Alle Beiträge von LN-Redaktion

Anmerkungen zur Lage der arbeitenden Klasse in Deutschland

Von einer werktätigen Klasse und ihrer Lage ist dieser Tage sicherlich nicht die Rede. Von den „Haushalten mit niedrigen und mittleren Einkommen“ allerdings schon, und zwar ziemlich ausführlich. Um die ärmere, unter dem gesellschaftlichen Durchschnitt liegende Mehrheit dieser kleinsten ökonomischen Einheiten machen sich 2023 nicht nur Sozialverbände und andere erklärte Freunde der „kleinen Leute“ verstärkt Sorgen; auch in Deutschlands Öffentlichkeit wird anschaulich darüber berichtet und als gigantische Herausforderung beschworen, was die Inflation mit dem durchschnittlich-minderbemittelten Haushälter macht und was sie von dessen Berechnungen in Sachen nachhaltiger Lebensbewältigung übrig lässt.

In derart unsicheren Zeiten gibt es immerhin zwei Gewissheiten. Die erste betrifft das tätige, milliardenschwere Versprechen der Regierung, „die Menschen im Land nicht alleine zu lassen“ mit ihren Problemen des Überwinterns – womit sie zugleich kundtut, woran sie sich alleine messen lassen will. Zweitens können die Betroffenen sich an der oft und gerne wiederholten Gewissheit erwärmen, dass die aktuelle Teuerungswelle einen eindeutigen Schuldigen kennt: Anmerkungen zur Lage der arbeitenden Klasse in Deutschland weiterlesen

Der diskrete Charme des Kapitals

Von Paul Schreyer

„Der Verzicht auf jede Konfrontation mit dem Kapital hat sich für die SPD verheerend ausgewirkt“, so Olaf Scholz in einem politischen Strategiepapier aus den 1980er Jahren. Der Staat, so Scholz damals, sei ein „Instrument des Kapitals zur Durchsetzung seiner Interessen“. Hinter solchen markigen Parolen steckte eine gründliche gesellschaftliche Analyse des Politikers, die heute aktueller denn je erscheint und eine neue Lektüre verdient. Multipolar präsentiert Auszüge – und schaut zurück auf Scholz´ Karriere und deren selten beleuchtete Wendepunkte. Der diskrete Charme des Kapitals weiterlesen

Nein zum Kürzungshaushalt und weiteren drohenden Angriffen! Hände weg vom Streikrecht! Jetzt Widerstand gegen den Klassenkampf von oben organisieren!

Die Bundesregierung hat Kürzungsmaßnahmen beschlossen, die große Teile der Bevölkerung hart treffen – sei es in Bezug auf steigende Strom-, Sprit- und Gaspreise, scharfe Sanktionen beim Bürgergeld, weniger Geld für Investitionen in den Schienenverkehr und den ÖPNV. Doch dies ist erst der Anfang. Laut denken Vertreter*innen der Kapitalinteressen über weitreichende Angriffe und eine Wirtschaftsagenda nach: Sie bringen Forderungen auf wie die Senkung von Unternehmenssteuern, Verlängerung und weitere Flexibilisierungsmöglichkeiten bei den Arbeitszeiten, Begrenzung der Sozialabgaben, Verschlechterungen im Rentensystem und Einschränkungen des Streikrechts. Zusätzliches Geld gibt es neben Unternehmenssubventionen nur noch für die Aufrüstung der Bundeswehr. Hier bestätigt sich einmal mehr, dass Aufrüstung und Sozialabbau zwei Seiten derselben Medaille sind.

Diesem Klassenkampf von oben müssen Beschäftigte und Gewerkschaften im Bündnis mit sozialen Bewegungen entschlossenen Widerstand entgegensetzen. Nein zum Kürzungshaushalt und weiteren drohenden Angriffen! Hände weg vom Streikrecht! Jetzt Widerstand gegen den Klassenkampf von oben organisieren! weiterlesen

Vorwärts und nicht vergessen

Der Vorwärts ist die Mitgliederzeitung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und wurde 1876 als „Central-Organ der Sozialdemokratie Deutschlands“ von Wilhelm Liebknecht, dem Vater von Karl Liebknecht, gegründet.

