Freihandelsabkommen zwischen EU und USA – was hat das mit uns in Dortmund zu tun?

eurodollar_SergejKhackimullin-Fotolia726Am 13. Februar 2013 kündigten José Manuel Durão Barroso, EU-Kommissionspräsident, Herman van Rompuy, EU- Ratspräsident und Barack Obama, US-Präsident den Beginn der Verhandlungen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft an. Diese Verhandlungen werden offiziell Transatlantic Trade und Investment Partnership (TTIP) Gespräche genannt und einfach ausgedrückt handelt es sich um den Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der USA und der EU. Das Abkommen soll den Welthandel noch mehr deregulieren und eine weitere Stufe der Liberalisierung der Weltwirtschaft einläuten. Aber was haben wir hier in Dortmund damit zu tun?

Eigentlich sollte unter dem Dach der Welthandelsorganisation (WTO) der globale Freihandel angestrebt werden. Hier konnte aber in der Vergangenheit keine Einigung über den weltweiten freien Handelsverkehr erreicht werden, sodass mittlerweile nur noch bilaterale Abkommen angestrebt werden.

Die USA und EU wollen einen Wirtschaftspool gegen Asien errichten, über 800 Millionen Menschen werden von dem Abkommen betroffen sein.

Die EU verspricht sich ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent durch das Abkommen, aber wodurch dies ermöglicht werden soll, lässt sie allerdings offen und macht keine Aussage dazu.

Auf der europäischer Ebene verhandelt die EU-Kommission ohne, dass das EU-Parlament beteiligt ist. Die Verhandlungen wurden in Kooperation mit Wirtschaftslobbyisten und unter strengster Geheimhaltung vorbereitet. Hinter verschlossenen Türen wird über Dienstleistungen, Investitionen, Energie, Rohstoffe und Regulierungsmöglichkeiten verhandelt. Gewerkschaften oder Umwelt- und Verbraucherverbände haben keine Mitsprachemöglichkeit. Es ist völlige Geheimhaltung vereinbart.

Private Firmen können Staaten verklagen, wenn ihre erwartete, also kaum nachweisbare Gewinnerwartung nicht realisiert wird und Schadensersatz fordern.

Mit dem geplanten Abkommen zwischen der USA und der Europäischen Union sollen die tarifären (Zölle) und die nichttarifären Handelshindernisse (wie Importlizenzen, Verpackungs- und Kennzeichnungsvorschriften, technische Normen und Standards) entfernt werden. Da Zölle noch kaum eine Rolle spielen, sollte man den Blick besonders auf die nichttarifären Handelsbeschränkungen richten: Hier sind niedrigere Standards bei Umwelt- und Verbraucherschutz, bei staatlichen Regulierungen und vor allem bei den Arbeitnehmerrechten zu befürchten.

Umwelt- und Verbraucherschutzstandards: hier stoßen die höheren Umwelt- und Verbraucherschutzanforderungen in Europa bei zahlreichen Unternehmen in den USA und in der EU auf Kritik. Sie gelten als Diskriminierung der Investoren und zu verhindernde Handelshemmnisse, z.B. besteht in vielen Ländern Europas das Verbot von Fracking. Auch gibt es bei uns strikte Regeln für genmanipulierte Lebens- oder Futtermittel, Einsatz von Wachstumsbeschleunigern und zur Energieeffizienz bei Verbrauchsgütern genaue Vorschriften.

Staatliches Beschaffungswesen: hier sollen die Anbieter aus dem Ausland erleichterten Zugang zu öffentlichen Aufträgen bekommen und den inländischen Anbietern gleichgestellt werden. Dazu sollen soziale und ökologische Vorschriften und Kriterien wie Tarifbindung, lokale Herkunft oder ökologische Verträglichkeit untersagt werden, denn sie gelten als Diskriminierung der Investoren und zu verhindernde Handelshemmnisse.

Liberalisierungen im Dienstleistungsbereich: hier würde die Tür für die zu privatisierenden Dienstleistungen geöffnet und ermöglicht, dass Dienstleistungen, die beispielsweise in der Dienstleistungsrichtlinie der EU ausgenommen sind, privatisiert werden können. Es droht ein weiterer Privatisierungsschub bei Bildung, Kulturförderung, Gesundheit, sozialen Dienstleistungen, Energie, Verkehr, Abwasser- und Müllentsorgung und Wasserversorgung. Im Bereich der Finanzdienstleistungen sind so genannte Stand-Still-Klauseln vorgesehen. Diese Klauseln sollen es unmöglich machen, einmal erfolgte Deregulierungen an den Finanzmärkten wieder zurückzunehmen oder Maßnahmen wie Finanztransaktionssteuern und Kapitalverkehrsbeschränkungen einzuführen. Regulierungen und Beschränkungen gelten darüber hinaus noch als Diskriminierung der Investoren und zu verhindernde Handelshemmnisse.

Investitionsschutz: hier geht es um den Schutz von Investoren und die Freiheit des Kapitalverkehrs und um Klagemöglichkeiten gegen Staaten, durch die Investoren Entschädigungen für entgangene Gewinne einklagen können. Die Investoren können gerichtlich gegen ihre Diskriminierung in einzelnen Ländern vorgehen und hebeln damit demokratische Entscheidungsprozesse in diesen Ländern aus. Sie können dann klagen, wenn ihre Renditeerwartungen und Profitziele durch staatliche umwelt- oder energiepolitische Maßnahmen geschmälert werden.

