Heute ist Weltflüchtlingstag. Millionen Menschen sind weltweit wegen Krieg, Gewalt und Verfolgung auf der Flucht. Nur ein geringer Teil findet in Europa Schutz: Fluchtwege werden versperrt, der Zugang zum Recht auf Asyl in Europa ist in Gefahr.
In Deutschland hat Bundesinnenminister Seehofer eine Debatte um Zurückweisungen von Schutzsuchenden an der Grenze angefacht. Mit seinem Vorstoß legt der Innenminister Hand an ein wertebasiertes, menschenrechtlich aufgestelltes Europa. Es droht ein Domino-Effekt, bei dem Schutzsuchende von Staat zu Staat zurückgewiesen würden, ohne Chance, ihre Fluchtgründe vorzutragen und ohne dass sich ein Staat verantwortlich fühlt.
Weltweit waren 2017 rund 68,5 Millionen Menschen wegen Krieg, Gewalt und Verfolgung auf der Flucht – fast drei Millionen mehr als im Jahr davor. Doch der Zugang zum Recht auf Asyl in Europa wird zunehmend versperrt, immer weniger Menschen finden in Europa Schutz.
Über 16 Millionen neue Flüchtlinge hat UNHCR im vergangenen Jahr registriert. Statistisch gesehen wurde 2017 damit alle zwei Sekunden ein Mensch in die Flucht geschlagen. Die überwältigende Mehrheit, nämlich 85 Prozent, sucht dabei in Entwicklungsländern Zuflucht. Die Zahl der Asylsuchenden in Europa und Deutschland sank – das Ergebnis einer Abschottungspolitik, die mit allen Mitteln die Zahl ankommender Flüchtlinge nach unten drücken will.
Nach Deutschland kamen 2017 186.644 Asylsuchende, im Jahr zuvor waren es noch rund 280.000. Die meisten stammen aus Kriegs- und Krisenländern wie Syrien, Afghanistan, Irak, Iran oder Eritrea. Doch mit der zunehmenden Versperrung von Fluchtwegen rückt für Menschen auf der Flucht der Zugang zum Asylrecht auf Europa in unerreichbare Ferne.
Die Abschottungspolitik der EU beginnt vor ihren Grenzen
Die EU lagert ihr Grenzregime immer weiter vor: Flüchtlinge sollen schon in der Sahelzone und an der südlichen Landgrenze Libyens aufzuhalten. Selbst vor Kooperationen mit autoritären Regimen wird nicht zurückgeschreckt. Unter dem Deckmantel angeblicher Fluchtursachenbekämpfung werden Unrechtsregime gestützt und Schutzsuchenden der Zugang nach Europa und zu einem fairen Asylverfahren verwehrt.
Libysche Küstenwache bringt aus Seenot Gerettete zurück in Lager
Auch die Zusammenarbeit mit der zum Teil von brutalen Milizen kontrollierten »libyschen Küstenwache« steht weit oben auf der europäischen Agenda. In Seenot geratene Bootsflüchtlinge sollen von der »libyschen Küstenwache« gerettet und nach Libyen zurückgebracht werden. Misshandlungen, Folter und Vergewaltigungen sind in den libyschen Lagern an der Tagesordnung. Dass dieses Vorgehen nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar ist, stört die Verantwortlichen in der EU offenbar wenig.
Das Sterben im Mittelmeer geht weiter. Wer rettet, wird kriminalisiert
Laut UNHCR sind 2017 mindestens 3.139 Menschen beim Versuch, über das Mittelmer nach Europa zu gelangen, ums Leben gekommen, seit Jahresbeginn waren es 802. Zivile Seenotretter*innen wie Jugend Rettet, Ärzte ohne Grenzen, SOS Mediterranee, Sea-Watch, u.a. retten im Mittelmeer Menschenleben und sehen sich einer beispiellosen Diffamierungskampagne ausgesetzt. Die Abschottung gegen Flüchtlinge geht so weit, dass im Juni die Regierungen von Italien und Malta das Rettungsschiff »Aquarius« nicht anlegen ließen. Das Schiff mit 629 aus Seenot geretteten Menschen an Bord durfte nach einer einwöchigen Irrfahrt durch das Mittelmeer in Spanien anlegen.
