Annähernd jede zweite der 48 Strafanzeigen gegen das Wachpersonal in Flüchtlingsheimen in NRW betrifft die Einrichtung für Asylbewerber in Dortmund-Hacheney. Hierbei handelt es sich um Anzeigen wegen Körperverletzung, zum Teil auch schwerer Körperverletzung und Nötigung gegen Angehörige der Sicherheitsfirma, die vom Betreiber der Einrichtung European Homecare eingesetzt ist. Es ist von einer hohen Dunkelziffer der Straftaten gegen die Flüchtlinge in dieser Erstaufnahme-Einrichtung auszugehen, da es sich hier um eine sehr große Durchgangseinrichtung handelt, in der eine hohe Fluktuation stattfindet und nur ein kurzfristiger Aufenthalt der Menschen vorgesehen ist.
Aber nicht im Dunkeln dürften die Abläufe hinter den Mauern liegen, da doch Fachkräfte der Wohlfahrtsverbände und der Stadt Dortmund dort regelmäßig vor Ort sind und die Asylverfahrensberatung anbieten.
Bereits Anfang 2013 gab es die ersten Anzeigen und eingeleitete Verfahren gegen die Sicherheitskräfte. Es ist unverständlich, dass Dortmunds Oberbürgermeister noch im September 2014 der Sicherheitsfirma gute Arbeit bescheinigte und dann zum 01. Oktober im Einverständnis mit European Homecare einen neuen Sicherheitsdienstleister einsetzte.
Auch kennt man in Dortmund seit über 10 Jahren den „Anbieter von Soziale Dienstleistungen, European Homecare GmbH“. Er übernahm im Jahr 2003 die Betreuung der Flüchtlinge in Dortmund von der AWO, da er bei der europaweiten Ausschreibung der billigste Anbieter war und die Stadt ihm den Zuschlag gab.
Proteste dagegen gab es damals schon.
Auch hätte man wissen können, dass Sascha Korte, der Geschäftsführer von European Homcare, ein wahrer Multifunktionär ist, der europaweit engagiert ist.
Andreas Gora, Geschäftsführer des Kreisverbandes der AWO Dortmund schrieb im „AWO Profil 2/2001“ einen Kommentar unter der Überschrift: Billiger ist nicht immer besser: „Die Arbeiterwohlfahrt hat diese Betreuungsarbeit über viele Jahre in der Gemeinschaftsunterkunft an der B1 Dortmund geleistet und hat garantiert, dass in der Landeseinrichtung am Westfalendamm humanitäre Standards vorgehalten wurden, die internationale Anerkennung gefunden haben. Nach einer europaweiten Ausschreibung wird die Betreuung der Landeseinrichtungen neu vergeben. Sie soll von einem privaten Anbieter fortgeführt werden. Ob dann noch die Betreuung von Flüchtlingen in einer freizügigen Gemeinschaftsunterkunft im Vordergrund steht oder die Versorgung in einem Sammellager wissen wir nicht.“
Die Betreuung wurde neu vergeben und zwar an die European Homecare GmbH.
In ihrem Selbstverständnis heißt es: „Die European Homecare GmbH ist ein Familienunternehmen mit Sitz in Essen, NRW und wurde 1989 für den Betrieb von Wohnheimen für Asylbewerber und Flüchtlinge gegründet. Im Laufe der Zeit erweiterte sich unser Leistungsspektrum, so dass wir seit vielen Jahren die Unterbringung und soziale Betreuung samt Nebenleistungen von Asylbewerbern, Flüchtlingen und anderen sozialen Randgruppen durchführen. Inzwischen sind wir nicht nur in Deutschland, sondern auch europaweit tätig.
Unsere Leistungen:
- seit 25 Jahren umfangreiche Erfahrungen im Bereich des Managements von unterschiedlichen Einrichtungen für Asylbewerber, Flüchtlinge und andere soziale Randgruppen sowie deren (psycho-)soziale Betreuung.
