Joe Hill – Gewerkschafter, Wobblie, Organizer und Liedermacher

joe-hillWenn die Arbeiter ihre Überzeugung leben, dann können sie alle rasenden Züge anhalten, jedes Schiff auf dem Ozean, sie können mächtige Ketten binden, jedes Rad in der Produktion, jedes Bergwerk und jede Hütte, Flotten und Armeen der Nation, werden auf ihren Befehl still stehen“.

„I dreamed I saw Joe Hill last night, alive as you and me…”, welcher Gewerkschafter kennt das nicht. Es ist der Anfang des Liedes „Joe Hill“.

In dem Lied taucht ein bereits seit zehn Jahren verstorbener und dennoch lebendiger Joe Hill überall dort auf, wo sich Arbeiter organisieren und ihre Rechte verteidigen. Das Lied ist als Gewerkschaftshymne weltweit bekannt geworden und machte Joe Hill zur Ikone der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung. Bei uns wurde das Lied hauptsächlich durch Pete Seeger und Joan Baez bekannt. Joan Baez trug ihre Fassung 1969 auf dem Woodstock-Festival vor und Joe Hill ging um die Welt.

Seine letzten Worte, bevor er am 19. November 1915 im Gefängnishof von Salt Lake City an der Mauer von mehreren Gewehrschüssen tödlich getroffen wurde, waren: „Don’t mourn – but organize! // Nicht jammern – sondern organisieren!“

Viele kennen das Lied, aber kaum jemand kennt Joe Hill.

Joe Hill war 1902 im Alter von 23 Jahren aus Schweden in die Vereinigten Staaten von Amerika eingewandert. Er war einer der bekannten Hobos, der Wanderarbeiter, die durch die Lande ziehen mussten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Er schlug sich mit verschiedenen Jobs durch, bis er 1910 der Gewerkschaft Industrial Workers of the World (IWW) beitrat.

Die IWW hatte sich 1905 in Chicago gegründet. In dieser Gewerkschaft organisierten sich vor allem Ungelernte, Wanderarbeiter, Frauen, asiatische Einwanderer und Afroamerikaner, um ihre Rechte einzufordern. Die Mitglieder der IWW, die ihre Klasse über konkurrierende Berufsgruppen hinaus vereinigen wollten, nannten sich Wobblies.

Hier entstand unter dem Einfluss deutscher Einwanderer, die vor Bismarcks Sozialistengesetze geflohen waren, die besondere Gewerkschaftsarbeit mit dem Begriff Organizing.

Das IWW-Organizing funktionierte damals nach folgendem Muster. Erst arbeiteten einzelne Wobblies in einem Betrieb und sondierten die Lage. Vielleicht gab es vor Ort eine kleine Ortsgruppe, über die sie sich unter einander und überregional austauschen konnten. Wenn ein Betrieb sich für die Wobblies als interessant erwies, versuchten möglichst viele Mitglieder, dort unter zu kommen. Hauptkriterien dafür waren massive Unzufriedenheit der Beschäftigten, hohe Fluktuation, erste Anfänge von Selbstorganisation und unzumutbare Arbeitsbedingungen.

Die US-Wobblies sprechen auch heute noch davon, einen Betrieb zu salzen. Der Wobblie-Organizer ist ein Salzer (a salt). Sobald die Phase der Gärung beendet war und die gesalzene Unzufriedenheit sich in Konflikten entlud, wurde die Auseinandersetzung öffentlich weitergeführt. Die IWW schickte bekannte Redner in die Stadt. Besonders erfolgreich lief es ab, wenn Organizer entsandt wurden, die die Sprache der unterschiedlichen Migrantengruppen an den Fließbändern, Webstühlen und Werkbänken beherrschten.

Die IWW-Presse stellte die überregionale Öffentlichkeit her, die bis ins bürgerlich-liberale Spektrum reichte. Es fanden Solidaritätsaktionen in anderen Städten statt und aus allen Orten der USA reisten weitere Wobblies an. So konnten Forderungen machtvoll gestellt werden.

Die Aktivisten mussten sich dauernd den gekauften Schlägerbanden und Polizeitruppen entgegenstellen und durften sich nicht durch die Gewaltorgien provozieren lassen.

Seit 2006 wird bei uns, vor allem in der IG Metall und ver.di unter dem Begriff Organizingdie Gewerkschaftsarbeit für Kampagnen, Mitgliederwerbung und der organisatorischen Wiederbelebung ausgerichtet.

Die IWW ist eine weltweite Gewerkschaft geworden, mit Einfluss und Standbeinen in den USA, Großbritannien, Kanada und Australien.