Der Deal mit der Türkei produziert Elendslager in Griechenland
Der EU-Flüchtlingsdeal mit der Türkei aus März 2016 gilt als Blaupause für die neue EU-Asylrechtsreform. Die zwei wichtigsten Konzepte, »Zulässigkeitsverfahren« und »sicherer Drittstaat« werden seit März 2016 in den EU-Hotspots auf den griechischen Inseln in der Ägäis angewendet – mit katastrophalen Folgen: Tausende Flüchtlinge sitzen auf den Inseln Lesbos, Samos, Chios und Kos fest – im Frühjahr 2018 waren es rund 13.000 Menschen. Die Lager sind hoffnungslos überfüllt, Zelte stehen im Morast, die hygienischen Bedingungen sind unzumutbar, die medizinische Versorgung unzureichend.
Statt regulärer Asylverfahren wurden sogenannte Zulässigkeitsverfahren eingeführt. Wird die Türkei als »sicher« für den jeweiligen Flüchtling eingestuft, gilt der Asylantrag als »unzulässig«. Den Betroffenen droht die Abschiebung in die Türkei und dort weitere Dauerinternierung – so lange, bis sie einer »freiwilligen Ausreise« zustimmen.
Rechtlich steht der Deal auf wackeligen Füßen. Die Türkei ist kein »sicherer Drittstaat«. Die Türkei hat die Genfer Flüchtlingskonvention nicht vorbehaltlos unterzeichnet. An der türkisch-syrischen Grenze gehen türkische Grenzposten sogar mit Schüssen gegen Flüchtende vor.
Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS)
Nach Vorbild des EU-Türkei-Deals soll das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) so verschärft werden, dass der Zugang zum Recht auf Asyl für Schutzsuchende in Europa unerreichbar wird:
Schutzsuchende werden in Lagern isoliert, um unmittelbar Zugriff auf sie zu haben. In »Zulässigkeitsverfahren« wird nicht mehr nach Fluchtgründen gefragt. Stattdessen wird festgestellt, ob Asylsuchende durch einen angeblichen »sicheren Drittstaat« gekommen sind, wohin man sie zurückschicken kann. Es droht die Zurückschiebung in sogenannte »sichere Drittstaaten«. Diese müssen nicht sicher sein: Es sollen bereits die Durchreise genügen. Entscheidend ist, mit welchen Drittstaaten die EU entsprechende Deals abschließt.
Lagerhaltung auch in Deutschland
Hierzulande läuft die Regierung rechtspopulistischen Forderungen hinterher. Die CSU betreibt offenen Wahlkampf auf dem Rücken von Flüchtlingen und steht in ihrem Duktus der AfD mittlerweile in nichts nach.
Mit seinem »Masterplan« will Bundesinnenminister Seehofer nun die auf Ausgrenzung setzende Flüchtlingspolitik noch einmal radikal verschärfen: Ein Mittel ist die Dauerisolierung von Asylsuchenden in den sogenannten »AnkER-Zentren« (»Ankunft, Entscheidung, Rückführung«).
Vorbild sind die Transitlager in Bamberg und Manching, die seit Jahren auf Kritik von Kommunen, Ehrenamtlichen und betroffenen Flüchtlingen stoßen. Fünf bis sieben AnkER-Zentren sollen in einer Pilotphase im Herbst 2018 entstehen, später soll es bundesweit bis zu 40 davon geben – mit schwerwiegenden Folgen für Betroffene.
Rettet das Recht auf Asyl!
Der jüngste Vorstoß des Bundesinnenministers, Schutzsuchende an der Grenze zurückzuweisen, wenn sie in der EU bereits woanders registriert oder ohne Papiere sind, stellt einen rechtswidrigen und europafeindlichen Vorstoß dar und wäre ein weiterer Schritt zur Entrechtung von Flüchtlingen, der einen Dominoeffekt auslösen könnte: Jeder Staat schiebt dem nächsten die Verantwortung zu. Kein Staat ist mehr willens, die Fluchtgründe von Schutzsuchenden in einem rechtsstaatlichen Verfahren zu prüfen.
In der dramatischen Situation, in der die Zahl der Menschen auf der Flucht Jahr um Jahr Rekorde erreicht, werden der Flüchtlingsschutz und das Recht auf Asyl in Europa zur Disposition gestellt. Damit ist auch ein Europa der Menschenrechte in Gefahr.
Quelle und weitere Infos: https://www.proasyl.de/ Bild: nord-dgb.de