Was ich noch zu sagen hätte … – zur Gewerkschaftszeitung »express« – Ein Resümee von dreieinhalb Jahren express-Lektüre

Von Wilfried Schwetz

Vorbemerkung

Den nachfolgenden, für die MagMa geringfügig redigierten Text habe ich im Dezember 2023 an die Redaktion des express – Zeitung für sozialistische Betriebs‐ und Gewerkschaftsarbeit geschickt. Dieser Zeitschrift war ich mehr als 15 Jahre lang verbunden und habe dort diverse Artikel und auch Fotos veröffentlicht. Deshalb einige persönliche Anmerkungen dazu.

Corona leitete ab 2020 einen Entfremdungsprozess ein, der sich über zwei Jahre hingezogen hat. Begonnen hatte dieser damit, dass meine in persönlichen Gesprächen geäußerten Zweifel und Hinweise auf die massiven Ungereimtheiten der Corona‐​Erzählung und speziell auf die zu erwartenden negativen Folgen des »Lockdowns« (Wirtschaft, Kleingewerbe, Alte und Kinder) sehr schlecht aufgenommen wurden und ich in die Schwurbler‐​Schublade gesteckt wurde. Dies galt verstärkt auch für die Beurteilung der ersten Demonstrationen, u.a. in Berlin (dorthin hatte ich es leider mangels eigenem Fahrzeug bzw. Mitfahrgelegenheit nicht geschafft).

Ich gebe es zu: angesichts der Tonlage zum Thema Corona des express ich habe es in der Folge vorgezogen, das Thema zu vermeiden. Den einsamen Tod meines Vaters im abgeriegelten Pflegeheim hatte ich gar nicht mehr erwähnt; es erschien mir zwecklos, obwohl meine Wut darüber grenzenlos war.

Den Sommer 2020 hatte ich stattdessen mit dem Schreiben eines umfangreichen Textes zu den Jesuitenmissionen in Bolivien/​Paraguay zugebracht, der im Dezember 2020 im express veröffentlicht wurde. Ein halbes Jahr später folgte noch eine Zusammenfassung einer meiner älteren Studien zur gewerkschaftlichen Organisierung im Industrieservice. Parallel dazu musste ich mit wachsender Verärgerung registrieren, wie die Gewerkschaftslinke immer weiter im Corona‐​Sumpf versank.

Dieses (mein) Beschweigen grundsätzlicher Differenzen, aus Scheu vor den absehbaren tiefen (und persönlichen) Zerwürfnissen mit Menschen, denen man bislang verbunden gewesen war, wäre möglicherweise einfach so weiter gegangen, denn mit der sonstigen Arbeit des express hatte ich ja keine Schwierigkeiten.

Wenn nicht das Thema mRNA‐​Zwangsspritze, erst beim Gesundheitspersonal, dann möglichst bei allen, und das im Abo, hinzugekommen wäre und mich auf die Straße zum Protest (Spaziergänge) getrieben hätte. Ein Skandal, der keinerlei Aufschrei der Empörung im express nach sich zog, ich vielmehr von einigen zu hören bekam, dass der »Impf«zwang doch ganz richtig sei. Ich glaube, das war der Bruch; der Bruch mit der deutschen (Gewerkschafts-)Linken, die weder Corona-»Impf«zwang und »Impf«pässen, noch dem täglich wachsenden Autoritarismus und Rechtsnihilismus in Deutschland sich in irgendeiner Weise entgegenstemmen wollte.

Meinen Text, nur zum Thema Corona, hatte ich bereits im Frühjahr 2023 geschrieben, ihn aber nicht abgeschickt, weil mir natürlich klar war, wie die Reaktion sein würde.

Ein halbes Jahr später besann ich mich aber anders und erweiterte den Text um das Thema Ukraine, wo ich eine ähnliche Anpassung an den vorgegebenen Diskurs feststellen musste.

Dazu gehörten natürlich die Russland‐​Sanktionen samt Annex Klimapolitik, die in wachsendem Tempo den Beschäftigten in Deutschland die Beine wegschlagen und die gesamte industrielle Basis in Deutschland in Frage stellen. Ein Protest dagegen war nicht zu vernehmen – und das von einer linken Gewerkschaftszeitung!

Ich dachte Ende vergangenen Jahres, nach so vielen Jahren der Verbundenheit sei es nicht richtig, sich schweigend zu verabschieden, sondern ein solcher sollte lautstark sein. Auch wenn die Konsequenz der Bruch ist, mitsamt der mittlerweile bei Linken üblichen Denunziation. Ich habe es dem express freigestellt, den Text zu veröffentlichen oder auch nicht. Meines Wissens nach ist er den express-Lesern aber nie zugänglich gemacht worden.

Auch wenn ich mich wahrlich bemüht hatte, war mir ein versöhnlicherer Tonfall angesichts dessen, was seit März 2020 in Deutschland, unkritisiert im express, geschehen ist, nicht möglich gewesen. Ich konnte es auch nicht unterlassen, den Text mit Memes, meist aus dem Off​Guardian, zu versehen, die das Gemeinte besser auf den Punkt brachten als tausend Worte es vermochten – und die mir in diesen schweren Monaten kleine Momente der Freude bereitet hatten.

Ich weiß nicht, ob ich es bedauern sollte, es so gemacht zu haben. Aber das ganze Geschehen macht einfach wütend; und was aus der deutschen Linken geworden ist, tief traurig: Alles als rechts zu titulieren, was der eigenen Meinung widerspricht, damit man weiter so tun kann, als wäre man noch links, obwohl man schon lange die Agenden des Großkapitals bedient und sich der Regierungslinie fast vollständig angepasst hat (siehe auch meinen Artikel in MagMa »Zur Psychologie des Mitläufers«).

Abgeschickt habe ich den Text in dem Moment, als ich im express folgenden Satz lesen musste: »Während im Ukraine­krieg ohne Zweifel faschistische Bezugnahmen und Regimenter auf Seiten der Ukraine kämpfen, so ist dies doch im Vergleich zur faschistischen Politik von Putin­Russland eine Petitesse, finanziert Letzteres doch seit Jahren nationalistische und faschistische Bewegungen in vielen Ländern. Verbindungen zu Donald Trump, Marie Le Pen, Nigel Fa­rage, Viktor Orbán, der FPÖ, der AfD usw. machen deutlich, dass der reaktionäre Gen­darm der Welt auch im 21. Jahrhundert bereit ist, demokratische Strukturen zu zer­stören und vor allem dabei ist, eine anti­ökologische, fossile Wirtschaftspraxis zu zementieren, die seinen Rohstoffinteressen dient.«

Und dies nach 27 Millionen Toten, die der echte (!) Faschismus 1941 bis 1945 in der Sowjetunion zu verantworten hat. So viel Täter‐​Opfer Umkehr liest man selten.

