Verkehrspolitik in und für Dortmund – Verkehrspolitik und Stadt für die Menschen

Von Winfried Wolf

Die dringend erforderliche Verkehrswende in Dortmund und Region wird nur gelingen, wenn sie von einer breiten Bewegung in der Bevölkerung unterstützt, ja getragen wird. Sie muss zu einem Demokratieprojekt der Bürgerinnen und Bürger werden. Das ist keine Frage der PR. Dazu sollte auch über neue institutionalisierte Formen demokratischer Beteiligung – beispielsweise ein Fahrgastrat – nachgedacht werden.  In jedem Fall müssen die bestehenden Verbände im Umwelt- und Verkehrsbereich und die mit dem Thema befassten Gewerkschaften mit einbezogen werden. Hier fällt auf, dass es im „Arbeitskreis“, der den „Masterplan Mobilität 2030“ für Dortmund begleitet, mehr als 20 Verbände und Gruppierungen vertreten sind – doch die Gewerkschaften fehlen komplett. In Frage kommt hier in erster Linie verdi.  Eine Mobilitätsplanung tangiert massiv gewerkschaftliche Interessen – sei es in Form der Mobilität der Lohnabhängigen, sei es in Form der betroffenen Beschäftigtem der Stadtwerke.

1. Fünf Herausforderungen

Die Herausforderungen, vor denen wir in Europa, in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen respektive in Dortmund, stehen, sind hinsichtlich der zukünftigen Stadt- und Verkehrsorganisation sind gewaltig. Sie können auf fünf Ebenen konkretisiert werden:

KLIMASCHUTZ

Selbstverständlich ist: Die CO-2-Emissionen im Verkehrssektor müssen massiv reduziert werden. Laut Eingeständnis der Bundesregierung (Koalitionsvertrag) können die von Deutschland eingegangenen Klimaschutzziele bis 2020 nicht eingehalten werden. Laut Eingeständnis des Klimarats der Vereinten Nationen kann die Begrenzung der Erderwärmung auf 2 Grad Celsius auf Basis der bisherigen – jüngeren – Entwicklung nicht mehr eingehalten werden; sie könnte nur mit einer deutlichen, wohl radikalen Veränderung der aktuellen Wirtschafts- und Verkehrspolitik noch eingehalten werden. Der Straßenverkehr ist für rund 20 bis 25 Prozent aller das Klima schädigenden Emissionen verantwortlich. In einer Stadt wie Dortmund sind es sogar 36 Prozent. Vor allem kommt es beim Straßenverkehr (und beim Luftverkehr) seit einigen Jahren sogar zum Gegenteil dessen, was notwendig ist und was u.a. in Paris zugesagt wurde: die das Klima schädigenden Emissionen wachsen wieder an.  Auch in Dortmund nahm die Zahl der registrierten Pkw deutlich zu; mit aktuellen Stand vom 1.1. 2018 waren in Dortmund 282.290 Pkw zugelassen- hinzu kamen 14.019 Lkw. Von den Kraftahrzeugen hatten 99 Prozent einen Verbrennungsmotor. Fast ein Drittel des gesamten Pkw-Bestands sind Diesel-Pkw.

Wer Klimaschutz will, muss für eine umfassende Verkehrswende eintreten.

ZERSTÖRUNG von UEBANITÄT – RECHT auf STADT

Selbstverständlich ist: Die Bevölkerung hat ein Recht auf gesunde Luft. Auf Wohnviertel ohne Verlärmung. Auf Quartiere mit Erholungswert. Auf eine Stadt Dortmund, in der der Mensch im Zentrum steht. In der nicht zuletzt die Bedürfnisse der Schwächeren, von Kids, von Ältere von Geflüchteten, gewahrt werden.  Tatsächlich wird dieses Recht auf Stadt weitgehend verwehrt.

Das Auto ist allgegenwärtig: auf Wegen, Straßen, Plätzen, ja auf Fahrradwegen, Grünflächen, Plakaten, in der Werbung. Die Feinstaubbelastung ist hoch und gesundheitsgefährdend. Zu Recht wurden in ersten Städten – in Hamburg und Stuttgart – Fahrverbote für Diesel-Pkw mit besonders hohen NOx-Emissionen erlassen. Auch in Dortmund sind solche Verbote vorstellbar. Wobei darin vor allem das Versagen der Politik, das Recht auf Stadt zu gewährleisten, zum Ausdruck kommt.

Wer Urbanität will, muss eine umfassende Verkehrswende fordern.

MOBILITÄT für ALLE und NACHHALTIG

Selbstverständlich ist: Die Menschen in Dortmund wollen mobil sein, ohne Lärm, der die Nerven belastet und den Schlaf stört. Sie wollen mobil sein, ohne die Gefährdung und den Ausschluss anderer. Sie wollen mobil sein, ohne Luft und Klima zu schädigen. Und sie wollen mobil sein bei vertretbaren Kosten. Mobilität ist nicht zuletzt eine soziale Frage Tatsächlich findet das Gegenteil statt: Die konkrete Form der motorisierten Mobilität schädigt Mensch, Urbanität und Klima. Ein Austausch des Antriebs der Pkw – eine umfassende Verbreitung von Elektro-Autos – bringt keine grundsätzliche Veränderung. In der Regel wächst damit vor allem der Bestand an Pkw in den Städten. 60 Prozent der E-Autos sind Zweit- und Drittwagen.

Wer für nachhaltige, demokratische legitimierte und sozial ausgestaltete Mobilität eintritt, muss eine Verkehrswende fordern, in der der nichtmotorisierte Verkehr und der ÖPNV im Zentrum stehen und bei der eine Debatte über einen allgemeinen Nulltarif für den ÖPNV geführt werden muss.

DIESELGATE, AUTOKARTELL. Oder: Die GLAUBWÜRDIGKEITSKRISE der AUTOKONZERNE

Bis heute weigern sich die Autokonzerne, die erforderlichen Konsequenzen aus dem Diesel-Skandal zu ziehen. Begriffe wie „Mogel-Software“ verharmlosen den Tatbestand, dass hier um des maximalen Profits willen massiv und gezielt gegen Gesetze verstoßen wurde und bewusst die Gesundheit Hunderttausender und das Leben von vielen aufs Spiel gesetzt wurden.  In den USA, wo die Behörden härter im Fall Dieselgate auftreten, sehen sich die Autokonzerne auch veranlasst, Klartext zu bekennen. So hat der VW-Konzern in den USA eingestanden, in „verschwörerischer Absicht gegen US-Gesetze verstoßen“ zu haben. VW bezahlte dafür allein in den USA bisher rund 25 Milliarden Euro Strafen. In der EU und in Deutschland gab es keine auch nur annähernd vergleichbaren Ausgleichszahlungen. Ja, der VW-Konzern behauptet, hierzulande habe der Konzern immer nach Recht und Gesetz gehandelt. Die gleichen Pkw, die VW in den USA aus dem Verkehr ziehen muss, weil sie massiv die Gesundheit der Menschen gefährden, verkehren in Europa ungebremst. VW unterstellt allen Ernstes, dass die Lungen und Herzen von europäischen Menschen widerstandsfähiger seien als diejenigen ihrer nordamerikanischen Artgenossen.

Die notwendige Verkehrswende wird nur umgesetzt werden können, wenn die verhängnisvolle Macht der Autolobby gebrochen wird.

VERKEHRSWENDE von UNTEN 

Festzustellen ist: Die Menschen sind der Politik vielfach voraus. Eine Verkehrswende-Politik wird vielfach von der Politik – auf Bundes- und Länderebene und gerade auch auf kommunaler Ebene – blockiert.  Das Verkehrsverhalten hat sich oft bereits weg vom Auto, gar von dessen monomodaler Nutzung, entwickelt. Die Zahl der Fahrradfahrenden hat sich bundesweit und in fast allen deutschen Städten deutlich erhöht. Dortmund bildet hier eine traurige Ausnahme – hier gibt es diesbezüglich weitgehend Stillstand.  In einigen großen Städten konnten auch die ÖPNV-Anteile gesteigert werden. Auch hier ist Dortmund  eher Schlusslicht; Fortschritte im ÖPNV sind kaum zu erkennen. Der „Umweltverbund“ (zu Fuß gehen, Radfahren, ÖPNV plus Sharing-Angebote) erreicht vielerorts bereits einen Anteil von mehr als 50 Prozent. Auch in Dortmund liegt er über dieser psychologisch wichtigen Marge – und dies trotz des stagnierenden ÖPNV, trotz des krass niedrigen Radverkehrs und allein aufgrund eines erstaunlich hohen Anteils des Fußverkehrs. Darauf wird zurückzukommen sein. Bei vielen Bürgerinnen und Bürgern wuchs die „Lust auf Verkehrswende“ – auch weil der Frust über eine Verkehrspolitik, bei der das Auto im Zentrum steht, immer größer wird. Dabei wurde  in weiten Teilen der Bevölkerung, vor allem bei jüngeren Menschen, die Positionierung des Autos als Statussymbol erheblich geschwächt.  Das oberste Ziel einer Verkehrswende lautet: Wer ohne Auto leben will, muss dazu in der Lage sein – und auch ohne Auto mobil bleiben. In Stadt und im Umland. Die Verkehrspolitik der Stadt Dortmund sollte sich dabei an dem orientieren, was an fortschrittlicher Entwicklung in diesem Bereich längst stattfindet – oft entgegen der Debatten, Pläne und Politikansätze „da oben“.  Die bislang von der Stadt Dortmund vorgelegten Konzepte für die zukünftige Mobilität versprechen verbal eine Verkehrswende. In der Realität setzt sich jedoch die Zunahme des PkwVerkehrs durch. Was auch durch konkrete Politikvorgaben ermöglich wird. Das galt bereits für den „Masterplan Mobilität Dortmund 2004“. Und das gilt für den neuen „Masterplan Mobilität 2030“. Wobei das Spannende auch darin besteht, dass die Zielsetzungen des „Masterplans 2004“ gar nicht ernsthaft bilanziert werden – das weitgehende SCHEITERN dieses 14 Jahre alten Masterplans wird nirgendwo ernsthaft debattiert. Was dann die Grundlage dafür ist, dass auch der neue „Masterplan 2030“ hinsichtlich des Ziels Nachhaltigkeit dann vergleichbar scheitern wird, wenn die Bevölkerung in Dortmund und die hier aktiven Bürgerinnen und Bürger nicht eine echte Verkehrswende durchsetzen

Die notwendige Verkehrswende wird nur umgesetzt werden, wenn sie durch eine Bewegung aus der Bevölkerung und von unabhängigen Basisinitiativen – wie im Fall Dortmund u.a. mit der Initiative „Garten statt ZOB“ und der „Bürgerinitiative zum Envio-Skandal“  – getragen wird.

