Pegida wirkt schon – erneute Verschärfung des Aufenthaltsrechts ist in der Planung

FlüchltingeUm Konflikte zu vermeiden, um Verständnis zu werben und eine Willkommenskultur zu etablieren, betreibt auch die Stadt Dortmund eine offensive Informationspolitik. Als ein besonderes Zeichen der Willkommenskultur wurden von mehreren Bezirksvertretungen in Dortmund gleichlautende Anträge zur Hilfestellung für die Arbeit mit den Flüchtlingen verabschiedet, die interfraktionell, über alle Parteigrenzen hinweg, eingebracht wurden. Dies ist zu begrüßen.

Das ist aber nur die eine Seite.

Ende März 2015 gelang es Neonazis, in eine noch leer stehende Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Dortmund-Wickede einzudringen und Aufkleber mit ausländerfeindlichen Parolen zu hinterlassen. Seit einigen Monaten gehen tausende „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pediga)“ auf die Straße. Zeitgleich plant die Bundesregierung eine erneute Verschärfung des Aufenthaltsrechts.

Seit einiger Zeit breitet sich wieder einmal bundesweit eine aggressive und gewalttätige Bewegung gegen Flüchtlinge aus. Laut Pro Asyl gab es im vergangenen Jahr 77 gewalttätige Übergriffe auf Flüchtlinge und 153 Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte, davon 35 Brandanschläge. Die Bundesregierung bestätigte offiziell die 150 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im Jahr 2014.

Bekannt wurde in den letzten Wochen der Ort Töglitz, weil dort der Bürgermeister Markus Nierth wegen rechtsextremer Anfeindungen zurücktrat und in der Nacht zum 4. April 2015 ein Brandanschlag auf ein geplantes Asylbewerberheim verübt wurde. Aber es gab viele Tröglitz, so fackelten zum Beispiel im Dezember 2014 Neonazis im mittelfränkischen Vorra einen renovierten Gasthof ab, der als Flüchtlingsunterkunft dienen sollte. In Escheburg bei Lübeck brannte es im Februar 2015. Anfang März setzten Unbekannte im badischen Malterdingen ein Heim unter Wasser.

Solche Angriffe erfolgen vor dem Hintergrund politischer Stimmungsmache gegen unerwünschte Migranten. Es gibt immer schon einen Zusammenhang zwischen Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte und der öffentlichen Diskussion der Bundesregierung über den angeblichen „Asylmissbrauch“ und „Missbrauch des Rechts auf Freizügigkeit“ in der EU.

Der Zusammenhang zwischen staatlicher Hetze gegen Migranten und rassistischer Gewalt wurde schon Anfang der der 1990er Jahre beim Pogrom von Rostock oder dem Brandanschlag von Solingen deutlich. Damals folgte eine weitreichende Einschränkung des Asylrechts.

Dieses Mal ging es zunächst gegen die Einreise von Menschen vor allem aus Südosteuropa, die generalisiert als Roma bezeichnet werden. Forderungen wurden erhoben, dass der Staat tätig werden und Maßnahmen gegen die Einwanderer ergreifen muss.

Jetzt plant die Bundesregierung erneut die Verschärfung des Aufenthaltsrechts.

Unter dem Titel „Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ soll die verschärfte Abschieberegelung im Mittelpunkt stehen:

  • Abschiebungen sollen in Zukunft schneller und konsequenter durchgeführt werden, unter anderem durch eine massive Ausweitung der Abschiebehaft. So könnten Geflüchtete, die gewisse Anhaltspunkte dafür liefern, dass sie sich einer Abschiebung durch Flucht entziehen wollen, künftig inhaftiert werden. Die Liste der Anhaltspunkte ist dabei so umfangreich ausgefallen, dass fast alle Geflüchteten, die nicht auf dem Luftweg sondern über einen sogenannten „sicheren Drittstaat” nach Deutschland einreisen, automatisch dagegen verstoßen müssen. Insbesondere trifft diese Neuregelung auch Asylsuchende, die unter die sogenannte Dublin-Verordnung fallen (Diese Verordnung der EU regelt, welcher Mitgliedstaat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist).
  • Zusätzlich sollen die Möglichkeiten zur Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots deutlich verschärft werden. Sie beziehen sich zum Beispiel auf Personen, die aus einem „sicheren Herkunftsland” kommen und deren Asylanträge als „offensichtlich unbegründet” abgelehnt wurden oder wenn die betreffenden Personen der Ausreisepflicht nicht nachgekommen sind, was faktisch für alle Geduldeten zutrifft. Damit würde die geplante Verbesserung der Bleiberechtsregelung, wie sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde, im gleichen Atemzug durch die Hintertür wieder ausgehöhlt.
  • Die neuen Regelungen zur Abschiebehaft können wie ein „Inhaftierungsprogramm“ für Asylsuchende wirken.

Wie schnell reagiert werden kann, zeigte sich im Februar 2015. Nach dem in den vergangenen Monaten rund 18.000 Menschen aus dem Kosovo eingereist waren, wurde das Asylverfahren für sie verkürzt und das Kosovo als „sicheres Herkunftsland“ eingestuft. So können nun Anträge schneller bearbeitet und Betroffene zügiger abgeschoben werden. Außerdem wurden 20 Bundespolizisten vom Innenministerium in das Transitland Serbien geschickt, um die Flüchtenden dort aufzuhalten.

Ein Treppenwitz der Geschichte ist, dass Deutschland mit dem Überfall der NATO auf Jugoslawien 1999 auf Seiten der kosovarischen Terrororganisation UCK offen in den Krieg gegen Serbien eintrat und den Kosovo besetzte. Dies wurde als Befreiung des Kosovo bezeichnet, genau dem Land, das nun so viele Menschen wegen Armut, Perspektivlosigkeit und Chaos in Richtung Deutschland verlassen wollen.

Mehrere Innenminister der Länder fordern jetzt das Asylrecht zu verschärfen. Doch auch das wird wenig bringen.

Seit November 2014 gelten bereits Serbien und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten, aber die Zahl der Zuwanderer aus diesen Ländern ist dadurch nicht gesunken.

Die Politik versucht sich wie seit Jahrzehnten schon, in Abwehr und blindem Aktionismus, um ein Problem zu lösen, das sich nur langfristig lösen lässt.

Der Gesetzesentwurf, der im Juni 2015 in Kraft treten soll, geht weit über die Forderungen von Pegida hinaus.

 

Weitere Infos: https://gewerkschaftsforum.de/in-dortmund-ist-man-dabei-eine-willkommenskultur-fuer-fluechtlinge-zu-etablieren-gleichzeitig-macht-die-eu-die-grenzen-noch-mehr-zu/  und https://gewerkschaftsforum.de/koerperverletzung-und-noetigung-von-asylbewerbern-in-dortmund-ein-billigheimer-wurde-fuer-die-betreuung-von-fluechtlingen-engagiert/

Quellen: Bündnis für Bedingungsloses Bleiberecht (BdB), Pro Asyl, WAZ

Bild: Radio Bayern