Was ich noch zu sagen hätte …

… dauert aber nicht eine Zigarette und ein Glas im Stehen, wie bei Reinhard Mey, sondern etwas länger.

Anlass für diesen Text sind die Ereignisse der vergangenen dreieinhalb Jahre und wie sie sich im express abgebildet haben (in der gedruckten (!) Ausgabe, die Internetseite des express habe ich nie besucht). Denn seit 2020 erleben wir wirklich erstaunliche Zeiten, wie sie auch den Älteren unter uns bislang nicht untergekommen waren. Zumindest in (West)Deutschland nicht, andere Weltgegenden leben schon seit Jahrzehnten in noch viel erstaunlicheren Zeiten. Aber Deutschland nähert sich diesen immer weiter an.

Diese drei Ereignisse sind: Corona, die Russlandsanktionen mit ihrem Annex Klimapolitik und der allgemeine Zustand des Landes.

Corona

Seit Jahresbeginn 2020 machten Meldungen über ein Virus aus China die Runde. Nachdem zunächst der Verdacht, es könne sich um ein sehr gefährliches Virus handeln, ins Reich der Verschwörungstheorien verbannt wurde, änderte sich das plötzlich dergestalt, dass auf einmal dramatische Gefahren an die Wand gemalt wurden. Die WHO rief eine die Weltbevölkerung bedrohende Pandemie aus – die Kriterien dafür waren einige Jahre zuvor dazu passgenau geändert worden –, in dessen Folge drakonische Maßnahmen ergriffen wurden. Die Erzählung einer nie dagewesenen Gesundheitsbedrohung, die drastische Schritte unumgänglich mache, wurde von praktisch allen nationalen und internationalen Institutionen in synchroner Weise verbreitet, begleitet durch eine globale Medienkampagne, die komplett auf die Verbreitung von Angst und Panik setzte, anstatt Menschen zu beruhigen.

Im März 2020 kam es dann zu einem folgenschweren Einschnitt, wie es ihn noch nie gegeben hatte: der »Lockdown«, die umfassende Schließung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Das, was dann alles noch folgte, will ich hier nicht auflisten; es ist allen bekannt und wird auf den folgenden Seiten bei Bedarf noch behandelt werden.

Diese Erzählung vom lebensbedrohlichen Virus, so lebensbedrohlich, wie es ihn vorher noch nie gegeben hatte, von der Notwendigkeit, Wirksamkeit, Angemessenheit und Harmlosigkeit der ergriffenen Maßnahmen, wird bis heute aufrecht erhalten – gegen alle Evidenz.

Und beim express?

Der express war voll auf Linie, anders kann man es nicht sagen. Das gesamte Jahr 2020 waren die Ausgaben gefüllt mit Alarmmeldungen, teilweise seitenlang, durch die die Corona‐​Erzählung 1:1 transportiert wurde. Wenn etwas kritisiert wurde, dann eher ein Zuwenig als ein Zuviel. Höhepunkt war dann die Unterstützung von ZeroCovid, der Lockdown‐​Hardlinerfraktion schlechthin. Das, was bei ZeroCovid an Forderungen zu lesen war, war vollkommen maßlos. Ich glaube, keiner dort konnte sich eine Vorstellung davon machen, wie schnell die Regale leer sind. Das dauert keine Woche!

Um es an dieser Stelle vorwegzunehmen: ZeroCovid hat maßgeblich zur Delegitimierung praktisch der gesamten Linken beigetragen. Wer das gelesen hatte, der wollte niemand linkes mehr in führender Verantwortung sehen. Man schaue sich bitte Neuseeland und den australischen Bundesstaat Victoria an, wie das Ergebnis von ZeroCovid aussieht und mit welchen Methoden es durchgesetzt werden musste. Und das ohne irgendetwas zu bewirken.

Oder man nehme, aus aktuellem Anlass, Argentinien. Der peronistische Präsident Alberto Fernandes verhängte 2020 eine fünfmonatige vollständige Schließung des Landes. Es war der oder einer der längsten Lockdowns der Welt, wobei die trotzkistische Linke (in Argentinien gibt es links von den Peronisten praktisch nur Trotzkisten) nicht müde wurde, noch härtere Corona‐​Maßnahmen zu fordern – wie es die trotzkistische Internationale überall auf der Welt getan hatte. Damit wurde die vorher schon schwankende Wirtschaft des seit Jahrzehnten bankrotten Landes vollends in den Ruin getrieben. Das Ergebnis: Der ultraneoliberale Unternehmer Javier »Kettensäge« Milei wurde im Herbst dieses Jahres zum neuen Präsidenten gewählt.

Beinahe unglaublich daher die These der beiden ZeroCovid‐​Befürworter in Heft 1/​2021: »Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass jene Staaten, die die Pandemie entschlossen bekämpft haben und dies weiterhin tun, dass diese Staaten autoritärer geworden wären«.

In express 5/​2021 gab es dann einen Überblick zu den Positionen innerhalb der Redaktion zu ZeroCovid, mit überzeugenden Argumenten der Kontra‐​Seite, während Pro‐​ZeroCovid keines dieser Argumente entkräften konnte und auf der Ebene von Wunsch und Wolke verblieb. Überraschend – nein: unverständlich – war, dass niemand die Grunderzählung in Frage gestellt hatte: Bedrohung, Wirksamkeit und Angemessenheit. 1

Es gab nämlich von Anfang an Zweifel und gegenläufige wissenschaftliche Expertisen; Ungereimtheiten bei Zahlen bis hin zu glatten Fälschungen kamen ans Licht. Sehr vielen Menschen kam schnell der Verdacht, an der Geschichte könne etwas nicht stimmen. Diese nahezu totale Akzeptanz der Corona‐​Erzählung auf der Linken, auch beim express, ist umso erstaunlicher, weil die wesentlichen Treiber des Coronageschehens Institutionen und Personen von zweifelhaftem Ruf waren, als da wären:

  • eine WHO, die man mit Fug und Recht als Public Private Partnership bezeichnen kann, wesentlich finanziert durch Big Money, mit deren Hilfe öffentliche Gelder in private Taschen geschaufelt werden und die, bzw. ihre Herren, sich als Weltregierung in Sachen Gesundheit sehen;
  • mächtige Unternehmensstiftungen, die die Blaupausen liefern;
  • Aufsichtsbehörden, die schon lange ihre Unabhängigkeit verloren haben und vom Kapital gekapert sind;
  • eine Pharmaindustrie mit einer langen Geschichte von Skandalen und Verbrechen;
  • eine von Finanzkapital und Pharma abhängige und daher käufliche Wissenschaft;
  • eine Medienlandschaft, deren Leitmedien samt und sonders große Geldsummen aus dem Silicon Valley oder von anderen Kapitalsammelstellen erhalten und jede Distanz zum Regierungsbetrieb aufgegeben haben;
  • das Ganze orchestriert von einem sog. World Economic Forum, das jemand einmal treffend als das Zentralkomitee des Kapitals bezeichnet hat, repräsentiert von einer Figur, bei der es einem gruselt.

