Zur konkreten Lebenssituation alter Menschen in der Großstadt – Altersarmut und Altersüberschuldung sind zwei Seiten einer Medaille

Die aktuellen Daten des Schuldneratlas 2022 der Creditreform zeigen, dass rund 2,94 Millionen Haushalte überschuldet und nachhaltig zahlungsgestört sind. Auffällig ist der hohe Überschuldungsgrad älterer Menschen. Die 60- bis 69-Jährigen weisen rund 760.000 Überschuldungsfälle auf und die Zahl überschuldeter Personen ab 70 Jahren bzw. deren Überschuldungsquote ist noch höher, als würde so wie das Alter auch die Überschuldung steigen.

Für alte arme Menschen sind Schulden eine ganz große Belastung und mit Scham verbunden, da im Gegensatz zu anderen Ländern in Deutschland die Verschuldung mit dem persönlichen Versagen im calvinistischen Sinn gleichgesetzt wird, weil wegen der nicht gelebten protestantischen Askese, mangelndem Fleiß und Arbeitseifer der gepriesene wirtschaftliche Wohlstand nicht erreicht wurde. Der religiöse Überbau bedeutet auch, dass nach den fetten Jahren, in denen man angeblich in Saus und Braus gelebt hat, magere Jahre folgen müssen, in denen man die Schulden begleicht, sich wohl verhält und Reue zeigen muss.

Wer die Verarmung und Überschuldung als individuelles Versagen deutet, hat verpasst, dass es schon seit vielen Jahren einen Doppeltrend zu Altersarmut und Altersüberschuldung gibt.

Altersarmut

Ein Indikator für die wachsende Altersarmut stellt das Kriterium der Europäischen Union dar, wonach armutsgefährdet ist, wer in einem Mitgliedsland über weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoäqivalenzeinkommens verfügt. Als einkommensarm kann hierzulande somit ein Alleinstehender gelten, der 2021 weniger als 1.148 Euro im Monat zur Verfügung hatte.

Die Altersarmut in Deutschland stellt sich so dar (Stand 2021):

  • mit 17,4 Prozent und knapp drei Millionen betroffenen Personen ab 65 Jahren hat die Altersarmut einen Höchststand erreicht wie die Armut insgesamt mit 16,6 Prozent der Bevölkerung und 13,8 Millionen Betroffenen,
  • 19,3 Prozent der Frauen über 65 Jahren sind arm; bei den Männern sind es 15,1 Prozent,
  • mehr als ein Viertel (27,8 Prozent) der Rentenbezieher hat ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1.000 Euro,
  • die Durchschnittsrente im Alter bei den Männern im Westen beträgt durchschnittlich 1.138 Euro; bei den Frauen 783 Euro. Im Osten liegt sie bei den Männern bei 1.071 Euro und bei den Frauen bei 1.038 Euro,
  • bei der vollen Erwerbsminderungsrente liegen die Unterschiede nicht so weit auseinander. Hier bekommen die Frauen im Westen netto 837 Euro, und die Männer 881 Euro ausbezahlt. Im Osten jeweils 977 Euro, bzw. 856 Euro netto,
  • etwa jede fünfte Altersrente beträgt weniger als 500 Euro im Monat,
  • mehr als jeder fünfte Mensch im Alter über 80 Jahren hat ein monatliches Netto-Einkommen von maximal 1.167 Euro zur Verfügung. Besonders stark von Altersarmut betroffen sind Frauen – unter anderem wegen der schlechteren Bezahlung während des Arbeitslebens,
  • innerhalb der Gruppe der Hochbetagten mit den niedrigsten Einkommen sind Frauen stärker von Armut betroffen als Männer. Demnach leben 26,1 Prozent der hochaltrigen Frauen unter der Armutsgrenze, bei den Männern sind es 16,9 Prozent,
  • der Anteil armer Frauen über 80 Jahren ist fast zehn Prozentpunkte höher als der ihrer männlichen Altersgenossen. Das zeigt, wie deutlich sich schlechtere Bezahlung, aber auch längere Teilzeitarbeit und Unterbrechungen im Erwerbsleben in späteren Jahren auf das Leben von Frauen auswirken,
  • 1,1 Millionen alte Menschen beziehen im Alter trotz ihrer Rente zusätzlich Sozialleistungen,
  • jedem dritten Beschäftigten droht derzeit nach 45 Berufsjahren in Vollzeit eine Bruttorente von unter 1.300 Euro im Monat,
  • 12,9 Prozent der 65- bis unter 75-Jährigen arbeiten, also rund jeder siebte alte Mensch,
  • von den mehr als eine Million arbeitenden Rentnern sind über 230.000 sozialversicherungspflichtig angestellt und rund 835.000 ausschließlich auf geringfügiger Basis beschäftigt,
  • über 460.000 Menschen über 65 Jahre sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt, weil sie noch zu ihrer geringen Rente arbeiten müssen,
  • der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an der Bevölkerung im Alter von 60 bis unter 65 Jahren stieg von 28,0 Prozent Ende 2011 auf 47,8 Prozent Ende 2021.
  • die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Alter von 60 bis unter 65 Jahren stieg von 1,351 Millionen Ende 2011 um 1.514 Millionen (112,1 Prozent) auf 2.865 Millionen Ende 2021.
  • mehr als eine Million Beschäftigte (1.066.895)  sind  67 Jahre oder älter, das sind 200.000 mehr als 2015. Mehr als 400.000 Beschäftigte sind bereits über 70 Jahre alt, 138.000 über 75, mehr als 13.000 sogar noch in einem Alter von über 85 Jahren erwerbstätig

