Wir üben Krieg

Die Kriegsbereitschaft der Nation – das geht alle an! So die Ansage der Politik, die der Bevölkerung durch einschlägige Events, durch Militärmanöver und natürlich die (Leit-)Medien nahe gebracht wird. Doch der Protest ist noch nicht ganz mundtot gemacht.

Von Johannes Schillo

Ob Atomkriegsvorbereitungen namens „Steadfast Noon“ am Flugplatz Nörvenich, eine umfassende NATO-Großübung „Red Storm Bravo“ im Hamburger Hafen oder die Konferenz des „Joint Air Power Competence“-Zentrums in der Essener Grugahalle, wo (so das Motto) die „Zukunft der Luftüberlegenheit” ins Auge gefasst wird – überall in Deutschland ist die Militarisierung der Zivilgesellschaft zu spüren und soll dort ja auch ankommen. Natürlich dient die deutsche Aufrüstung nur der Abschreckung alias Kriegsverhinderung, wie uns die Regierenden versichern…

Wer’s glaubt, wird selig.

Wie in Essen offen formuliert, geht es bei der Aufrüstung von Großmächten (und Deutschland will sich ja in und mit der EU zu einer militärischen Führungsmacht mausern) ganz klar darum, Überlegenheit über Konkurrenten zu erlangen. Deren Anstrengungen müssen zunichte gemacht, also ständig mit verbesserter Zerstörungskraft gekontert werden. Das heißt, Aufrüstung wird zum Dauerprogramm, das immer bessere Vernichtungskapazität zur Verfügung zu stellen hat, um dem Feind zuvorzukommen.

Und wer droht, muss natürlich glaubwürdig sein. Die Mittel und die Bereitschaft, den Krieg zu führen, müssen vorhanden sein. Wie wollte man sonst den ‚bösen Nachbarn‘, der bekanntlich den ‚Frömmsten nicht in Frieden leben‘ lässt, in seine Schranken weisen? Speziell einen „Neoimperialisten“ wie Putin, von dem jeder Deutsche dank der Dauerpropaganda aus Politik & Medien weiß, dass er nur die Sprache der Gewalt versteht. Und mit der wird er ja durchaus bekannt gemacht.

Die Staaten der NATO, des größten und mächtigsten Kriegsbündnisses aller Zeiten, haben dem Rest der Welt immer wieder klar gemacht, was sie unter Abschreckung verstehen. Mit Kriegen gegen unbotmäßige Regionalmächte wie Afghanistan (ab 2001), den Irak (1991 und 2003) bzw. Libyen (2011) oder der Zerschlagung Jugoslawiens 1999 haben sie praktisch ein Gewaltmonopol des Westens etabliert: Sie dürfen – Völkerrecht hin oder her – im Namen der „Menschenrechte“ oder der „regelbasierten Weltordnung“ Gewalt ausüben, Staaten zerschlagen, Regime auswechseln und Grenzen verändern – also all das, was anderen (Russland, China u.a.) untersagt ist. Selbstverständlich verteidigen sie dabei nur „unsere Werte“ bzw. unsere „freiheitliche Lebensweise“ gegen Angriffe.

Zurzeit sind es die europäischen Staaten, die einen wie auch immer gearteten Frieden in der Ukraine nicht hinnehmen wollen und die Bemühungen des US-Präsidenten torpedieren. Dem ist der Ukraine-Krieg lästig geworden, nachdem er 1. militärisch für den Westen nicht zu gewinnen ist,  der US-Focus sich 2. mehr auf die Auseinandersetzung mit China richtet und 3. auf dem europäischen Kontinent ein aus US-Sicht nützlicher Konflikt etabliert wurde, an dem sich Russland und die deutsche EU – zwei wichtige Konkurrenten der USA – abarbeiten können. Das sehen die Euros inklusive Großbritannien notwendigerweise anders. Für sie ist dieser Krieg der Kampf um die kontinentale Vorherrschaft; falls Russland ihn „gewinnt“, d.h. seine Sicherheitsinteressen durchsetzt, würden ihre Ansprüche einen herben Rückschlag erleiden. Das können und wollen sie nicht hinnehmen: Das ist ihr Grund für die beschleunigte Aufrüstung und die Herstellung von „Kriegstüchtigkeit“ bis 2029 – und nicht ein „bösartiger“ Putin, der dann angeblich über „uns“ herfallen will.

