Ursachen der sozialpartnerschaftlichen Beschränktheit von Gewerkschaften und Arbeiterparteien – Wie kann diese Schranke zumindest teilweise überwunden werden?

Referat von Klaus Dallmer

Ich kenne keinen aktiven Gewerkschafter, der nicht gleichzeitig über die Führung schimpft und den mangelhaften Organisationsgrad beklagt.

Zwei Beispiele aus jüngster Zeit für die Anpassung:

  1. Die Mindestlohnkommission hat einstimmig, also mit den Stimmen der Gewerkschafter entschieden, unter den 15 Euro zu bleiben; die Gewerkschafter haben sich also in bester sozialpartnerschaftlicher Manier die Köpfe der Unternehmer zerbrochen. Und die SPD hat die Entscheidung sofort übernommen und damit ihr Wahlversprechen gebrochen.
  2. Was will Heidi Reichinnek im Kontrollausschuss für die Geheimdienste? Will sie die Geheimdienste des Klassengegners überwachen? Die würden ihr kaum die Wahrheit erzählen, und wenn, dann dürfte sie die Informationen nicht weitergeben, sonst bekäme sie ein Verfahren. Es geht also einzig um die Anerkennung der Partei im Parlamentsbetrieb.

Was sehen wir bei den Gewerkschaften?:
Zustimmung der Gewerkschaften zum Rüstungsprogramm, politische „Neutralität“; Streikmobilisierungen werden verschenkt, Mitgliederverwaltung und Dienstleistermentalität. Stattdessen brauchen wir die Gewerkschaften als soziale Bewegung mit klassenkämpferischer Politik und konsequenter Antikriegspolitik.

Ein Hoffnungsschimmer ist die Krankenhausbewegung : Streikende bestimmen in der Tarifkommission, ob der Vorstand sich durchsetzen kann – und das hängt von Aktivität der Mitglieder ab. Und diese Aktivität wird zur Mobilisierung immer wieder gebraucht. Um im Rahmen der Sozialpartnerschaft zu bleiben, wird für Tarifabschlüsse immer wieder gebremst: Gas geben – bremsen, Gas geben – bremsen ist die allgemeine Erscheinung der Tarifpolitik.

Wegen einiger Ähnlichkeiten mache ich jetzt einen Rückgriff in die Geschichte.

Erste Gewerkschaften entstanden in der Revolution1848 als Unterstützungskassen, dann waren sie verboten, dann entstanden sie wieder, während der Sozialistengesetze waren sie wieder verboten, trotzdem wuchsen sie immer weiter an. Es waren harte Kämpfe um Lohn und Arbeitsbedingungen, in denen die Arbeiterklasse sich ihre Organisationen geschaffen hat. Friedrich Ebert z.B. stand als Streikführer auf schwarzen Listen der Unternehmer.

1900 gab es 680.000 Gewerkschaftsmitglieder,

1914 hatten die Gewerkschaften 2,5 Millionen Mitglieder.

Gleichzeitig entwickelte sich der politische Arm der Arbeiterbewegung, die SPD, mit marxistischer Orientierung. Sie hatte 1900 720.000 Mitglieder (damals also noch mehr als die Gewerkschaften) und 1914 kurz vor dem Krieg eine Million.

Nach den Sozialistengesetzen konzentrierte sich die SPD stark auf die Wahlen, und gab es einen rapiden Anstieg der Wahlerfolge. Bei der Wahl 1912 bekam die SPD 35% der Stimmen und war mit 110 Sitzen die stärkste Fraktion im Reichstag.

Aber wie sah es im Inneren der Arbeiterbewegung aus?

Die gewerkschaftlichen Kämpfe waren Streik – Stillhalteabkommen – Streik – Stillhalteabkommen. Die Arbeiter waren weiterhin vom jeweiligen Betriebswohl abhängig, sie gingen höchstens theoretisch darüber hinaus. Sie diskutierten in den Arbeiterbildungsvereinen und in den Kneipen, wie der sozialistische Zukunftsstaat wohl aussehen würde – aber nicht, wie man ihn erkämpfen könne.

Die SPD erwartete den Zusammenbruch des Kapitalismus, den großen „Kladderadatsch“. Karl Kautsky sagte, die SPD sei eine revolutionäre Partei, aber keine Revolution machende Partei.