Und genau dieses Gebräu drückt die Erzählung eines hypergefährlichen Virus durch, fordert die Schließung von Wirtschaft und Gesellschaft und andere tief ins Leben einschneidende Maßnahmen.

Und da kommen keine Zweifel auf? Wäre es da nicht eher an der Zeit gewesen, die gegenwärtigen Kapitalstrategien zu analysieren?

Zu fast allen ergriffenen Maßnahmen könnte man seitenlang schreiben; Maßnahmen, die meist zwischen lächerlich und kontraproduktiv schwankten, teils nichts als schikanös waren, oftmals aber einfach nur grausam. Bei letzterem denke ich an das, was den Kindern über drei Jahre angetan wurde (und die von den Bildungsgewerkschaften in keinster Weise zu schützen versucht wurden); und ich denke an die Abriegelung der Pflegeheime. Auch mein Vater ist in einem Pflegeheim einsam gestorben. Das werde ich diesem Staat niemals vergessen! Und den Kirchen auch nicht!

Sprechen müsste man auch darüber, dass Beschäftigte monate‑, teils jahrelang, hinter Masken gezwungen wurden, die sowohl gesundheitsschädlich (Verseuchung durch Pilze) wie nutzlos waren, wie diverse wissenschaftliche Expertisen wiederholt belegten. Wie hatten sich Gewerkschaften, Betriebsräte, der express dazu positioniert? Man hätte gerne mehr darüber erfahren.

Gleichfalls über die neu geschaffene Möglichkeit, Betriebsratssitzungen online abzuhalten, bisher ein No‐​go für Gewerkschaften, jetzt offenbar das normalste von der Welt. Wer da wohl alles mithört und mitschreibt?

»Impfung«

Tiefer eingehen möchte ich auf den Themenkreis »Impfung« mit all seinen abgeleiteten weiteren Aspekten.

Schon zu Beginn der Corona‐​Maßnahmen wurde angekündigt, es gäbe bald einen neuartigen Impfstoff, der alle Probleme lösen würde. Die ganze Dynamik der Maßnahmen lief dabei, der Logik des kapitalistischen Systems folgend, von Anfang an auf einen Impfzwang hinaus. Das hatten viele vorausgesagt, wurden aber als Verschwörungstheoretiker in die Ecke gestellt – auch aus dem express heraus.

Mit diesem »Impfstoff« waren dann aber keine Mittel gemeint, wie man sie bisher kannte, sondern neuartige und ungetestete Stoffe, die in die Zellgenetik eingreifen, dort dauerhafte Modifikationen hervorrufen, die gegen das Corona‐​Virus helfen sollen. Diese Stoffe auf Basis modifizierter Ribonukleinsäuren (mRNA oder modRNA) entsprachen bis vor einigen Jahren gar nicht den Kriterien für einen Impfstoff (diese waren, wie bereits die Kriterien für eine »Pandemie«, erst passgenau dahingehend verändert worden), weil sie keine klassische Immunität bieten. Aus diesem Grunde werde ich den Begriff künftig so weit es geht vermeiden. In meinen Augen handelt es sich um eine Gentherapie, um eine Genmanipulation am Menschen.

Die mRNA‐​Stoffe sind stark umstritten, viele Wissenschaftler halten sie für hochgefährlich. Auch eine große Zahl Menschen war instinktiv misstrauisch, erschauderte bei der Vorstellung, sich auf diese Weise genetisch verändern zu lassen.

Und genau diese Mittel wurden den Menschen im Kampf gegen das Virus »angeboten« – und zwar nur diese, und auch keine anderen Behandlungsmethoden; die waren verboten. Angeboten ist auch das falsche Wort, sie wurden den Menschen massiv aufgenötigt! Begleitet von einer Angstkampagne ungesehenen Ausmaßes. Kritik und widerstreitende wissenschaftliche Expertise wurde durch Verleumdung zum Schweigen gebracht.

Beschäftigten, die sich dennoch der Genspritze verweigerten, wurde das Leben zur Hölle gemacht: durch PCR‐​Testschikanen (die zu allem Überfluß zum »Testen« einer Virusinfektion überhaupt nicht geeignet waren), 2G/​3G, Impfpässe, Kontaktverfolgung etc.pp.. Auf einmal durften Beschäftigte nach ihrem »Impfstatus« gefragt werden; es wurde legal, Arbeitnehmern ohne Genspritze bei positivem »Testergebnis« die Lohnfortzahlung zu verweigern; sie waren dem Mobbing von Kollegen, Vorgesetzten und Chefs ausgesetzt; wurden mit Entlassung bedroht und viele, viele wurden damit auch bestraft. Hier in der Stadt gibt es eine Bäckereikette, die konsequent jeden rausgeschmissen hat, der sich der Genspritze verweigerte.

In anderen Ländern war es teils noch schlimmer. Dort wurden »Impfpässe« ausgegeben, ohne die man überhaupt nicht arbeiten durfte, so in Italien.

Eine Spritze mit genverändernden Substanzen stellt einen ungeheuren Eingriff in den menschlichen Körper dar. Solche dürften allenfalls nach jahrelanger Erprobung, mit umfassender Information über alle Risiken und absolut freiwillig verabreicht werden. Meiner Meinung nach gehören sie jedoch schlichtweg verboten.

Sie jedoch Menschen, Beschäftigten und Freiberuflern durch emotionale Überwältigung, einseitige Beratung und bei Androhung schwerwiegender Nachteile aufzuzwingen, ist ein ungeheuerlicher Vorgang! Schlechthin Gewalt! Alle bisherigen Regelungen und Verbote (wie das Arzneimittelwerbeverbot) galten auf einmal nichts mehr, jedes Schlagersternchen durfte nun ungestraft Menschen zur Spritze agitieren.

Endpunkt war die Debatte um den allgemeinen Impfzwang, worauf von Anfang an alles hinauslief. Dieser konnte zum Glück verhindert werden. Nicht verhindert werden konnte allerdings die sogenannte »einrichtungsbezogene Impfpflicht« für das Gesundheitswesen. Verweigerern der Genspritze wurde somit Berufsverbot erteilt. Wieviele Arbeitnehmer haben sich die Spritze geben lassen, obwohl sie sie ablehnten? Aus reiner Angst um ihre wirtschaftliche Existenz? Viele beugten sich aber dennoch nicht, haben endlose Schikanen über sich ergehen lassen oder den Gesundheitsbereich verlassen – was einen wichtigen Faktor des Mangels an Gesundheitspersonal darstellt.