und unter den 13.000 Beschäftigten, die 85 Jahre und älter sind, gibt es 446 Menschen, die noch als Fahrzeugführer im Straßenverkehr tätig sind.

Der Armutsforscher Christoph Butterwegge benennt die markantesten Besonderheiten der Altersarmut wie folgt:

„Altersarmut ist mindestens durch fünf Merkmale gekennzeichnet, die sie deutlich von allen übrigen Armutsformen unterscheiden und ihre Beseitigung oder Verringerung durch politische Gegenmaßnahmen am dringlichsten erscheinen lassen:

  • Armutserfahrungen sind für alte Menschen besonders deprimierend, diskriminierend und demoralisierend: Ihnen wird durch Bedürftigkeit, finanzielle Einschränkungen und Entbehrungen nicht bloß die Würde genommen, sondern auch der Lohn für ihre Lebensleistung vorenthalten, ohne dass diese Form „struktureller Gewalt“ (Johan Galtung) bisher von der Öffentlichkeit als solche erkannt, geschweige denn von einer Bundesregierung ernsthaft bekämpft worden ist.
  • Das im Art. 1 Satz 1 GG zur Fundamentalnorm unserer Verfassung erhobene Gebot, die Würde des Menschen zu wahren, wird durch ein Leben in Armut missachtet. Senior:innen, denen im Unterschied zu jungen Menschen die Hoffnung auf ein durch Aufnahme von Erwerbstätigkeit (wieder) steigendes Einkommen fehlt, droht dieses Schicksal bis ans Lebensende. Alternativen zu ihrer prekären Situation gibt es praktisch nicht; was allein bleibt, ist Perspektivlosigkeit.
  • Wenn nicht außergewöhnlich günstige Umstände eintreten, wächst die Armutsbetroffenheit von Senior:innen in den letzten Lebensjahren sogar noch, weil sich ihre Einkommenssituation zumindest im Regelfall nicht mehr wesentlich verbessert, während die Kosten für Arzneimittel sowie medizinische und Pflegedienstleistungen im Alter drastisch zunehmen.
  • Armut geht oft mit Einsamkeit und sozialer Isolation einher. Davon sind ältere Menschen ohnehin häufiger betroffen als jüngere. Während der Covid-19-Pandemie trugen Quarantänemaßnahmen und die Abschirmung der in Alten- bzw. Pflegeheimen lebenden Senior:innen gegenüber Besucher(inne)n dieser Einrichtungen dazu bei, dass sich die Tendenz zum Alleinsein verstärkte.
  • Die Covid-19-Pandemie, die Energiepreisexplosion und die Inflation treffen alte Menschen härter als junge, weil sie in der Regel nicht mehr erwerbstätig und deshalb viel zu Hause sind, was ihre Heizkosten genauso in die Höhe treibt wie die Tatsache, dass sie kälteempfindlicher sind. Außerdem bekommen sie viel seltener einen Bankkredit zur Bewältigung finanzieller Überbelastung als junge Menschen, weil man ihnen die Tilgung von Schulden nicht mehr zutraut. Immer häufiger steht am Ende ein ordnungsamtliches oder Sozialbegräbnis“.