Joe Hill wurde schnell zu einem erfolgreichen Agitator. Er war ein guter Redner, organisierte Versammlungen und Streiks. Er spielte Banjo, Gitarre, Akkordeon und Klavier und wurde zum produktivsten Songwriter der Wobblies. Neben eigenen Stücken verballhornte er Lieder der  Heilsarmee wie das bekannte Lied Preacher and the Slave und Songs aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg, wie The Tramp. Seine Streiklieder wurden schnell bekannt, im Little Red Songbook der IWW waren sie veröffentlicht.

In dieser Zeit wurde er das Gesicht des Organizing. Das bekannte Lied „Joe Hill“ schildert ja die Arbeit und das Leben des umher schweifenden Organizer, dessen Geist weiter lebt und die Arbeiter immer noch inspiriert.

Am 10. Januar 1914 wurde Joe Hill in Salt Lake City aufgrund schlampiger Ermittlungen des Mordes an dem Lebensmittelhändler John Morisson und dessen Sohn Arling verhaftet, angeklagt und später verurteilt. Der Fall wurde einer der größten Justizskandale der USA. Vor Gericht wurde wichtiges Beweismaterial zurückgehalten, aber ein Brief eines kalifornischen Polizeichefs verlesen. Dieser hatte Joe Hill früher einmal widerrechtlich verhaftet, weil er Hafenarbeiter für die IWW anzuwerben versuchte. Er schrieb: „Mir gelangte zur Kenntnis, dass Sie einen Joseph Hillstrom wegen Mordes verhaftet haben. Sie haben den richtigen Mann. Er ist gewiss ein unerwünschter Bürger. Er ist so etwas wie ein Musiker und ein Songschreiber für das IWW-Liederbuch.“

Weder die Intervention für ein Wideraufnahmeverfahren des US Präsidenten Wilson noch die des schwedischen Konsuls waren erfolgreich. Die IWW startete eine große Kampagne für Joe Hill, doch der oberste Gerichtshof von Utah bestätigte den Schuldspruch.

Während der Zeit im Gefängnis schrieb Joe Hill weitere Lieder, die schnell überregional bekannt wurden. Gewerkschaftsfreunde drängten ihn, doch einen Gnadengesuch einzureichen, dem mit Sicherheit stattgegeben worden wäre. Joe Hill lehnt dies ab: „Nicht Gnade will ich, sondern Gerechtigkeit. Und wird mir diese nicht zuteil, gehe ich lieber unter, als dass ich um Gnade bitte.“

Joe Hill blieb nicht der einzige Gewerkschafter oder Bürgerrechtler, dem in den USA ein Mord vorgeworfen und der deswegen vom Staat umgebracht wurde. Die Führung von Mordprozessen ist dort immer noch ein beliebtes Mittel um führende Kritiker „legal“ zu töten. Zuletzt konnte weltweiter Protest es verhindern, dass die bekannte Frauenrechtlerin und stellvertretende Vorsitzende der Kommunistischen Partei Angela Davis und auch der Schriftsteller und Radiomoderator Mumia Abu Jamal mit dem Tod bestraft wurden.

Am 19. November 1915 wurde Joe Hill im Gefängnishof von Salt Lake City an der Mauer von mehreren Gewehrschüssen tödlich getroffen. Seine letzten Worte waren: „Don’t mourn – but organize! // Nicht jammern – sondern organisieren!“

Joe Hills vielleicht populärstes Gedicht trug den Titel „The Preacher and the Slave“.

Es ist eine beißende Parodie auf das damals bekannte Kirchenlied „In The Sweet by and by“.  Joe Hill macht sich über die religiöse Wohltäter und falsche Propheten lustig:

Long-haired preachers come out every night,

Try to tell you what’s wrong and what’s right

when asked about something to eat,

They will answer in voices so sweet:

You will eat, bye and bye,

In that glorious land in the sky;

Work and pray, live on  hay

You’ll get pie in the sky when you die.

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Langhaarige Prediger kommen jede Nacht hervor,

Versuchen, dir zu erzählen, was falsch und was gut

Aber wenn man sie um etwas zu essen bittet,

Antworten sie mit zuckersüßer Stimme:

Bald wirst du  essen,

Im prächtigen Himmelreich;

Arbeite und bete, lebe von Heu

Kuchen bekommst du im Himmel, wenn du stirbst.

 

 

 

Quellen: overall brigade, TAZ, wobblies.de


Bild: methinksshedothprotest.wordpress.com