Ein Riesenthema für Gewerkschaften und Betriebsräte! Wie standen sie dazu? Fanden sie diesen Umgang in Ordnung oder verteidigten sie diese Beschäftigten? Es wäre interessant gewesen, davon zu lesen.

Und wie bildete sich diese Ansammlung von Ungeheuerlichkeiten im express ab?

Die Serie zur Betriebsratsarbeit im express beschäftigte sich zweimal im 1. Halbjahr 2020 mit Corona, danach nicht mehr, die heiklen Themen Genspritze und ihre Verweigerung blieben unbeachtet. Erstaunlich, wenn man es ins Verhältnis setzt zum sonst so sensiblen Umgang mit jeder Art von Betriebsratsmobbing.

Weiter gab es drei Beiträge, die sich mit dem Themenkomplex »Impfung« und »Impfzwang« beschäftigte, wobei in keinem auf den Charakter dieser »Impfstoffe« hingewiesen wurde.

Der erste war in Heft 1/​2022 der Abdruck einer internen (!) Diskussion des VdÄÄ – Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte. Dabei handelte es sich eigentlich gar nicht um eine Debatte, jedenfalls nicht um das Für und Wider, sondern es wurde um den erfolgreichsten Weg gerungen, die Leute an die Spritze zu bringen. Corona‐​Erzählung und die Notwendigkeit einer »Impfung«, und zwar mit den mRNA‐​Substanzen, wurden nicht in Frage gestellt. Bis dahin hatte ich gedacht, der VdÄÄ stünde für eine gewisse kritische Haltung gegenüber Schulmedizin und Gesundheitsindustrie, aber da hatte ich mich wohl getäuscht.

In der folgenden Ausgabe (2/​2022) gab es einen Beitrag der Ver.di Betriebsgruppe am Uniklinikum Düsseldorf, der sich ebenfalls für die Genspritze aussprach, aber zumindest gegen den Impfzwang für das Gesundheitspersonal, weil sich dadurch die Personalnot weiter verschlimmern würde.

In der gleichen Ausgabe stand eine Replik auf die VdÄÄ‐​Debatte. Diese war bis dato – und blieb es auch – der einzige Beitrag, der die Corona‐​Erzählung, die ergriffenen Maßnahmen, die mRNA‐​Substanzen einer Kritik unterzog und in einen größeren Zusammenhang gegenwärtiger Kapitalstrategien stellte, und dabei insbesondere auf die digitalen Überwachungsinstrumente hinwies, die durchgesetzt werden sollten.

Ich hatte schon fast gedacht: Kommt jetzt doch noch eine Debatte zustande? Dieser Beitrag wurde jedoch sofort durch die nebenstehende Erklärung der Redaktion konterkariert, in der nicht nur mehr Lockdown (der Wirtschaft) gefordert, sondern auch die mRNA‐​Spritze propagiert und zu einem »Akt der Rücksichtnahme« erklärt wurde. Bei der (damaligen) Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Annette Kurschus klang es, einen Tag vor Heiligabend (!), ganz ähnlich: »Das Impfen ist eine Pflicht aus christlicher Nächstenliebe heraus«. (DLF, 23.12.21).

Es gab dann noch in Heft 4/​2022 eine Rezension eines Buches von Karl Heinz Roth (in der dieser einige linke Reaktionen auf Corona kritisiert hatte), die die bisherige Corona‐​Linie der Redaktion im Wesentlichen bestätigte.

Und danach war Schluss mit Corona. Thema erledigt, neues Thema!

Aber das Thema ist nicht erledigt, kein bisschen.

Widerstand

Es gab seit 2020 (und gibt immer noch) Widerstand gegen die Corona‐​Maßnahmen; und ganz besonders gab es ihn gegen die mRNA‐​Genspritze, egal ob erzwungen oder nur »freiwillig« aufgenötigt. Dieser wurde von einem zunehmend autoritärer werdenden Staat mit massiver Polizeigewalt unterdrückt. Er wurde ganz wesentlich von Beschäftigten des Gesundheitsbereiches getragen, von Beschäftigten, die sich der Genspritze verweigerten.

Ich war eine zeitlang häufig für mehrere Tage aus familiären Gründen in meiner Heimatstadt. Dort gab es jeden Montag und Mittwoch Kundgebungen gegen Genspritzen, Impfzwang und andere Corona‐​Maßnahmen mit jeweils etwa einhundert Teilnehmern – einer erstaunlichen Zahl für eine Kleinstadt mit etwa zwölftausend Einwohnern und angesichts des repressiven Meinungsklimas. Die Mittwochskundgebungen waren in der Hauptsache getragen von Beschäftigten des örtlichen Krankenhauses und der örtlichen Pflegeeinrichtungen. Auch in den Kleinstädten der Umgebung, mit teils großen Gesundheitseinrichtungen, gab es entsprechende Kundgebungen. Jede Woche, getragen von Beschäftigten des Gesundheitssektors. Ich habe keine ausgelassen, wenn ich vor Ort war.

Ich finde es wirklich erstaunlich, wie es möglich ist, regelmäßig über Arbeitskonflikte im Gesundheitssektor zu berichten, OHNE die »einrichtungsbezogende Impfpflicht« auch nur zu erwähnen! DAS Konfliktthema 2021/​2022!

Noch erstaunlicher finde ich es, die Proteste von Gesundheitsbeschäftigten völlig zu ignorieren. Mir sagte schon im Sommer 2021, noch bevor die mRNA‐​Spritzen verfügbar, aber schon angekündigt waren, eine Krankenschwester, sie müsste alles vergessen, was sie im Beruf jemals gelernt habe, um die Corona‐​Erzählung zu glauben. Das wichtigste bei einer Virusepidemie sei die Stärkung des Immunsystems und Vitamin D. Und sie würde lieber in den Knast gehen, als sich diese Genspritzen geben zu lassen. Ich fürchte allerdings, dieser deutsche Staat hätte ihr diese im Knast mit Gewalt verabreicht; sie hätte aus Deutschland fliehen müssen.

Auf diesen Kundgebungen gab es jedes Mal Vorträge von Ärzten und Wissenschaftlern über die verschiedenen Aspekte des Virus, der Corona‐​Erkrankung und insbesondere über die Gefahren der mRNA‐​Substanzen. Ich habe dort sehr viel gelernt. Die stets dort anwesenden Polizisten waren wahrscheinlich die bestinformierten Polizisten weit und breit; die wenigen Gegendemonstranten mit ihren Sprüchen der Antideutschen haben sich wohl die Ohren zugehalten, um ja nicht irritiert zu werden.