Altersarmut führt schnell in die Überschuldung

Die Altersarmut ist auch einer der Hauptgründe für die Überschuldung alter Menschen, sie resultiert aus verschiedenen Entwicklungen:

  • die „Rentenreformen“ der letzten 30 Jahre hatten das Ziel, die Beitragssätze stabil zu halten zu Lasten des Sicherungsniveaus der gesetzlichen Rente.1990 betrug die gesetzliche Rente noch 55 Prozent des durchschnittlichen Arbeitseinkommens. 2020 waren es noch 47,9 Prozent,
  • als Ergebnis erhalten 69 Prozent der Rentenbezieher eine Nettorente von 300 bis 900 Euro pro Monat. 20 Prozent von ihnen zwischen 900 und 1.200 Euro.
  • zudem sind immer mehr Rentenleistungen einkommensteuerpflichtig,
  • durch Frühverrentungen und frühe Erwerbsminderungsrente werden Renten zusätzlich gekürzt,
  • Erwerbsbiografien verlaufen nicht mehr so geradlinig wie früher. Wechselnde Arbeitsverhältnisse und vorübergehende Arbeitslosigkeit sind heutzutage die Regel. Auch die Beschäftigung im wachsenden Niedriglohnsektor und versicherungsfreie Jobs bei geringem Gehalt verschärfen die Situation und führen zu einer prekären Einkommenslage im Alter,
  • im Juni 2022 erhielten 628.600 Menschen die Grundsicherung, gegenüber dem Vorjahresmonat stieg die Zahl um rund 50.000. Bei der Grundsicherung ist die sogenannte Dunkelziffer sehr hoch, weil nur eine von drei anspruchsberechtigten Personen diese Transferleistung beantragt,
  • steigende Preise und Unterkunftskosten bei Einkommensentwertung

und immer weniger Menschen sind in der Lage, Maßnahmen zur ausreichenden Altersvorsorge zu ergreifen.

Überschuldung alter Menschen

Der aktuelle Schuldneratlas der Creditreform bezeichnet rund 2,94 Millionen Haushalte als überschuldet und nachhaltig zahlungsgestört. Auffällig ist der hohe Überschuldungsgrad älterer Menschen. Die 60- bis 69-Jährigen weisen rund 760.000 Millionen Überschuldungsfälle auf und die Zahl überschuldeter Personen ab 70 Jahren bzw. deren Überschuldungsquote ist noch höher. Es scheint, als würde so wie das Alter auch die Überschuldung steigen.

Die Überschuldungsintensität (Dauer und Volumen der Überschuldung) bei älteren überschuldeten Personen ist weiter ausgeprägt, als bei den jüngeren. Bei den Älteren liegen die Anzahl der Gläubiger und die Höhe des Schuldenvolumens deutlich höher, weil sie häufiger höhere Verbindlichkeiten eingehen und sich länger in einem Überschuldungsprozess befinden. Auffällig ist noch, dass die Menschen höheren Alters noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen und arbeiten häufig zusätzlich im Rahmen atypischer bzw. geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse, um fehlende Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu beschaffen.

Zusätzliche Überschuldungsfaktoren bei älteren Menschen

Zu den allgemeinen Ursachen der Überschuldung kommen bei älteren Menschen noch zusätzliche Überschuldungsfaktoren hinzu, wie:

  • Einkommensreduzierung bei Renteneintritt, Auswirkung der steigenden Altersarmut,
  • steigende Energie- und Lebenshaltungskosten bei stagnierenden Renteneinkünften,
  • steigende Gesundheitsausgaben,
  • mangelnde Unterstützung durch Angehörige,
  • finanzielle Unterstützung für die Familien ihrer Kinder und für die Enkel,
  • aus Scham werden oft die notwendigen finanziellen Hilfen des Staates nicht in Anspruch genommen,
  • Tod des Ehepartners und Mitverpflichtung bei Krediten des Verstorbenen,
  • keinen Überblick über die Finanzen, da nur der Ehepartner allein Einblick hatte,
  • hohe Ratenzahlung, die die Existenz gefährden und fehlende Prioritätensetzung bei der Ratenzahlung,
  • Überschuldung für Pflegedienstleistungen

und ältere Menschen werden häufig Opfer von Haustürgeschäften und unseriösen Vertragsverhältnissen.

Wenn dann versucht wird, die Schulden der einzelnen Person zu regulieren, rutschen diese schnell in die würdelose Rolle eines Klienten, der strafenden Aktionen der Institutionen ausgesetzt ist, mit Gerichten zu tun bekommt und nur Einkommen in Höhe der Pfändungsfreigrenzen behalten darf.

Insolvenzverfahren ist kein Garant für eine nachhaltige Entschuldung älterer überschuldeter Menschen

Während Anfang des Jahrhunderts das Insolvenzverfahren für Privatpersonen noch einen Neustart bzw. eine dauerhafte Stabilisierung der finanziellen Situation sein konnte, ist es in den vergangenen Jahren immer häufiger zu einer Neuverschuldung, auch schon während des Verfahrens gekommen.