Nach der russischen Revolution von 1905 kam es zur Debatte um den Generalstreik, den die Gewerkschaften ablehnten aus Sorge um die Kassen, um die Legalität, und um mögliche Radikalisierungen, die ihnen das Heft des Handelns aus der Hand nehmen würden. Die SPD knickte ein und verzichtete auf ihren politisches Vorrang – über Streiks hätten die Gewerkschaften zu entscheiden.

Rosa Luxemburg fand begeisterte Zustimmung auf den Arbeiterversammlungen, aber ihre Apelle zur Nutzung aller Mobilisierungsmöglichkeiten trafen bei den Führungen von Partei und Gewerkschaften auf Ablehnung. Massenhafte Lernprozesse und Radikalisierungen wollte man nicht. Die „Praktiker“ wussten besser, was „möglich“ war.

Mit dem Mund wollte man den Sozialismus, aber die Praxis war reformistisch: kurz vor dem Krieg hatten die Gewerkschaften über 12.000 Tarifverträge zu verwalten, außer in der Schwerindustrie waren sie eingespielte Sozialpartner.

Bebels alte Parole „Diesem System keinen Mann und keinen Groschen“ hatte sich stark aufgeweicht. Die SPD war im Reichstag, in Landtagen und Stadtverordnetenversammlungen vertreten, sie konnte politisch Einfluss nehmen auf Sozialgesetzgebung, Arbeitsschutz, Schul- und Sozialpolitik. Aber von Bürgermeister- oder anderen Regierungsämtern wurde sie ausgeschlossen. (Diese mangelnde Anerkennung lastete schwer auf den „vaterlandslosen Gesellen“, und so wuchs das Wohlverhalten, das sie später auch in Regierungsämter geführt hat, nur dann eben ohne Sozialismus.) Teilweise kam es zur Zusammenarbeit mit bürgerlichen Parteien, auch bei Finanzbewilligungen, 1913 stimmte die SPD sogar dem Finanzierungsmodus einer Rüstungsvorlage zu.

Ab 1906 bekamen Reichstagsabgeordnete 3000 Mark Diäten pro Jahr (heute etwa 150.000 € nach Kaufkraft).

August Bebel war Präsident des sächsischen Landtages.

Die Linken in der SPD waren total in die Minderheit geraten. Und nicht zu vergessen: SPD- und Gewerkschaftsmitglieder waren eine Minderheit in der Arbeiterschaft, es gab auch viele Arbeiter in den Flotten- und Kriegervereinen.

Wenn die Führungen von SPD und Gewerkschaften gegen den drohenden Krieg etwas hätten ausrichten wollen, hätten sie sich für das Risiko von Verbot und Verhaftung entscheiden müssen. Das wollten sie nicht. Ende Juli folgten noch Hunderttausende den Aufrufen der SPD zu Demonstrationen gegen den Krieg – am 4. August stimmte die Partei im Reichstag den Kriegskrediten zu und fiel damit dem Widerstand der eigenen Leute in den Rücken. Die Arbeiterbewegung brach zusammen.

Was sehen wir daraus?

  1. Im Vergleich zu heute waren die Anreize für die Integration ins System gering, trotzdem haben sie vollständig gewirkt.
  2. Eine revolutionäre Rhetorik hilft nichts, wenn die Massen sie nicht praktisch tragen.
  3. Eine klassenkämpferische Praxis der Gewerkschaften ohne politische Ausrichtung auf den Sozialismus schützt nicht vor dem Zusammenbruch.

Damals wie heute sah sich der deutsche Imperialismus an seiner Ausbreitung gehindert. Damals ging es um „den Platz an der Sonne“, heute geht es um weitere Ausdehnung gen Osten.

Rosa Luxemburg hat die parlamentarische Orientierung kritisiert mit dem Hinweis, dass die Bourgeoisie keine parlamentarische Partei, sondern eine gesellschaftliche Klasse ist.

Der Elitenforschen Professor Michael Hartmann hat gerade neue Studie veröffentlicht, die besagt, dass die Superreichen sich immer untereinander rekrutieren, das hat sich seit dem Kaiserreich kaum verändert. 3000 Superreiche bestimmen die Geschicke der Gesellschaft über ihre beherrschenden Einflüsse auf Institutionen, Wirtschaft, Politik und Medien.

