Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Anforderungen an den Einsatz von Überwachungskameras gelockert. Ist die Überwachung rechtmäßig, kann der Arbeitgeber die Bildaufnahmen auch noch mehrere Monate aufbewahren. Beweisen die Aufnahmen etwa einen Diebstahl, kann er dem Arbeitnehmer kündigen – auch wenn die Tat schon Monate zurückliegt.
Die Arbeitnehmerin war in einem Tabak- und Zeitschriftenhandel mit angeschlossener Lottoannahmestelle tätig. Der Arbeitgeber hatte eine offen sichtbare Videokamera installiert. Mit den Aufzeichnungen wollte er sein Eigentum vor Straftaten sowohl von Kunden als auch von eigenen Arbeitnehmern schützen. Im 3. Quartal 2016 stellte der Arbeitgeber einen Fehlbestand bei den Tabakwaren fest. Im August 2016 nahm er eine Auswertung der Videoaufzeichnungen vor. Diese ergab, dass die Arbeitnehmerin an zwei Tagen im Februar 2016 vereinnahmte Gelder nicht in die Registrierkasse gelegt hatte. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin ihr Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.
Die Arbeitnehmerin erhob eine Kündigungsschutzklage. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm gab der Klage statt und vertrat die Ansicht, die Erkenntnisse aus den Videoaufzeichnungen unterlägen einem Verwertungsverbot. Der Arbeitgeber hätte die Aufnahmen unverzüglich, jedenfalls deutlich vor dem 1.8.2016 wieder löschen müssen (LAG Hamm, 20.12.2017 – 2 Sa 192/17).
Arbeitgeber darf Kameraaufzeichnungen aufbewahren
Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das LAG Hamm zurückverwiesen. Das BAG entschied, dass der Arbeitgeber das Bildmaterial nicht sofort auswerten musste. Er durfte hiermit solange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah.
Das Speichern von Bildsequenzen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung werde nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig. Der Arbeitgeber könne sie als Grundlage einer Kündigung nehmen, wenn er vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers zulasten seines Eigentums feststelle.
War das Überwachen rechtmäßig, ist es auch die Verwertung
Ob die offene Videoüberwachung an sich rechtmäßig war, muss das LAG Hamm nun in einem neuen Verfahren prüfen. War die Überwachung rechtmäßig, wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF zulässig gewesen. Die gekündigte Arbeitnehmerin könne sich dann nicht darauf berufen, dass die Kameraüberwachung ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt habe (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG).
Wie das BAG mitteilt, stünden auch die Vorschriften der seit dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) einer gerichtlichen Verwertung der erhobenen personenbezogenen Daten der Klägerin im weiteren Verfahren nicht entgegen.
————————————————
Pressemitteilung Nr. 40/18 BAG:
Offene Videoüberwachung – Verwertungsverbot
Pressemitteilung Nr. 40/18
Die Speicherung von Bildsequenzen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung, die vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers zulasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigen, wird nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig, solange die Ahndung der Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber arbeitsrechtlich möglich ist.
Die Klägerin war in einem vormals von dem Beklagten betriebenen Tabak- und Zeitschriftenhandel mit angeschlossener Lottoannahmestelle tätig. Dort hatte der Beklagte eine offene Videoüberwachung installiert. Mit den Aufzeichnungen wollte er sein Eigentum vor Straftaten sowohl von Kunden als auch von eigenen Arbeitnehmern schützen. Nach dem Vortrag des Beklagten wurde im 3. Quartal 2016 ein Fehlbestand bei Tabakwaren festgestellt. Bei einer im August 2016 vorgenommenen Auswertung der Videoaufzeichnungen habe sich gezeigt, dass die Klägerin an zwei Tagen im Februar 2016 vereinnahmte Gelder nicht in die Registrierkasse gelegt habe. Der Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.
Die Vorinstanzen haben der dagegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Erkenntnisse aus den Videoaufzeichnungen unterlägen einem Verwertungsverbot. Der Beklagte hätte die Bildsequenzen unverzüglich, jedenfalls deutlich vor dem 1. August 2016 löschen müssen. Auf die Revision des Beklagten hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts das Berufungsurteil hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Sollte es sich – was der Senat nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilen kann – um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt haben, wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF* zulässig gewesen und hätte dementsprechend nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Der Beklagte musste das Bildmaterial nicht sofort auswerten. Er durfte hiermit solange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah. Sollte die Videoüberwachung rechtmäßig erfolgt sein, stünden auch die Vorschriften der seit dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung einer gerichtlichen Verwertung der erhobenen personenbezogenen Daten der Klägerin im weiteren Verfahren nicht entgegen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 20. Dezember 2017 – 2 Sa 192/17 –
Quellen: dgb.de, BAG Bild: pixabay