Der Paritätische Wohlfahrtsverband legte nun eine aktualisierte Fassung seines Armutsberichts vor. Von Armut betroffen waren demnach nicht 13,8 Millionen, sondern 14,1 Millionen Menschen. Die Armutsquote in Deutschland habe im Jahr 2021 nicht 16,6 Prozent, sondern 16,9 Prozent betragen. Der Verband korrigierte damit seinen im Juni 2022 veröffentlichten Armutsbericht.
So betrug laut Bundesamt die Kinderarmut nicht, wie zuerst berechnet, 20,8 Prozent, sondern 21,3 Prozent. Die Armutsquote von Alleinerziehenden stieg auf 42,3 statt 41,6 Prozent.
Der Paritätische bezieht sich in der Neufassung auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die das Berichtsjahr 2021 betreffen. Die Behörde habe nach den Erstergebnissen aus dem vergangenen Jahr jetzt Endergebnisse „mit zum Teil gravierenden Abweichungen” vorgelegt.
Als armutsgefährdet gilt nach EU-Definition, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Für eine allein lebende Person in Deutschland sind das zurzeit rund 15.000 Euro im Jahr und für eine Familie mit zwei Kindern etwa 31.500 Euro. Dabei handelt es sich um das gesamte Nettoeinkommen des Haushaltes inklusive Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, anderer Transferleistungen oder sonstiger Zuwendungen.
Von zentraler Bedeutung für die Armutsbekämpfung seien eine spürbare Anhebung der Regelsätze in Bürgergeld/Hartz IV und Altersgrundsicherung von jetzt 502 auf 725 Euro, eine existenzsichernde Anhebung des BAföG und die zügige Einführung der Kindergrundsicherung.
Der Armutsbericht in Kürze:
Die Armut hat im Jahre Zwei der Pandemie erneut eine traurige Rekordmarke erklommen. Mit 16,9 Prozent mussten 2021 14,1 Millionen Menschen in Deutschland zu den Einkommensarmen gerechnet werden. Noch nie wurde auf der Datenbasis des Mikrozensus eine höhere Armutsquote für das Bundesgebiet gemessen.
Damit fügt sich auch das Jahr 2021 in einen besorgniserregenden Aufwärtstrend der Armutsquoten, der bereits 2006 eingesetzt hat.
Der tiefe wirtschaftliche Einbruch, der 2020 mit der Pandemie einherging, scheint dabei erst 2021 vollends auf die Armutsquote durchzuschlagen: Im Vergleich zur Erhebung 2019 weist die Erhebung 2021 eine um einen Prozentpunkt höhere Armutsquote aus. Auffällig ist, dass unter den Erwerbstätigen in der Pandemie vergleichsweise mehr Selbständige als abhängig Beschäftigte unter die Armutsgrenze gerutscht sind.
Davon abgesehen bleibt das soziodemografische Risikoprofil im Wesentlichen das der Vorjahre: Nach wie vor zeigen Haushalte mit drei und mehr Kindern (32,2 Prozent) sowie Alleinerziehende (42,3 Prozent) die höchste Armutsbetroffenheit aller Haushaltstypen. Nicht Erwerbstätige und Personen mit niedrigem Bildungsniveau sind ebenfalls stark überproportional von Armut betroffen. Das gleiche gilt für Menschen mit Migrationshintergrund (28,6 Prozent) und ohne deutsche Staatsangehörigkeit (35,9 Prozent).
Die Armut unter Kindern und Jugendlichen hat mit 21,3 Prozent wie die Armut allgemein eine neue traurige Rekordmarke erreicht. Gleiches gilt für ältere Menschen (17,6 Prozent) und Rentner*innen (18,2 Prozent), da[1]runter vor allem Frauen. Altersarmut ist überwiegend weiblich.
Im Ländervergleich heben sich vier Bundesländer positiv vom Durchschnitt ab. Es sind Bayern, Baden[1]Württemberg, Brandenburg und Schleswig-Holstein, während gleich fünf Bundesländer mit Quoten ganz deutlich über dem Bundeswert von 16,9 Prozent auffallen. Es sind Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen[1]Anhalt, Berlin und Bremen, wobei Bremen mit 28,2 Prozent das weit abgeschlagene Schlusslicht darstellt.
Auf regionaler Ebene muss das Ruhrgebiet wie schon 2019 als armutspolitisches Problemgebiet Nr. 1 gelten.2 Mit einer Armutsquote von 22,1 Prozent und einer Hartz IV-Quote von 14,4 Prozent läge dieser größte Ballungsraum Deutschlands mit seinen 5,8 Millionen Einwohner*innen in einem Länderranking nur vor Bremen auf dem vorletzten Platz.
Die Hilfspakete der Bundesregierung in der Pandemie waren ambivalent. Maßnahmen wie das Kurzarbeitergeld oder diverse Schutzschirme für Soloselbständige verhinderten durchaus, dass die Armut unter den Beschäftigten noch mehr wuchs. Die Bemühungen der Bundesregierung waren ganz auf den Erhalt von Beschäftigung ausgerichtet. So gut wie nichts passierte jedoch für die Personen, die sich bereits in Armut und insbesondere im Bezug von Hartz IV oder Altersgrundsicherung befanden. Es brauchte über ein Jahr der Pandemie, bis zum Frühjahr 2021, bevor sich die Große Koalition wenigstens zu einer Einmalzahlung von 150 Euro für alle Grundsicherungsbezieher*innen durchringen konnte.
Die Entlastungsprogramme in der Inflation wiederum dürften armutspolitisch weitgehend verpuffen. Die Hilfen verteilen sich überwiegend einkommensproportional. D. h. der absolute Entlastungseffekt steigt mit dem Einkommen, während die Ärmsten, wie auch in der Corona-Pandemie, wiederum nur unzureichend unter[1]stützt werden. So dürfte die Inflation die Wohlstandsdisparitäten zwischen ärmeren und reicheren Haushalten sehr wahrscheinlich noch einmal deutlich vertiefen.
Die zunehmende Not derer, die in zu kleinen Wohnungen mit nur schlechter Ausstattung von ohnehin nicht mal das Existenzminimum deckenden Regelsätzen leben mussten, findet sich in keiner Statistik wieder. Wir haben uns deshalb entschlossen, auch den Betroffenen selbst Platz einzuräumen. Wir haben darauf verzichtet, die für sich stehenden kurzen Statements weiter zu kommentieren, möchten sie den Leser*innen dieses Berichts jedoch sehr ans Herz legen.
Hier geht´s zum aktualisierten Bericht: broschuere_armutsbericht-2022_aufl2_web.pdf (der-paritaetische.de)
Quelle und Bild: der-paritätische.de