Hauptgrund dafür ist die zunehmende Einkommensarmut, die zur Folge hat, dass die monatlichen Fixkosten nicht mehr in vollem Unfang aufgebracht werden können. Parallel dazu verschulden sich immer mehr arme Menschen durch den Wegfall der Beihilfen bei den Behörden wie Jobcentern und Wohnungsämtern, die nur noch Darlehen gewähren, um nicht eingeplante oder außergewöhnliche Belastungen und Ausgaben bezahlen zu können.

An dieser Stelle wird oft behauptet, dass Menschen, die ein Insolvenzverfahren durchlaufen, keine neuen Schulden machen dürfen. Das stimmt nicht, der Gesetzgeber hat in der Insolvenzordnung keine Konsequenzen für die Neuverschuldung im Insolvenzverfahren für Privatpersonen vorgesehen.

Mittlerweile ist die Zahl der Personen, die während des Verfahrens neue Schulden machen müssen oder die mangels sachkundiger Begleitung es versäumen, Rechtsmittel gegen die Anmeldung einer „ausgenommenen Forderung“ durch die Gläubiger – hier meistens das Jugendamt, Stadtverwaltung oder Finanzamt einzulegen – stark angestiegen.  Die  Forderung dieser Gläubiger besteht am Ende des Verfahrens weiterhin, kann vollstreckt werden, auch wenn die anderen Forderungen „restschuldbefreit“ sind.

Während des Verfahrens müssen sich die überschuldeten Menschen den Obliegenheiten der Insolvenzordnung und oftmals auch den Launen und Kontrollen der übereifrigen Insolvenzverwalter unterwerfen und immer befürchten, dass die Verfahrenskosten unverzüglich fällig werden und die Restschuldbefreiung versagt wird.

Das ist auch ein Grund dafür, dass immer mehr überschuldete ältere Menschen sich zu einem „Leben an der Pfändungsfreigrenze“ entschließen.

So ein Leben kann aber mit dem Verfolgungsdruck der Gläubiger, mangelnder rechtlicher Schutzmöglichkeiten und Zwang Buße tun zur Hölle werden, wenn keine fachliche Begleitung durch Dritte erfolgt.

Leben an der Pfändungsfreigrenze – Ein würdevolles Leben an der Pfändungsfreigrenze ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich

Viele Menschen haben nicht die Möglichkeit, ihre Schulden mangels Geld zu regulieren oder möchten die Insolvenz nicht durchlaufen, auch weil sie nicht gerne unter der Knute des Insolvenzverwalters stehen möchten.

Mit Hilfe des gerichtlichen Mahnverfahrens und dem Eintrag ins Schuldnerverzeichnis können Personen, bei denen nichts pfändbar ist für gewisse Zeiträume unbehelligt von ihren Gläubigern weitgehend stressfrei leben.

Voraussetzung dafür ist eine professionelle Begleitung durch gemeinnützige Stellen und das Selbstbewusstsein, dass die eigenen Schulden erst das Vermögen der anderen ermöglichen und durch Zahlungen, frühere Ratenzahlungen und Gebühren oft die Schuld schon lange getilgt ist.

Das gerichtliche Mahnverfahren beginnt mit dem Mahnbescheid, der durch das zuständige Amtsgericht auf Antrag des Gläubigers zugestellt wird. Falls die Rechtmäßigkeit oder die Höhe angezweifelt wird, kann gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt werden und danach prüft das Gericht die Forderung.

Wird kein Widerspruch eingelegt, kann der Gläubiger einen Vollstreckungsbescheid beantragen, den das Gericht ebenfalls dem verschuldeten Menschen zustellt. Gegen den Vollstreckungsbescheid kann Einspruch erhoben werden, z.B. dann, wenn die Forderung bereits verjährt ist. Dann entscheidet das Gericht, ob die Forderung besteht oder nicht. Wird kein Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt, kann der Gläubiger den Gerichtsvollzieher schicken, der pfändbares Vermögen/Einkommen oder pfändbare Gegenstände mitnimmt, um die Schuldsumme ganz oder zum Teil zu begleichen.

Auf Antrag kann der Gerichtsvollzieher auch das Vermögensverzeichnis des säumigen Schuldners abnehmen, das heißt, mit einem ausführlichen Fragebogen wird ermittelt, ob einzelne pfändbare Gegenstände oder Einkommen/Vermögen vorhanden sind.