Ist schon das Ignorieren des Widerstands von Gesundheitsbeschäftigten gegen die Genspritze erstaunlich, irrtiert das Schweigen bezüglich des Widerstandes aus dem Logistikbereich ebenso. In Italien wehrten sich Hafenarbeiter gegen Impfpässe, die zudem regelmäßig durch neue Spritzen aktuell gehalten werden mussten, als Voraussetzung dafür, überhaupt irgendwo arbeiten zu dürfen.

In Kanada entstand aus gleichem Grund die größte selbstorganisierte Bewegung von Truckern seit Jahrzehnten. Auch dies war dem express, der sonst so ausführlich über jede auch noch so kleine Widerstandsaktion in der Logistik berichtet, keine Zeile wert. Was die kanadischen Trucker taten, war Selbstermächtigung vom Feinsten, ohne Anleitung irgendwelcher Funktionäre oder linker Intellektueller, die ihnen vorschreiben wollen, was sie zu tun oder zu lassen haben. Sie wehrten sich dagegen, sich durch Impfpässe und permanente Auffrischungsspritzen ihre Arbeit, ihr Leben und ihre Gesundheit ruinieren zu lassen. Selbst wenn man deren Anliegen nicht teilt, hätte die dystopische Art, in der der superwoke Premierminister Trudeau den Protest niedergeschlagen hat, alle Alarmglocken erklingen lassen müssen. Das war die Blaupause für den Umgang mit sozialen Protesten der Zukunft und zeigte zugleich die großen Gefahren der Digitalisierung.

Aufarbeitung

Und was hat das alles gebracht? War das notwendig, zumindest angemessen?

Es hat Gewerkschaften wie die gesamte Linke in den vergangenen Jahren offenbar nicht gestört, dass seit 2020 systematisch jede Evaluierung des Corona‐​Geschehens unterblieb – obwohl für jeden offensichtlich gelogen, getrickst, Zahlen zurechtgebogen, fortwährend der Referenzrahmen geändert wurde, damit ja keine Vergleichbarkeit erreicht werden kann. Allein die »Unregelmäßigkeiten« (könnte man anders nennen) bei den Pharmastudien sind skandalös, machen aber dem Ruf der Branche alle Ehre. Auch das ganze Ausmaß an Impfschäden und plötzlichen Todesfällen, das sich zwar schon bald in den Statistiken der Behörden und Versicherungen niederschlug, aber beschwiegen und die Betroffenen der Lächerlichkeit preisgegeben wurden, störte sie nicht. Schon die lange und immer länger werdende Liste plötzlich verstorbener Spitzensportler, viele davon auf dem Platz, spricht Bände.

Weder in der Gewerkschaftspresse (soweit ich es überblicke) noch im express konnte man darüber etwas lesen.

Die Mehrzahl der deutschen Bevölkerung fordert eine Aufarbeitung der Corona‐​Zeit und der durchgesetzten Maßnahmen. Die soll mit aller Macht verhindert werden, deshalb ja auch keine Datensammlung.

Soll das so bleiben?

Daten, Studien und Expertisen gibt es aber aus anderen Ländern zur Genüge, nicht alle Staaten haben sich so schäbig verhalten wie Deutschland und jede Dokumentation verhindert. Aber selbst in Deutschland konnte nicht alles unter den Teppich gekehrt werden.

Um es zusammenzufassen:

Wie es ausschaut, wurden auf einer durch Lug und Trug zustande gekommenen Grundlage drastische Maßnahmen durchgesetzt, die tief in die Grund‐ und Menschenrechte, gerade auch in die arbeitender Menschen, eingriffen, insbesondere in das Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Maßnahmen, die keinerlei wissenschaftliche Grundlage hatten und die vollkommen nutzlos waren, dafür aber hoch gefährlich für die Gesundheit, wie eine stets wachsende Zahl von wissenschaftlichen Studien zeigt. Das wird mittlerweile sogar öffentlich zugegeben, wie zuletzt das Bekenntnis der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA. Die Verantwortlichen sind immer noch in Amt und Würden und laufen frei herum. All das geschah zu Nutz und Frommen des internationalen Finanzkapitals.

Seit zwei Jahren stehe ich, wann immer ich kann, in einer kleinen Gruppe mit einer Performance auf der Straße, erst aus Protest gegen Corona‐​Maßnahmen und Impfzwang, seit längerem für die Aufarbeitung der Corona‐​Zeit. Die Phase der Beschimpfungen ist seit längerem vorbei. Dafür hören wir immer häufiger Klagen über schlimme gesundheitliche Probleme infolge der Genspritze, über das Ignorieren und Lächerlich‐​machen der Gesundheitsprobleme, über Todes‐ und schwere Krankheitsfälle im Familien‐ und Freundeskreis. Viele hatten sich die Spritze geben lassen aus Angst vor Arbeitsplatzverlust oder weil sie das Mobbing nicht mehr ausgehalten hatten. Viele auch, weil sie der Propaganda zunächst geglaubt hatten – und bereuten das nun. Andere hatten spätestens die »Booster«-Spritze verweigert, weil sie schon von den ersten beiden wochenlange Beeinträchtigungen davongetragen hatten, die teils nie wieder weggegangen sind.

Nach meiner Auffassung ist es aus diesen Gründen die Pflicht (!) einer Gewerkschaft, eine gründliche Aufarbeitung zu fordern, ganz besonders dann, wenn Arbeitnehmer als Arbeitnehmer betroffen sind.

Ich habe bisher nichts aus dieser Richtung vernommen. Ganz im Gegenteil.

Und im express habe ich auch nichts entsprechendes gelesen.

Ein Trauerspiel. Das aber tief blicken lässt.

Ukraine und Russlandsanktionen

Ende Februar 2022 drangen russische Truppen in die Ukraine ein, seitdem herrscht dort Krieg. Gleich zu Beginn gab es in Heft 4/​2022 eine Stellungnahme der Redaktion, die den Einmarsch scharf verurteilte und mit dem Diktum endete, eine Diskussion über die Ursachen sei nachrangig gegenüber dem Ende der Kämpfe. Eine bemerkenswerte Aussage für ein Magazin, das sich, so denke ich jedenfalls, einer materialistischen Geschichtsauffassung verpflichtet fühlt. Denn gerade dieser Konflikt hat eine lange Vorgeschichte; er hätte bei anderem Handeln des Westens verhindert werden können.

