Von Gusti Steiner (1938-2004)
Ich bin 1938 geboren, habe einen fortschreitenden Muskelschwund, konnte die ersten 10 Jahre meines Lebens noch laufen und besuchte von 1946 bis 1950 in Frankfurt die Grundschule. Anschließend ging ich zu einer Realschule und merkte bei meiner Entlassung 1956, dass mein weiterer Lebensweg anders zu verlaufen drohte als der meiner Mitschüler. Ich hatte all diese Jahre eine Regelschule besucht, weil zu dieser Zeit das Sonderschulunwesen noch nicht so ausgeprägt war wie einige Jahre später.
Trotz dieser Zufallsintegration gelang es mir 1956 nicht, eine Berufsausbildung zu erhalten, ich fand trotz Bemühungen keine Lehrstelle. Ich begann damals, Nachhilfeunterricht in verschiedenen Fächern zu geben. Auf diese Weise sicherte ich bescheiden meine Existenz und füllte mein Leben mit einer sinnvollen Aufgabe. Diese Tätigkeit übte ich bis 1972 aus. Ich lebte bei meiner Mutter. Sie versorgte mich, half mir bei allen möglichen Verrichtungen und gab mir die notwendige Pflege. Als sie 1972 plötzlich starb, war ich mit einem Schlag auf mich gestellt und musste mir überlegen, wie mein Leben weitergehen sollte.
Ein Heim kam damals für mich nicht in Frage – ich kann heute nicht mehr sagen, wieso ich eine solche Abneigung gegen Heime hatte. Fakt war, ich begann in Frankfurt eine rollstuhlgerechte Wohnung zu suchen und bemühte mich, mit dem Arbeitsamt abzuklären, was ich beruflich als 34jähriger Rollstuhlfahrer machen könnte.