47 Jahre lang hatte der Personalratsvorsitzende Pitt Meyer in der Dortmunder Stadtverwaltung gearbeitet. Ende Juni ist er nun in den Ruhestand gegangen.
Das Fazit, das er aus seiner Arbeit zieht, fällt ernüchternd aus. Der WAZ sagte er kürzlich: „Wir reden in der Verwaltung Dinge schön, die sich nicht schönreden lassen“. Und auf die Frage, was er im Ruhestand machen wird, antwortet er: „Aufstehen, überleben, und schlafen gehen“.
Das ist natürlich recht wenig für einen Gewerkschafter, der seine Erfahrungen an jüngere weitergeben könnte und sein Insiderwissen den städtischen Beschäftigten zugutekäme, denn in Dortmund ist man an einem Punkt angelangt, bei dem eine weitere Runde im Sparkurs ausschließlich auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird.
Im Jahr 2020 tritt die Schuldenbremse in Kraft. Seit 2016 greift sie aber schon für den Bund und die Länder und beeinflusst indirekt auch die Finanzzuweisung für die Kommunen. In den letzten Jahren haben die Kommunen mehr und mehr Aufgaben übernommen. Um diese Aufgaben zu erfüllen, haben sie ihre Kassenkredite von rund 7 Milliarden Euro im Jahr 2000 nun auf über 51 Milliarden Euro erhöhen. Gleichzeitig haben sie gespart, genauso wie im Land, Bund und in der EU, ohne groß zu hinterfragen, warum und wieso eigentlich.
Der Sparzwang ist eine der vielen politischen Vorgaben, die der einzelne Mensch zu akzeptieren hat, weil es angeblich keine Alternative dazu geben soll.
Die Dortmunder Stadtverwaltung will bis 2019 insgesamt 60 Millionen Euro einsparen.
Um den städtischen Haushalt genehmigungsfähig zu halten hat der Rat der Stadt Anfang des Jahres 2015 beschlossen, dass im Rahmen eines „Memorandums“ innerhalb von 4 Jahren 15 Millionen Euro allein in der Verwaltung gespart werden sollen. Aber schon ein Jahr später ist man in der Politik etwas ratlos, denn die Papiere die erstellt wurden, gehen optimistisch von 54,2 Millionen Euro aus, die gespart werden sollen.
Aber etwas Genaues gibt es noch nicht, alles ist noch nebulös, schwammig und nicht belastbar.
Bekannt ist bisher, dass man
- durch die Kooperation mit der Kommunalwirtschaft 10 Millionen Euro,
- beim Posten „Geldabflüsse senken“, will die Verwaltung optimistisch 14, 9 Millionen Euro,
- durch die „Optimierung sozialer Leistungen“ 9,6 Millionen Euro,
- mit einer „Effizienzsteigerung“ 6,4 Millionen Euro,
- mit „Ertragsteigerungen“ 2,8 Millionen Euro,
- dann noch durch „Haushaltsmaßnahmen“ 10,3, Millionen Euro
einsparen will.
Die gewählten Politiker haben Orientierungsschwierigkeiten. Der SPD Faktionsvorsitzende Norbert Schilff wünscht sich mehr konkretes und möchte, dass die Verwaltung die Politiker ausreichend früh informiert. Die Verwaltung möchte aber erst in der nächsten Projektrunde am 20.September Genaueres einbringen, also erst dann, wenn der Etatentwurf 2017 in den Rat eingebracht wird.
Das ist wieder einmal ein schönes Beispiel dafür, wie die Verwaltung die Politik in Dortmund vorführt.