Karl Liebknecht wurde vielen Parteimitgliedern bekannt, als er 1914 gegen die Kriegskredite, heute würde man sagen Sondervermögen, gestimmt hatte. Damals war es der Vorwärts, der in seiner Ausgabe vom 4. August 1914 das Vaterland nicht im Stich lassen wollte und schon das zukünftige Abstimmungsverhalten der SPD-Reichstagsfraktion vorgab, der Reichstagsfraktion Argumente für die Kriegskredite lieferte und die einzelnen Abgeordneten vergattern wollte (siehe im Beitrag weiter unten). Lesen konnte man: „Jetzt stehen wir vor der ehernen Tatsache des Krieges. Uns drohen die Schrecknisse feindlicher Invasionen. …Für unser Volk und seine freiheitliche Zukunft steht bei einem Sieg des russischen Despotismus, der sich mit dem Blute des eignen Volkes befleckt hat, viel, wenn nicht alles auf dem Spiel. Es gilt, diese Gefahr abzuwehren, die Kultur und die Unabhängigkeit unseres eigenen Landes sicherzustellen. …Wir lassen in der Stunde der Gefahr das Vaterland nicht im Stich. … Wir fordern, dass dem Kriege, sobald das Ziel der Sicherung erreicht ist und die Gegner zum Frieden geneigt sind, ein Ende gemacht wird durch einen Frieden, der die Freundschaft mit den Nachbarvölkern ermöglicht“.

In der Ausgabe vom April 2024 des Vorwärts titelt die SPD-Mitgliederzeitschrift:

In der Zeitenwende: Deutschlands und Europas Sicherheit im Blick

Auf dem Titelfoto posieren Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) und Christian Nawrat (Brigadegeneral) bei einer Truppenübung in Litauen. Wer das folgende Interview mit Boris Pistorius aufmerksam liest, wird fassungslos feststellen, wie sich die Zeilen vor 110 Jahren und heute ähneln, so, als wäre von der Ausgabe des 4. August 1914 abgeschrieben und Boris Pistorius in den Mund gelegt worden. Vorwärts und nicht vergessen weiterlesen

„Echte Liebe“ für blutiges Geld

Von Jens Berger

Wenige Tage vor dem Champions-League-Finale gegen Real Madrid bringt der Fußballkonzern Borussia Dortmund sich auf gänzlich unsportliche Art und Weise ins Gespräch. Wie das Handelsblatt gestern berichtete, hat der BVB für die nächste Saison den Rüstungskonzern Rheinmetall als Sponsor gewinnen können. Ein Konzern, der sein blutiges Geld mit Waffen verdient, die weltweit töten, als Partner eines Fußballvereins, der sich einen eigenen „Grundwertekodex“ auferlegt hat? Das ist ein Hohn. Während der BVB – Marketingclaim „Echte Liebe“ – sich zum „Schutz der Menschen- und Kinderrechte“ bekennt, liefert sein neuer Partner der israelischen Armee die Munition, mit der in Gaza Menschen- und Kinderrechte zu Schutt gebombt werden. Ist das die „neue Normalität“, mit der BVB-Chef Watzke den Deal rechtfertigt? „Echte Liebe“ für blutiges Geld weiterlesen

Politik der Funke Mediengruppe: Vom Kahlschläger in der Presselandschaft über die „Faktenchecker“ von Correctiv zum „gemeinnützigen Journalismus“

Aus Angst vor sich ausdehnenden „Zeitungswüsten“ wegen der hohen Preise und Kosten, forderten kürzlich die Medienminister aus Nordrhein-Westfalen und Sachsen, Nathanael Liminski und Oliver Schenk, die Bundesregierung auf, eine direkte Staatsförderung für die flächendeckende Zustellung periodischer Presseerzeugnisse einzuführen.

Nach Ansicht des neu gegründeten „Forums Gemeinnütziger Journalismus“ ist die Forderung der Minister zwar verständlich, denn die Zeitungszustellung werde durch hohe Preise für Papier und Energie in weiten Teilen des Landes unwirtschaftlich, doch dürfe die Debatte um Gegenmaßnahmen nicht auf Subventionen für Printerzeugnisse reduziert werden. Für das Forum sind weitere Maßnahmen erforderlich, vor allem würde im Journalismus neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dem klassischen Journalismus eine dritte Säule, die strikt auf das Gemeinwohl ausgerichtet ist, gebraucht.

