Im Jahr 1969 veröffentlichte Peter Brückner in einem Sammelband zur politischen Psychologie einen kleinen, feinen Text zur »Psychologie des Mitläufers« i. Bei diesem handelte es sich um eine aktualisierte Version eines Beitrags gleichen Titels für das Jugendinstitut der UNESCO von 1964. Obwohl 1969 aktualisiert, bezieht er sich nicht auf die damalige politische Situation zur Hochzeit der Studentenbewegung. Ausgangspunkt von Peter Brückners Überlegungen ist vielmehr der Normalzustand der politischen Passivität breiter Bevölkerungskreise als »Ausdruck der gleichen psychodynamischen Strukturen, die bei beschreibbaren Veränderungen im sozialen Feld in eine unmittelbar bedrohliche Erscheinung umschlagen können, in die des Mitläufers« (S. 57).
Referenzpunkt war natürlich das »Dritte Reich«, das zur Zeit der Ursprungsversion noch nicht einmal 20 Jahre zurück lag. Er fragt somit, wie aus passiven Massen unter geeigneten Bedingungen Unterstützer autoritärer und verbrecherischer Verhältnisse werden können. In diesem kurzen Text finden sich so viele bedenkenswerte Einsichten und Thesen, daß er geradezu dazu einlädt, sich auf ihn stützend über das Phänomen des linken Mitläufertums während der Corona-Zeit Gedanken zu machen. Das meiste Gesagte kann man bruchlos auf den aktuellen Ukraine-Konflikt übertragen.
Auch wenn ich selbst weder Sozialpsychologe noch Peter-Brückner-Experte bin, möchte ich mich daran versuchen. Die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen damals und heute sind dabei nicht so wichtig, besonders weil das wesentliche strukturelle Element unverändert geblieben ist: die Kontinuität der Kapitalherrschaft. Zur Psychologie des Mitläufers: Ein Versuch über linkes Mitläufertum auf einen Text von Peter Brückner weiterlesen