Interview mit Prof. Däubler zum neuen Datenschutzrecht

Ab Mai 2018 gilt in ganz Europa ein neues Daten-schutzrecht. Das alte Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verliert seine Gültigkeit. Es wird durch das neue BDSG ersetzt, das von den »Öffnungsklauseln« der Grundverordnung Gebrauch macht.

Was sind die wichtigsten Änderungen, die Betriebsräte kennen müssen? Und was passiert mit bereits bestehenden Betriebsvereinbarungen? Der Bund-Verlag hat seinen Datenschutz-Experten Prof. Dr. Wolfgang Däubler gefragt.

1. Was sind die wichtigsten Änderungen, die Betriebsräte wissen müssen?

Wolfgang Däubler:

Alle Beteiligten müssen den Datenschutz sehr viel ernster nehmen. Die inhaltlichen Regeln ändern sich nicht so sehr, wohl aber die Vorkehrungen, die im Interesse des Datenschutzes zu treffen sind. Jede Form von Datenverarbeitung muss z. B. dokumentiert werden. In vielen Fällen muss eine Datenschutz-Folgenabschätzung erfolgen. Wenn wichtige Vorschriften der Verordnung verletzt werden, haftet der Arbeitgeber auf Schadensersatz, selbst wenn ihn kein Verschulden trifft. Auch der immaterielle Schaden ist zu ersetzen und die Höhe des Ersatzes muss »abschreckende Wirkung« entfalten. Wer z. B. rechtwidrig vier Wochen lang mit einer Videokamera überwacht wird, kann durchaus mit 30.000 Euro Schadensersatz rechnen. Das ändert die Spielregeln im Betrieb.

2. Was passiert mit bestehenden Betriebsvereinbarungen?

Wolfgang Däubler:

Typische Juristenantwort: Es kommt darauf an. Sieht eine Betriebsvereinbarung beispielsweise vor, dass das Betriebsgelände nachts mit Videokameras gesichert wird, so wird kein großer Änderungsbedarf bestehen. Geht es dagegen um ein komplexes System mit vielen Zugriffsrechten, so ist die Sache anders. Einmal verlangt Art. 5 der Verordnung volle Transparenz, so dass eine Betriebsvereinbarung grundsätzlich von jedem Arbeitnehmer verstanden werden muss. Die manchmal anzutreffende unsympathische Kombination von Technikerdeutsch und Juristendeutsch wird dem nicht gerecht. Außerdem wird die »Datenminimierung« zu einem verbindlichen Prinzip. Braucht wirklich jeder das Zugriffsrecht, das ihm die Betriebsvereinbarung gewährt? Im Grundsatz bleiben aber alle Betriebsvereinbarungen gültig – sie sind sogar ausdrücklich in Art. 88 der Verordnung als ein Regelungsinstrument für den Datenschutz im Betrieb genannt.

3. Welche Voraussetzungen müssen künftig für eine wirksame Einwilligung vorliegen?

Wolfgang Däubler:

Die Einwilligung ist wie schon bisher nur dann gültig, wenn sie freiwillig erfolgt. Das wird schon bei ihrer Definition in Art. 4 Nr. 11 der Verordnung zum Ausdruck gebracht. § 26 Abs. 2 des neuen BDSG gibt Anhaltspunkte für die Beurteilung der Freiwilligkeit: Die soziale Abhängigkeit des Arbeitnehmers ist zu berücksichtigen, daneben aber auch, ob die Einwilligung dem Arbeitnehmer einen Vorteil bringt oder ob beide Seiten im konkreten Fall gleichgelagerte Interessen haben. Unzulässig und unwirksam wäre es deshalb, wenn der Arbeitnehmer einwilligen würde, dass er andauernd bei seiner Arbeit mit einer Kamera oder durch eingebaute Programme überwacht wird. Zulässig wäre es dagegen, wenn er sich bereit erklären würde, an einem Werbefilm des Arbeitgebers mitzuwirken und dieser die Teilnahme ausdrücklich freigestellt hätte.

4. Soll man sich schon heute auf das neue Recht vorbereiten?

Wolfgang Däubler:

Ja, unbedingt. Man kann nicht einfach am 25. Mai 2018 die ganzen Dateien und Betriebsvereinbarungen durchforsten, ob irgendein Änderungsbedarf besteht. Der Betriebsrat sollte den Arbeitgeber darauf aufmerksam machen, denn die Aufsichtsbehörde kann sehr unangenehm werden und hohe Sanktionen verhängen, wenn man das neue Recht nicht beachtet. Im Übrigen sollte auch der Betriebsrat selbst der Frage nachgehen, wie seine Datenverarbeitung aussieht. Möglicherweise hat er noch Daten, die schon über zehn Jahre alt sind: Hier ist eine »Entrümpelung« nicht nur sinnvoll, sondern auch durch das neue Recht geboten.

 

Der Interviewpartner:

Prof. Dr. Wolfgang Däubler

Dr. jur., Professor für Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht, Bürgerliches und Wirtschaftsrecht an der Universität Bremen. Er ist einer der bekanntesten Arbeitsrechtler.

Zum Nachlesen empfehlen wir sein brandaktuelles Handbuch »Gläserne Belegschaften«.

Quelle: w w w. bund-verlag. de

Bild: dgb