Deutsche Medien: Feindbildpflege auf allen Kanälen

Dafür, dass ein solches Bedrohungsgefühl immer weiter zunimmt, sorgen Politiker und Militärs mit ihren Ansagen und Manövern, aber natürlich auch und vor allem die Leitmedien, die Gewehr bei Fuß stehen. Das, was sie Tag für Tag produzieren, ist gediegene Feindbildpflege in Richtung Osten, wo „das Böse“ haust. Währenddessen sind wir „die Guten“ und in unserer Gutwilligkeit vielfach herausgefordert, „müssen“ uns in allerlei Händel auf dem Globus einmischen, notfalls mit nackter Gewalt. Die Parteinahme für die Anliegen der eigenen Nation – das ist das Erste, was deutscher Qualitätsjournalismus oder massenmediale Volksbetreuung ihrem Publikum mitzuteilen haben. Und dabei können die Journalisten auf eine patriotische Gesinnung setzen, die leider auch diejenigen an den Tag legen, die nicht zu den Profiteuren des Kapitalstandorts D gehören. Hier zeigt sich die Leistung der deutschen Gewerkschaften, ihr Beitrag zum sozialen Frieden: Alle sind von den ausgreifenden Interessen und Wachstumsbedürfnissen des Standorts abhängig gemacht und wollen deshalb seinen Erfolg, nicht zuletzt in der Staatenkonkurrenz. Auch die Lohnabhängigen sind dafür zu Opfern bereit – mit dem Verschleiß im Arbeitsleben und, bei Bedarf, mit dem krönenden Abschluss eines Heldentodes auf dem Schlachtfeld.

Wer bei der aktuellen Mobilisierung aus der Reihe tanzt, muss sich vorsehen. Von den Medien als einer „kontrollierenden Instanz“ ist hier nicht viel zu erwarten. Der Kölner Protest gegen Aufrüstung am 30.8., der von der Polizei mit brutaler Gewalt platt gemacht wurde, war der deutschen Presse z.B. keinen Aufschrei Wert (anders als ähnliche Vorgänge in Moskau, Peking oder Teheran). Hier wurde der Friedensbewegung eine Lektion erteilt: Kriegsunwilligkeit hat in der deutschen Öffentlichkeit nichts mehr verloren – auch nicht am Antikriegstag, den der DGB seit Jahrzehnten begeht und in diesem Jahr besonders ‚rüstungsnah‘ gestaltete. Doch auch hier gibt es Protest, der Nein sagt zur DGB-Linie. Und für den Herbst sind einige Aktionen angelaufen bzw. geplant.

Wir sagen NEIN

Die gewerkschaftliche Basisinitiative „Sagt NEIN! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden“, die für ihren Antikriegsaufruf bisher mehr als 28.000 Unterschriften eingesammelt hat, legt Einspruch ein gegen den Kurs der Kriegsvorbereitung, der leider in der deutschen Arbeitervertretung bisher keinen ernsthaften Widerstand erfährt. „Sagt NEIN!“ fordert vom DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften einen klaren Bruch mit dem derzeit eingeschlagenen Burgfriedenskurs. Die Devise der Neinsager lautet: Aufrüstung und Krieg sind nicht in unserem Interesse. Also, nicht um Frieden betteln, sondern Kriegsunwilligkeit organisieren! Lasst euch nicht länger für den Dienst am Vaterland vereinnahmen. Kriegsunwillige aller Länder vereinigt euch!

Die Bonner Initiative IVA unterstützt „Sagt NEIN!“ und hat auch ein eigenes Flugblatt zu den genannten Aktionen vorgelegt. Das Flugblatt steht hier  zum Download zur Verfügung. Es weist auch auf eine Veranstaltung mit Renate Dillmann am 9. Oktober in Aachen hin (siehe unter IVA/Termine). Dort geht es um das Thema „Deutsche Medien auf dem Weg in die Kriegstüchtigkeit“. Zeit: Donnerstag, 9. Oktober, 19:00-21:00 Uhr; Veranstaltungsort: VHS Aachen, Peterstr. 21-25, 52062 Aachen, Forum der vhs, Raum 241.

 

 

 

 

Weitere Infos: https://www.sagtnein.de