Achtung Spalter am Werk – die „Spielchen“ einiger DGB-Gewerkschaften

axtDie IG Metall, die IG Chemie, die Eisenbahnergewerkschaft EVG und die IG BAU haben gemeinsam mit dem DGB-Vorsitzenden Mitte April 2015 ein Kooperationsabkommen geschlossen. Zwar informiert, aber nicht offiziell eingeladen, waren die anderen vier DGB-Gewerkschaften ver.di, GEW, GdP und NGG, die als renitent gegenüber den Arbeitgebern und der Bundesregierung gelten.

Das Abkommen soll, so die offizielle Verlautbarung, dazu dienen, Abgrenzungsprobleme zwischen den beteiligten Organisationen zu vermeiden. So weit so gut. Aber wenn sich vier Einzelgewerkschaften zusammentun und die anderen vier DGB-Gewerkschaften bewusst außen vor lassen, ist das schon eine eindeutige Aussage. Bei dieser Ausgrenzung macht scheinbar auch der DGB-Vorsitzende mit.

Da geht es wohl um mehr.

Wer sich auch nur ein wenig mit den DGB-Gewerkschaften befasst, hat in der letzten Zeit beobachten können, dass die Organisationsstreitigkeiten untereinander deutlich zugenommen haben und die Meinungsverschiedenheiten werden immer offener ausgetragen, begleitet von einem raueren Umgangston. Als Beispiel wird dies bei dem geplanten Gesetz zur „Tarifeinheit“ deutlich. Die Spitzen von IG Metall, IG BCE und DGB begrüßen das Gesetz, ver.di, GEW und NGG mobilisieren dagegen.

Bei diesen grundsätzlichen Differenzen erscheint die Vereinbarung der vier Gewerkschaften als klare Botschaft und als Angriff gegenüber ver.di, GEW und NGG. In der Vereinbarung ist das Vorgehen für den Fall geregelt, dass sich die beteiligten Organisationen um Zuständigkeiten für bestimmte Branchen oder Betriebe streiten. In einem vierstufigen Verfahren sollen zunächst Gewerkschaftsvertreter vor Ort nach einer Lösung suchen. Falls das nicht gelingt, soll ein Mediationsgremium eingeschaltet werden. Wenn es auch dort keine Einigung gibt, geht der Fall erst an die Bundesvorstände und letztlich vor das DGB-Schiedsgericht.

Die erbittertsten Konflikte haben aber nicht so sehr IG Metall, IG BCE, IG BAU und EVG miteinander ausgetragen, sondern sie alle wechselweise mit ver.di.

Die Dienstleistungsgewerkschaft – auch 1.000-Berufe-Gewerkschaft genannt – hat natürlich die größten Abgrenzungsprobleme. Mit der IG BAU lag sie sich in der Vergangenheit heftig um die Vertretung der Reinigungskräfte in Krankenhäusern über Kreuz. Dieser Konflikt ist mittlerweile weitgehend beigelegt. Heftig sind derzeit die Auseinandersetzungen mit der IG Metall. Die hat schon vor 2 Jahren erklärt, dass alles, was zur Wertschöpfungskette eines Endprodukts gehört, in ihrem politischen Fokus sein muss, also die gesamte Lieferkette, sämtliche Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Herstellung von Autos, Maschinen u.ä. sollen von der IG Metall erfasst sein.

Geht es um die Frage, ob ein aus einem Industrieunternehmen ausgegliederter Dienstleistungsbetrieb nun der IG Metall oder einer anderen Gewerkschaft wie z.B. ver.di zufallen soll, dann regelt die Kooperationsvereinbarung nur (zu Lasten Dritter) Prinzipien für die Aufteilung unter den vieren (IG Metall, IG BCE, IG BAU und EVG)! Inklusive dem Prinzip, dass die Ausgliederung eines Betriebs aus einem Industriebetrieb für die Zuständigkeit der Herkunftsgewerkschaft spricht und sie dort bleibt.