- hohe Qualitätsstandards, Zertifizierung im Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9001:2008, Arbeit nach HACCP (Lebensmittelhygiene) und Risikomanagement im Bereich Brandschutz und Facility Management.
- Schnelle und flexible Reaktion auf Anforderungen des Auftraggebers durch erfahrenes Personal, Ressourcen- und Aufstockmöglichkeiten bei Bedarf.
- enge Zusammenarbeit mit den Auftraggebern, geprägt von gegenseitigem Vertrauen
- erfolgreiche Durchführung von EU-Projekten (z.B. SOLID Fonds, REAG) und lokalen Hilfsmaßnahmen für Länder, Kommunen und Gemeinden im Flüchtlingswesen.
Wir verbinden wirtschaftliches Handeln mit sozialer Kompetenz!
Werte
Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Menschen in Not zu helfen und ihnen den Alltag zu erleichtern. Dazu tragen vor allem unsere soziale, organisatorische und interkulturelle Kompetenz und Erfahrung bei.
In enger Zusammenarbeit mit öffentlichen Auftraggebern und privaten Institutionen (NGOs, Vereinen etc.) managen wir den Betrieb von Unterkunftseinrichtungen und die soziale Betreuung von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Wohnungslosen, die auf unsere Unterstützung angewiesen sind.
Unser Ziel ist, ihnen im Rahmen ihres Aufenthaltes Orientierung zu geben und ihr Selbstwertgefühl zu stärken, damit sie sich in ihrem neuen Leben zurechtfinden. Die Grundlagen unseres Erfolges sind:
- auf geschäftlicher Ebene: Flexibilität, Effektivität, strikte Auftragserfüllung, geringe Overheadkosten und Kostenbewußtsein
- auf menschlicher Ebene: soziales Engagement, Einfühlungsvermögen, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein
- auf internationaler Ebene: interkulturelles Wissen, unterschiedlichste Fremdsprachenkenntnisse und internationale Erfahrung
Soziale Betreuung
Bereits von der ersten Minute an, in der ein neuer Bewohner die Einrichtung betritt, beginnt die soziale Betreuung. Unsere Mitarbeiter begleiten ihn zu den für ihn wichtigen Orten auf dem Gelände, händigen ihm schriftliche Informationen aus und erklären ihm die Abläufe, um ihm in den ersten Tagen Orientierung zu geben. Je nach Art der Einrichtung handelt es sich um:
- Lage und Öffnungszeiten von InfoCenter, Gemeinschafts- und Gebetsräumen, IT- und Sportraum, Speisesaal oder Gemeinschaftsküchen, Kindergarten oder Kinderspielzimmer, Frauenraum, Zentren der medizinischen und psychologischen Betreuung, Büro der Rückkehrberatung sowie der Verfahrensberatung zum Asylantrag, die von Externen durchgeführt wird
- Hausordnung, die die allgemeinen Abläufe in der Einrichtung regelt und in mehreren Sprachen vorliegt
- Besondere Angebote wie organisierte Freizeitaktivitäten (z.B. Sport, Spiele, Filme, religiöse und kulturelle Feste), Deutschunterricht, Nachhilfe und Beaufsichtigung der Hausaufgaben für schulpflichtige Kinder, Programme für unbegleitete Minderjährige etc.
Die soziale Betreuung während des Aufenthalts in der Einrichtung ist natürlich geprägt von Gesprächen mit den Bewohnern, Unterstützung bei persönlichen und familiären Problemen, Durchführung von deeskalierenden Maßnahmen bei Problemen zwischen Bewohnern, Motivation der Bewohner zur Teilnahme an gemeinsamen Freizeitaktivitäten und zur Entwicklung von Eigeninitiative, Vermittlung an Behörden, Verbände oder Initiativen etc.
