TTIP und TiSA – die geplanten Deregulierungen werden vor allem den Dienstleistungssektor betreffen

eurodollar kleinerBei der Diskussion um das Transatlantische Handelsabkommen (TTIP) bekommt man einfach nicht mehr das Chlorhühnchen aus den Köpfen der Menschen. Bei den Verhandlungen zwischen den USA und der EU geht es gar nicht so sehr um Waren, sondern vor allem um die Dienstleistungen, ein riesiger Bereich auch in Deutschland, in dem mittlerweile 73, 7 Prozent aller Erwerbstätigen, vor allem Frauen, beschäftigt sind.

Vielen Menschen ist nicht bekannt, dass es schon seit einiger Zeit auch Verhandlungen „Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen“ das TiSA-„Trade in Services Agreement“ gibt. Der Dienstleistungssektor ist aber nicht nur als Beschäftigungsmotor von Bedeutung, sondern er wird auch wegen seiner enormer wirtschaftlichen Kraft für den Handel interessant. Allerdings kann man mit öffentlichen Dienstleistungen, nur dann Handel treiben, wenn man sie vorher privatisiert.

Die Abkommen, die derzeit geheim verhandelt werden, entpuppen sich immer mehr als Deregulierungsabkommen mit enormen Auswirkungen auf die konkrete Lebenssituation der Menschen.

Während einigen interessierten Leuten schon etwas vom geheim gehaltenen Transatlantischen Handelsabkommen (TTIP) bekannt ist, kennt kaum jemand TiSA, das „Trade in Services Agreement“. Das wundert nicht, denn auch diese Verhandlungen werden geheim geführt.

Die Verhandlungen über das TiSA begannen 2012. Im Gegensatz zu den bilateralen (zweitseitigen) Verhandlungen über Handels- und Investitionsabkommen wie bei TTIP, wird über TISA plurilateral (mehrere Seiten), d.h. in einer Gruppe von „willigen“ Staaten verhandelt. Die derzeitigen TISA-Verhandlungspartner sind Australien, Kanada, Chile, Taiwan, Kolumbien, Costa Rica, Hong Kong, Island, Israel, Japan, Liechtenstein, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, Südkorea, die Schweiz, die Türkei, die Vereinigten Staaten und die Europäische Union als Vertreterin ihrer 28 Mitgliedstaaten.

Die TiSA-Verhandlungsführer haben den Auftrag, eine Liberalisierung des Dienstleistungshandels zu erreichen. Die Verhandlungen werden nicht öffentlich geführt und deren Verhandlungstexte werden auch nicht veröffentlicht. Maßgebliche Antreiber dabei sind die großen transnationalen Konzerne der Dienstleistungswirtschaft, die sich in Lobbygruppen wie der US Coalition of Service Industries und dem European Services Forum zusammengeschlossen haben.

In der EU wurden im Jahr 2012 in dem Dienstleistungssektor über 70 Prozent des Bruttosozialproduktes und in den USA sogar über 77 Prozent erwirtschaftet. Da werden natürlich Begehrlichkeiten der privaten Unternehmen geweckt, die den Öffentlichen Beschäftigungssektor auch bei uns bedrohen. Schließlich geht es um etwa 150 Branchen in denen 82,7 Prozent aller erwerbsfähigen Frauen arbeiten und die werden besonders von weiteren Deregulierungen betroffen sein. Haben sie noch eine „gute Arbeit“, mit den erkämpften Rechten wie Sozial- und Gesundheitsstandards, Tarifrecht, Mindestlöhnen, Arbeitszeitregelungen und Mitbestimmungsrechte, werden demnächst diese gesellschaftlichen Errungenschaften als Handelshemmnisse bezeichnet, die als erstes beseitigt werden müssen. Weil ein größerer Markt auch mehr Konkurrenz bedeutet, müssen entsprechend die Kosten gesenkt und die Standards für den Schutz der Beschäftigten aufgegeben werden.

Vor allem wird es um den gesamten Care-Bereich gehen, also um Krankenhäuser, Gesundheitsversorgung, Bildungs-, Erziehungs- und Schulsystem und den Sozialen Diensten, angefangen von der Jugend- bis zu Altenhilfe. Dort sind überwiegend Frauen beschäftigt, die schon jetzt dreifach belastet sind: durch nicht bezahlte Familienarbeit, Berufstätigkeit und oft noch Angehörigenpflege. Beruflich werden sie meist in sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen gepresst, geprägt von Teilzeit und Befristung und oft auch ohne Tarifverträge.