Für David Schraven, den Vorsitzenden des Forums und Publisher von CORRECTIV – die Faktenchecker – eine Ausgründung der Funke Mediengruppe, gilt es, die Medienvielfalt durch Gemeinnützigkeit zu sichern. Er möchte diese Form des gemeinnützigen Journalismus fest in unserem Mediensystem verankern. Politik der Funke Mediengruppe: Vom Kahlschläger in der Presselandschaft über die „Faktenchecker“ von Correctiv zum „gemeinnützigen Journalismus“ weiterlesen

Arbeitszeitverkürzung – das Einfache, das schwer zu machen ist

Von Stephan Krull

Arbeitszeitverkürzung für Gesundheit, Gerechtigkeit und Demokratie: kollektiv, tariflich und gesetzlich. Voller Personalausgleich? ArbeitFairTeilen!Für Klimaschutz und globale Gerechtigkeit. Arbeitszeitverkürzung – eine Machtfrage.

Bertolt Brecht schreibt, der Kommunismus sei das Einfache, das Schwer zu machen sei – genau das trifft auch den langjährigen Kampf von Generationen von Arbeiterinnen und Arbeitern für Arbeitszeitverkürzung: Das Einfache, das schwer zu machen ist.

Arbeitszeitverkürzung ist das Einfache, weil sie dem Erfindergeist, ökonomischer Logik und dem populären Verständnis entspricht: In dem Maße, in dem die Produktivität steigt, kann die Arbeitszeit reduziert werden, ohne gesellschaftlichen Wohlstand einzubüßen. Arbeitszeitverkürzung ist schwer zu machen, weil die Unternehmer, Großaktionäre und ihre Manager die Zeit möglichst lange ausdehnen wollen, in der sie über die Kraft der Arbeitenden verfügen, ihr Direktionsrecht ausüben und maximale Profit erarbeiten lassen können. Arbeitszeitverkürzung oder nicht – das ist seit jeher in erster Linie eine Machtfrage. Arbeitszeitverkürzung – das Einfache, das schwer zu machen ist weiterlesen

Wissen, um zu handeln

Von Orhan Akman und Frédéric Fritz Schmalzbauer

Die Gewerkschaften befinden sich in einer tiefgreifenden Legitimationskrise. Mitgliederverluste, mangelnde Tarifbindung, die Unfähigkeit, deregulierte Arbeitsformen in einen solidarischen Zusammenhang einzubinden, gehen mit einem politischen Bedeutungsverlust einher. Zur Krise der Strukturen gesellt sich die Krise des Bewusstseins in der arbeitenden Bevölkerung. Damit stellt sich unter anderem die grundsätzliche Frage nach Aufgabe und Ziel der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit. Wissen, um zu handeln weiterlesen

Das Lohnabstandsgebot als Nebelkerze

Von Inge Hannemann

Das Bürgergeld ist das monatliche Überlebensgeld, wenn jemand keine Chance auf eine Erwerbstätigkeit bekommt oder eine Tätigkeit ausübt, die so schlecht bezahlt ist, dass ergänzend Sozialleistungen bezogen werden müssen. Wer Kinder erzieht oder seine Angehörigen pflegt, kann ebenso Bürgergeld beziehen. Es ist ein Existenzminimum. Dieses Existenzminimum ist ein Grundrecht. Und Grundrechte kann man eigentlich nicht kürzen.

Und trotzdem sind wir wieder an dem Punkt angekommen, wo bei solchen Grundrechten gekürzt werden darf. Wer erwerbslos ist und nicht spurt, spürt die Jobcenter-Peitsche. Bis zu zwei Monate kein Geld für Essen, Trinken, Medikamente, Hygiene oder Sonstiges, wenn eine zumutbare Arbeit abgelehnt wird. Nur: Was ist zumutbar? Das Lohnabstandsgebot als Nebelkerze weiterlesen

Rekommunalisierung ist ein Erfolgsmodell

Von Karoline Otte und Konstantin Mallach

Die Privatisierungsagenda der vergangenen Jahrzehnte hat die öffentliche Infrastruktur nicht effizienter gemacht, sondern nur die Versorgung verschlechtert. Wer günstige und verlässliche Energie, Wohnungen und Krankenhäuser will, muss rekommunalisieren.