Im Übrigen war dies die erste Stellungnahme der Redaktion zu einer militärischen Auseinandersetzung überhaupt, soweit ich mich erinnere – und ist es auch geblieben. Eingerahmt wurde diese mit einem Beitrag zu: »Der Ukrainekrieg im Betriebsrat« und zwei Artikeln, die alle Schuld an der Auseinandersetzung bei Russland sahen und die man auch als Bewerbungsschreiben für eine Stelle im Ministerium der Trampolinspringerin lesen konnte. Kein vom Wertewesten angezetteltes Grauen hat jemals im express ein derartiges Echo erfahren: nicht die Zerstörung Afghanistans, Iraks, Jemens, Syriens, Libyens; oder die vom Westen gesponsorten islamistischen Mörderbanden, die aber teilweise außer Kontrolle gerieten und dann mit weiteren Kriegen bekämpft werden mussten.

Als dann kurze Zeit später ein Waffenstillstand in greifbarer Nähe war, aber offenbar auf Betreiben des Westens (namentlich Großbritanniens) nicht zustande kam, blieb dies im express erstaunlicherweise ohne Kommentar.

Der Ukrainekrieg blieb dann fast ein Jahr unbeachtet, dann erschienen mehrere Beiträge, die ich unterschiedlich überzeugend fand. Zu dem Beitrag »Mehr linke Politik wird helfen, den Krieg zu gewinnen« in Heft 5/​2023 muss ich jedoch eine Bemerkung machen. Als ich den las, fragte ich mich: Sitzt der Mann gerade im Schützengraben an der Front oder beim Latte Macchiato im Café? Aktuell wird in der Ukraine der Volkssturm mobilisiert, um sich in einem Krieg verheizen zu lassen, der nicht zu gewinnen ist (man sollte auch einmal klügeren Militärs zuhören). Es wäre also jetzt DIE Gelegenheit, zu diesem Sieg in eigener Person beizutragen. Falls dazu keine Lust besteht, kann ich das absolut nachvollziehen, muss dann aber annehmen, dass andere das für ihn übernehmen sollten.

In Heft 6/​2023 hat dann Jochen Gester den notwendigen Kommentar dazu abgegeben, der bisher einzige angemessene Beitrag zum Ukrainekonflikt, wie ich finde. Leider konnte es die Redaktion nicht zulassen, ihn einfach so stehen zu lassen, sondern musste ihm eine wütende Kritik an anderswo geäußerter Kritik an Vitali Dudin entgegenstellen (Heft 7 – 8/​2023). Auch deren Autorin sollte sich vielleicht überlegen, ob sie sich nicht freiwillig zu einem Dienst melden sollte.

Sorry, aber ich kann nicht anders als mit Sarkasmus zu reagieren, wenn ich so etwas lese. Nur als Hinweis: Bevor ich den Kriegsdienst verweigerte, hatte ich 15 Monate lang mit allem rumgeballert, das man tragen kann, inklusive drei Wochen Straßenkampfausbildung mit Sprengen, Minen verlegen und Sprengfallen bauen. Ich habe zumindest eine klitzeklitzekleine Ahnung davon, was im Krieg geschieht.

Eigentlich sollte es hier aber um die Russlandsanktionen gehen. Während es zur völkerrechtlichen Bewertung des Einmarsches russischer Truppen unterschiedliche Meinungen gibt, v.a. wenn man global schaut (ist diese Aussage schon strafbar?), ist die Bewertung einseitiger Wirtschaftssanktionen eindeutig. Erst im April dieses Jahres hat der UN‐​Menschenrechtsrat deren Völkerrechtswidrigkeit festgestellt und den Westen aufgefordert, diese Praxis einzustellen.

Wo waren und sind eigentlich die erbosten Beiträge zu den Sanktionen gegen, unter anderem, Afghanistan, Irak, Syrien (der noch nicht einmal nach dem verheerenden Erdbeben unterbrochen wurde), die hundertausende von Opfern gefordert haben, meist Frauen und Kinder? (Auch als Kommentar zur feministischen Außenpolitik zu lesen).

Die Wirtschaftssanktionen und das »Einfrieren« (=Raub) russischer Devisen, die sich außerhalb Russlands befanden, sind eindeutig völkerrechtswidrig. Seit dem Einmarsch möchte Deutschland keine Energie mehr aus Russland beziehen, tut aber nur so, weil sie diese weiterhin über Zwischenhändler teuer kauft. Dazu Flüssiggas aus US‐​Fracking zu Mondpreisen. Das ist klimaschädlicher als Erdgas oder selbst als Kohleverfeuerung, zerstört Land und Wasser, führt zu Krebs und Missbildungen? Geschenkt!

Im September 2022 passierte dann das bislang folgenschwerste für die deutsche Energieversorung: Nachdem die Inbetriebnahme von North Stream II bereits auf Druck der USA gestoppt worden war, wurde die Gaspipeline North Stream gleich ganz in die Luft gesprengt. Eine eindeutige Kriegshandlung gegen Deutschland, begangen von einem Land, mit dem man angeblich verbündet ist. Die Bundesregierung interessiert sich nicht dafür, war vielleicht sogar eingeweiht. Dem express war dieser Sabotageakt keine einzige Zeile wert, noch nicht einmal zum Jahrestag im September.

Seitdem ist Deutschland von jeglicher eigenständigen Gasversorgung abgeschnitten und muss bei den Nachbarn betteln gehen. Es ist zu aberwitzigen Preissteigerungen gekommen; die Versorgungssicherheit ist trotz Einkaufsorgie in der ganzen Welt nicht gesichert. Logische Folge ist eine enorme Verteuerung der Produktion in Deutschland und eine Leerung der Geldbeutel der arbeitenden Bevölkerung und Rentner. Das wird Arbeitsplätze kosten noch und noch, durch Pleiten, Verlagerung und fehlende Nachfrage.

Und wozu das Ganze? Um Russland zu ruinieren (wie sieht es mit der völkerrechtlichen Bewertung dieses Ansinnens aus?). Hat aber nicht geklappt; Russland steht besser da denn je, ist auch keineswegs isoliert. Die Russlandsanktionen waren allerdings für Deutschland ein Schuss ins eigene Knie und stellen sich mittlerweile als geradezu selbstmörderisch dar. Wie stehen die Gewerkschaften dazu, wie der express?

Nein, dieses Riesenthema findet im express gar nicht statt, allenfalls in verdrucksten Umschreibungen. So beginnt ein Artikel in Heft 7 – 8/​2022 folgendermaßen:

»Die steigende Inflationsrate hat auch zu einer Inflation an Beiträgen (…) über deren Ursachen (…) geführt«.