2. Der Dortmunder „Masterplan Mobilität 2004“  und der „Masterplan Mobilität 2030“:  ein Vergleich

Das Wunderliche an den neuen Debatten über einen – erst in Ansätzen vorhandenen – Dortmunder „Masterplan Mobilität 2030“ sehe ich darin, dass der vor rund eineinhalb Jahrzehnten beschlossene Masterplan Mobilität Dortmund 2004“ erst gar nicht ernsthaft bilanziert wird. Dabei sollte der „Masterplan Mobilität Dortmund 2004“ einen „umfassenden Orientierungsrahmen für die Verkehrsentwicklungsplanung der nächsten 15-20 Jahre“ bieten, also für den Zeitraum 2004 bis mindestens 2020. In diesem 15 Jahre alten Plan wurden deutliche Maßnahmen zum Ausbau des ÖPNV vereinbart. Zu prüfen wäre, inwieweit diese in der Wirklichkeit eingehalten wurden.1

1 Dort wird aufgelistet: „Umbau, Verlegung oder Neueinrichtung diverser S-Bahn- bzw.DB-Haltepunkte; Zweigleisiger Ausbau des Asselner Hellwegs (westlicher Abschnitt), Verlängerung der Stadtbahnlinie U46 in die Ardeystraße und Einschleifung in das regionale Schienennetz; Stadtbahn aus U49 über Phönix West-Bf. Hörde (DBGleise) zur Berghofer Straße.“ (S. 110).

Dort wurde auch festgelegt, es werde eine „Reduzierung des Parkens in den Straßenräumen zugunsten der Fußgänger und Radfahrer, der Verkehrssicherheit und Gestaltung.“ Ausdrücklich festgehalten wird dort: „Gehwege sind keine Parkplätze.“ Das sind vor eineinhalb Jahrzehnten vorgetragene hehre Vorsätze und Vorgaben, die sich kaum mit der 2018er Wirklichkeit der Autostadt Dortmund in Übereinstimmung bringen lassen.

Es gab in diesem 2004er Mobilitätsplan auch klare Vorgaben für die Entwicklung des Modal Splits, für die Verteilung der Mobilitätsformen auf die einzelnen Verkehrsmittel. Danach sollte der Kfz-Verkehr an Anteilen deutlich verlieren – und von einem Anteil von 53 Prozent auf 50 Prozent reduziert werden. Der Fahrradverkehr sollte seinen Anteil von 6 auf 12 Prozent verdoppeln. Was auch mit einem leichten Rückgang des Fußverkehrs verbunden sein sollte (von 21 auf 18 Prozent). Und der ÖPNV sollte seinen Anteil von 20 Prozent verteidigen können.

Die Entwicklung seither sieht im Modal Split nach offiziellen Angaben – allerdings auf Basis des Jahres 2013 – so aus, dass – der Pkw-Verkehr als ANTEIL am Gesamtverkehr tatsächlich rückläufig  war (von einem 53-Prozent-Anteil im Jahr 1998 auf 47%). – Der ÖPNV konnte seinen Anteil tatsächlich bei 20 Prozent stabilisieren. – Der Fahrradverkehr verharrte bei einem 6-Prozent-Anteil; hier wurde nichts von den vollmundigen Ankündigungen einer Verdopplung realisiert. – Und ausgerechnet die von den Verkehrsplanern am wenigsten beachtete Form der Mobilität, der Fußverkehr, wurde – ich wiederhole: laut stadtoffizieller Statistik – von einem Anteil von 21 Prozent im Jahr 1998 auf 27 Prozent (im Jahr 2013) gesteigert.

Mein Eindruck ist: Das ist eine höchst ungewöhnliche Verkehrsentwicklung: Kein Fortschritt beim ÖPNV. Null Fortschritt beim Radverkehr. Anscheinend Fortschritt beim Pkw-Verkehr, der bei den ANTEILEN rückläufig ist. Und diese scheinbar positive Bilanz erklärt sich dadurch, dass die Dortmunderinnen und Dortmunder offensichtlich extrem viel zu Fuß unterwegs sind. Wenn der ANTEIL des Fußverkehrs seit 1998 von 21 auf 27 Prozent stieg, dann ist dies eine Steigerung des Anteils um knapp 30 Prozent. Da der Verkehr insgesamt wuchs – siehe dazu weiter unten, müsste die Steigerung in absoluten Größen (Zahl der Fußwege und Zahl der zu Fuß zurückgelegten Kilometer) noch stärker sein.  Ich finde diese statistischen Aussagen erstaunlich. Diese für Fußwege zu begeisternde Dortmunder Stadtbevölkerung muss offensichtlich in einer Umgebung leben, in der das zu Fuß Gehen Spaß macht. In der also Belästigungen durch Pkw- und anderen Kfz-Verkehr zumindest tendenziell rückläufig ist. Und in der die Wege tendenziell eher kürzer werden.  Nun sagt die Statistik über die Pkw-Entwicklung etwas ganz anderes. Laut „Spiegel“ besitzen die Dortmunder „die meisten Autos“. Dortmund ist im Vergleich mit vergleichbaren Städten Spitze bei der Pkw-Dichte. Die Pkw-Dichte hat kontinuierlich zugenommen.

Es gab also allein im 11-Jahres-Zeitraum 2008-2018 eine erhebliche Zunahme der in Dortmund zugelassenen Pkw (um mehr als 30.000). Und es gibt – auch gemessen an der gewachsenen Bevölkerung – eine zunehmende Pkw-Dichte. Diese lag vor gut einem Jahrzehnt bei 427 Pkw je 1000 Einwohnern. Sie liegt heute bei 469. Wohlgemerkt: In Dortmund kommt damit fast auf jeden zweiten Einwohner ein Pkw – Greise und Säuglinge bereits berücksichtigt. Der Trend zur ständig steigenden Pkw-Dichte ist durchaus ein deutschlandweiter; er widerspricht auch allen verbalen Bekenntnissen zu einer Verkehrswende oder zu „Nachhaltigkeit“. Dennoch sind die Dortmunder Ergebnisse besonders besorgniserregend. In Bremen und Köln kamen 2017 „nur“ 420 Pkw auf 1000 Einwohner, in Hamburg 430; und auch Frankfurt am Main liegt mit 440 Pkw auf 1000 Einwohnern ebenfalls noch deutlich unter dem Dortmund-Wert von 469 Pkw/1000 Einwohner.  Ein echter Ausreißer – im positiven Sinn – ist dann Berlin. Dort kommen nur 340 Autos auf 1000 Einwohner. Es ist die einzige deutsche Großstadt, in der jeder zweite Haushalt über kein Auto verfügt. Auch Wien hat einen erstaunlich niedrigen Wert – 371 Pkw auf 1000 Einwohner. Wobei in der österreichischen Hauptstadt die Pkw-Dichte sogar rückläufig ist – vor allem aufgrund des kontinuierlich verbesserten ÖPNV.2

2 In Berlin dürfte die niedrige Pkw-Dichte damit zusammenhängen, dass es einerseits immer noch einen guten ÖPNV gibt (auch wenn es hier, siehe die andauernde S-Bahn-Krise, zu deutlichen Verschlechterungen kam). Andererseits dürfte der hohe Anteil von Haushalte mit sehr niedrigem Einkommen zur niedrigen Pkw-Dichte beitragen. Bei den Zahlen muss berücksichtigt werden, dass viele Pkw Zweit- und Drittwagen sind.

Wobei wir hier auf einen TRICK und auf eine FALLE verweisen müssen, die zu berücksichtigen sind.

In Berlin steigt die Pkw-Dichte weiter, wenn auch leicht – an.

Immer wieder gibt es Statistiken zur mittelfristigen Entwicklung des Pkw-Bestands in Dortmund (und anderswo), wonach die Pkw-Zahl sich nicht allzu drastisch, zumindest deutlich weniger dramatisch wie oben dargestellt, entwickelt hätte. Das gilt immer dann, wenn Statistiken zum Pkw-Bestand verwandt werden, deren Basis vor dem Jahr 2008 liegt.

Danach waren in Dortmund nach offizieller Statistik 2007 mit 283.168 genau 887 Pkw mehr registriert als am 1. Januar  2018 mit  282.290. Uups… des Rätsels Lösung: 2008 wurde die Statistik für den Kfz-Bestand grundlegend – und dies bundesweit – geändert. Während bislang (und seit den 1950er Jahren) als „Kraftfahrzeugbestand“ die Zahl der angemeldeten UND die Zahl der „vorübergehend stillgelegten“ KfZ aufgeführt wurde, wird seit Anfang 2008 nur noch die Zahl der konkret angemeldeten Pkw (bzw. Kfz)  als „Bestand“ ausgewiesen. Die Zahl der „vorübergehend abgemeldeten Pkw“ ist verschwunden.  Konkret hieß das für Dortmund: Am 1.1.2017 gab es noch 283.168 Pkw. Am 1.1.2018 waren es dann „nur“ noch 249.379 Pkw. Innerhalb eines Jahres reduzierte sich der Pkw-Bestand um 14 Prozent. Doch dieser Rückgang fand lediglich auf dem Papier statt. Bundesweit „verschwanden“ so quasi über Nacht 6.181.000 Kraftfahrzeuge, und darunter  5.386.000 Personenkraftfahrzeuge aus der Statistik.3

3 Für den 1.1. 2007 wird der Bestand an Kfz in Deutschland mit 55,511 Millionen und der Kfz-Bestand ein Jahr später, am 1.1.2008, mit 49,330 angegeben. Bei den Pkw waren es Anfang 2007 46,57 Millionen und Anfang 2008 41,184 Millionen. Nach: Verkehr in Zahlen, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Ausgabe 2016/2017, S.132f.  