In privaten Schiedsgerichten könnten multinationale Konzerne dann gegen gesetzlichen Maßnahmen klagen, weil sie ihre Investition behindern oder es werden in undurchsichtigen und „wirtschaftsnahen“ Gremien Entscheidungen, die demokratisch gewählte Parlamente oder Regierungen getroffen haben, mit empfindlichen Strafen belegt.

Sozial- und Arbeitsstandards: hier will man die Standards, die dem Anheizen des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen im Wege stehen, absenken. Es soll Druck auf die einzelnen Staaten ausgeübt werden, ihre Sozial- und Arbeitsstandards abzubauen. So sollen die Sozialstandards (z.B. Tarifbindung) als Voraussetzung für die Vergabe öffentlicher Aufträge entfallen.

Immer wenn gegenseitig die Normen anerkannt werden, kommt eine Absenkung der Standards nach unten dabei heraus, die niedrigeren Standards sind ja dann erlaubt.

Das geplante Freihandelsabkommen zielt auf einen massiven Angriff auf das europäische Versorgungsprinzip und vor allem auf den Dienstleistungssektor in Europa ab.

Liberalisierung führt immer zu einer Verschärfung des Wettbewerbs. Die Konkurrenz wird härter, hier die Konkurrenz Europas mit den USA, wo bekanntlich die Arbeitnehmerrechte deutlich schwächer sind und die Gewerkschaften von der Politik geschleift werden.

Auch die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (kurz: ILO-Kernarbeitsnormen) können von dem Abkommen betroffen werden. Dies sind insgesamt acht Übereinkommen, zu deren Einhaltung sich die meisten ILO-Mitgliedsstaaten verpflichtet haben. Die älteste Norm stammt von 1930, die jüngste wurde 1999 von der Internationalen Arbeitsorganisation beschlossen. Die Kernarbeitsnormen verbieten Zwangsarbeit, Diskriminierung am Arbeitsplatz sowie Kinderarbeit. Darüber hinaus gewähren sie das Recht auf gewerkschaftliche Organisation, Tarifverhandlungen und „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ (Equal Pay).

Der DGB betrachtet es im Hinblick auf das Freihandelsabkommen mit großer Sorge, dass die USA sechs der acht IAO-Kernarbeitsnormen nicht ratifiziert haben.

Die USA haben bis heute die folgenden Normen nicht ratifiziert:

1. Die Koalitionsfreiheit, also auch das Recht der Beschäftigten, sich frei zu organisieren, etwa in Gewerkschaften

2. Recht auf kollektiv verhandelte Tarifverträge

3. Abschaffung der Zwangs- und Pflichtarbeit allgemein, vor allem wegen des Einsatzes von Häftlingen für private Unternehmen

4. Verbot der Diskriminierung in der Arbeitswelt wegen Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, politischer Meinung, nationaler und sozialer Herkunft

5. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit von Mann und Frau

6. Mindestalter für den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis.

Die USA haben lediglich die folgenden zwei ILO-Normen ratifiziert:

7. Abschaffung der Zwangsarbeit als Disziplinarmaßnahme,

8. Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, wobei nicht Kinderarbeit überhaupt verboten wird, sondern nur die Beschäftigung von Kindern als Soldaten, Prostituierte, im Drogenhandel und in der Pornografie.

An dem Beispiel der Kernarbeitsnormen wird deutlich, dass es zwischen der EU und der USA große Unterschiede bei den Standards gibt. Umgekehrt sind in den USA andere arbeitsrechtliche Standards weitgehend besser als bei uns, da viele Schutzmechanismen für Beschäftigte z.B. mit den Diskriminierungsverboten geregelt werden.

Elementare Arbeitsrechte und gesicherte Arbeitsverhältnisse stehen in Deutschland, in Europa wie in den USA seit Jahren unter großem Druck. Dieser Trend würde sich durch das Freihandelsabkommen weiter verschärfen. Allein durch das geplante Investitionsschutzabkommen für private internationale Investoren können die Investoren gerichtlich gegen ihre Diskriminierung in einzelnen Länder vorgehen und hebeln damit demokratische Entscheidungsprozess in diesen Ländern aus. Sie können dann klagen, wenn ihre Renditeerwartungen und Profitziele durch staatliche umwelt- oder energiepolitische Maßnahmen geschmälert werden.

In privaten Schiedsgerichten könnten multinationale Konzerne dann z.B. gegen einen gesetzlichen Mindestlohn klagen, weil er ihre Investition behindert. Ein französisches Unternehmen hat bereits gegen die Anhebung des Mindestlohns in Ägypten geklagt. Dieses Beispiel könnte dann Schule machen. Mit solchen Möglichkeiten wird demokratische Rechtsstaatlichkeit und die Rechtssicherheit massiv missachtet.

Und was hat das nun mit uns in Dortmund zu tun?

Wenn durch die Verhandlungen, die ja weiterhin im Verborgenen stattfinden, die Wunschlisten der Konzerne zum Regelwerk werden, dann wird jeder von uns die Auswirkungen merken. Sei es als Verbraucher, Nutzer von staatlichen und kommunalen Dienst- und Sozialleistungen oder aber als Beschäftigter. Jeder von uns wird miterleben, wie an der Schraube des Neoliberalismus, nun als „freier Handel“, weiter gedreht wird, er sich immer weiter in unseren privaten Bereich einfrisst und unser Leben nachhaltig verändern wird.

Das Freihandelsabkommen der EU mit den USA muss von den Gewerkschaften rigoros abgelehnt werden, da es hierbei nicht um die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen geht, sondern nur um die Sicherung und dem Wachstum privater Profite.

Darauf zu hoffen, dass bei den Verhandlungen etwas anderes heraus kommt, ist mehr als blauäugig.

Quellen: DGB, ver.di, scobel /3SAT

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