Rekommunalisierung ist ein Erfolgsmodell

Von Karoline Otte und Konstantin Mallach

Die Privatisierungsagenda der vergangenen Jahrzehnte hat die öffentliche Infrastruktur nicht effizienter gemacht, sondern nur die Versorgung verschlechtert. Wer günstige und verlässliche Energie, Wohnungen und Krankenhäuser will, muss rekommunalisieren.

Von den 1990er Jahren, bis teilweise noch in die Mitte des letzten Jahrzehnts hinein, haben wir in Deutschland eine harte Privatisierungsagenda von lokaler Infrastruktur erlebt. Wohnungen, Stromversorgung, Nahverkehr, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen wurden in großem Stil an private Akteure verkauft. Gestützt wurde diese von neuen Steuersystemen und vor allem einem: klammen kommunalen Kassen und sogenannten »Sparzwängen« vor Ort.

Schon auf den ersten Blick erscheint die Logik der Privatisierung fragwürdig: Anstatt etablierte Unternehmen mit erfahrenen Mitarbeitern und guten Netzwerken vor Ort zu halten, sollten diese eingestampft werden und andere »effizientere« Firmen tätig werden. In der Regel verwalten Unternehmen in diesem Bereich Monopole: Es gibt vor Ort nur ein Stromnetz, ein Wassernetz oder nur ein Krankenhaus. Ein echter Wettbewerb kann also nicht entstehen oder hat zumindest enorm hohe Einstiegsbarrieren. Schon deshalb ist fraglich, wie durch Privatisierung ohne einen funktionierenden Wettbewerb neue Anreize zur Effizienzsteigerung entstehen sollen.

»Zuletzt geht es bei der Rekommunalisierung nicht nur darum, dieselben Leistungen effizienter zur Verfügung zu stellen. Es geht auch um Demokratisierung und die Gestaltung einer solidarischen Politik vor Ort.«

Für viele private Haushalte ist es gerade in Zeiten steigender Rechnungen besonders wichtig, dass die Versorgung mit dem Grundsätzlichen verlässlich und günstig ist. Dass der freie Markt kein sauberes Trinkwasser, grüne Energie, bezahlbare Wohnungen und vernünftige Krankenhäuser für alle zur Verfügung stellt, ist als bittere Lehre der Privatisierungsagenda bis in die kleinsten Orte deutlich geworden. Kostengünstige, verlässliche Güter der Daseinsvorsorge brauchen eine kommunale Verwaltung. Diese Erkenntnis ist weit übergreifender gesellschaftlicher Konsens – und auch offensichtlich quer über die Anhänger verschiedener Parteien verteilt.

Die Öffentlichen schlagen zurück

Seit etwa fünfzehn Jahren erleben wir auf dieser Grundlage eine Renaissance der kommunalen Betriebe, die Privatisierung politisch infrage stellt. So möchte etwa eine Mehrheit von 86 Prozent der Bevölkerung ihr Wasser von öffentlichen Unternehmen bezogen wissen. Zwei Drittel der Deutschen wünschen sich höhere Investitionen der öffentlichen Hand und schon 2013 waren 70 Prozent der Bundesbürger gegen eine Privatisierung der örtlichen Stadtwerke.

Bereits seit Mitte der 2000er-Jahre steigen die kommunalen Beteiligungen in Deutschland wieder an, von 2007 bis 2017 um über 25 Prozent. Heute gibt es fast 14.000 kommunale Unternehmen, Tendenz steigend. Insbesondere der Energiesektor ist hier zentral und hat laut der Open-Source-Datenbank Public Futures in Deutschland allein circa 180 Rekommunalisierungen in den letzten zehn Jahren zu verbuchen.

Stadtwerke gingen in der Energiewende häufig als erste voran, sie investierten in nachhaltige und smarte Netze und stärkten erneuerbare Energien frühzeitig. Bereits 2013 haben kommunale Stadtwerke im Vergleich zu den großen Energieunternehmen einen doppelt so hohen Anteil an erneuerbaren Strom produziert. Auch in der erneuerbaren Wärmeerzeugung, die gut die Hälfte des Energieverbrauchs ausmacht, sind Stadtwerke in den letzten Jahren sehr aktiv geworden und haben bereits vor zehn Jahren viele private Unternehmen zunehmend aus dem Markt verdrängt.