Unabhängig davon, dass man darüber debattieren kann, welche Basis der Berechnung für den Kfz- bzw den Pkw-Bestand die richtigere ist („vorübergehend abgemeldete“ Kfz stehen z.B. meist weiterhin auf Stellplätzen herum), müsste im Fall der Veränderung der statistik wie hier erfolgt dreierlei passieren: Erstens müsste die Statistik rückwirkend um die Zahl der „vorübergehend abgemeldeten Pkw“ bereinigt werden, damit man langfristige und belastbare Zeitreihen erstellen kann. Zweitens müssten die „vorrübergehend abgemeldeten“ Kfz zumindest ergänzend ausgewiesen werden. Und drittens müsste diese Veränderung in der Statistik massiv kommuniziert werden. Was nicht der Fall ist. Das ist jeweils ein Rückgang von mehr als elf Prozent, 4

4 Ich debattierte Anfang Mai in Hannover mit einem bekannten Verkehrswissenschaftler, der öffentlich behauptete, die Zahl der Pkw bzw. die Pkw-Dichte in Berlin sei rückläufig. Das trifft – leider – nicht zu. Der Irrtum basiert just auf der beschriebenen und weitgehend stillschweigend vorgenommenen Veränderung in der Statistik der Kraftfahrzeugbundesanstalt in Flensburg, die wiederum für  so gut wie alle Statistiken zum BRD-Kfz-Verkehr und Kfz-Bestand die maßgebliche ist. 

Vor diesem Hintergrund erlaube ich mir die Bemerkung: Ich halte die Behauptung, die mit der offiziellen Statistik begründet wird, wonach in Dortmund der Pkw-Verkehr als Anteil an der gesamten Mobilität im Zeitraum 1998 bis 2013 DRASTISCH zurückging – von 53 auf 47 Prozent sank – für wenig glaubwürdig.

In diesem Zeitraum nahm nicht nur die Zahl der registrierten Pkw im Raum Dortmund zu. Es wurde auch die Pkw-Dichte deutlich gesteigert. Und das ist dann doch ein echtes Rätsel: Es gibt deutlich mehr (zugelassene; angemeldete, also in der Regel auch im Verkehr zirkulierende) Pkw in Dortmund. Es gibt auch mehr Pkw je 1000 Einwohner. Dennoch sollen die Pkw-Fahrten als Anteil an allen Mobilitätsbewegungen deutlich rückläufig sein.

Der Modal split ist ohne Zweifel ein wichtiger Indikator. Doch dieser sagt auch „nur“ etwas aus darüber, wie die Verkehre VERTEILT sind. Die entscheidende Frage, wieviel Verkehr von welcher Art es GIBT, wird dabei komplett ausgeklammert. Tatsächlich wächst der Verkehr. Und er wächst schneller als die Bevölkerung wächst. Und in der Regel wächst hierzulande auch vor allem der Pkw-Verkehr besonders stark. Dies wird mit all den interessanten Modal-split-Angaben überhaupt nicht angesprochen. Ein gleichbleibender Modal split kann durchaus verbunden sein mit ansteigendem Pkw- (MIV-) Verkehr. Und selbst wenn es stimmen sollte, dass der ANTEIL des „MIV“ im Zeitraum 1998 bis 2013 rückläufig war, so kann dies durchaus GLEICHZEITIG heißen, dass der Pkw-Verkehr GEWACHSEN ist.  Und darauf kommt es ja letztlich an – hinsichtlich der Belastungen von Menschen, Umwelt und Klima. Für diese geht es um das Mehr an Emissionen von Lärm, NOx, CO-2 usw. Dass der ANTEIL des Pkw-Verkehrs am insgesamt gestiegenen Verkehr vielleicht sich reduziert hat, ist hier sekundär, wenn nicht irrelevant.

Meine Bilanz beim Abgleich der beiden Mobilitäts-„Masterpläne“ ist eine fünffache: (1) Es gibt keine überzeugende Bilanzierung des vorausgegangenen Masterplans aus dem Jahr 2004. (2) Die Zielsetzungen des Masterplans 2003 hinsichtlich einer nachhaltigen Verkehrsperspektive waren bereits unzureichend; sie wurden darüber hinaus in einem entscheidenden Punkt nicht eingehalten. (3) Der Pkw-Verkehr in Dortmund nimmt weiterhin von Jahr zu Jahr zu – selbst wenn die Modal-Split-Angaben über einen rückläufigen MIV-Anteil zutreffen sollten, so ist dies Realität und entscheidend. (4) Damit nehmen auch die Belastungen für das Klima, die Umwelt und für die Bevölkerung (u.a. hinsichtlich Lärm) weiter zu; die Stadtqualität verschlechtert sich. (5) Auch der neue „Masterplan 2030“ weist hier keine Perspektive. Im Gegenteil. Bei diesem werden die Fehler aus dem 2004er Masterplan wiederholt. Und im Gegensatz zum 2004er Masterplan enthält der neue Masterplan – insoweit er bisher entwickelt wurde – keinerlei konkrete Vorgaben für einen zukünftigen Modal split oder besser noch für eine zukünftige Entwicklung der absoluten Verkehrsleistungen. Und damit droht ein neuer Fehlschlag. Was in diesen Zeiten der zugespitzten Klimakrise absolut fatal wäre.

3. Die Planungen für „Dortmund Hauptbahnhof Nord“  – ein weiteres Projekt zur Steigerung der Autokonzentration in Dortmunds Innenstadt

Die Liberalisierung des Busfernverkehrs, zu der es im Rahmen einer Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes Ende 2012 kam, war eine verkehrspolitische Sünde ersten Ranges. Sie ordnet sich ein in die allgemeine Tendenz der weltweit zu beobachtenden Verkehrspolitik zugunsten der problematischen, fortgesetzten Automotorisierung und gegen die relativ umweltfreundliche Schiene. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten auf Basis von  Paragraf 13 dieses Gesetzes neue Buslinien nicht genehmigt werden, wenn dieselbe (z.B. dem Fernbus zugedachte) Verkehrsleistung bereits durch andere Verkehrsmittel (Eisenbahn, bestehende Buslinien) in befriedigendem Umfang erbracht wurde.6

6 Eine neu einzurichtende Buslinie musste zu einer wesentlichen Verbesserung des Verkehrsangebotes führen. Dies war u. a. dann gegeben, wenn die neue Buslinie eine Strecke bediente, auf der zu dieser Zeit kein anderes Verkehrsmittel verkehrte, eine wesentlich kürzere Fahrzeit als bestehende Verkehrsmittel aufwies, zu Zeiten verkehrte, zu denen mit anderen Verkehrsmitteln keine Verbindung bestand oder wesentlich preiswerter als andere Verkehrsmittel auf derselben Strecke war. (Nach der bis 2012 gültigen Fassung des §13 PersBefGes).

Internationale Erfahrungen belegen, wie ein liberalisierter Fernbusverkehr in erster Linie den regionalen und Langstrecken-Schienenverkehr zerstören kann. Die USA sind hierfür ein Beispiel. Hier trugen nach dem Zweiten Weltkrieg eine vergleichbare Fernbus-Liberalisierung und  die „Greyhound“-Busse zur Zerstörung des flächendeckenden Schienenverkehrs bei. Inzwischen gibt es in den USA einen Schienenverkehr auf mittleren und langen Distanzen  nur noch in homöopathischer Dosierung (der Anteil am Gesamtverkehr liegt hier unter 0,5 Prozent; in Deutschland liegt dieser noch bei rund 8 Prozent).

Diese bis Ende 2012 geltenden Beschränkungen waren sinnvoll – insbesondere wenn zutrifft, dass der Schienenverkehr unter den motorisierten Verkehrsarten diejenige Verkehrsform ist, die die Umwelt und das Klima am wenigsten belastet und zugleich enorme andere Vorteile bietet. Dass die Deutsche Bahn AG bzw. der Schienenverkehr in Deutschland der Liberalisierung des Fernbusverkehrs Vorschub geleistet haben – die DB AG beteiligte sich ohnehin bereits vor der besagten Gesetzesnivellierung selbst als Fernbusbetreiber – ist unbestritten. Zutreffend ist auch, dass das Tarifniveau im Schienenverkehr überhöht war und ist und dass die niedrigen Fernbus-Ticketpreise vielen Menschen, vor allem jungen Menschen, erst Mobilität ermöglichen.

Vergleichbare Tendenzen der Zerstörung des Schienenverkehrs durch Fernbus-Verkehre gibt es heute in Großbritannien, in Spanien, in Italien und in Osteuropa, wo der Fernbusverkehr bereits früher liberalisiert wurde und dessen negative Folgen für die Schiene deutlich erkennbar sind.

