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Die Verdammten dieser Erde

Wie Gewalt durch strukturelle Gewalt eskaliert, erklärte der Psychiater Frantz Fanon, der am 20. Juli 2025 100 Jahre geworden wäre.

Von Sabine Kebir

1961 erschien im Pariser Verlag Maspero ein Buch, das das Verständnis der Dynamik zwischen Gewalt und Gegengewalt in Kolonialkonflikten schlagartig enorm erweiterte: ´Die Verdammten dieser Erde`. Autor war Frantz Fanon, ein von der französischen Karibikinsel Martinique stammender schwarzer Psychiater. Seinen Erkenntnissen lagen intensive berufliche Erfahrungen zugrunde, die er während des seit 1954 tobenden algerischen Unabhängigkeitskrieges machte, der sowohl von der Kolonialmacht als auch von den Kolonisierten gnadenlos geführt wurde. 1953 war er zum Chefarzt einer psychiatrischen Klinik in Blida bei Algier berufen worden. 1956 desertierte er aus seinem Amt und schloss sich mit einer Gruppe von Mitarbeitern der algerischen Exilregierung in Tunis an. Dort schuf er psychiatrische Einrichtungen für die zahlreichen traumatisierten Flüchtlinge, darunter viele Kinder. Fanon hatte auch politische Funktionen inne und wirkte als reisender Botschafter der Front de Libération Nationale in anderen, bereits unabhängig gewordenen afrikanischen Staaten.

Der Vorzug, der sein Hauptwerk zum weiterhin aktuellen Klassiker macht, besteht darin, dass Fanon nicht nur die vordergründige physische Gewalt des Befreiungskrieges analysiert, was zu parteiisch-moralisierenden Beurteilungen führen kann, die dem Brechen der Gewaltdynamik entgegenstehen. Fanon machte klar, dass sie nur durchbrochen werden kann, wenn auch strukturelle und psychische Gewalt endet, die physischen Gewaltereignissen vorausgegangen sind. Die Verdammten dieser Erde weiterlesen