Mit anderen Worten: Unsere Mitarbeiter unterstützen und begleiten die Bewohner so umfassend wie möglich und helfen ihnen, die Schwierigkeiten im Alltag zu meistern.“
Sascha Korte ist derzeit als Geschäftsführer zuständig für:
European Homecare GmbH, Am Uhlenkrug 45 in 45133 Essen;
European Homecare GmbH, Austria, Pergerstraße 12/8 in 2500 Baden bei Wien
European Homecare GmbH, Ireland c/o 88 Harcourt street Dublin 2
PN Pflege-Netzwerk GmbH, Am Uhlenkrug 45,45133 Essen
Über Sascha Korte schreibt die Zeitschrift „der Standart“/Österreich im August 2003 unter der Überschrift: Juniorchef Sascha Korte macht Business mit Flüchtlingen. „Rolf-Dieter, der Vater, werkt im Hintergrund. Die operativen Geschäfte des Unternehmens European Homecare hat bereits sein Sohn übernommen. Der 30-jährige Sascha Korte ist der jugendliche Frontmann in der Flüchtlingsbetreuung. Er macht kein Geheimnis daraus, dass sich die Dienstleistung Flüchtlingsbetreuung << selbstverständlich >> Gewinn bringend betreiben lasse, erklärt er eloquent. Es gehe um effektive Strukturen, die er mit European Homecare schaffe, << aber nicht auf dem Rücken der Leute >>, fügt er hinzu. Dafür stelle das Unternehmen auch Sozialarbeiter und Berater in den Flüchtlingsheimen und Wohnprojekten. Unzufrieden ist er mit dem Bild von European Homecare in der Öffentlichkeit: hier die guten, karitativen oder staatlichen Organisationen, da die bösen privaten. Die Debatte werde mit zu viel Emotion geführt. Er wünscht sich mehr Information, damit seine Arbeit nicht nur << schwarz und weiß >> gesehen werde.“
Seine Unzufriedenheit mit dem Bild von European Homecare in der österreichischen Öffentlichkeit liegt allerdings nicht in der Berichterstattung begründet, sondern in den skandalösen Vorkommnissen in seinen Einrichtungen schon Anfang der 2000er Jahre. So kam bei einer Massenschlägerei in Traiskirchen/Österreich ein Flüchtling aus Tschetschenien ums Leben, als Folge des Zusammenpferchens von 800 Menschen verschiedenster Nationalitäten auf engstem Raum. Kurz darauf zeigte eine Frau aus Kamerun einen Wachmann der Unterkunft wegen Vergewaltigung an. Der Mann wurde aber freigesprochen. Seit die Firma European Homecare die Leitung der Einrichtung übernahm, wurde das Essen für die Flüchtlinge kostengünstig tiefgekühlt aus Deutschland angeliefert. Große Empörung löste aber aus, dass etwas so Heikles wie die Rückkehrberatung einer Privatfirma übertragen wurde – dies war politisch in Österreich nicht haltbar und wurde rückgängig gemacht. (Angaben aus Zeitschrift „Arbeit und Wirtschaft“ des Österreichisches Gewerkschaftsbundes -ÖGB).
Ein Blick ins Internet hätte auch bei der Stadt Dortmund genügt, mehr über den Billiganbieter von „Sozialen Leistungen Europaen Homecare“ zu erfahren.
Wie lautete noch die Überschrift über dem Kommentar Andreas Goras (AWO Dortmund) aus dem Jahr 2002: „Billiger ist nicht immer besser“.
In den vergangenen Wochen waren viele AWO-Beschäftigte auf der Straße. Zusammen mit ihrer Gewerkschaft ver.di streiken sie für eine Erhöhung der monatlichen Einkommen um einen Sockelbetrag von 100 Euro zuzüglich 3,5 Prozent, was dem Tarifniveau vergleichbarer Beschäftigter in staatlichen Einrichtungen entspricht.
Die AWO hat sich in den vergangenen 10 Jahren also auch zum Billigheimer im sozialen Dienstleistungsgeschäft entwickelt.
Schade, sie stand doch mal der Arbeiterbewegung ganz nahe.
Quellen: Stadt Dortmund, European Home Care, WAZ
Bild: Image.de