Bei diesem Artikel macht mich immer noch fassungslos, wie man das Offensichtliche nicht zur Kenntnis nehmen kann oder will und als Lösungsvorschlag (konsequenterweise) auch nicht das Ende der offensichtlichen Ursache fordert, sondern höhere Löhne; die aber nicht der Verbesserung der Lebenssituation der Beschäftigten dienen, sondern die höheren Verbraucher‐​Preise abfedern sollen und dadurch zusätzlich die Produktion verteuern. An den höheren Produktionskosten durch teure Energie ändert das auch nichts, beides kann in einer globalisierten Wirtschaft auf Dauer nicht funktionieren.

Verwiesen wird auf die »exorbitant gestiegenen Gewinne« der Mineralöl‑, Gesundheits‑, Halbleiter‐ und Rüstungsindustrie. Und was ist mit Bäckereien, Glas‐ und Düngemittelindustrie, der Stahlindustrie, den Kolleginnen und Kollegen in Schwedt? Der Verweis auf die Rüstungsindustrie ist zudem mehr als peinlich: Jetzt, wo die Rüstung so gut Gewinne macht, können die ruhig etwas abgeben!

Nein, die Ursachen der Inflation sind klar und es wird auch nicht wieder billiger werden. Die gestiegenen Produktionskosten werden von den Beschäftigten bezahlt werden. Auf die eine oder andere Weise. Zwangsläufig.

Begleitet wird das Eigentor der Russlandsanktionen durch eine Klimapolitik, die alles noch unendlich viel schlimmer macht und die man nur als regelrechten Raubzug durch die Besitzstände der arbeitenden Bevölkerung und Rentner bezeichnen kann. Und das hilft noch nicht einmal dem Klima! Selbst dann nicht, wenn man CO2 als Hauptproblem ansieht. Im Gegenteil: Die Kur ist in vielerlei Hinsicht noch viel verheerender für Umwelt und Menschen (Lithium, Seltene Erden etc.). Das Ganze eingebettet in einen neokolonialen Regierungsstil, der Länder des Südens dazu animieren will (meint bestechen), das eigenen Land und seine Ressourcen zu schädigen, um für Deutschland zum Beispiel Wasserstoff zu produzieren. Und dieser Wasserstoff ist dann wahrscheinlich noch klimaschädlicher als CO2! Und es funktioniert dann trotzdem nicht. Die deutsche Energiepolitik hält keiner Realitätsprüfung stand. So ist beispielsweise die Elektrifizierung des Individualverkehrs ohne jede Basis in der Stromerzeugung, wie der Ökonom Heiner Flassbeck nicht müde wird darzulegen.

Davon abgesehen wäre eine kritischere Sicht auf die Klimaerzählung dringend geboten – anstatt von Klimafaschismus zu schwadronieren, was zudem eine groteske Verharmlosung des echten (nicht des eingebildeten) Faschismus ist. Die kommt nämlich aus der gleichen Ecke wie die Corona‐​Erzählung und wird auch mit den gleichen Methoden der Propaganda in die Hirne der Menschen geprügelt. Ich zumindest bin diesbezüglich viel skeptischer geworden. Der express ist demgegenüber schon vor längerer Zeit auf den Klimazug aufgesprungen und empfiehlt solches auch den Gewerkschaften. Einige sind das ja schon. Ich meine allerdings, sie sollten das lieber bleiben lassen. Es wird ihnen böse auf die Füße fallen.

Fragt Ihr Euch beim »express« nie, wer in der Klimapolitik die Blaupausen liefert, wessen Agenda in wessen Interesse und zu wessen Schaden da abgearbeitet wird? Warum die Klimakleber aller Couleur ausgerechnet vom US‐​Finanzkapital finanziert werden?

Diese Kombination von selbstschädigenden (und völkerrechtswidrigen) Russlandsanktionen mit einer irrwitzigen Klima‐ und Energiepolitik führt die Menschen in Deutschland in Armut und Unglück. Ein Einkommenssenkungsprogramm ohne Gleichen.

Schwindender demokratischer Gehalt

Ich möchte zum nächsten Elefanten im Raum kommen, der im express keine Beachtung findet – mit einer kleinen, aber bemerkenswerten Ausnahme. Es ist der schnell schwindende demokratische und rechtsstaatliche Gehalt im deutschen Staatswesen, der völligen Verrohung im Umgang mit Kritik und abweichenden Meinungen, einer regelrechten Faschisierung der Sprache. Lest LTI – Lingua Tertii Imperii von Victor Klemperer, wenn Ihr es nicht glaubt. Alle damaligen Sprachbilder sind heute wieder allgemeiner Sprachgebrauch bei der Herabsetzung anderer. Allgemein? Nein, das stimmt nicht, es ist der Sprachgebrauch der Obrigkeit und ihrer »linken« Hilfstruppen, um das mal so salopp zu umreißen. Nicht der der Leute »von unten«.

Angefangen hat die Degeneration in aller Massivität vor vier Jahren während Corona: mit der Verabschiedung von Ermächtigungsgesetzen, der Verzwergung der Parlamente, der Auflösung von Gewaltenteilung, insbesondere bei der rechtlichen Prüfung staatlicher Maßnahmen. Eine wirkliche Gewaltenteilung hat es in Deutschland zwar nie wirklich gegeben, vor allem keine unabhängige Justiz, aber nun wurde das Wenige völlig außer Kraft gesetzt, auch durch allerlei informelle Gremien, deren Entscheidungen verbindlich gemacht wurden. Grund‐ und Arbeitnehmerrechte galten auf einmal nur unter Vorbehalt (der Genspritze), maßnahmenkritische Proteste wurden schikaniert oder gleich verboten; zeitgleich durften aber »genehme« Kundgebungen (Black Lives Matter) ungestört stattfinden – gerne auch ohne Maske und ohne »Abstand«. Menschen mit nicht‐​regierungskonformen Meinungen wurden herabgesetzt und verächtlich gemacht, seien es normale Bürger, Beschäftigte oder Wissenschaftler. Regelrechte Hetzmeuten (das, was Hannah Arendt den »Mob« genannt hatte) wurden losgelassen, um das Wild zur Strecke zu bringen.

Diese Praxis hat sich nahtlos fortgesetzt in Fragen des Ukraine‐​Konflikts, wurde aber dahingehend verschärft, dass nun von der Regierungslinie abweichende Meinungen unter Strafe gestellt worden sind. Dazu ein antirussischer Rassismus, wie ihn sich nach 1945 niemand mehr getraut hatte. Inzwischen sind wir wieder beim russischen Untermenschen angelangt. Auf der anderen Seite gibt es praktisch keine Distanz mehr zum osteuropäischen Kollaborationsnazismus der baltischen und ukrainischen SS‐​Divisionen. Deren Symbole dürfen heute, ohne dafür irgendwelche Probleme befürchten zu müssen, öffentlich gezeigt werden. Einige Politiker kokettieren regelrecht mit dem ukrainischen Nazismus. Der Einfluss nazistischer Ideologie auf das Geschehen im Osten wird völlig ausgeblendet und verharmlost. Bandera ist schon rehabilitiert. Wer folgt als Nächstes?

