“Eine neue Welt des Friedens und der Freiheit”

Von Jochen Gester

Am 8. Mai 1945 gelang es einer Gruppe von politischen Häftlingen des KZ Buchenwald den Widerstand der verbliebenen SS-Mannschaft zu brechen und das Lager vor dem Anrücken der US-Armee zu befreien. Die in der deutschen Arbeiterbewegung verwurzelten Antifaschisten hinterließen der Nachwelt den berühmten Schwur von Buchenwald, in den auch die bittere Erfahrung einging, dass die tiefe Spaltung Linken in der Weimarer Republik dem Sieg des Faschismus Vorschub geleistet hatte. Im Schwur heißt es: “Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.” Auf Transparente gebracht finden sich diese Ziele zumeist mit den Worten “Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!”. Das Bekenntnis zu diesen Forderungen war in der Bundesrepublik lange alles andere als selbstverständlich. Der Ausbruch des Kalten Krieges beendete die zaghaften Versuche die Nazi-Täter zur Rechenschaft zu ziehen und ließ die Bereitschaft der Herrschenden zum Kriegführen wie selbstverständlich auf der Tagesordung. Der Geist von Buchenwald wurde zum “Alleinstellungsmerkmal” der radikalen Linken.

So blieb es lange. Erst ein grüner Außenminister hatte das zweifelhafte Verdienst diese klare politische “Schlachtordnung” über den Haufen zu werfen. Er wollte im Namen des Antifaschismus Krieg führen. Dabei nahm er Bezug auf die die Anti-Hitler-Koalition, die das Ende der NS-Vernichtungslager im Krieg ermöglicht hatte. So konstruiert die Argumentation von Fischer in Bezug auf das damalige Jugoslawien war, so geschichtsknitternd war auch der Kriegsbezug. Schließlich haben nicht Antifaschisten den Krieg begonnen. Sie haben ihn beendet. Die weitere Entwicklung der Partei Bündnis90/Die Grünen machte diese für bedeutende Teile der Linken nicht mehr wählbar und verschaffte der damaligen PDS einen Grundstamm an Unterstützer:innen. Und es ermöglichte ihr ebenso wie vorher den Grünen den Sprung in die Parlamente.

Der im letzten Jahr ausgebrochene Ukrainekrieg droht nun erneut eine solche Entwicklung zu erzwingen. Antifaschismus und Antimilitarismus scheinen nicht länger miteinander vereinbar. Innerhalb der antikapitalistischen Linken treffen gerade zwei Strömungen aufeinander. Die eine ordnet ihrer Vorstellung von Kampf gegen den Krieg den Antifaschismus unter. Im Bild der anderen findet der Antifaschismus keine überzeugenden Gründe mehr für einen konsequenten Antimilitarismus. Fortschritte im Geist des Buchenwaldschwurs sind dabei nicht durch den berühmten Kampf zweier Linien zu erwarten, in dem die politische wahre über eine Verirrung siegt, sondern nur dadurch, dass beide Seiten einen Weg finden, der beide Grundanliegen der Linken wieder erkennbar und vereinbar macht.

Im Lager des verdorbenen Antimilitarismus hat der Vorsitzende der Partei DIE LINKE Martin Schirdewan traurige Berühmtheit erlangt, als er im ARD-Sommerinterview erklärte, nur Putin sei für den Ukrainekrieg verantwortlich. Es gäbe keine Vorgeschichte, die das relativieren könnte. Dies war wohl gedacht als Befreiungsschlag gegen das penetrante Stigmatisieren von Linken als “Putin-Follower” durch Medien, die sich freiwillig der Kriegslogik unterworfen haben. Bewirkt hat es eher das Gegenteil. Für viele wurde aus einer verlässliche Kraft im Kampf gegen Kriege, die der Kapitalismus zwangsläufig hervorbringt, ein unsicher Kantonist, der mit dem Zeitgeist segeln will. Hier bedarf es einer Rückbesinnung auf die Wurzeln unserer Bewegung und nicht einer Verbeugung vor der “Zeitenwende”. Den hier “Infizierten” ist dringend zu empfehlen sich intensiver mit dem “Elefanten im Raum” und seiner langen Geschichte zu befassen. Die NATO war nie ein freundlicher Helfer. Von ihr geht die Hauptbedrohung des Weltfriedens aus. Und wenn wie kürzlich am Brandenburger Tor Teile der Friedensbewegung und Querdenker gemeinsam demonstrieren, ist es nicht besonders klug, gleich eine Schublade aufzumachen, in die dann alle als “rechtsoffenes” Milieu gesteckt werden. Friedensbewegte haben dort mit dem Transparent “Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg” demonstriert. Sie haben das sicher ernst gemeint und waren keine Zyniker. Wir müssen erreichen, dass sie sich wieder mit uns verbinden und sie nicht Rechten überlassen.