Da die herrschenden Gedanken die Gedanken der Herrschenden sind, wäre es gut zu wissen, was denn die Herrschenden so denken. Also versuche ich mal, die Gedanken der herrschenden Klasse darzustellen:

Wir sind dafür, dass jeder frei ist zu tun, was er oder sie tun will. Wir legen unser Geld da an, wo wir es wollen. Wir brauchen da keine Vorschriften und Steuern, denn wenn wir nicht wissen, wo es nützlich ist, wer sonst? Der Staat verplempert die Steuern meist unproduktiv – außer wir bekommen Subventionen.

Und wir haben da eine hohe Verantwortung, denn an uns hängen ganze Pyramiden von Leuten dran, deren Wohlergehen nur gesichert ist, wenn die Wirtschaft funktioniert – also im Klartext: wenn unser Kapital genug Gewinne abwirft. Angefangen mit den Direktoren, die sich schon mit ein paar Millionen im Jahr abspeisen lassen und uns nach dem Munde reden, aber darunter gibt es jede Menge Hungerleider, manche arbeiten für 5000 im Monat oder sogar für noch weniger, das muss man sich mal vorstellen! Und obendrein haben sie auch noch Angst, solche Jobs zu verlieren! Aber wir können ja nicht allen helfen. Nützliche Arbeit muss man schon leisten – also Gewinn erzeugende.

Wenn wir uns auf solch philanthropische Sachen einlassen würden, wie sie oft gefordert werden, die die üblichen Gewinnmargen weit unterschreiten, dann werden die Kredite ja unsicher und mit ihnen die Banken. Die Banken brauchen wir ja für große Projekte, um die Gewinnvermehrung zu hebeln – und außerdem gehören die Banken ja uns.

Wie die Wirtschaftspolitik am besten zu gestalten ist, um uns Anreize zu geben (kicher), das lassen wir von unseren Thinktanks erarbeiten.
Manchmal streiten wir uns darüber, welche Schritte sich daraus ableiten, und auch unsere politischen Diener streiten sich, aber dafür ist die Demokratie ja da, dass man den besten Weg findet. Da gibt es Scharen von intellektuellen Habenichtsen im Kampf um Jobs, die die politischen Notwendigkeiten nachdenken, nachsprechen und nachschreiben wollen und in unsere Zeitungen und Meinungsportale drängen.
Und auch in den Rundfunk- und Fernsehanstalten, in den sozialen Medien und Unterhaltungsportalen verbreiten sie das, was wir denken. Es geht ja auch gar nicht anders. Die Wirtschaft folgt ja einer zwingenden Logik, wie Karl Marx sie schon beschrieben hat – das sollte man wirklich mal nachlesen.

In den Fabriken wird schon so viel produziert und wir könnten noch viel mehr produzieren, aber wohin damit? Der Weltmarkt nimmt nicht alles auf. So müssen wir große Teile unseres Geldes von windigen Brokern in Finanzportfolios anlegen lassen, die im Sekundentakt auf Spekulationen springen – manchmal auch leider daneben.

Da ist es zukunftssicherer, wenn wir neue Möglichkeiten erschließen können, in segensreichen Produktionsstätten unser Geld anzulegen oder bei der Inwertsetzung von Bodenschätzen und hochqualifizierten Arbeitskräften. Das bringt wieder viele neue Menschen in Lohn und Brot. Umso leichter geht das, wenn sie nicht allzu viel verlangen für ihre Arbeit.
Selbstredend muss eine Investition aber auch sicher sein, und wir müssen sicher sein, dass wir die Gewinne auch mitnehmen dürfen. Eine Regierung, die solcher Freiheit Grenzen setzt, ist natürlich etwas ganz Unerfreuliches. Wenn es Menschen gibt, die in solchen Ländern nach Freiheit streben, lassen wir sie selbstverständlich diplomatisch unterstützen oder indem wir Druck ausüben und, wenn es gar nicht anders geht, auch mit Waffen. Das wird dann besonders dringend, wenn sich nur noch durch Ausdehnung des Wirtschaftsraums die Gewinne in einer akzeptablen Höhe halten lassen. Was akzeptabel ist, bestimmen wir, wir und unsere Banken.