Bis zum 20. September müssen die Politiker mit dem Personalbericht Vorlieb nehmen, den die Verwaltung Ende Juni vorlegte: Die Zahl der Beschäftigten bei der Stadtverwaltung ist von 8.935 zum Jahresende 2014 auf 9.251 zum Ende 2015 gestiegen. In der Rechnung sind die Beschäftigten bei Theater und in den Jobcentren nicht enthalten. Ein Plus von 316 Beschäftigten. Von den 337 städtischen Mitarbeitern die im Laufe des Jahres 2015 eingestellt wurden, ist fast jeder dritte für die „Aufgabe Flüchtlinge“ tätig. Konkret wurden die Einstellungen überwiegend im Bereich Ordnungsamt/Ausländerbehörde und Jugendamt/minderjährige Flüchtlinge getätigt. Ebenso gab es Neueinstellung auch bei FABIDO, da die Kindertagesbetreuung ausgebaut werden musste.
Das sind also alles Aufgaben, die von Land oder Bund vorgegeben werden und nicht aus kommunalen Erwägungen zu Neueinstellungen führten.
Wie es bei der Stadtverwaltung konkret aussieht, ist jedem Dortmunder bekannt, der mal die Bürgerdienste in Anspruch nehmen will. Es macht sich offensichtlich bemerkbar, dass dort die Zahl der Mitarbeiter von 2001 bis 2014 massiv abgebaut wurde und die Beschäftigten dort total überlastet sind. Aber auch bei dem Sozialamt, Jugendamt und Ordnungsamt hat die Arbeitsbelastung massiv zugenommen.
Das bestätigte zuletzt auch der Gesundheitsbericht der AOK Nordwest: Wer in der öffentlichen Verwaltung arbeitet, hat im Durchschnitt die meisten Fehltage, 29,8 Tage fehlen die Verwaltungsmitarbeiter im Schnitt. Damit weisen sie mit 8,2 Prozent den höchsten Krankenstand in ganz Dortmund auf, gefolgt von den Branchen Energie/Wasser/Entsorgung/Bergbau mit 28 Fehltagen (7,7 Prozent) und dem verarbeitenden Gewerbe mit 25,2 Fehltagen (6,9 Prozent). Die wenigsten Fehltage finden sich in der Land- und Forstwirtschaft mit 15,5 Fehltagen (4,2 Prozent) und bei Banken und Versicherungen mit 16 Fehltagen (4,4 Prozent).
Jeder bei der AOK versicherte Erwerbstätige in Dortmund war durchschnittlich an 21,6 Tagen krankgeschrieben. Der Krankenstand bei den rund 50.000 versicherten Arbeitnehmern stieg im vergangenen Jahr leicht um 0,1 Prozent auf 5,9 Prozent. Fast 55 Prozent der Beschäftigten meldeten sich im vergangenen Jahr einmal oder mehrfach krank. Die durchschnittliche Krankheitsdauer je Fall lag bei 11,5 Kalendertagen.
Die Steigerung der Belastungen wird unter den gegebenen Bedingungen und der Fortsetzung des Sparens weitergehen.
Es muss langsam mal abgewogen werden, was schlimmer ist: eine Haushaltssicherung, die als Gespenst in den Fluren der Stadtverwaltung umhergeistert und seit Jahren schon dafür sorgt, dass immer mehr Personal abgebaut und die Beschäftigten krankmachender Mehrbelastungen ausgesetzt sind oder die berechtigte Sorge der Beschäftigten um ihre Gesundheit.
Seit Jahren sind die öffentlichen Haushalte strukturell unterfinanziert. Es fehlen für einen leistungsfähigen Sozialstaat die erforderlichen Investitionen. Das zeigt sich vor allem in den Kommunen.
Die notwenigen Mittel aufzubringen kann man schaffen, wenn kurzfristig Kredite aufgenommen werden, mittel- und langfristig Einnahmen durch selbstfinanzierende Effekte und höhere Steuereinnahmen sichergestellt werden. Parallel dazu brauchen wir eine stärkere Besteuerung von reichen Privatpersonen und Unternehmen, eine wirkliche Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer und die Abschaffung der Privilegierung von Betriebsvermögen.
Vor allem brauchen wir dazu den Pitt Meyer – aufstehen, überleben und schlafen gehen – das reicht da nicht aus.
Quelle waz, AOK Nordwest
Bild: ver.di