Die Entwicklung der Fernbus-Verkehre in Deutschland dokumentiert eine vergleichbare Entwicklung, auch wenn es diesen Prozess in unserem Land erst seit wenigen Jahren gibt. Seit der Fernbusliberalisierung wuchs die Zahl der mit Fernbussen Reisenden von nahe Null auf 23 Millionen im vergangenen Jahr (2017). Die Zahl der Fahrgäste im Schienenfernverkehr liegt bei 142 Millionen. Dabei belegen Studien, dass die Fahrgäste im Fernbusverkehr zu mehr als einem Drittel potentielle Kundinnen und Kunden der Bahn sind. Die direkte Konkurrenzsituation ist gegeben. Auf Dauer drohen massive Einbrüche bei der Bahn, vor allem aufgrund des enormen Preisunterschieds zwischen Bus und Bahn, was wiederum von gezielten politischen Entscheidungen beeinflusst wird (siehe: keine Mautpflicht auf Fernstraßen für Fernbusse; enormes Lohndumping bei den Busfahrern). Hinzu kommt, dass die Fernbusse mit ihren Dumpingtarifen bei der DB zu einer erheblichen Zunahme von nicht kostendeckenden Ticketpreisen führte. Es findet eine Preis-Kanibalisierung statt.  In der Debatte um den Dortmunder ZOB wurde wiederholt vorgetragen, ein Wachstum des  Fernbusverkehrs  finde nicht mehr statt. Das dürfte sich als falsch erweisen. 2016 und 2017 gab es im Fernbus-Geschäft eine  Marktkonsolidierung. Flixbus ist inzwischen mit mehr als 90 Prozent Monopolist in diesem Geschäft. Dies gilt erstaunlicherweise nicht als problematisch. Dabei muss mit-bedacht werden, dass hinter Flixbus kapitalkräftige internationale Finanzkonzerne und der Daimler-Konzern als großer Autohersteller und als größter Bushersteller Europas.  Der Konsolidierungsprozess im Fernbus-Business führte vordergründig dazu, dass 2016/17 das ungestüme Wachstum der Fernbuslinien und Fernbusverbindungen stagnierte; die Verbindungen der Konkurrenten, die aus dem Markt ausschieden, wurden vielfach in FlixbusVerbindungen integriert. Das Wachstum der Fernbus-Nutzer flachte zunächst ab. Dies wurde auch in Dortmund wiederholt im Rahmen der Debatte um den ZOB an der Nordseite des Hauptbahnhofs so kommuniziert. Tatsächlich spricht jedoch so gut wie alles dafür, dass dies nur eine Atempause war und dass das Wachstum im Fernbusgeschäft einen neuen Auftrieb erlangen wird. Ganz offensichtlich ist im Rahmen der verkehrspolitischen Perspektiven in Dortmund die Entwicklung der Fernbusse-Verkehre von erheblicher Bedeutung. Seit 2013 gibt es auf der Nordseite des Dortmunder Hauptbahnhofs einen ZOB für den Fernbusverkehr. Der Beschluss zur Verlegung des damaligen ZOB im Süden des Dortmunder Hauptbahnhofs fiel Anfang 2010. Der alte ZOB musste dem Projekt „Nationales Fußballmuseum“ weichen. Wobei damals immer argumentiert wurde, der neue ZOB an der Nordseite des Dortmunder Hauptbahnhofs sei „ein Provisorium“. 5

5 „Der neue Busbahnhof wird vorläufig, vielleicht sogar auf Jahre, über den Stand eines Provisoriums nicht hinauskommen. Grund: Noch immer kreist in den Amtsstuben der Planer die Idee, den nördlichen Bahnhofsvorplatz komplett neu zu gestalten. Grundlagenentwürfe hatte vor Jahren der Düsseldorfer Architekt Prof. Niklas Fritschi […] geliefert.“Nach: Westfälische Rundschau vom 27. Januar 2010.

Als der ZOB dann verlegt war, trat die beschriebene Fernbusliberalisierung in Kraft. Und mit ihr gab es auch in Dortmund, wie bundesweit, das beschriebene ungestüme Wachstum der

Fernbus-Verkehre.6

6 Zu behaupten, eine Fernbusliberalisierung sei 2010, als der ZOB erstmals auf die Nordseite des Dortmunder Hauptbahnhofs verlegt worden, noch nicht erkennbar gewesen, ist fragwürdig. Die im September 2009 neu gebildete DCU/CSU-FDP-Regierung hatte dieses Vorhaben im schwarz-gelbem Koalitionsvertrag ausdrücklich festgehalten.

Erstaunlicherweise sind der ZOB und der Fernbusverkehr im Masterplan Mobilität 2030 kein Thema. Dessen zukünftige Entwicklung wird dort bislang nicht debattiert. In den Dokumenten „Zielkonzept zum Masterplan Mobilität 2030“ vom 22. Juni 2017 und in der Drucksache 0975517 vom 9. Januar 2018 – Masterplan Mobilität 2030“ des Rats der Stadt Dortmund tauchen der ZOB und die weitreichenden Umbaupläne auf dem Arreal nördlich des Dortmunder Hauptbahnhofs erst gar nicht auf.   Parallel zur Debatte um den Masterplan gibt es jedoch ein „Städtebauliches Konzept“ für „das neue Stadtquartier zwischen Unionsstrasse und Burgtor – Dortmund Umfeld Hauptbahnhof Nord“. Für dieses „Konzept“ gab es einen „nicht offenen städtebaulichen Wettbewerb“, dessen erste Ergebnisse im Januar 2018 vorgestellt wurden. Der Wettbewerb ist nicht abgeschlossen. Die weiteren Entwicklungen müssen abgewartet werden. Interessant ist im Übrigen, dass in den Darstellungen der unterschiedlichen Wettbewerbern Fernbusse kaum zu sehen sind – obgleich der massiv zu erweiternde ZOB einen zentralen Bestandteil der Umplanung dieses Quartiers darstellt. Es ist ausgesprochen verwunderlich, dass beide Prozesse – Debatte um einen neuen „Masterplan Mobilität“ und das „Städtebauliche Konzept“ für ein „neues Quartier“ auf der Nordseite des Bahnhofs – parallel und, soweit erkennbar, ohne Interaktion, stattfinden. Das könnte dadurch gerechtfertigt erscheinen, weil ja behauptet wird, er gehe hier primär um ein „neues Wohnquartier. Tatsächlich stehen bei der Planung für das genannte Areal im Zentrum zwei verkehrspolitische Projekte: der Bau eines großen, überdimensionierten Fernbus-Bahnhofs und der Bau eines riesigen Parkhauses.   Die Vorgaben für den Wettbewerb sind aus den bisherigen Veröffentlichungen, für die Ludwig Wilde als Dezernent für Umwelt, Plane und wohnen verantwortlich zeichnet, unmissverständlich.  Dort heißt es u.a.: „Gesetzt war seitens der Stadt Dortmund das Ziel, den Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) für Fernbusse von dem provisorischen Standort an der Steinstraße auf die Fläche der ehemaligen Güterabfertigung zu verlegen und ihn durch eine direkte Anbindung mit der Personenunterführung des Hauptbahnhofs zu verknüpfen.“ Als „zwingend unterzubringende Nutzungen“ wird in diesem Konzept für die Umgestaltung der Nordseite des Dortmunder Hauptbahnhofs vermerkt:  – „Zentraler Omnibusbahnhof für Fernbusse (ZOB) – Parkhaus mit 500 Pkw-Stellplätzen für öffentliche Angebote (Park + Ride; Park + Rail) und zusätzliche Stellplätze zur Deckung des Bedarfs durch die neuen Nutzungen auf dem Grundstück.“

An anderer Stelle in diesem Dokument ist die Rede von  – „optimalen Umsteigebeziehungen Bahn, ZOB, Stadtbahn, Individualverkehr (letzteres meint: Pkw-Verkehr) – Uneingeschränkte Erreichbarkeit für Busse und Taxen aus allen Richtungen – Möglichst geringe Beeinträchtigung von Bus- und Individualverkehr – Vorsehen größerer Flächen zur Separation bei Großveranstaltungen.“

Im anderen Zusammenhang wurde festgelegt, dass die Zahl der Busbuchten im neu gestalteten ZOB gegenüber dem aktuellen ZOB-Zustand sich verdoppeln soll. Damit wird sich auch die Inanspruchnahme von Fläche des neuen ZOB gegenüber dem bisherigen verdoppeln. Und es wird erwartet, dass die Zahl der Fernbusfahrten zukünftig doppelt so groß sein werden. Und da die Busse nicht kleiner, sondern eher größer werden und zukünftig noch besser ausgebucht sein sollen, wird die Zahl der Fernbus-Fahrgäste sich mehr als verdoppeln.  Was auch heißt, dass die damit verbundenen Belastungen in Form von Diesel-Emissionen und Lärm im Vergleich zum aktuellen Zustand massiv zunehmen werden. Hier kommt verschärfend, dass der neue ZOB sich auf der Höhe der Gleisanlagen befinden soll. Das heißt, dass die Fernbusse über eine lange Rampe auf diese Ebene gelenkt werden müssen – was zu zusätzlichen Emissionen der Diesel-Busse führen muss. Behauptungen, es komme in Zukunft zu einer deutlichen Minderung der Emissionen bei Bussen, sind durch die technischen Vorgaben nicht belegt. Selbst wenn es zu einer größere Reduktion der Emissionen je Bus kommt, so liegen diese weit niedriger als die fest eingeplante Verdopplung der Fernbus-Verkehre.

Bilanz

Die Planungen für die Nordseite des Dortmunder Hauptbahnhofs sind in mehrfacher Weise kontraproduktiv, wenn das Ziel eine nachhaltige Verkehrsorganisation mit weniger Autoverkehr und geringeren Belastungen für Klima, Umwelt und Menschen sein soll.

Erstens – soziale Aspekte.

Ein Gebiet der Stadt, das bereits heute stark belastet und wenig attraktiv ist, wird mit den Planungen für einen massiv vergrößerten ZOB und den Bau eines Parkhauses noch stärker belastet und damit noch mehr abgewertet.  Dabei muss berücksichtigt werden, dass ein größerer Teil der Fernbusverkehre, die hier in größerem Umfang abgewickelt werden, kritisch zu betrachten sind (u.a. der saisonale Austausch von Billigarbeitskräfte aus Osteuropa; u.a. für Altenpflege).

Zweitens – noch mehr Autoverkehr.