Niemand will ja Krieg, aber Waffen haben ja auch den Vorteil, dass der Staat eine Abnahmegarantie gibt, und die Preise legen dann wir fest bzw. unsere buckelnden Pappbergerkameraden. So haben wir sichere Gewinnbooster in unserem Portfolio. Zumal unsere bisherige Profitmaschine, die Autoindustrie, schwer ins Stottern geraten ist.
Wenn die Waffen einmal angehäuft sind, übt man ja damit auch automatisch politischen Druck aus. Und es gibt zum Glück genug Besessene, die sich für das Militärwesen begeistern und sich dafür bezahlen lassen, im Ernstfall überzählige Menschen in die Schlachten führen. Wir ziehen uns dann in sichere Gefilde zurück.

Natürlich muss man bei alledem vorsichtig und überlegt vorgehen, und dabei sind auch Zugeständnisse nötig. Sonst bekommt man ernsthaften Gegenwind, und hergelaufene Hitzköpfe kommen auf den Gedanken, unser ganzes alternativloses System infrage zu stellen.
Das Anwachsen der Sozialdemokratie beispielsweise hat uns fast den Kriegseintritt 1914 gekostet, wie wir aus der Chronik unseres Urgroßvaters wissen, aber dann haben wir sie doch noch austricksen können. Leider ist es uns aber nicht gelungen, uns die Schwerindustrie im Westen und die Kornkammer im Osten einzuverleiben – aber verdient haben wir an dem Versuch schon.
Als die Verräter unseren Kaiser davongejagt hatten, hatten unsere Großväter wirklich große Angst, dass die Roten mit ihren Sozialisierungsparolen Ernst machen. Aber schon eine Woche nach der Revolution haben die Dummköpfe von der Gewerkschaft unser Eigentum anerkannt. Und die uns freundlich gesinnten Sozialdemokraten fühlten sich zum Glück von den Kommunisten bedroht, und so konnten wir die SPD benutzen, um die ernsthaft Roten von Freicorps umbringen zu lassen. Für solche Sachen haben wir immer etwas Spielgeld.

Das Spielgeld haben wir dann auch eingesetzt, als die Hungerleider ihre naive Hoffnung auf die Linken verloren hatten, und die wirtschaftliche Not sie in die nationale Schicksalsgemeinschaft zu den Faschisten trieb, mit denen wir dann unsere alten Ausdehnungsziele nochmal gründlicher angegangen sind. Leider ging auch das daneben.
Nach diesem zweiten Versuch war viel kaputt und wir waren ernsthaft am Wanken – wir mussten sogar unsere politischen Gefolgsleute den Sozialismus fordern lassen, damit sie gewählt wurden und nicht die Sozialisten.

Die Amerikaner haben uns gerettet – und das Zuckerbrot, das wir in zuvor unbekannter Höhe unseren braven Arbeitern haben zukommen lassen. Da sie sich nun anständig kleiden und ernähren können, Auto fahren, Schulden machen und Häuschen bauen, sind sie zu verantwortlichen Mitbürgern geworden. Und so dürfen wir nun hoffen, dass sie bereit sind, nach dieser langen Periode des Wohlergehens uns auch jetzt zu folgen, wo die Ausdehnung gen Osten – zu der wir ja wirtschaftlich gedrängt sind – an ihre Grenze gestoßen ist und wir ernsthaften Widerstand von außen erfahren – gegen den wir nun wieder zum militärischen Druck greifen und der Gesellschaft für unser aller Überleben schwere Lasten auferlegen müssen. Im Westen haben wir den Rücken ja diesmal frei, und diesmal bringen wir die Freiheit.

Und so weiter.

Einschub zu Ende.

Die Probleme, vor denen die Arbeiterklasse steht, türmen sich gewaltig auf:

Massenhafte Stellenstreichungen, Belegschaften werden national und international in die Konkurrenz getrieben, Kriegsvorbereitungen und Abwälzung der Kosten auf die Beschäftigten.

Die SPD ist fest an die Unternehmerinteressen gebunden.

Wie sieht es bei den Gewerkschaften aus? In den Gewerkschaften sammeln sich die Beschäftigten wegen der unmittelbaren Umstände, unter denen sie arbeiten, das sind der Lohn und die Arbeitsbedingungen. Auch Unpolitische können so in Bewegung kommen.
Die ganze gewerkschaftliche Tätigkeit ist Sozialpartnerschaft, so wie die Masse der Beschäftigten selbst Sozialpartner sind und auch so denken. Die sozialpartnerschaftliche Orientierung kann deshalb nicht einfach politisch ausgetauscht werden.