»Wenn man Kommunen also von vornherein durch öffentliches Vermögen absichert, muss man sie später nicht durch öffentliche Mittel retten. Privatisierungen sind also nicht nur undemokratischer und oft unwirtschaftlicher, sondern meist auch einfach unnötig.«

Besonders zentral ist bei kommunalen Versorgern noch ein weiterer Punkt: Öffentliche Unternehmen investieren ihr Geld wieder in öffentliche Dienstleistungen und schaffen so einen gesellschaftlichen Mehrwert. Besonders der kommunale Energiesektor ist profitabel. Gewinne fließen hier aber nicht in die Taschen von Investoren, sondern in unsere Schwimmbäder, Busse und Bürgerhäuser.

Privatisierungen dagegen unterbinden häufig das Schaffen gesellschaftlichen Mehrwerts, sie verhindern, dass Geld laufend in Gemeinwohl-Projekte fließt. Gleichzeitig verschlechtern sich in vielen Fällen die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte, die Produktqualität sinkt oder der Preis steigt. In vielen Sektoren, wie etwa auch im Bereich der Wasserversorgung, zeigen Studien: Nur in wenigen Fällen gibt es in unseren Kommunen explizit positive Beispiele der Privatisierung. Diese sind häufig auf ein effizienteres Management (zum Beispiel durch den Wechsel von Einzelpersonen) zurückzuführen.

Hier gibt es inzwischen bessere Managementstandards (etwa durch interne Benchmarks für Prozesskosten und -ergebnisse) und auch für Öffentliche braucht es klare übergeordnete Nachhaltigkeits- und soziale Standards (wie etwa die Tarifbindung). Schließlich wird etwa die Energiewende nicht durch einzelne Unternehmen umgesetzt, sondern bedarf Rahmenbedingungen wie Transparenz, Beteiligung, sowie Sozial- und Umweltstandards. Insgesamt wird in einem Großteil der Fälle klar: Während die Privatisierung nun vielerorts rückabgewickelt wird, bereut kaum eine Kommune den Rückkauf in die öffentliche Hand.

Nicht dasselbe in Grün

Zuletzt geht es bei der Rekommunalisierung nicht nur darum, dieselben Leistungen effizienter zur Verfügung zu stellen. Es geht auch um Demokratisierung und die Gestaltung einer solidarischen Politik vor Ort. Kommunale Unternehmen müssen dem Gemeinwohl dienen. Dieses Mandat nutzen sie vielerorts bereits. So gibt es beispielsweise Programme, um Menschen mit geringem Einkommen zu entlasten. Etwa wurden ausgehend von kommunalen Unternehmen gezielte Energieberatungsprogramme in Kiel oder Heizkosten-Entlastungen für benachteiligte Gruppen in München ins Leben gerufen.

»Wer langfristig sparen will, muss frühzeitig in öffentliche Infrastruktur investieren.«

Ein wesentlicher Sektor, der solidarische Politik vor Ort greifbar macht, ist die Wohnungspolitik. Da in öffentlichen Wohnungen die Gewinne nicht maximiert werden müssen, fallen Mieten günstiger aus und Wohnviertel bleiben diverser. In Dresden wurden erst vor kurzem mehr als 1.000 Wohnungen rekommunalisiert – und dazu vom ursprünglichen Besitzer Vonovia erworben. Das könnte auch ein Vorbild für Berlin sein, wo der Mehrheitsentscheid zur Enteignung solcher Wohnungskonzerne endlich umgesetzt werden muss.

Innerhalb von linken Bewegungen diskutierten viele in jüngster Zeit einen »Infrastruktursozialismus«, in dem grundlegende Güter allen meist kostenfrei und leicht zugänglich zur Verfügung stehen. Bisherige Erfahrungen mit Rekommunalisierung bilden eine gute Grundlage für eine langfristige und realistische Zielvorstellung. Gute Vorbilder müssen nun Schule machen und Rekommunalisierungen leichter möglich werden.

Keine privaten Gewinne mit öffentlicher Infrastruktur

Privatisierungsstopps und Rekommunalisierungen sind Maßnahmen, die öffentlichem Vermögen langfristig nutzen, Gelder innerhalb der Gemeinschaft halten und demokratische Mitbestimmung erleichtern. Am Ende sind kommunale Unternehmen wichtige öffentliche Vermögenswerte. Das gilt besonders für finanzschwache Kommunen. Denn Kommunen können auf einer größeren Basis auf Einkommensquellen zurückgreifen, wenn sie etwa Immobilien oder Stromnetze besitzen. Sie werden weniger krisenanfällig und abhängig von einzelnen privaten Unternehmen, deren Geschäftsmodelle sie nicht beeinflussen können.