Die Planungen ziehen massiv neuen Autoverkehr ins Zentrum. Der Bau eines  „Parkhauses“ mit 500 Pkw-Stellplätze und „weiteren Pkw-Stellplätzen“ sind völlig kontraproduktiv.

Drittens – falsche Förderung von Fernbusverkehr.

Die Entwicklung des Fernbusverkehrs in Deutschland ist, wie dargestellt, kritisch und als perspektivisch die Schiene schädigend zu sehen. Die Planung der Stadt Dortmund verstärkt diese negativen Aspekte und führt massiv mehr Fernbusverkehr genau dorthin, wo der Schaden angerichtet wird: zum Dortmunder Hautbahnhof.

Viertens – die absurde Behauptung einer „Vernetzung“: Es gibt keine Vernetzung – keine relevanten Umsteigerelationen zwischen Fernbus und Fernbahn.

Beide stehen zueinander in einem Konkurrenzverhältnis. Wer mit dem Fernbus nach Dortmund kommt, der ist dort angekommen. Er steigt so gut wie nie in die Bahn um. Während andere Städte den Fernbusverkehr aus der Stadt verlagern – siehe Köln – soll in Dortmund das Gegenteil stattfinden.

Fünftens – massive örtliche Zunahme von Emissionen aus Dieselmotoren:

Ein ZOB dieser Dimension ist automatisch mit enormen Schadstoff-Emissionen der fast ausschließlich mit Dieselmotoren betriebenen Fernbussen verbunden. Dies findet dann in einem Quartier statt, das bereits als sozial abgewertet gilt und auf diese Weise mit zusätzlichen Belastungen konfrontiert werden wird. Wenn es in den Unterlagen für den Wettbewerb als Vorgabe heißt: „Schaffung eines attraktiven nördlichen Bahnhofsentrees; Umgestaltung zu einem attraktiven Ankunftsort und  Eingangstor in die Nordstadt“ (dort Seite 11), dann muss das als zynisch empfunden werden.

Sechstens – Verlust an realem und potentiellem Stadtgrün.

Die Nordseite des Dortmunder Hauptbahnhofs sollte einmal eine Grünverbindung und Frischluftschneise für die Stadt darstellen. Sie könnte in diesem Sinn jetzt im Rahmen einer neuen Verkehrsplanung genutzt werden. Damit würde auch das bislang abgewertete Quartier dort aufgewertet  und insgesamt die Stadtqualität in Dortmunds Zentrum optimiert. Die skizzierten städtischen Planungen sehen jedoch das Gegenteil vor.

5 Ein alternatives Verkehrswende-Programm  für Dortmund und Region

Ganz offensichtlich weist die Orientierung der bisher erkennbaren Planungen für die weitere Verkehrsorganisation in Dortmund nicht in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit. Sie weist auch nicht in Richtung einer rationalen Verkehrsorganisation. Bei den gegebenen Vorgaben wird der Autoverkehr in Dortmund in Form von Pkw-Verkehr, Fernbusverkehr und Lkw-Verkehr weiter zunehmen. Oder, wie es eine Wibke C. am 19. Juni 2018 im „Nordstadtblogger“ formulierte: „All das sind nichts weiter als end-of-pipe-Ansätze von vorgestern. […] Am Kfz-Wachstum in Dortmund wird nicht gedreht und dessen zerstörerische Folgten für das Stadtklima wird weiter in Kauf genommen.“ Notwendig ist eine grundsätzlich andere Verkehrspolitik. Eine Verkehrswende Dortmund, die der Nachhaltigkeit und der Klimaverträglichkeit verpflichtet ist, lässt sich in den folgenden zehn Punkten zusammenfassen.

Erstens:

Die Rahmenbedingungen bzw. den Verkehrsmarkt zugunsten der „grünen Verkehrsarten“ neu ordnen

Die bestehende Verkehrsmarktordnung fördert in erheblichem Umfang die Verkehrsarten Luftverkehr und Straßenverkehr, die die Umwelt und das Klima massiv schädigen. Grundsätzlich müssen die drei „grünen“ Verkehrsarten zu Fuß gehen, Radfahren und öffentlicher Verkehr mit Bus, Tram / Stadtbahn, S-Bahn und Bahn (auch als „Umweltverbund“ bezeichnet) begünstigt und die „roten“ Verkehrsarten Autofahren und Luftfahrt verteuert und eingeschränkt werden.

Stichworte: Keine Steuervorteile für Geschäftswagen, Besteuerung von Diesel, Kerosin und Schweröl, Tempolimits auf Autobahnen (max. 120 km/h) und in den Wohngebieten (Tempo 30).7

7 Inzwischen sind in Deutschland 70 Prozent aller Neuzulassungen Dienstwagen; nur noch 30 Prozent neuer Autos gehen an Privatleute. Der Automarkt würde also schlicht kollabieren bzw. die Autonachfrage würde erheblich zurückgehen, wenn es diese steuerliche Privilegierung nicht geben würde. Es handelt sich dabei überwiegend um teure Autos mit meist hohen CO-2-Emissionen; der (bezahlte!) Durchschnittspreis eines im Jahr 2017 neu zugelassenen Dienstwagens lag bei 39.469 Euro. Die Dienstwagen gehen zu 75 Prozent an Männer. Elektro-Autos gibt es als Dienstwagen nur in homöopathischer [statistisch nicht mehr erfassbarer] Dosierung. Die zweitgrößte Einzelgruppe unter den Dienstwagen (differenziert nach 14 Kategorien wie „Oberklasse“, „Obere Mittelklasse“, „Mittelklasse“, „Kleinwagen“, „Van“ usw.) sind … SUVs. 2017 wurden rund 600.000 neue SUV zugelassen – als Geschäftswagen. Angaben nach: Handelsblatt vom 1. Dezember 2017. 

Offensichtlich kann auf der Ebene der kommunalen Politik bzw. auf „Dortmund-Ebene“ in diesem Bereich nur beschränkt etwas erreicht werden. Was allerdings dennoch heißt, dass diejenigen, die in der Stadt und im Rat Verantwortung haben, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten (im Städtetag, im VDV, vermittelt über ihre Parteien) für eine solche grundlegend veränderte Politik einsetzen müssen.

Einige Stellschrauben gibt es hier jedoch auch auf kommunaler Ebene: So sind eine strikte Parkraumbewirtschaftung unabdingbar; die Kosten für die Nutzung von öffentlichem Raum durch den MIV sollten deutlich erhöht werden.

Der angekündigte weitere Bau von neuen Parkhäusern und noch mehr Pkw-Stellplätzen darf grundsätzlich nicht stattfinden. Tatsächlich sollte die städtebauliche und verkehrliche Entwicklung in die andere Richtung gehen: Ein Rückbau der Infrastruktur für Straßenverkehr und eine Einschränkung der für Pkw und Lkw zur Verfügung stehenden Fläche stehen auf der Tagesordnung.   Der Flugverkehr ist im Übrigen diejenige Verkehrsart, die das Klima am stärksten belastet und die auch im Raum Dortmund für Zehntausende massive Belastungen, vor allem durch Fluglärm, mit sich bringt. Das Mindeste, was vor diesem Hintergrund zu fordern ist, ist, dass kein Steuergeld für den Dortmunder Airport ausgegeben wird. Just dies ist jedoch der Fall.

Der Dortmunder Flughafen produziert Jahr für Jahr Verluste. Allein im Zeitraum 2000 bis 2017 mussten die Steuerzahlenden in Dortmund direkt oder direkt mehr als 320 Millionen Euro zuschießen, um die Verluste des Airports auszugleichen.8

8 Der Dortmunder Flughafen gehört zu 26 Prozent direkt der Stadt Dortmund und zu weiteren 74 Prozent den Stadtwerken Dortmunds, die sich wiederum in 100-prozentigem Eigentums der Stadt befinden.

Allein dieser direkte Zuschussbedarf hätte ausgereicht, um in Dortmund ein perfektes Radwegesystem zu realisieren. Nicht berücksichtig sind dabei die erheblichen Gesundheitskosten und Klimafolgekosten, die mit Fluglärm und Emissionen verbunden sind. Interessant ist auch die Struktur der Flugverbindungen: Die zweitwichtigste Stadt-zu-Stadt-Verbindung ist Dortmund – München. Auf dieser Strecke gibt es eine gut ausgebaute Schienenverbindung (und auch gute Fernbusverbindungen). Die wichtigste Stadt zu Land Verbindung ist Dortmund – Polen (und dann hier vor allem DO – Kattowitz, DO – Krakau und DO – Gdansk. Damit sind die oben bei den Fernbusverkehren angesprochenen sozial problematischen Transporte von Billigarbeitskräfte angesprochen.

Zweitens:

Förderung von Dezentralität und von „kurzen Wegen“

Es muss eine systematische Struktur- und Steuerpolitik der kurzen Wege verfolgt werden. Dadurch werden automatisch die grünen Verkehrsarten gefördert und die „roten“, vor allem der Pkw-Verkehr, deutlich reduziert. Wir erlebten in den vergangenen fünfzig Jahren eine absurde, strukturell begünstigte und oftmals – z.B. durch Zersiedelung und durch Konzentration im Einzelhandel – erzwungene Verkehrsinflation. Diese wird auch durch die Grund- und Bodenordnung und die Bodenspekulation – und damit durch überhöhte und ständig steigende Mieten – vorangetrieben, eine Entwicklung, die gerade in den vergangenen Monaten zu massiven Protesten der betroffenen Mieterinnen und Mieter geführt hat.

Ein Dortmunder bzw. eine Dortmunderin legte in den 1970er Jahren rund 8000-9000 km jährlich motorisiert zurück. Heute sind es gut 50 Prozent mehr oder rund 14.000 Kilometer. Mehr zurückgelegte Kilometer sind nicht gleichzusetzen mit mehr Mobilität. So hat die Zahl der einzelnen Wege (im Beruf, beim Einkaufen, in der Freizeit, im Urlaub) nicht zugenommen. Zugenommen haben in erster Linie die Entfernungen bei jedem einzelnen Weg. Diese Verlängerung der Wege muss so weit wie möglich zurückgenommen werden. Alle Wege in den Bereichen Beruf, Ausbildung, Verwaltung, Freizeit sollten so weit wie möglich verkürzt werden.