Von den 1990er Jahren, bis teilweise noch in die Mitte des letzten Jahrzehnts hinein, haben wir in Deutschland eine harte Privatisierungsagenda von lokaler Infrastruktur erlebt. Wohnungen, Stromversorgung, Nahverkehr, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen wurden in großem Stil an private Akteure verkauft. Gestützt wurde diese von neuen Steuersystemen und vor allem einem: klammen kommunalen Kassen und sogenannten »Sparzwängen« vor Ort.

Schon auf den ersten Blick erscheint die Logik der Privatisierung fragwürdig: Anstatt etablierte Unternehmen mit erfahrenen Mitarbeitern und guten Netzwerken vor Ort zu halten, sollten diese eingestampft werden und andere »effizientere« Firmen tätig werden. In der Regel verwalten Unternehmen in diesem Bereich Monopole: Es gibt vor Ort nur ein Stromnetz, ein Wassernetz oder nur ein Krankenhaus. Ein echter Wettbewerb kann also nicht entstehen oder hat zumindest enorm hohe Einstiegsbarrieren. Schon deshalb ist fraglich, wie durch Privatisierung ohne einen funktionierenden Wettbewerb neue Anreize zur Effizienzsteigerung entstehen sollen. Rekommunalisierung ist ein Erfolgsmodell weiterlesen

Strafe für angebliche RAF-Solidarität einer Betriebsrätin wird zum teuren Rohrkrepierer

Von Ralf Streck

Dass mit Ariane Müller eine engagierte Betriebsrätin der Krankenhausgesellschaft Gesundheit Nord (Geno) in Bremen geschasst wurde, weil sie privat im März eine Kundgebung legal angemeldet hatte, wird für den Steuerzahler nun teuer. Damit wollte die als „Bremerin des Jahres 2021“ ausgezeichnete Frau auch auf die Isolationshaft des mutmaßlichen Ex-RAF-Mitglieds Daniela Klette hinweisen, die im Februar in Berlin verhaftet wurde. Das ist ein Beispiel dafür, wie in einer skandalisierten Cancel Culture-Gesellschaft Grundrechte leichtfertig von fast allen Seiten geopfert werden.

Beim Versuch, demokratische Grundrechte stark zu beschneiden, ist die Krankenhausgesellschaft Gesundheit Nord (Geno) in Bremen gegenüber der Krankenschwester und Betriebsrätin letztlich auf die Nase gefallen. Allerdings hat sich neben der Geno-Leitung auch der Betriebsrat der Klinik wahrlich nicht als Verteidiger der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit gezeigt. Im Verbund mit diversen Medien haben beide an der Skandalisierung eines Vorgangs gearbeitet, der völlig legal und durch nichts zu beanstanden war. Das hat nun zunächst teure Konsequenzen für die Klinik und die Steuerzahler, denn der Nachtschwester Ariane Müller muss eine hohe Abfindung als Entschädigung gezahlt werden. Strafe für angebliche RAF-Solidarität einer Betriebsrätin wird zum teuren Rohrkrepierer weiterlesen

Stahlindustrie in NRW dümpelt vor sich hin – bei der Transformation sollte über eine Neuordnung der Eigentums-verhältnisse nachgedacht werden

In Nordrhein-Westfalen werden jährlich etwa 16,5 Millionen Tonnen Rohstahl produziert, das sind 38 Prozent der gesamten bundesdeutschen Produktion. In der NRW-Stahlindustrie sind aktuell mehr als 45.000 Menschen beschäftigt.

Die Stahlindustrie steht derzeit gewaltig unter Druck und allen Beteiligten ist bewusst, dass die drastische Reduktion der CO²-Emissionen nur mit einer neuen, teuren Technologie möglich ist. Das favorisierte neue Verfahren scheint die Roheisenherstellung mittels Wasserstoff zu sein.