Doch auch im Lager des Teils der Linken, der den Kampf um den Frieden an erste Stelle setzt, gibt es Sorgen machende Tendenzen. All zu willig macht man sich dort mit Leuten gemein, die sich radikal gegen die USA und die NATO positionieren, dies jedoch aus ganz anderen Motiven tun als wir. Hier sind die Wahrnehmungen der andern Seite, die vor Querfrontbestrebungen warnen, nicht völlig aus der Luft gegriffen und nicht nur ein vorgeschobenes Argument, die eigene Untätigkeit in Sachen Kriegsbekämpfung zu verdecken.

Das Interesse an einer Querfront haben die Rechten, weill sie hoffen, in einer gemeinsamen Bewegung das herrschaftskritische Gedankengut der Linken zu ersticken und die dort erreichbaren Menschen zur Beute ihrer menschenfeindlichen Strategien zu machen. Sie wollen nicht unsere folgsamen Fußsoldaten werden. Soweit so geschichtlich bekannt. Gefährlich wird es nur, wenn die Linken das vergessen. Diesen Eindruck muss man haben, wenn man davon erfährt, dass das Ostdeutsche Kuratorium der Verbände, das vor allem aus der ehemaligen Stasi und der NVA entstanden ist, im ND-Gebäude eine Konferenz veranstaltet, in der Jürgen Elsässer von Compakt als Gast akzeptiert wird und Helga Zepp LaRouche (Vorsizenden der rechten BüSo-Sekte) erklärt, die Russen müssten den Donbass von den Faschisten befreien – durch Krieg natürlich. Und in einem Artikel des “Weltexpress” für eine Konferenz gegen USA/NATO ist der ehemalige “Kundschafter” Rainer Rupp, der auch lange in der jW als Autor gern gesehen war, nun einndeutig als “Querfrontagent” von Links unterwegs: “Unter Linken ist es z.B. akzeptiert, nicht mit AfD oder anderen wertekonservativen Gruppen in derselben Demo gegen den US/NATO-Krieg in der Ukraine marschieren. Das darf man nicht, weil man mit Rechten und Populisten nicht gemeinsame Sache machen darf. Diese Position wird von inzwischen stark ideologisierten, linkssektiererischen Kreisen notfalls auch mit Gewalt und Nazi-Methoden bei öffentlichen Kundgebungen und friedlichen Demonstrationen von Nicht-Linken durchgesetzt. Leider haben diese linken Sektierer auch in linken Medien und darüber hinaus die Diskussionshoheit erreicht. Denn ihr Mantra, die AfD als Nazis darzustellen, mit denen man nicht demonstriert, passt hervorragend in die Zielstellung der transatlantischen Eliten für Deutschland. Denn die AfD ist die einzige Partei im Bundestag, die eine klare Position gegen den US/NATO-Krieg und die Forderung nach Frieden mit Russland vertritt. Und gerade deshalb wird Vertretern dieser linkssektiererischen Strömungen immer wieder gerne ein Platz bei den Talkrunden der Mainstream Medien angeboten.

Zur erforderlichen Einheit vonn Antifaschismus und Antimilitarismus gehört auch, dass in der von der Linken dominierten Friedensbewegung darüber nicht der Mantel des Schweigens gelegt wird. Und auch die Billigung eines offenen Krieges durch Russland als Notwehr zur Abwendung realer Bedrohungen ist das Ende des linken Antimilitarismus. Wer das nicht begreift, ist sicher “rechtsoffen”.

Am 1. September ruft die Friko zur traditionellen Demo am 1. September, dem weltweiten Antikriegstag, auf. Wir haben diesen Aufruf hier auch abgedruckt und zur Teilnahme aufgerufen. Im Folgenden verbreiten wir jetzt auch noch einen weiteren. Die Organisatoren betonen, dass dies keine Konkurrenzveranstaltung ist, jedoch Ausdruck von Kritik, die in den Reihen der Organisator:innen mit der Politik der Friko besteht. Diese Kritik speist sich auch aus den von mir skizzierten Fehlentwicklungen im Lager der Friedensbewegung. Man sollte diese ernst nehmen und die Aktion nicht mit vorschnellen Urteilen wie “Spaltung durch NATO-Freunde” verunglimpfen sondern sie als Ausdruck einer vielstimmigen Friedensbewegung akzeptieren, die nach Wegen suchen muss, die Einheit von Antifaschismus und Antimilitarismus wieder herzustellen.

Hier ist der Flyer für die Aktion “Nein zu Krieg und Aufrüstung” am 2. September in Berlin:
https://www.antikriegskoordination.de/

 

 

 

 

 

Der Beitrag und das Bild erschienen auf https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/