Teilweise erfordert dies eine längerfristige Planung und neue Grundlagen hinsichtlich der Gesetze und anderer bindender Vorschriften. Teilweise können hier aber auch kurzfristig erhebliche Erfolge erzielt werden. So reduziert eine für Freizeitaktivitäten attraktive „Stadt für die Menschen“ anstelle der aktuellen „Autostadt Dortmund“ automatisch den Freizeitverkehr: Man genießt die verkehrsberuhigte Stadt, flaniert auf den Straßen, freut sich über die vielen neuen Straßencafés  und Restaurants mit Tischen im Freien. Der Freizeitverkehr macht derzeit rund 50 Prozent der mit Pkw zurückgelegten Kilometer aus. Das Einsparpotential, das hier mit einer Verkehrswende-Stadt Dortmund existiert, ist also gewaltig.

Generell gibt es keinen vernünftigen Grund, warum auf längere Sicht mit einer solchen Strukturpolitik nicht weitgehend wieder das Niveau an motorisiert zurückgelegten Kilometern, wie es vor 45 Jahren vorherrschte (in einer Zeit, in der es im allgemeinen Verständnis eine „Wohlstandsgesellschaft“ und wenig mehr als ein Prozent Arbeitslosenquote gab), erreicht werden kann. Die Zauberworte heißen: Priorisierung von Nähe; Dezentralisierung von Strukturen. Lebenswerte grüne Wohnquartiere. Straßencafés anstelle von Pkw-Abstellräumen. Entschleunigung zwecks Lebensgenuss und zur Rückgewinnung von Urbanität.9

9 Elektro-Autos bringen im übrige den entgegengesetzten Effekt, bedeuten Zentralisierung. Die Ladestationen werden knapp und zentralisierend sein. Große Einkaufszentren werben bereits heute damit, dass es eine Strom„Zapfsäule“ gibt. „Tante Emma“ kann da nie und nimmer mithalten. Kleine Läden wurden bereits mit dem normalen Pkw dezimiert. Die „Elektromobilität“ wird ihnen den Todesstoß versetzen. 

Kurze Wege sind vor allem die Basis für den Ausbau der Anteile des nichtmotorisierten und des ÖPNV. Es ist gleichzeitig die Grundlage dafür, dass das Wachstum des Verkehrs grundsätzlich gestoppt wird; es zu einer Reduktion von Verkehrsleistungen aller Art kommt.

Drittens:

Notwendig ist eine klare Zielvorgabe – für einen nachhaltigen modal split //

Der „Masterplan Mobilität 2030“ für Dortmund enthält keine Angaben zu dem zukünftigen Modal split. Es wird lediglich gesagt, Dortmund möge sich „in Richtung nahmobilitätsaffine Stadt“ und in „Richtung ÖV-affine Stadt“ entwickeln.  Notwendig ist eine klare Zielsetzung, wie sich der Verkehr in Dortmund entsprechend seiner Verteilung auf die unterschiedlichen Verkehrsträger – auf Füße, Pedale, Öffis und Autos – entwickeln soll.

Es handelt sich hier, wie noch dargestellt werden wird, um eine konservative Rechnung. Es ist angesichts der vorliegenden praktischen Beispiele mit Städten, die mit Dortmund vergleichbar sind, durchaus vorstellbar, dass die grünen Verkehrsarten im Jahr 2025 nochmals deutlich höhere Anteile erreichen könnten und damit der Pkw nochmals deutlich reduziert werden würde. So liegt in Bern der Fußgänger-Anteil heute bereits wesentlich höher als derjenige, den wir für Dortmund 2025 vorsehen. Im Masterplan 2030 für Dortmund wird wiederholt hervorgehoben, wie kurz ein großer Teil der Wege in Dortmund ist. Danach sind „59 Prozent der Wege der Dortmunder Bevölkerung kürzer als 5 Kilometer“ und sogar „36 Prozent aller Wege kürzer als zwei Kilometer.“ Kopenhagen hat heute bereits einen Fahrradverkehrsanteil, der deutlich höher als derjenige im Dortmund-Modal Split im Jahr 2025 vorgesehene ist. Der ÖPNV-Anteil in Zürich wiederum liegt heute bereits höher als der Öffi-Anteil, den wir in der Tabelle für Dortmund 2025 vorgeben. Basel wiederum hat heute bereits einen MIV-Anteil von weniger als 20 Prozent. Alle angeführten Best-practise-Städte sind mit Dortmund vergleichbar – bis auf den Sonderfall, zugleich ein durchaus interessanter Fall – Venedig.20

 20 In Venedig findet Mobilität ausschließlich zu Fuß und mit Öffis (den vaporetti) statt. Das hat die bekannten natürlichen Gründe. Doch liegt dies auch daran, dass es die Analogie zum MIV in Form eines motorisierten Individual-Motorboots-Verkehrs kaum gibt, u.a. weil die Liegeplatzt-Gebühren extrem hoch sind. Das Beispiel ist durchaus vergleichbar – z.B. mit einer Stadt wie Heidelberg. Siehe dazu: Siehe Egon Grund, Venedig – Vorbild einer autofreien Stadt?, Dortmund 1993.

Viertens:

Der nichtmotorisierte Verkehr – und hier insbesondere der Fahrradverkehr – muss einen besonders hohen Stellenwert erhalten

Der nichtmotorisierte Verkehr (zu Fuß Gehen und Radeln) taucht in vielen Statistiken und bei vielen modernen Stadtplanern nur als (lästige?) Randerscheinung auf. Das trifft auch auf die aktuelle Verkehrspolitik in Dortmund zu. Der extrem niedrige Anteil des Radverkehrs am gesamten Verkehr wird                                                      völlig unzureichend problematisiert. Dabei entwickelt sich Dortmund in dieser Hinsicht in krasser Weise entgegen dem Bundestrend.  Eine überzeugende Verkehrswende muss das zu Fuß gehen und Rad ins Zentrum rücken.  Kopenhagen (teilweise auch Amsterdam und Münster) lehren: Allein das Potential für Fahrradverkehr liegt inzwischen bei 45 Prozent aller Wege (= des Verkehrsaufkommens) und bei 40 Prozent der in Städten zurückgelegten Kilometer (= der Verkehrsleistung). Zusammen mit dem Fußgängerverkehr kommt der nichtmotorisierte Verkehr dann, wenn er gezielt gefördert und mit der Strukturpolitik der kurzen Wege verbunden wird, auf rund 60 Prozent der Wege und auf mehr als 45 Prozent der zurückgelegten Kilometer. Um das Potential des nicht motorisierten Verkehrs auch zu realisieren, müssen in großem Maßstab Fahrradwege, Fahrradschnellwege und vor allem Fahrradstreifen – in die Straßen integrierte und deutlich markierte Zonen, die für den Fahrradverkehr reserviert sind, gebaut werden. Reine Zonen für nicht motorisierte Verkehre sollten deutlich ausgeweitet werden. In diesen dürfen auch keine Elektro-Pkw zugelassen werden.  Die dänische Hauptstadt Kopenhagen – sie ist mit 615.000 Einwohnern etwas größer als Dortmund – ist inzwischen europaweit die Fahrrad-Stadt Nummer 1. Mehr als 40 Prozent aller Wege werden dort per Rad realisiert. Dortmund und Kopenhagen sind Großstädte ohne größere Erhebungen; also sehr gut geeignet für Radverkehr jeder Art. In Kopenhagen gibt übrigens mehr Regentage als in Dortmund (151 zu 143 im Jahr) – und dennoch einen 15fach höheren Radfahranteil an allen Wegen. All das spricht dafür, dass die Kopenhagen-Werte für die Anteile des Fahrradverkehrs auch in Dortmund erreicht werden können.10

10 Wir blieben in der Modal-Split-Perspektive für Hannover 2025 und 2030 deutlich unter den Werten, die heute bereits in Kopenhagen erreicht wurden.

Hier ist es von Interesse, eine wichtige Zwischenbilanz und Erkenntnis: Plant man von vornherein eine ganzheitliche Verkehrswende – eine solche, die alle Verkehrsarten berücksichtigt – und dabei eine mit der Priorität „nicht motorisierter Verkehr“, dann läuft auch sehr schnell das Totschlagargument ins Leere, wonach eine massive Reduktion der Kosten für den ÖPNV, gar die Einführung eines flächendeckenden ÖPNV-Nulltarifs, zu einem nicht bewältigbaren Ansturm auf den ÖPNV führen würde. Darauf wird zurückzukommen sein.

Dabei ist eine Förderung von Pedelecs sicher sinnvoll. Die große Masse des Radverkehrs wird jedoch auch in Zukunft mit klassischen, wenn auch mit moderner Technik ausgestatteten Fahrrädern stattfinden.

Fünftens:

Notwendig ist ein deutlicher Ausbau des ÖPNV Dortmund verfügt über ein leistungsfähiges Stadtbahnetz.

Die „Verbannung“ von vielen TramKilometern in den Untergrund war Teil der Zielsetzung der „autogerechten Stadt“.  Ein zukünftiger Ausbau des Stadtbahnsystems darf nicht im Untergrund stattfinden; bestehende Untergrundstrecken wieder an die  Oberfläche zu holen, kann bereits aus Kostengründen Sinn machen.