Mit den öffentlichen Dienstleistungen kann man aber erst dann Handel treiben, wenn diese privatisiert sind. Bislang konnten noch viele Kommunen, die die öffentliche Daseinsversorgung gewährleisten, sich gegen die Privatisierung wehren. Ob die Kommunen, als die kleinste demokratische Einheiten unseres Staatswesens und die Keimzelle der Demokratie, sich gegenüber den Angriffen internationaler Kapitalinteressenvertretungen behaupten können, ist mehr als fraglich. Vor allem dann nicht, wenn sie den „Tricksereien“ bei den TTIP und TiSA Abkommen ausgeliefert sind.

In den Abkommen sollen immer wieder Klauseln benannt werden, die eine Privatisierung öffentlicher Güter dauerhaft festschreiben oder sogar die „living aggreement“ geplant sind, d.h. US- und EU-Gesetzgeber beraten darüber, wie die Gesetzgebung in Zukunft angeglichen werden kann. Das betrifft neue, wie schon bestehende Gesetze gleichermaßen. So können dann bestehende nationale Bestimmungen, die durch das neue Abkommen noch nicht abgeschafft wurden, nachträglich so bearbeitet werden können, dass sie keine Hemmnisse mehr darstellen. Dass die Kommunen so auf der Strecke bleiben, ist mittlerweile jedem klar. Viele von ihnen haben ja bereits ausreichend Erfahrungen mit den Public-Private-Partnership (PPP), der vertraglich geregelten Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Unternehmen, machen können. Mit oft über 1000-seitigen Verträgen in englischer Sprache haben sie sich über den Tisch ziehen lassen und Teile der öffentlichen Daseinsversorgung den Privaten überlassen.

Wenn nun auch noch durch die Abkommen das System der Schiedsgerichtsbarkeit eingeführt und dadurch die Gewaltenteilung bei uns zerbröselt, werden die Kommunen, wie die anderen Beteiligten auch, nur noch kuschen.

Die Konzerne können dann schon klagen, wenn ihre Gewinnerwartungen nicht erfüllt werden und diese Klagen werden bewirken, wie schon geschehen, dass Gesetzesvorhaben zurückgenommen werden, weil dann Schadensersatzzahlungen aus den Steuermitteln fällig werden.

Auch soll noch den internationalen Konzernen ein Mitspracherecht bei der Überarbeitung von Bestimmungen gewährt werden, dafür ist der „Regulierungsrat“ geplant. Er soll aus Behörden- und Handelsvertretern bestehen und u.a. zur Vertiefung der regulatorischen Kooperation zukünftiger und auch bestehender regulatorischen Maßnahmen dienen. Praktisch wird das so sein, dass europäische Richtlinien entstehen werden, von denen niemand erfährt, wie sie zustande gekommen sind und nach denen sich die Gesetzgeber aber richten müssen.

Auf der anderen Seite sollen die EU, ihre Mitgliedstaaten und die deutschen Bundesländer demnächst wichtige Gesetze und neue Standards vorab mit den US-Amerikanern abstimmen. Im Rahmen der sogenannten regulatorischen Zusammenarbeit sollen Europäer wie Amerikaner mindestens einmal im Jahr eine Liste der geplanten Gesetzesvorhaben veröffentlichen. Die Liste der Vorhaben soll ebenso Zuschnitt und Ziele nennen, wie einen Zeitplan und Angaben zu den Folgen für den transatlantischen Handel und Investitionen enthalten.

Falls diese Abkommen Realität werden, haben sie nicht nur enorme Auswirkungen auf die konkrete Lebenssituation der Menschen, sondern greifen auch in die Verfassungen der einzelnen Staaten ein.

Für den einzelnen Bürger wird dann die demokratische Unterentwicklung der EU noch deutlicher erscheinen als bisher schon, seine politischen Mitgestaltungsmöglichkeiten noch mehr eingeschränkt und seine lang erkämpften Rechte weiter abgebaut werden.

 

Weitere Infos: https://gewerkschaftsforum.de/freihandelsabkommen-zwischen-eu-und-usa-was-hat-das-mit-uns-in-dortmund-zu-tun-5/Link TIPPArtikel

Quellen: monitor, ver.di, Lunapark 21

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