Beginnend mit Corona gibt es auf zunehmend mehr Gebieten nur noch eine geduldete wissenschaftliche Meinung. Wer die nicht teilt, steht in Gefahr, seine Finanzierung, seine Position, seine Arbeitsstelle zu verlieren. Und zwar subito! Das betraf natürlich auch kritische Journalisten, Richter und Behördenleiter. Mit der Freiheit der Wissenschaft steht es schon lange nicht besonders gut (siehe oben). Aber beim Themengebiet Corona, in Sachen Klima sieht es kaum besser aus, wurde sie vollends beerdigt. Wissenschaft ist dann kein offener Streit um Wahrheit mehr, sondern wird zum Glaubensbekenntnis; mit Dogmen, die »zugleich politische Axiome« sind und praktisch Gesetzeskraft haben, wie Friedrich Engels in »Der deutsche Bauernkrieg« (MEW 7: 342) darlegte. Zu diesen Dogmen muss man sich bekennen, wenn man nicht beruflich untergehen will. Zweifel sind nicht erlaubt, denn sie sind ketzerisch. Sciencia wird so zu Confessio. Kirche eben.

In vielen Bereichen ist man bereits in voraufklärerische Zeit zurückgefallen.

Deutschland ist in einem grauenhaften Zustand, es ist auf dem »Weg nach unten«, um es mit Franz Jung zu sagen: wirtschaftlich, rechtsstaatlich, politisch und moralisch; ganz besonders moralisch. Was während Corona eingeübt wurde, ist die heutige neue Normalität.

Ist es nicht Aufgabe eines jeden Gewerkschafters, solchen antidemokratischen und autoritären Entwicklungen entgegenzutreten? Ist es nicht die Pflicht, Beschäftigte mit regierungskritischen Ansichten gegen Verfolgung und Arbeitsplatzverlust zu verteidigen? Leider war und ist davon wenig zu vernehmen. Wenn nicht geschwiegen wurde, wurde die Regierungsmeinung vertreten.

Und beim express? Ebenso.

Nicht ein Wort konnte man lesen als Protest gegen diesen Weg nach unten. Seit vier Jahren nicht. Mit einer Ausnahme allerdings:

In einem der letzten Hefte wurde im Editorial die koordinierte Durchsuchung bei einigen Klimaklebergruppen aufs Heftigste beklagt. Ausgerechnet die Klimakleber! Die seit Jahren nicht nur mit Samthandschuhen angefasst werden, sondern fast schon Narrenfreiheit genießen – während andere wegen nichts verprügelt, wirtschaftlich ruiniert und angeklagt werden. Deutschland ist mittlerweile von einem Netz von Denunziationsportalen überzogen, bei denen jeder seinen Nachbarn oder Kollegen anschwärzen kann, dessen Meinung ihm nicht passt oder dessen Stelle er gerne hätte.

Tut mir leid, aber Eure Analyse entspricht nicht dem Deutschland, das ich wahrnehme. Das ist andere Welt.

Habt Ihr beim express eigentlich keine Angst, selbst irgendwann in das Räderwerk der Repression zu geraten und »gecancelt« zu werden? Weil Ihr mal etwas vermeintlich Falsches gesagt habt? Denn wie Saturn frisst die Revolution ihre Kinder. Wer heute cancelt (oder dazu schweigt) wird morgen selbst gecancelt werden. Die Anlässe sind fluid; was heute richtig ist, ist morgen falsch. Die heilige Greta hat es ja schon erwischt. So schnell wie sich ihre deutsche beste Freundin von ihr distanziert hat, konnte man gar nicht gucken.

Nun gut, in den vergangenen vier Jahren habe ich im express nichts gelesen, was die Macht irgendwie aufregen müsste – ganz im Gegenteil. Aber das heißt ja nichts für die Zukunft. Hannah Arendt hat überzeugend dargelegt, dass, wenn der Widerstand erst einmal erstickt ist, es erst richtig zur Sache geht und die Macht maßlos wird.

Aber bitte jammert dann nicht, sondern denkt an die so wahren Worte des evangelischen Pastors Martin Niemöller (1976):

»Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen;
Ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.«

Deutschland ist wieder das hässliche Deutschland von früher. Dies nicht nur ohne Widerstand von links, sondern allzuoft unter ihrer tatkräfigen Mithilfe.

Früher war mehr Antiimperialismus, hätte Loriot jetzt gesagt. Heute kommt dieses Wort, wenn überhaupt, vielen nur noch im Zusammenhang mit Russland oder China über die Lippen.

Früher war auch mehr Antifaschismus; als man noch wusste, dass Faschismus etwas mit dem Kapital zu tun hat. Heute ist der Faschismusbegriff auf der Linken völlig degeneriert und wird mittlerweile auf jegliche Kritik am Regierungshandeln angewandt. Insbesondere die sogenannte Antifa geriert sich zunehmend als Sturmabteilung für Kapital und Staatsmacht, nimmt es sich heraus, Infotische abzuräumen und Veranstaltungen zu sprengen.

Es ist deshalb auch ein Abschied von der deutschen Linken, die sich in fast jeder Hinsicht diskreditiert hat. Ob in Deutschland jemals wieder eine Linke aufgebaut werden kann, die diesen Namen auch verdient, steht in den Sternen. Ich bin da eher skeptisch.

 

Fußnoten: 

1 Seitens der expressRedaktion hatte man darauf entgegnet, dass das so nicht richtig sei, denn es habe nur eine einzige Person den Aufruf von ZeroCovid unterschrieben. Das mag vielleicht so gewesen sein, aber der Zeitschrift hat man das nicht angemerkt. In meinem Text war ich, wie oben im weiteren Verlauf, auf die unterschiedlichen Positionen der Redaktion im Text eingegangen, habe dann jedoch das besagte Editorial dahingehend interpretiert, dass die Waage sich zu ZeroCovid hin geneigt hatte (mehr Lockdown), wobei für mich die zentrale Aussage die mRNA‐​Spritze als »solidarische Rücksichtnahme« war. Aber letztlich ist dieses Detail nur eine Petitesse, die am Gesagten absolut nichts ändert.An dieser Stelle sei noch darauf hingewiesen, dass es niemals einen irgendwie gearteten Aufruf an die Leser des »express« gegeben hatte, den Komplex Corona kontrovers (also auch maßnahmenkritisch) zu diskutieren und entsprechende Beiträge einzureichen.

 

 

 

 

 

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Bild: Abschied der Auswanderer von Antonie Volkmar (1860) – Wikimedia | anagoria und »express« Heft 5/​2021 mit Leichen auf den Straßen