Der „Masterplan Mobilität 2030“ enthält – soweit bislang erkennbar – keinerlei größere Ausbaumaßnahmen für den ÖPNV. Es ist dort lediglich die Rede davon, dass „Kapazitätsengpässe im ÖPNV abgebaut“ werden sollen und dass es eine „deutliche Verbesserung des Angebots im […] ÖPNV“ geben solle. In Dortmund muss zur Realisierung des nachhaltigen Modal split der ÖPNV und hier vor allem das Stadtbahn-Netz um rund 20 Prozent ausgebaut und der Fahrzeugpark um rund 30 Prozent erweitert werden. Dabei sollte der erforderliche Ausbau des Stadtbahnnetzes primär in Form oberirdisch geführter Linien durchgeführt werden. Allein schon aus kulturellen Gründen – der Mensch ist kein Maulwurf. Hinzu kommt: Ein Straßenbahnkilometer kostet maximal ein Viertel eines Kilometer mit unterirdisch geführter Bahn (Trambahn, Stadtbahn oder U-Bahn). Und zwar bei gleicher Transportkapazität.  Trams liegen bei den ÖPNV-Benutzenden in der Beliebtheitsskala an der Spitze. Das gilt insbesondere für Niederflur-Straßenbahnen. Oberirdisch geführte, schienengebundene Verkehrsmittel (S-Bahnen und Straßenbahnen) erhalten bei ÖPNV-Fahrgästen in der Regel die höchsten Akzeptanz-Quoten. „Wo wir fahren lebt Zürich“ – so lautet der richtungsweisende Wahlspruch der Züricher Tram. Wobei es in Zürich eine klare Entscheidung gegen unterirdisch geführte Bahnen (Tram oder Stadtbahn oder U-Bahn) gab (Volksentscheide inbegriffen).  Bestehende Bussysteme sollten ausgebaut und möglichst auf emissionsfreie Antriebe umgestellt werden. Das kann durch Elektrobusse erfolgen, wie dies auch für Dortmund diskutiert wird. Hier stellt sich allerdings eine grundsätzliche Frage: Warum heißt „Elektromobilität“ im Bereich des motorisierten Verkehrs heute, dass jedes Fahrzeug seine Energie „getankt“ mit sich führen muss? Schließlich ist das damit verbundene Gewichtsproblem bei der seit rund einem Jahrhundert existierenden Elektromobilität bei der Bahn, bei Straßenbahnen, U-Bahnen oder Oberleitungsbussen (Trolley-Busse) elegant gelöst: Bei diesen traditionellen Verkehrsmitteln der Elektromobilität wird Energie immer genau dann zugeführt, wenn sie benötigt wird. Sie muss nicht mittransportiert werden. Die Option O-Bus-Linien sollte also auch in Dortmund zumindest geprüft werden.11

 11 O-Busse gibt es auch heute noch in drei deutschen Städten (Solingen, Esslingen und Eberswalde). Sie sind erfolgreich unterwegs im Nachbarland Schweiz in einem halben Dutzend Städten (in Lausanne, Genf, St. Gallen, Zürich, Winterthur und insbesondere in der Schweizer Bundeshauptstadt Bern). In St. Gallen und Winterthur gab es  Volksabstimmungen, in denen sich die Bevölkerung deutlich für den O-Bus entschied. In Salzburg existiert das europaweit größte O-Bus-Netz, das immer weiter ausgebaut wird, in dem aktuell im Jahr 41 Millionen Fahrgäste auf 12 Linien mit 100 Fahrzeugen befördert werden. Siehe u.a. Gunter Mackinger: Der Obus in Salzburg. Verlag Kenning, Salzburg 2005. Im Übrigen gibt es O-Bus-Systeme in vielen osteuropäischen und russischen Städten; auch in den chinesischen Städten Peking, Guongzhou, Shanghai, Wuhan.  

Sechstens:

Geprüft werden sollte in Dortmund ein ÖPNV-Nulltarif.

Als Übergangslösung kann das Modell „1-Euro-pro ÖPNV-Tag“ (360 Euro Jahres Ticket) geprüft werden // Die Bundesregierung schlug im Februar 2018 für fünf Städte Modelle für einen kostenfreien Nah- und Regionalverkehrs vor. Man sollte die Bundesregierung beim Wort nehmen und auch in Dortmund in dieser Richtung aktiv werden. Es gibt inzwischen einige Erfahrungen mit ÖVNulltarifen. Die „Semestertickets“ beispielsweise sind solche durch eine Einmalgebühr, die Semestergebühren, finanzierte Nulltarife. Als diese Studi-Tickets vor mehr als zwei Jahrzehnten erstmals gefordert wurden, wurde dies mit unterschiedlichen, oft angeblich „objektiv“ begründeten Argumenten abgewiesen. Heute gilt dies als sozial erreichter (und klimapolitisch verantwortungsbewusster) Standard für Millionen Studierende. In der estnischen Hauptstadt Tallinn gibt es seit knapp einem Jahrzehnt einen ÖPNV-Nulltarif (für die Bevölkerung in der Stadt selbst). Tallinn ist – ähnlich wie Kopenhagen – hinsichtlich der Bevölkerungszahl weitgehend mit Dortmund vergleichbar (Tallinn hat Anfang 2018 431.000 Einwohner).  Vor allem aber liegt das Pro-Kopf-Einkommen in Tallinn bei der Hälfte desjenigen von Dortmund. Es ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar, warum das, was in Tallinn möglich ist, nicht auch für Dortmund denkbar sein soll. Eine Zwischenlösung könnte das sein, was in Wien und im österreichischen Bundesland Vorarlberg seit einigen Jahren mit großem Erfolg praktiziert wird: Das Jahresticket im ÖPNV kostet 360 Euro. Ein Euro pro Tag für ÖPNV, ergänzt um eine großzügige „soziale Komponente“, könnte auch eine große Mehrheit der Bevölkerung in Dortmund für einen Umstieg auf den ÖPNV überzeugen. Wählte man eine solche 360-Euro-Jahtesticket-Lösung, dann könnte man während dieser Zwischenstufe, bei der die Nachfrage nach ÖPNV „nur“ um 15.20% steigen dürfte, den ÖPNV weiter ausbauen, und auf diese Weise die strukturellen Voraussetzungen für einen späteren Dortmund-weiten ÖPNV-Nulltarif schaffen. Zu dem Standardargument, eine ÖPNV-Nulltarif würde zu einem nicht bewältigbaren Ansturm auf die ÖPNV-Verkehrsmittel führen, wurde bereits weiter oben das Entscheidende gesagt. Die Kosten, die mit einem solchen Nulltarif oder mit einem 360-Euro-ÖPNV-Jahresticket verbunden sind, werden mehr als wettgemacht durch einen Rückgang der Kosten, die der dominierende Kfz-Verkehr, der in einem solchen Fall deutlich reduziert werden würde, verursacht.

Siebtens:

Förderung von autofreien und auto-armen Quartiere

Aktuell ist viel die Rede davon, dass die „Ladeinfrastruktur für Elektromobilität“ massiv ausgebaut werden müsse. Dafür wird in Dortmund viel Geld – solches aus Bundesfördermitteln und solches der Stadt selbst – zur Verfügung gestellt, Und es werden komplizierte Modelle entwickelt und erhebliche Ressourcen für Planung bereit gestellt, um eine solche Dortmunder Ladestruktur, die aber am Ende nur einem kleinen Prozentsatz der Bevölkerung, und hier den Besserverdienenden zugutekommen würde, bereitzustellen.12

12 So heißt es in dem Papier „Aufbau der Ladeinfrastruktur in Dortmund“ vom 17. Januar 2018 („Starter set Elektromobilität“): „Eine Herausforderung beim Aufbau der Ladeinfrastuktur ist die Wahl der richtigen Orte für die Ladepunkte. Um die zukünftige Entwicklung der LIS (Ladeinfrastruktur) vorherzusagen, wurde für die Planung der Verteilung der Ladepunkte das Tool SIMONE (Siedlungsorientiertes Modell für nachhaltigen Aufbau und Förderung der e-Ladeinfrastuktur) entwickelt und eingesetzt. Es stellt allgemeingültige Berechnungsformeln zur Ermittlung eines öffentlich zugänglichen Ladeinfrastrukturbedarfs und der Standorte differenziert nach Gebietstypen zur Verfügung (…) In einem ersten Schritt wurde erfasst, an welchen Punkten der Stadt sich Elektroautos bewegen und wo diese im Stadtgebiet halten.“  Bereits diese Vorgaben machen klar: Die Ladeinfrastruktur für E-Autos wird vor allem in den Dortmunder Stadtgebieten mit eher wohlhabenderen Bevölkerungsschichten konzentriert sein – eben da, wo Zweit- und Drittwagen angesagt sind.

Das dürfte technisch und hinsichtlich der erforderlichen Flächen dann auf enorme Probleme stoßen, wenn die Zahl der Elektro-Pkw eine gewisse Größe überschreitet. In Oslo, das als „Mekka der Automobilität“ gepriesen wird, wird inzwischen vom Kauf eines E-Pkw dann abgeraten, wenn der potentielle Besitzer eines E-Car nicht über eine eigene Ladeinfrastruktur verfügt.    Auch wenn Dortmund die beschriebene enorm hohe Pkw-Dichte aufweist, so haben doch auch in Dortmund rund 25 Prozent der Haushalte kein Auto. Eine Verkehrspolitik, die auf Nachhaltigkeit setzt, muss vor allem diese Zielgruppe im Auge haben.  Längst gibt es den Wunsch von vielen Menschen nach Wohnviertel ohne Auto(verkehr). Längst sind erste Quartiere mit wenig Autos Wirklichkeit. Inzwischen werben sogar Winter- und Sommerurlaubsorte mit „autofrei“.  Die Politik muss diese Wünsche aktiv aufgreifen. Nichts macht mehr Appetit auf Autofreiheit wie die autofreie Praxis.  Es gilt, das Entstehen von autofreien Quartieren zu fördern. Und dabei deren Einbindung in den ÖPNV und ein effizientes Radwegenetz zu garantieren. Modellversuche mit Titeln wie „Autofreie Stadt“ oder „Auto arme Stadt“ oder „Stadt für die Menschen“ stehen auf der Tagesordnung.

