Kampfansage an die Gewerkschaften in Österreich

„Die werden die Guck aufreißen, wenn sie sehen, wie wir wirklich im Kampfmodus sind“, gibt sich Wolfgang Katzian, der neue Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), selbstbewusst: Vertretern der rechtspopulistischen Regierung von Bundeskanzler Sebastian Kurz, die sich jetzt schon über vereinzelte Protestmaßnahmen beschweren, richtet er damit auf gut Wienerisch aus, dass sie noch Augen machen werden – er und seine Mitstreiter würden noch viel wirkungsvoller auftreten, sobald eine rote Linie überschritten ist.

Die Mitte-Rechts-Regierung in Österreich setzt der Arbeiterbewegung schwer zu. Die ArbeitnehmerInnen und ihre Gewerkschaften wehren sich mit Verve. Bislang mit gewissem Erfolg. Doch können sie diesen Kampf gewinnen?

Angriff auf die Sozialpartnerschaft

Dass es zu dieser Auseinandersetzung kommt, ist wohl nur eine Frage der Zeit: Die Regierungskoalition, die Kurz‘ Volkspartei (ÖVP) und die extrem rechte Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) seit einem halben Jahr bilden, schwächt die Arbeitnehmerbewegung, wo sie nur kann. Die ÖVP ist wirtschaftsfreundlicher denn je und hat sich auch ihren Wahlkampf im vergangenen Jahr von potenten Unternehmern mitfinanzieren lassen; diesen muss sie nun gerecht werden. Die FPÖ dagegen hat ein grundsätzliches Problem mit Arbeitnehmervertretern; sie hat sich in ihren Reihen nie durchsetzen können.

Gemeinsam bemühen sich die Regierungsparteien nun, die Gewerkschaft als Kollektivvertragspartner ebenso zu demolieren wie als Trägerin des Sozialversicherungssystems. Außerdem sollen die Mittel gekürzt werden, die der berufsständischen Arbeiterkammer zur Verfügung stehen. Und nebenbei wird an einer Reform der Arbeitslosenunterstützung gearbeitet, die sich auffallend stark am deutschen Hartz IV-Modell orientiert. In Anbetracht der starken Rolle, die die rot-weiß-rote Arbeitnehmerbewegung in der Geschichte des Landes spielt, ist es alles in allem nicht übertrieben, von einer echten Kampfansage an sie zu reden.

Österreichs Ex-Kanzler Christian Kern, der nach der Nationalratswahl und der Regierungsbildung im Spätherbst 2017 mit der Sozialdemokratie in die Opposition wechseln musste, spricht von einer „Konterrevolution“: Viele Errungenschaften sollen zunichtegemacht werden, warnt er. Unter anderem zählt auch die Sozialpartnerschaft dazu, die in Österreich bisher gepflegt wurde wie sonst kaum irgendwo. Arbeitnehmer und Arbeitgeber konnten so gut wie alle Entscheidungen der Politik mitbestimmen.

FPÖ und ÖVP wollen die Gewerkschaften schwächen

Doch damit ist es vorbei. Kanzler Kurz und sein Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) bekennen sich allenfalls in Sonntagsreden zur Sozialpartnerschaft. Im Übrigen binden sie diese nicht mehr ein, sondern treiben einen Keil zwischen die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter, mit dem Ziel, erstere zu stärken und letztere zu schwächen. Bei der geplanten Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern kommt das sehr deutlich zum Ausdruck: Im Sinne der Selbstverwaltung sind bei den Krankenversicherungen der Arbeiter und Angestellten bisher naturgemäß deren Vertreter bestimmend. Das soll sich ändern. Zusammengelegt werden darüber hinaus eher Versicherungen, die von ihnen geführt werden; die sogenannten Gebietskrankenkassen. So verlieren die Arbeitnehmer doppelt.

Die Rechnung der Regierung scheint bis hierher aufzugehen: Die Arbeitgeber, die gewinnen, sind zufrieden. Der neue Präsident der Wirtschaftskammer, Ex-ÖVP-Minister Harald Mahrer, hält im Unterschied zu seinem Vorgänger nicht allzu viel von der Sozialpartnerschaft. Gewerkschaftern hat er gleich zu seinem Amtsantritt unterstellt, „Gräuelpropaganda“ zu betreiben. Kein gutes Zeichen für die Zukunft.

Stehen Arbeitnehmervertreter damit ganz allein und auf verlorenem Posten? Ihre Ausgangslage ist schlecht, aber nicht hoffnungslos. Man darf nicht vergessen, dass die Gewerkschaft in dem 8,8 Millionen-Einwohner-Land noch immer 1,2 Millionen Mitglieder hat. Und dass die Arbeiterkammer gar auf 3,6 Millionen kommt, die noch dazu sehr zufrieden mit ihrer Arbeit. Immerhin lassen sich fast alle Bürger irgendwann einmal von ihr in beruflichen Belangen beraten. Oder sie nützen ein Weiterbildungs-, Kultur- oder Konsumentenschutzprogramm. Womit die Kammer summa summarum so hoch im Kurs steht in der Bevölkerung, dass jeder, der sie angreift, immer auch ein gewisses Risiko eingeht: Die Stimmung könnte gegen ihn kippen.

Die Leute von der Arbeiterkammer wissen das. Wie sich auch die Gewerkschafter bewusst sind, dass sich die Herren von der Regierung bei ihrem aktuellen Vorhaben, 12-Stunden-Arbeitstage einzuführen, die Finger verbrennen könnten. Besonders die Freiheitlichen unter ihnen, die behaupten, eine Partei der kleinen Leute zu sein, haben diesbezüglich schon sehr viel Unmut zu spüren bekommen.

Die Regierung definiert sich über ihre Anti-Flüchtlings-Politik

Wollen sich die Arbeitnehmervertreter behaupten, müssen sie in den nächsten Wochen und Monaten also verstärkt mobilisieren. Haben sie die Öffentlichkeit in dieser Frage auf ihrer Seite, machen sie es der Regierung in jedem Fall schwerer, ihre Vorhaben zu realisieren. Wobei die Ausdauer der Gewerkschafter und Arbeiterkämmerer von entscheidender Bedeutung sein wird. Die Regierung definiert sich in erster Linie über ihre Politik gegen Flüchtlinge. Denn das ist nach wie vor mehrheitsfähig. Und das ist ein Bonus, den sie durch unpopuläre Maßnahmen in anderen Bereichen nicht von heute auf morgen verspielen kann. Auch wenn noch so sehr dagegen protestiert wird.

 

 

 

Quelle und weitere Infos: http://gegenblende.dgb.de/

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