In Deutschland müsste nach Angaben der IG Metall für die Umstellung auf „grünen Stahl“ ein Plan für die gesamte Stahlindustrie entwickelt werden und würde bis 2050 rund 30 Milliarden Euro kosten.

Die gegenwärtige privatwirtschaftliche Verfassung der Stahlindustrie ist zu einer solchen Umstellung nicht in der Lage.

Beispielsweise hat hat das größte deutsche Stahlunternehmen ThyssenKrupp Steel sein Eigenkapital nahezu vollends verfrühstückt und kommt aus den turbulenten Schlagzeilen nicht heraus. Der Konzern ist wirtschaftlich am Ende, eine Sanierung von innen ist kaum noch möglich. Angesichts einer beschlossenen milliardenschweren Staatshilfe ist die aktuelle Entwicklung brisant. Für den Aufbau einer Grünstahl-Produktion in Duisburg soll ThyssenKrupp  rund zwei Milliarden Euro aus staatlichen Kassen erhalten. 1,3 Milliarden Euro davon vom Bund und bis zu 700 Millionen Euro vom Land NRW, die größte Einzelförderung in der Geschichte des Landes.

Doch aktuell gibt es andere Schlagzeilen aus Essen: In einem ungewöhnlichen Statement des Vorstands zweifelt das Management öffentlich die Darstellung der IG Metall und des Betriebsrates an, sie seien im Zusammenhang mit dem geplanten Einstieg des tschechischen Geschäftsmanns Daniel Křetínský und seiner Firma EPCG übergangen worden. Die Gewerkschaft deutet die Nichteinbeziehung als einen weiteren Bruch mit der Mitbestimmung.

Zur Ironie der Geschichte trägt der Ministerpräsident von NRW, Hendrik Wüst (CDU) bei, indem er sagt: „Ich erwarte, dass die Unternehmensführung einen Zukunftsplan aufstellt, der sich an der erfolgreichen Tradition unseres Landes orientiert: Einbindung der Mitbestimmung, enges Miteinander zwischen den Sozialpartnern.“

Da ist es wohl an der Zeit, dass über andere Konzepte, auch über eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nachgedacht wird. Stahlindustrie in NRW dümpelt vor sich hin – bei der Transformation sollte über eine Neuordnung der Eigentums-verhältnisse nachgedacht werden weiterlesen

Warum die Unternehmen, Bundesagentur für Arbeit und Duale Berufsausbildung verantwortlich für den „Fachkräftemangel“ sind

Wenn in den Unternehmen irgendetwas nicht rund läuft, wird sofort auf den vorgeblichen „Fachkräftemangel“ verwiesen, man zuckt mit den Schultern, meint damit, da „kann man nichts machen“, als wäre das Problem mit der geringen Zahl an Fachleuten wie ein Naturereignis vom Himmel gefallen.

Auch stimmt die Lobhudelei über das Duale Ausbildungssystem in Deutschland schon lange nicht mehr, mehr noch, dieses System scheint wohl völlig gescheitert zu sein. Die einzige Lösung wird in Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland gesehen, doch die Ursachen des Mangels an Fachkräften sind systembedingt und hausgemacht. Wer meint, dass die Unternehmen nun ihre Ausbildungsanstrengungen steigern und auch die Bundesagentur für Arbeit ihre Vermittlung junger Menschen in die Berufsausbildung hinterfragen würden, der ist auf dem Holzweg. Warum die Unternehmen, Bundesagentur für Arbeit und Duale Berufsausbildung verantwortlich für den „Fachkräftemangel“ sind weiterlesen

Gewerkschaft gegen rechts: Klare Kante und offene Tür – Um die rechte Mobilisierung zu stoppen, braucht es demokratische Ermächtigung in den Betrieben

Von Jürgen Urban

Die Ausgangslage ist so klar wie katastrophal: Bei den anstehenden Wahlen droht ein demokratisches Debakel. Zwar verliert die AfD auf Bundesebene seit Beginn der zivilgesellschaftlichen Protestwelle an Zustimmung. Doch in Thüringen, Brandenburg und Sachsen, wo im Herbst dieses Jahres gewählt wird, ist noch unklar, wie nachhaltig der Effekt ist. Die letzten Sonntagsfragen (Februar 2024) zu den anstehenden Landtagswahlen zeigen die AfD in allen drei Bundesländern als Wahlsiegerin.