Achtens:

Citylogistik & deutliche Reduktion des Güterverkehrs und erst dann Verlagerung

Der Güterverkehr und der Lieferverkehr wachsen von Jahr zu Jahr. Seit 1990 hat sich der Straßengüterverkehr verdoppelt. Laut „Masterplan 2030“ soll der Güterverkehr auf Straßen weiter massiv wachsen – und zwar um 39 Prozent (!) bis zum Jahr 2030. Dieses Wachstum finde zwar „in erster Linie auf den Autobahnen statt, aber auch die Stadt Dortmund als Ziel und Quelle der Lkw-Fahrten muss die Auswirkungen bewältigen.“13

13 Zitat aus: Zielkonzept zum Masterplan Mobilität 2030, S. 12. 

Und warum ist das so? Warum wird das von den Planern einer „Mobilität 2030“ einfach so als gesetzt hingenommen?  Der Lebensstandard blieb in den vergangenen 25 Jahren weitgehend auf dem gleichen Niveau. Es gab in den letzten drei Jahrzehnten eine mit Blick auf die Erwärmung des Planeten nicht zu verantwortende Steigerung der Transportintensität. In einer Ware von ein und derselben                                                           Qualität stecken immer mehr Transportkilometer.

Vor diesem Hintergrund ist im Übrigen jede pauschale Forderung, wonach der Güterverkehr auf die Schiene (oder auf Elektroscooter) verlagert werden müsse, problematisch. U.a. weil damit neuer Verkehrslärm verbunden sein kann. An erster Stelle müssen bei einer Verkehrswende im Güterverkehr Maßnahmen zur Reduktion des Güterverkehrs stehen – was zugleich auf eine Stärkung der regionalen Wirtschaft hinausläuft.

Dies sollte ergänzt werden mit Planungen für eine effiziente Citylogistik. Der VW-Konzern entwickelte beispielsweise für sein Werk in Leipzig (früher: Phaeton; heute Elektro-Golf) das Modell für eine solche Citylogistik, bei der speziell dafür gebaute Güter-Trams das (im Innenstadtbereich liegende) Werk mit allen Zulieferungen versorgen.  Warum sollte ein solches Modell nicht auch für Dortmund realisierbar sein? Kleinteilige Strukturen wiederum können eine Verlagerung von Gütertransporten auf Lastenräder sinnvoll machen.

Erst am Ende einer Planung für die Reduktion von Gütertransporten sollte sich die Frage stellen, wie verbleibende Gütertransporte verlagert werden können.

Neuntens:

Kein ZOB auf der Nordseite des Dortmunder Hauptbahnhofs – Einbindung in den regionalen und bundesweiten Verkehr

Wie oben dargelegt, sind die Pläne für einen neu zu bauenden und deutlich zu vergrößernden ZOB  am Dortmunder Hauptbahnhof kontraproduktiv. Alternative Standorte sind dafür zu suchen (wofür es auch erste Vorschläge gibt). Stattdessen sollte das Areal nördlich des Dortmunder Hauptbahnhofs in einen Park umgewandelt werden und die damit verbundenen Planungen zu einer echten Aufwertung des entsprechenden Stadtquartiers beitragen.

Darüberhinaus ist erforderlich, den innerstädtischen Verkehr in den Bereichen Radverkehr und ÖPNV in den regionalen (und z.T. überregionalen) Verkehr einzubinden. Ein erheblicher Teil des bestehenden innerstädtischen Verkehrs besteht aus Ziel- und Quellverkehren aus der Region und in die Region hinein (u.a. Pendler; Einkaufsverkehre; Freizeitverkehre). Diese Verkehre können auf längere Sicht teilweise deutlich reduziert werden.

Neue Fahrradschnellwege können dazu beitragen, dass ein Teil des Pendlerverkehrs, der bislang als MIV oder ÖPNV stattfindet, auf Fahrräder verlagert wird (siehe erneut Kopenhagen, wo insbesondere bei den Berufswegen ein sehr hoher Teil derselben aufs Fahrrad verlagert wurde).  Diese Einbindung erfordert auch einfache und attraktive Lösungen hinsichtlich der Tarife und des Fahrplans (hinsichtlich des überregionalen Verkehr einen „Deutschlandtakt“). Soziale Aspekte sind dabei zu berücksichtigen.

Grundsätzlich stellt sich auch die Frage, welchen Sinn aufwendige und bei jeder Umstellung mit erheblichen Belastungen für die Beschäftigten und die Fahrgäste verbundene Ausschreibungen und ein Scheinwettbewerb in einem System haben, in dem der Schienenpersonennahverkehr (seit Mitte der 1990er Jahre) zu mehr als 60 Prozent durch staatliche Mittel – die Regionalisierungsgelder – finanziert wird und in dem auch der Fuhrpark (die Züge, Loks und Wagengarnituren) mit Landesmitteln kofinanziert werden.

Das „unternehmerische Risiko“ tendiert hier längst gegen Null; es findet hier primär eine Abzocke staatlicher Gelder durch private Unternehmen statt, hinter denen sich im Übrigen dann oft wieder Tochtergesellschaften benachbarter staatlicher Bahnen verbergen.

Zehntens:

Verkehrswende und Demokratie

Die dringend erforderliche Verkehrswende in Dortmund und Region wird nur gelingen, wenn sie von einer breiten Bewegung in der Bevölkerung unterstützt, ja getragen wird. Sie muss zu einem Demokratieprojekt der Bürgerinnen und Bürger werden. Das ist keine Frage der PR. Dazu sollte auch über neue institutionalisierte Formen demokratischer Beteiligung – beispielsweise ein Fahrgastrat – nachgedacht werden.  In jedem Fall müssen die bestehenden Verbände im Umwelt- und Verkehrsbereich und die mit dem Thema befassten Gewerkschaften mit einbezogen werden. Hier fällt auf, dass es im „Arbeitskreis“, der den „Masterplan Mobilität 2030“ für Dortmund begleitet, mehr als 20 Verbände und Gruppierungen vertreten sind – doch die Gewerkschaften fehlen komplett. In Frage kommt hier in erster Linie verdi.  Eine Mobilitätsplanung tangiert massiv gewerkschaftliche Interessen – sei es in Form der Mobilität der Lohnabhängigen, sei es in Form der betroffenen Beschäftigtem der Stadtwerke. Die Unfähigkeit der städtischen Verkehrsplaner, und derjenigen auf der Landes- und der Bundesebene verdeutlicht: Eine Verkehrswende, die den heutigen Anforderungen  gerecht wird und die eingangs erwähnten fünf Herausforderungen meistert, kann nur von den Bürgerinnen und Bürgern und den betroffenen Beschäftigten entwickelt und umgesetzt werden.  Die Bürgerbewegung, die sich in der baden-württembergischen Landeshauptstadt gegen das zerstörerische Großprojekt Stuttgart 21 entwickelt hat, ist meines Erachtens beispielhaft. Diese ist nicht nur gegen ein einzelnes absurdes Großprojekt gerichtet. Sie ist längst zu einer Bewegung geworden, die das Thema „Recht auf Stadt“ im Zentrum hat. Die wichtigsten Losungen dort, sollten auch diejenigen in Dortmund sein: Wessen Bahnhof? Unser Bahnhof! Wessen Straßen? Unsere Straßen! Wessen Stadt? Unsere Stadt!

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Angaben zum vorliegenden Text

Der hier entwickelte Text basiert in Grundbestandteilen auf einem Vortrag, den Winfried Wolf am 14. Juli 2018 u.a. auf Einladung der BI „Garten statt ZOB“ in Dortmund hielt. Er wurde nach der Veranstaltung – u.a., auf Basis der Informationen von vor Ort – neu und sehr stark erweitert verfasst.

Angaben zum Verfasser 

Winfried Wolf ist Politologe, Verkehrswissenschaftler und Dr. phil. Er ist Chefredakteur von Lunapark21, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac und aktiv bei der Bahnfachleutegruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn (BsB) und im Bündnis Bahn für Alle (BfA).

Zum Thema Autoindustrie und Verkehr erschienen vom Autor die folgenden Bücher:

– Spätkapitalismus in den achtziger Jahren – Krise der internationalen Autoindustrie (Frankfurt/M. 1979; ISP)

– Kein Gas, kein Spaß? (Frankfurt/M., 1984; ISP)

– Autokrieg. Konzerne rüsten für die Zukunft (Hamburg 1986; Konkret Literatur)

– Eisenbahn und Autowahn (Hamburg 1985, 1986 und 1992; Rasch und Röhring; Englisch Car Mania; London, Pluto Press)

– Neues Denken, neues Tanken. DDR Verkehr 2000 (Frankfurt/M. 1990; ISP)

– Sackgasse Autogesellschaft. Höchste Zeit für eine Alternative (Frankfurt/M., 3. Aufl. 1993)

– Die autofreie Stadt. Der Autowahn am Beispiel von Marburg an der Lahn (Frankfurt/M. 1993)

– Berlin – Weltstadt ohne Auto? Eine Verkehrsgeschichte 1848-2015 (Köln 1994)

– Stuttgart21 – Hauptbahnhof im Untergrund (Köln 1996, 3. Aufl; ISP)

– Verkehr. Umwelt. Klima. Die Globalisierung des Tempowahns (2. Aufl. Wien 2009; Promedia)

– [zusammen mit Bernhard Knierim] Bitte umsteigen, 20 Jahre Bahnreform (Stuttgart 2014; Schmetterling) – Stadt. Lahn. Autowahn. Marburg und die B3a (Michendorf 2017)

– abgrundtief + bodenlos. Stuttgart 21, sein absehbares Scheitern und die Kultur des Widerstands (erstmals Köln Juli 2017; im Januar 2018 Neuausgabe; aktualisiert und erweitert als  Hardcover; beides Mal PapyRossa Köln).

– Elektro-Pkw als Teil der Krise der aktuellen Mobilität, München 2018 (isw-Report 112/113).

 

 

Bild: Stadt Dortmund/Ersteller:Kathrin Aulke