dem Rücken der Lohnabhängigen, denen die Regierungen deshalb allesamt „schwere Zeiten“ ansagen.

Die deutsche Bevölkerung lässt sich das gefallen. In Frankreich wird gestreikt. Im Vereinigten Königreich kommt der Widerstand von der anderen Klasse. Ein Lehrstück über kleine Unterschiede. Lehrstück über kleine Unterschiede – Drei Länder, eine Krise, verschiedene Reaktionen weiterlesen