Aber die Widersprüche sind nach wie vor vorhanden und können immer wieder aufbrechen, wenn die Probleme sich sozialpartnerschaftlich nicht mehr lösen lassen, sondern ausgekämpft werden müssen. Wenn die Klasse über die Sozialpartnerschaft hinausgeht (für die Autoindustrie z.B. liegt die Vergesellschaftung als Lösung theoretisch bereits auf der Hand) sehen die Gewerkschaften ihre bisherige Rolle gefährdet, nämlich mit den Unternehmern Verträge auszuhandeln – weil dann potentiell keine Unternehmer mehr da sind. Deswegen ist das ständige Spiel von Mobilisierung und Bremsen ein hohes Risiko für die sozialpartnerschaftliche Führung. So erklärt sich auch das rigide Arbeitsklima in den Gewerkschaftsapparaten.

Was erwarten denn wir von den Gewerkschaftsführungen? Dass sie die Klasse aktivieren? Das geht nur, wenn die Klasse sich bewegen will. Und wenn sie will, braucht sie die Möglichkeit, gewerkschaftliche Strukturen dafür zu nutzen, dann kann auch die Führung gedrängt werden, sich an der Mobilisierung zu beteiligen. Wenn die Führung Angst hat, abgehängt zu werden. So war es beim Generalstreik gegen den Kapp-Putsch. Das ist ein ständiger Kampf um Positionen für die Linke in den Gewerkschaften. Wer aber eigene Verbände gründen will, liefert Vorwände für Ausschlüsse und schadet der eigenen Position. Und auch kommunistische Gewerkschaften betreiben Sozialpartnerschaft und werden aufgeweicht, z.B. die CGT in Frankreich.

Aber wir sollten uns nicht einbilden, man könne die Gewerkschaftsführung erobern. Die kriegsbelastete Führung des Deutschen Metallarbeiterverbandes konnte erst im Oktober 1919 von den Linken gestürzt werden, also 11 Monate nach der Revolution.

Wir brauchen die politische Organisation, die die Überwindung des Kapitalismus propagiert und dafür Positionen unter Gewerkschaftern erobert, denn auch die schönsten reformerischen Forderungen werden unglaubhaft. Wenn man dabei stehen bleibt, gewinnt man nicht die Massen, sondern enttäuscht sie.

Diese politische Organisation muss die Klasse sich selbst schaffen, das geht nur, wenn sie sich in diesem Sinne in Bewegung setzt und sozialistische Positionen aufsaugt. Arbeiterorganisationen entstehen im Kampf.

Die Linkspartei ist bisher ein Sammelbecken und möchte Klassenpartei werden. Sie setzt sich für gewerkschaftliche Aktivierung ein, aber das reicht eben nicht. Eine Klassenpartei muss glaubhaft sein. Wenn die Wähler schönen Programmen glauben, die sich dann nicht umsetzen lassen, weil man nicht die Mehrheit hat, wenden sie sich ab. Nur die Überwindung des Kapitalismus kann wieder für Massen ein Ziel werden, für das es sich lohnt, sich einzusetzen. Ohne außerparlamentarischen Druck ist ohnehin nichts zu erreichen. Rosa Luxemburg nannte die parlamentarische Tätigkeit ohne die dahinterstehende Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse so sinnvoll wie das „Wasserschöpfen mit einem Siebe“.

Das Streben nach Anerkennung und Koalitionen, um wenigstens ein Bisschen umsetzen zu können, führt zur Aufweichung von Klassenpositionen. Und so finden sich Positionen des Klassengegners in der Partei. Bis die Erkenntnis „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ in der Linkspartei die Mehrheit erobert hat, scheint es ein langer Weg zu werden.

Wenn die Arbeiterklasse ins Handeln kommt, wird sich zeigen, welche Teile der Linkspartei für die Bewegung zu gebrauchen sind.

Die Sozialpartnerschaft ist also strukturell bedingt und entsteht durch die Praxis immer wieder neu, so wie auch immer wieder Ansätze entstehen, die Unterwerfung abzuschütteln. Die sozialpartnerschaftliche Bremse des gewerkschaftlichen und politischen Klassenkampfes kann nur durch sozialistische Arbeiterbewegung überwunden werden.

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Das Referat hielt Klaus Dallmer am 2. Juli 2025 beim 238. Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg: https://gewerkschaftslinke.hamburg

 

 

 

 

 

Quelle und weitere Infos: https://gewerkschaftslinke.hamburg
Bild: ver.di