Ob ein weiterer Dammbruch folgt, hängt maßgeblich vom Verhalten der anderen Parteien ab. Fest steht eines: Die Parteienlandschaft wird mit diesen Wahlen eine Zäsur bisher unbekannten Ausmaßes erleben, auch, weil unbekannte Akteure wie das „Bündnis Sarah Wagenknecht“ (BSW) und eventuell die „Werteunion“ ins parlamentarische Spiel eintreten. 2019 ließ Jörg Kemmerich von der FDP in Thüringen sich im dritten Wahlgang mit Stimmen der AfD zum kurzzeitigen Interimsministerpräsidenten wählen. Ein ähnlicher Tabubruch könnte in diesem Jahr weit Schlimmeres zur Folge haben. Lokalpolitiker der CDU lassen sich heute schon zu Aussagen hinreißen, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht ausgeschlossen sei. Wenn die parteipolitische Brandmauer im Herbst stehen soll, müssen die Instandhaltungsarbeiten forciert werden.

Doch damit nicht genug. Der Resonanzraum rechter Erzählungen und Deutungsmuster reicht bis weit in die gesellschaftliche Mitte hinein. Bei Wahlen geben sich nur die zu erkennen, die bereits Schlussfolgerungen aus ihrer Gesinnung gezogen haben. Schwerer abzuschätzen ist der Anteil diejenigen, die ihre reaktionären Weltdeutungen noch in Reserve halten, gleichwohl aber aktivierbar sind. Und schließlich: rechtsradikale bis faschistoide Deutungsmuster sind auch in Organisationen und Bewegungen präsent, die sich in ihrem Selbstverständnis geradezu auf der gegenüberliegenden Seite des politischen Spektrums verorten. Auch die Gewerkschaften sind davon betroffen. Gewerkschaft gegen rechts: Klare Kante und offene Tür – Um die rechte Mobilisierung zu stoppen, braucht es demokratische Ermächtigung in den Betrieben weiterlesen

Die aktuelle Mindestlohndiskussion ist nur von oberflächiger Natur und lässt viele Aspekte unberücksichtigt

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich kürzlich dafür ausgesprochen, den Mindestlohn zunächst auf 14 Euro und dann auf 15 Euro zu erhöhen. Ob es ihm darum geht, seine schlechten Umfragewerte im Wahlkampfgetöse etwas zu verbessern oder es andere Gründe gibt, ist nicht zu erfahren. Auf jeden Fall ist die Aufregung groß und wieder ist der Aufschrei von Union und FDP im Gleichklang mit der organisierten Unternehmerschaft unüberhörbar, die Lohnfindung sei ausschließlich eine Sache der Sozialpartner, in die sich die Politik nicht einmischen dürfe.

Der Mindestlohn wurde eingeführt, weil das deutsche Sozialpartnerschaftsmodell  aufgrund der Schwäche der Gewerkschaften, hierzulande ausgerechnet im untersten Lohnbereich nicht mehr funktionierte. Weitere Gründe waren, dass die Höhe des Mindestlohns schon bei seiner Einführung mit 8,50 Euro auf einer rein politischen Entscheidung willkürlich festgelegt wurde und die Mindestlohnkommission von Anfang an mit der paritätische Besetzung einen schweren Konstruktionsfehler hatte, der der Gewerkschaftsseite jegliches Druckmittel aus der Hand nahm. So war es möglich, dass der Mindestlohn zuletzt nur im Centbereich erhöht wurde.

Mit seinem Vorstoß trägt auch Olaf Scholz nicht dazu bei, die Grundprobleme zu lösen, nämlich die Auflösung der Mindestlohnkommission anzugehen, die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen wieder herzustellen, ihre Laufzeiten zu verringern, die nicht tabellenwirksamen Einmalzahlungen bzw. Inflationsausgleichsprämien abzuschaffen und die volle Tarifbindung wieder einzuführen. Die aktuelle Mindestlohndiskussion ist nur von oberflächiger Natur und lässt viele Aspekte unberücksichtigt weiterlesen