Poststreik – was beim Streik in einem Unternehmen, an dem der Staat mit 21 Prozent beteiligt ist so alles abgeht

344458251-post-verdi-streik-dpa_20150416-130657-1teRwGC1aQNGDer rund vierwöchige Tarifstreit zwischen der Deutschen Post und der Gewerkschaft ver.di ist beendet. Nach einem Verhandlungsmarathon Anfang Juli haben sich beide Parteien geeinigt. Sie beschlossen unter anderem eine Einmalzahlung für die 140.000 Konzernmitarbeiter von 400 Euro im Jahr 2015, eine Lohnerhöhung um zwei Prozent im Jahr 2016 und eine Erhöhung von 1,7 Prozent ein weiteres Jahr später.

Die zum Jahresbeginn ausgegründeten Paketgesellschaften mit schlechterer Bezahlung werden allerdings nicht aufgelöst oder in den Post-Haustarifvertrag aufgenommen. Das war eine der Kernforderungen der Gewerkschaft ver.di im Tarifstreit, da in diesen Gesellschaften die rund 6.500 Mitarbeiter weniger Lohn erhalten als ihre Kollegen im Konzern. Die Deutsche Post hatte von vornherein klargestellt, dass die Paket-Gesellschaften „nicht verhandelbar“ seien und so war es dann auch.

Die Schlappe für ver.di kann auch nicht ausgleichen, dass es gelungen ist, die verbleibenden Paketzusteller in der Deutschen Post dauerhaft abzusichern. So verpflichtete sich die Post, ihre aktuell im Unternehmen arbeitenden Paketzusteller beim Mutterkonzern zu behalten und nur die neu eingestellten Beschäftigten sollen in die ausgegründeten Gesellschaften für weniger Geld arbeiten.

Der Kündigungsschutz bei der Post wird zudem um vier Jahre bis Ende 2019 verlängert. Eine Vergabe von Brief- oder kombinierter Brief- und Paketzustellung an Fremdfirmen soll bis Ende 2018 ausgeschlossen bleiben. Bei der Senkungen der Wochenarbeitszeit auf 36 Stunden konnte sich ver.di ebenfalls nicht durchsetzen, auch diese Forderung war „nicht verhandelbar“, es wird bei 38,5 Stunden bleiben.

Die Post hat ihren Aktionären für die kommenden Jahre jeweils acht Prozent mehr Gewinn und auch für dieses Jahr eine steigende Dividende versprochen. Deshalb musste sie schon das Briefporto erhöhen, was natürlich nicht ausreicht. So hat die Deutsche Post AG in dem Arbeitskampf von Anfang an zu unlauteren und ungesetzlichen Mitteln gegriffen und die Beschäftigten mit Jobverlust bedroht, nur weil die ihr Grundrecht auf Streik wahrnehmen.

Besonders interessant ist, was bei einem Streik in einem ehemaligen Staatsunternehmen an dem der Bund noch mit 21 Prozent beteiligt ist, so alles an unglaublichen Dingen abgeht, wobei die „Sozialpartnerschaft“ längst auf der Strecke geblieben ist.

 

Die Aktionäre der Deutschen Post AG freuen sich über eine Rekord-Dividenden-Ausschüt-tung. Die Hauptversammlung der Deutschen Post AG beschloss eine Ausschüttung für das Jahr 2014 von über einer Milliarde Euro und das steuerfrei. Mit einer Ausschüttungsquote von 49,7 Prozent und einer Dividendenrendite von 3,1 Prozent liegt der ehemalige Staatsbetrieb über dem DAX-Durchschnitt.

Doch bezahlen müssen die Gewinne die Beschäftigten des ehemaligen Staatsbetriebs – mit Tarifflucht, Lohndumping und Stellenabbau. In Krisenzeiten müssen die Beschäftigten den Gürtel enger schnallen, in Boomphasen müssen hohe Dividenden an die Shareholder fließen.  Die Verlierer sind immer die Beschäftigten.

Während des Arbeitskampfes zwischen der Deutschen Post und der Gewerkschaft ver.di wurde auf Seiten des Konzerns, bei dem der Staat Anteile hält und entsprechenden Einfluss hat, unlautere und ungesetzliche Mittel eingesetzt, wobei andere staatliche Stellen fleißig mit machten.

