Jobcenter treiben Erwerbslose in die Armut – die Jobcenter-Darlehens-Falle

Rentnerin 2Niemand weiß genau, wie viele Menschen wegen Rückzahlungen an die Jobcenter unter dem Existenzminimum leben müssen. Sicher ist aber, dass in den vergangen sieben Jahren die Zahl der Hartz-IV-Empfänger, die Jobcenter-Kredite aufnahmen auf fast 19.000 Personen angestiegen ist. Die Höhe der Schulden stieg ebenfalls im Durchschnitt von 216 auf 365 Euro pro Personen an. Immer mehr auf Hartz-IV angewiesene Menschen können ihre alltäglichen Ausgaben nicht mit dem Regelsatz bestreiten und müssen daher ein Darlehen beim Jobcenter aufnehmen. Im vergangenen Jahr wurden dazu jeden Monat 6,8 Millionen Euro verliehen.

Die Bundesagentur für Arbeit hat bereits fünf Stützpunkte in Recklinghausen, Bogen, Hannover, Halle und Kiel geschaffen, in denen sich Mitarbeiter auf das Eintreiben von Außenständen konzentrieren. Das soll nun noch effektiver werden. Ein neues „Fachkonzept Inkasso“ soll in Zukunft einen „besseren Einziehungserfolg“ erreichen. Von 2015 bis 2020 verspricht sich die Agentur dadurch Mehreinnahmen von rund 70 Millionen Euro pro Jahr. Auch überlegt man schon, private Inkassounternehmen zu beauftragen.

Für die betroffenen Menschen hat diese Entwicklung fatale Folgen: Sie erreichen oft schon seit Jahren das Existenzminimum nicht mehr und der gesetzliche Pfändungsschutz gilt für sie nicht, sie werden so zu Schuldnern der Jobcenter gemacht.

Immer mehr Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, können ihre Ausgaben nicht aus ihrem Regelsatz bestreiten und sind gezwungen, ein Darlehen beim Jobcenter aufzunehmen. In der Praxis läuft dieser weitere Verarmungsprozess so ab, dass das Jobcenter ein Darlehen im Falle eines besonderen, unabweisbaren Bedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährt, also für Anschaffungen wie zum Beispiel Elektrogeräte oder Kleidung. Die neuen Schulden werden getilgt, indem pro Monat zehn Prozent vom Regelsatz einbehalten werden, wobei der Regelsatz ja schon als das Existenzminimum gilt.

Rund 225.000 Darlehen werden jährlich bundesweit für Waschmaschinen, Kühlschränke, die Übernahme der Stromschulden oder Mietkautionen von den Jobcentern gewährt, weil die Menschen nicht in der Lage sind, aus den im Sozialgesetzbuch (SGB) II gewährten Sätzen die Zahlungen zu leisten. Für die Anschaffung und Reparatur etwa von Kühlschränken oder Waschmaschinen ist im Regelsatz ein Betrag von nur drei Euro im Monat vorgesehen. Diese drei Euro sollen dann für den Kauf eines Kühlschranks angespart werden. Weil das in der Praxis nicht laufen kann, ist man eben gezwungen, auf ein Darlehen des Jobcenters zurückzugreifen. Das geringe Einkommen wird durch die Rückforderungen über viele Monate hinweg nochmals gemindert. Fällt in demselben Zeitraum noch eine Reparatur an, wird die Mietkaution fällig oder ein neues Kinderbett benötigt, dann muss wieder ein Darlehen beantragt werden. Der Kreislauf beginnt von vorn und die Situation verschärft sich immer weiter.

Bei den Aufstockern kommen schnell noch Schulden hinzu, die regelmäßig entstehen, weil sie nur stundenweise arbeiten und ihre monatlichen Einkünfte schwanken. Wenn die Jobcenter ihnen die Bescheide für Rückforderungen schicken, ist das Geld in der Regel schon verbraucht.

Es ist auch häufig so, obwohl nicht erlaubt, dass mehrere Darlehen parallel zurückgezahlt werden und vom Regelsatz kaum noch etwas übrig bleibt.

Bei der Bundesagentur für Arbeit meint man nach außen dazu, dass die Arbeitslosengeldempfänger ja selbst entscheiden könnten, in welcher Form sie ihre Darlehen zurückzahlen. Ob sie die offenen Forderungen mit ihren Leistungen verrechnen lassen oder sie lieber selbst überweisen wollen. Intern sieht das z.B. in Hamburg allerdings so aus, dass das Jobcenter kürzlich seine Mitarbeiter in einem internen Protokoll darauf hingewiesen hat, „dass die Darlehen möglichst während des Leistungsbezugs aufzurechnen sind“.

Nachdem sich nun die Bundesländer beim Bundesarbeitsministerium über die 30-Prozent-Abzüge allein durch Darlehensrückzahlungen an das Jobcenter beschwert hatten, will Bundesarbeitsministerin Nahles der Bundesagentur für Arbeit die derzeitige Praxis untersagen.

Wir werden sehen.

 

Quelle: süddeutsche .de

Bild: dapd