Mit dem Argument des fehlenden Geldes, kommunale Unternehmen loszuwerden, ist wie Schiffsdiesel vom Tanker zu werfen, um schneller zu fahren. Am Ende verliert man langfristig Vermögen in öffentlicher Hand, das eigentlich benötigt wird, um die öffentlichen Haushalte abzusichern. Wenn man Kommunen also von vornherein durch öffentliches Vermögen absichert, muss man sie später nicht durch öffentliche Mittel retten. Privatisierungen sind also nicht nur undemokratischer und oft unwirtschaftlicher, sondern meist auch einfach unnötig.

Wie stärken wir die öffentliche Hand?

Kommunen können sich jetzt bereits für Neugründungen oder den Rückkauf privater Infrastrukturen entscheiden und viele machen Gebrauch von dieser Möglichkeit. Wer langfristig sparen will, muss frühzeitig in öffentliche Infrastruktur investieren. Politischer Wille von Bund und Ländern kann dafür sorgen, dass Kommunen finanziell hinreichend ausgestattet werden, um sich die notwendigen Investitionen zu leisten.

Auch wenn Investitionen sich durchaus lohnen würden, ist es Kommunen oft nicht möglich, die nötigen Kredite aufzunehmen. Das lässt sich politisch verändern. Darlehen und Zinsvergünstigungen müssen für große Investitionen in kommunale Infrastruktur ausgeweitet werden und zielgenau auf finanzschwache Kommunen und den Rückkauf von Infrastruktur ausgerichtet sein. Haushaltsregeln für Kommunen müssen angepasst werden, damit Kredite für Rekommunalisierungen leichter aufgenommen werden können. Mit einer Privatisierungsbremse kann sichergestellt werden, dass Privatisierungen nicht allein mit dem Argument der kurzfristigen Haushaltsentlastung durchgeführt werden können.

»Die Rekommunalisierung ist ein Aufbruch in ein solidarisches Wirtschaften. Sie kann dafür sorgen, dass das Leben weniger marktgesteuert stattfindet.«

Es geht aber nicht nur um genügend Geld für Rekommunalisierungsprojekte. Denn bisher haben private Betreiber häufig Informationsvorteile in ihrem bisherigen Geschäftsfeld und können etwa zu hohe Preise für den Rückkauf oder zu niedrige und ungünstige Konditionen beim Ankauf benennen. Deshalb braucht es hier unterstützende Expertise.

Bestehende Organisationen wie beispielsweise die PD – Berater der öffentlichen Hand lassen sich nutzen, um Kommunen zu beraten und auch politische Impulse weiter auszuarbeiten. Ebenfalls hilfreich ist es, wenn verlässlichere Daten und standardisierte Erfahrungsberichte zur Rekommunalisierung vorliegen, auch hierzu sollten solche Organisation beitragen.

Insgesamt können Kommunalpolitikerinnen und -politiker auf Basis von guten Beispielen und schrittweisen Anleitungen für Gemeinden somit leichter Impulse zur Rekommunalisierung setzen.

Wie geht’s weiter?

Die Rekommunalisierung ist ein Aufbruch in ein solidarisches Wirtschaften. Sie kann dafür sorgen, dass das Leben weniger marktgesteuert stattfindet. Aus politischer Perspektive ist dabei wichtig zu betonen: Hier handelt es sich um Projekte vor Ort, hinter denen sich große Mehrheiten versammeln können und die gleichzeitig den Nutzen linker Politik greifbar machen. Für ein Wirtschaften weg von der Profitmaximierung ist das kommunale Modell der Gegenentwurf.

Aktuell sind die Versuche, gesellschaftliche Mehrheiten für das kommunale Modell zu nutzen, auf ganz konkrete Projekte begrenzt und werden von Aktiven innerhalb und außerhalb der (kommunalen) Parteipolitik vor Ort hart erkämpft. Auch große Vorhaben wie Deutsche Wohnen & Co. enteignen setzen bereits wichtige Impulse aus der Zivilgesellschaft.

Wir müssen sie übergeordnet unterstützen, öffentlich diskutieren und in die politische Auseinandersetzung mitnehmen. In vielen Städten und Gemeinden zeigt sich schon jetzt in einzelnen Rekommunalisierungsprojekten, was möglich ist. Hier liegt ein riesiges politisches Potenzial, das genutzt werden muss. So machen wir sichtbar, was solidarisches Wirtschaften bedeuten kann.

 

 

 

 

 

Der Beitrag erschien auf https://www.jacobin.de und wird mit freundlicher Genehmigung der Redaktion hier gespiegelt.
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