Postbeschäftigte, berichten dass

  • Befristungen nicht verlängert und die Arbeitsverträge einfach auslaufen sollen, wenn man sich am Streik beteiligt. Das ist ein glatter Verstoß gegen das Grundgesetz und das darin enthaltenen Streikrecht.
  • Streikbrecher an den Wochenenden 100 Euro extra cash und 30 Prozent auf den anfallenden Lohn erhielten. Sie seien gefragt worden, ob sie nicht Verwandte oder Bekannte hätten, die einspringen möchten – das Briefgeheimnis galt nicht mehr.
  • an Wochenenden in vielen Regionen Deutschlands „freiwillige“ Hilfskräfte unterwegs waren, um liegengebliebene Sendungen zuzustellen. Mehr als 2.700 Hilfskräfte sollen im Einsatz gewesen sein. Ein klarer Verstoß gegen das Sonntagsarbeitsverbot.
  • in einigen Orten Pakete von bei Privatpersonen abgegeben wurden, die dann diese ausgeben sollten. Für die Ausgabe der Pakete an die Empfänger wurde 0,50 € pro Paket bezahlt. Den Empfängern wurden Benachrichtigungskarten eingeworfen, damit den eigentlichen Empfängern, diese Privatpersonen, die die Pakete bei sich lagerten, bekannt und die Pakete dort abgeholt werden konnten
  • das Briefzentrum in Frankfurt personelle Verstärkung von polnischen und rumänischen Streikbrechern bekommen hatte. Sie reisten mit einem Bus mit polnischem Kennzeichen an.
  • an der Universität Hamburg per Stellenanzeige um Studierende als „Abrufkräfte“ für das örtliche Paketzentrum geworben wurde. Für diese Zielgruppe gab es einen relativ hohen Stundenlohn von 10,36 Euro. Die Studierendenvertretung hat jedoch beim Stellenwerk der Hochschule erreicht, dass die Stellenanzeige entfernt wurde. Hier ging es um ein ekelhaftes Ausspielen der prekären sozialen Lage von Studierenden gegen diejenige von befristet Beschäftigten bei der Post.
  • die Bundesarbeitsagentur für Arbeit nach Leiharbeitern suchte, die als Streikbrecher eingesetzt werden sollten. Damit verstößt die Behörde gegen geltendes Recht. In den Stellenanzeigen war zu lesen, dass die Postsortierer für einen Hungerlohn von 8,20 Euro arbeiten sollen. Eine Bundesbehörde half so einem privatwirtschaftlichen Unternehmen, einen Streik zu brechen. Laut § 320, Absatz 5 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) besteht eine Streikanzeigepflicht gegenüber der Bundesagentur für Arbeit.
  • Beamte als Streikbrecher eingesetzt waren. Diejenigen, die einem Einsatz widersprachen, wurden dennoch auf bestreikten Arbeitsplätzen eingesetzt. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1993 ist der Einsatz von Beamten auf bestreikten Arbeitsplätzen unzulässig.
  • in einigen Sortierzentren Mitarbeiter zum Einsatz kamen, die von Großkunden wie etwa Online-Versandhändlern als Hilfskräfte für die Post abgestellt wurden. Es gab eine Personalüberlassung durch Geschäftspartner, die Post selbst sprach von einem ein halbes Dutzend namhafter Unternehmen, die Mitarbeiter schickten.
  • lokale Kurierdienste, Kleinbetriebe und Taxiunternehmen angesprochen wurden, um die Postsendungen zuzustellen. Auch hier gab es 50 Cent für jedes ausgegebene Paket und ebenfalls 50 Cent für jede zugestellte Benachrichtigungskarte.
  • Angestellte von Versandhäusern und Versicherungen in den nächstgelegenen Sortierzentren arbeiteten, damit die Sendungen nicht liegen blieben. Sie kümmerten sich nicht speziell um die Briefe und Pakete des eigenen Unternehmens sondern sortierten auch fremde Sendungen.
  • Bäckereien und kleine Lebensmittelläden Pakete lagerten.
  • Bonner Postbeamte nach Norddeutschland entsandt worden sind, um leere DHL-Fahrzeuge durch die Gegend zu fahren, damit es in der Region nicht so aussah, als ob gestreikt würde.
  • wegen der Teilnahme an Warnstreiks bei der Posttochter DHL Home Delivery GmbH am Standort Braunschweig Arbeitsplätze in Gefahr sind. Rund 220 Beschäftigte hatten sich daran beteiligt, 100 Beschäftigte soll es am 1. Januar 2016 weniger geben, trotz guter Auftragslage und schwarzer Zahlen.

Die Beispiele zeigen, wie mittlerweile Arbeitskämpfe ablaufen und mit welchen Mitteln gekämpft wird.

Die Deutsche Post AG hat dafür gesorgt, dass „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ mehr und mehr ein Slogan aus vergangen Zeiten wird und eine Arbeitszeitverkürzung erst gar nicht „verhandelbar“ ist.

Sie zeigen auch, dass der Staat, der ja noch einen recht großen Anteil an dem früheren Staatsbetrieb Post hat, sich aus der gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Verantwortung seit Jahren weitgehend heraus zieht, mit der Begründung, dass der Marktmechanismus immer dann besser funktioniert , wenn der Staat ihn weniger kontrolliert und steuert.

Sie zeigen auch, wie wichtig eine gewerkschaftliche Organisierung, besonders in diesen Brachen wie der Logistik wäre. Wären die Beschäftigten dort gut organisiert, könnten sie ein Lohnniveau durchsetzen, das dem der Paketzusteller bei der Post entspricht und damit den Unterbietungswettlauf bei dem Entgelt beenden. So könnten auch die Instrumente wie der Flächentarifvertrag, ein regelgebunden dynamisierter Mindestlohn und Arbeitnehmerschutzrechte abgestaubt und wieder ans Tageslicht geholt werden.

Und die Gewerkschaft? Die Dienstleistungsgewerkschaft sollte einfach ehrlich sein und zugeben, dass sie unter den derzeitigen Kräfteverhältnissen diesen Arbeitskampf nicht gewonnen hat. Es ist ihr nicht gelungen, dass die Post die neu gegründeten Gesellschaften aufgibt, in denen die rund 6500 Mitarbeiter weniger Lohn als ihre Kollegen im Konzern erhalten, dort nicht der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gilt und mit der Forderung der Arbeitszeitverkürzung auf 36 Stunden völlig gescheitert ist.

Viele Kolleginnen und Kollegen können nicht einsehen, dass sie so viel Engagement in den Streik eingebracht haben und so wenig dabei herausgekommen ist.

 

 

Quellen: ver.di, labournet, WAZ

Bild: dpa