Die Ausführungen der Vereinbarung in denen dargelegt wird, wie sich die Branchengrenzen auflösen, auch hinein in den Dienstleistungsbereich und wo die Wirtschaftsstruktur sich verändert, beißen sich sehr mit der völligen Ausgrenzung anderer Gewerkschaften, die in benachbarten oder vor – und nachgelagerten Branchen und Wertschöpfungsstufen vor Ort vertreten sind. Nirgendwo wird die NGG erwähnt, die mit der Nahrungsmittelverarbeitenden Industrie eine der großen Industriebranchen betreut, ebenso fehlt dort ver.di mit ihrer Druckindustrie. Fraglich ist außerdem, ob die IG Bau, Agra, Umwelt und die Eisenbahner noch wirklich Industriegewerkschaften sind.

Aber was wollen die vier Gewerkschaften und der DGB-Vorsitzende denn bewirken. Ein Blick in die Vereinbarung gibt Aufschluss:

„(Die vier Gewerkschaften) rücken zusammen, um diesen tiefgreifenden Strukturwandel demokratisch und sozial zu prägen. Globale Konkurrenz um Standorte, eine enorme Beweglichkeit der Kapitalströme und sehr hohe fixe Renditeerwartungen der Investoren treiben diese Veränderung schneller an, als wir das in der Vergangenheit erlebt haben. Das erfordert andere Arbeitsweisen und Kooperationen der Gewerkschaften in Deutschland, Europa und weltweit.“

Wie bitte?

Die Interessen und Bedürfnisse der Mitglieder und den abhängig Beschäftigten bleiben bei der Neuausrichtung gänzlich außen vor. Vielmehr unterwerfen sich die vier Einzelgewerkschaften den Unternehmen ohne Not. Sie befürworten in ihrer Vereinbarung die globale Konkurrenz um Standorte und sie loben sogar die wettbewerbsfähigkeitssteigernde Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Osteuropa. Sie akzeptieren die enorme Beweglichkeit der Kapitalströme und sogar „sehr hohe fixe Renditeerwartungen der Investoren“ als unvermeidlich. Damit akzeptieren sie auch die Schaffung einer ausgelagerten Unterklasse von geringer bezahlten Arbeitnehmern damit die Renditeerwartung auch eintritt und der man sich einfach anpassen muss.

Die Gewerkschaften, die die Auseinandersetzung vom Zaun brechen und eine Spaltung in Kauf nehmen, sind auch diejenigen, die seit langem dafür sorgen, dass die hiesigen Löhne hinter dem Produktivitätszuwachs zurückbleiben und damals schon den Steigbügelhalter für die Zielerreichung des damaligen Bundeskanzlers Gerd Schröder gaben, Deutschland zu einem Niedriglohnland zu machen. Sie waren und sind auch mit verantwortlich dafür, dass Deutschland in der EU der Exporteuropameister ist und die anderen Mitgliedstaaten diesen Überschuss mit ihrer Verschuldung finanzieren müssen.

Man ist wieder bei dem Trugschluss angekommen „was gut ist für Industriekonzerne ist gut für die Industriebeschäftigten und für Deutschland insgesamt.“ Aber eine Gewerkschaft, bei der der Streit um die Verteilung der Gewinne, um Arbeitszeitverkürzung und Arbeitsbedingungen nicht mehr vorkommt, macht sich doch selbst überflüssig.

Hier wird auch wieder der parteipolitische Einfluss auf diese Gewerkschaften deutlich, wie er bei der Positionierung zum Gesetz zur „Tarifeinheit“ wieder sichtbar wird. Man schlägt sich auf die Regierungsseite und lehnt regierungskritische und gesellschaftspolitische Kampagnen rigoros ab.

Wer berät denn eigentlich den DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann?

Wenn der sich öffentlich auf die Seite einer Fraktion stellt, kann er schnell zum Totengräber des Gewerkschaftsbundes werden, dem er selbst vorsitzt.

 

Hier die Kooperationsvereinbarung im Wortlaut [PDF – 511 KB] oder   http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2015/04/dgb_koop.pdf

 

Quelle: Daniel Behruzi, junge Welt, labournet

Bild: immonet.de