Städte, Gemeinden, Länder und Bund geben jedes Jahr Milliarden aus – für Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Polizeifahrzeuge, Dienstwagen und vieles mehr. Sie sollten ein Vorbild sein und Aufträge nur an Firmen vergeben, die sich an die Tarifverträge halten, fordert die IG Metall. Wie viele Schlapphüte, Trenchcoats und Feldstecher der Bundesnachrichtendienst (BND) für seine Aufklärungsarbeit vorhält, darüber gibt es keine öffentlichen Zahlen. Bekannt ist aber, dass die Geheimdienstler im Jahr 2015 über einen Fuhrpark mit 614 Fahrzeugen verfügten, darunter 113 Geländewagen, 13 Lastwagen und sogar drei Wohnmobile. Die Bundesministerien und ihre nachgeordneten Behörden, zu denen auch der BND gehört, hatten insgesamt über 20 000 Fahrzeuge in ihrem Fuhrpark. Die Bundesländer haben ebenfalls stattliche Autoflotten. Genauso die Städte.
Große Marktmacht
Bund, Länder und Kommunen spielen als Auftraggeber in der Wirtschaft eine große Rolle. Sie geben jedes Jahr rund 400 Milliarden Euro für öffentliche Aufträge aus – für Brücken, Straßen, Gebäude, kulturelle, soziale und Bildungseinrichtungen und Krankenhäuser. Sie vergeben Fernmelde-, Elektro-, Schlosser- und Tischlerarbeiten, lassen Heizungen, Lüftungen und Sanitäranlagen installieren, Aufzüge bauen und kaufen Fahrzeuge. Es sind Aufträge, die zigtausenden Beschäftigten Arbeit geben. Mit ihrer riesigen Marktmacht kann die öffentliche Hand Einfluss ausüben. Die IG Metall und die anderen DGB-Gewerkschaften fordern, dass sie ihn nutzt, um ein Vorbild für die gesamte Wirtschaft zu sein, Sie soll sich bei der Auftragsvergabe an sozialen und Umweltstandards orientieren, also am Gemeinwohl. Schließlich geht es um die Verwendung von Steuergeldern.
Initiative für Tariftreue
Schon 2014 hatte die Europäische Union in einer Richtlinie ökologische und soziale Kriterien aufgewertet und klargestellt, dass sie nicht „vergabefremd“, sondern legitim sind. Vor zwei Jahren ist das deutsche Vergaberecht reformiert wurden. Das 2016 geänderte Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen eröffnet Möglichkeiten, solche Kriterien zu berücksichtigen. Am 5. September treffen sich Gewerkschafter mit Politikern, Wissenschaftlern, Wirtschaftsvertretern und Nichtregierungsorganisationen, um eine Bilanz der Vergaberechtsreform zu ziehen und die Frage zu stellen, wie es weitergehen kann. „Wir wollen eine Initiative starten, dass die öffentliche Hand Aufträge nur noch an Firmen vergibt, die tariftreu sind“, sagt Ralf Kutzner, der im IG Metall-Vorstand für das Handwerk zuständig ist.
Tarifflucht im Handwerk
Gerade im Handwerk tummeln sich sehr viele Betriebe, die sich nicht um Tarifverträge und gute Arbeitsbedingungen scheren. Damit setzen sie diejenigen Betriebe, die tariftreu sind, mit Lohndumping und Billigkonkurrenz unter Druck. Im Kfz-Gewerbe sind viele Innungen aus der Tarifbindung ausgestiegen – obwohl sie eigentlich den gesetzlichen Auftrag haben, Tarifverträge abzuschließen. So sind in Ostdeutschland, einschließlich Berlin, nur knapp 100 der rund 13 000 Kfz-Betriebe tarifgebunden. In Hessen sind es 150 von knapp 3700 Autohäusern. Nur in Rheinland-Pfalz und im Saarland sind alle Innungsbetriebe des Kfz-Handwerks über einen Flächentarifvertrag mit der IG Metall in der Tarifbindung.
Derzeit arbeitet im gesamten Handwerk noch nicht einmal mehr jeder dritte Beschäftigte in einem tarifgebundenen Betrieb. Die große Mehrheit muss nicht nur Löhne teilweise weit unter den tariflichen Standard in Kauf nehmen, sondern auch überlange Arbeitszeiten und weniger Urlaubstage oder andere soziale Leistungen. Allein die Entgelte liegen im Handwerk insgesamt rund 20 Prozent unter denen anderer Wirtschaftsbereiche.
Das hat Folgen. Fleißige Handwerkerinnen und Handwerker werden um eine gute Rente betrogen und sind im Alter oft von Grundsicherung abhängig. Letztlich muss also der Staat mit Steuermitteln draufzahlen. Solche Perspektiven führen dazu, dass zwei von drei gut ausgebildeten Handwerkern in die Industrie oder andere Wirtschaftsbereiche abwandern.
Schmutzkonkurrenz um saubere Wäsche
Wenig tariftreue Betriebe gibt es auch im Textilservice. Von den rund 40 000 Beschäftigten in den Großwäschereien, meist Frauen, sind nur etwa 14 000 an Tarifverträge der IG Metall gebunden. „Die Beschäftigten in Betrieben, in denen keine Tarifverträge gelten, verdienen 35 bis 40 Prozent weniger als in einem der zehn bundesweit noch existierenden tarifgebundenen Firmen“, sagt Thorsten Senhen, der beim IG Metall-Vorstand als Tarifexperte für textile Dienstleistungen zuständig ist. In den Betrieben, in denen es um saubere Wäsche geht, herrscht Schmutzkonkurrenz. Auch hier könnte der Staat einiges verbessern. Die Betriebe vermieten und reinigen zum Beispiel Matten in öffentlichen Gebäuden; davon gibt es unendlich viele. Sie waschen Berufskleidung, wie Uniformen, oder Krankenhauswäsche, auch für städtische Hospitäler. All das summiert sich zu großen Auftragsvolumina.
Starke Zeichen setzen
Der Staat kann viele und starke Zeichen setzen. „Öffentliche Aufträge sollten nur noch an Firmen vergeben werden, die tariftreu sind und Entgelte zahlen, die in den jeweiligen Tarifverträgen vorgesehen sind“, sagt IG Metall-Vorstandsmitglied Ralf Kutzner. Vor allem im Handwerk sollten Aufträge nur noch an Mitglieder der Innungen vergeben werden, die tatsächlich tarifgebunden sind. „Der Staat kann durch seine Vergabepraxis sehr viel dazu beitragen, dass die Tarifbindung wieder gestärkt wird.“
Luft nach oben
Das gilt auch für ganz Ostdeutschland. In den neuen Bundesländern ist die Zahl der Betriebe, die nicht tarifgebunden sind, erheblich höher als in den alten. Nicht nur im Handwerk und in Dienstleistungsbetrieben, auch in der Industrie. Das ist ein Grund dafür, dass die Entgelte im Osten insgesamt niedriger als im Westen sind. Zwar habe sich bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen an tarifgebundene Firmen „schon einiges getan“, räumt Thorsten Gröger ein, der den IG Metall-Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt leitet. „Aber da ist noch deutlich Luft nach oben.“
Quelle und Bild: IG Metall