Das Vermögensverzeichnis wird beim zuständigen Amtsgericht im Schuldnerverzeichnis hinterlegt, andere Gläubiger können es einsehen. Ändert sich an der Einkommens/Vermögenssituation in den nächsten 24 Monaten nichts gravierendes, darf in diesem Zeitraum nicht vollstreckt werden und die verschuldete Person hat erst einmal Ruhe. Nichts gravierendes lässt aber einen gewissen Spielraum für kreative Ideen, die dazu beitragen, das Einkommen zu erhöhen.

In der Praxis kann die Zweijahresfrist beliebig oft genutzt werden, vor allem bei denjenigen Menschen, deren Einkommen sowieso dauerhaft unter der Pfändungsfreigrenze liegt und es keinen Vermögenszugewinn geben wird.

Mit Hilfe der immer geringeren Anzahl gemeinnütziger und engagierter Beratungsstellen kann das Verhalten gegenüber Gerichtsvollziehern eingeübt und aus der früheren Stresssituation eine gemütliche Kaffeerunde mit ihm werden. Auch den Empfang der Gerichtspost lässt sich stressfrei einüben, sodass ein langfristig ausgerichtetes Leben an der Pfändungsfreigrenze mit Würde und Selbstbewusstsein möglich wird.

Schulden sind für viele ältere Menschen ein Tabuthema

Schulden zu haben, ist für viele ältere Menschen ein Tabuthema. Auch deshalb ziehen sie sich völlig zurück, kratzen die letzten Euro von ihrem Einkommen, das oft weit unter der Pfändungsfreigrenze liegt, zusammen, um ihre Raten zu zahlen. Gespart wird am Essen und Trinken, um die Zahlungen an Gläubiger und der Verzugszinsen aufzubringen. Hier müssen als Ansprechpartner die Beratungsstellen auch langfristig zur Verfügung stehen und die älteren Menschen aktiv begleiten, z.B. beim Leben an der Pfändungsfreigrenze oder während des Insolvenzverfahrens.

Es müssen passgenaue Angebote für ältere überschuldete Menschen entwickelt und die Präventionsarbeit ausgebaut werden. Notwendig ist eine frühzeitige Budgetberatung, Informationen über Sozialleistungen, Abbau von Beratungshemmschwellen und die Bearbeitung typischer Schuldenfallen im Alter.

Altersarmut effektiv bekämpfen

Gegen Armut hilft Geld, diese platte wie richtige Binsenweisheit muss endlich mit konkreten Maßnahmen ausgefüllt werden.

Vorschläge, die dabei helfen könnten, Altersarmut in Deutschland kurzfristig zu bekämpfen und langfristig zu verringern, z.B:

  • Die gesetzliche Rentenversicherung muss absoluten Vorrang in der Alterssicherung haben.
  • Sie sollte zu einer solidarischen Bürger- oder Erwerbstätigenversicherung ausgebaut werden. Selbstständige, Freiberufler, Beamte, Abgeordnete und Minister müssen  einbezogen werden  und Beiträge zahlen.
  • Rentenbeiträge werden nicht nur auf Löhne und Gehälter erhoben, sondern auf sämtliche Einkunftsarten wie Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung, Dividenden, Veräußerungsgewinne und Zinsen.
  • Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenzen müssen abgeschafft werden, die es privilegierten Personengruppen erlauben, sich ihrer Verantwortung für sozial Benachteiligte zu entziehen und in exklusive Sicherungssysteme auszuweichen.
  • Wer den nach Einkommenshöhe gestaffelten Beitrag nicht selbst entrichten kann sollte, im Falle fehlender, vorübergehender oder eingeschränkter Zahlungsfähigkeit vom Staat die Beiträge bedarfsbezogen „subventioniert“ bekommen, die Beiträge werden aus dem allgemeinen Steueraufkommen gezahlt.
  • Der Niedriglohnsektor müsste abgeschafft, Flächentarifverträge und deren Allgemeinverbindlichkeit wieder gelten und die Mindestlöhne jährlich erhöht werden.
  • Die volle Sozialversicherungspflicht für Minijobs sollte eingeführt, Leiharbeit abgeschafft, eine Erwerbstätigenversicherung für Selbständige eingerichtet, Erleichterung und Verlängerung des Bezugs von Arbeitslosengeld l ermöglicht werden.
  • Es müssen Kita- und Ganztagsschulplätze für alle Kinder geschaffen werden, um Erwerbsphasen, vor allem für Frauen, zu verlängern

und die soziale Teilhabe, Integration und gegenseitige Unterstützung für alte Menschen ermöglicht werden.

 

So könnte der Doppeltrend zu Altersarmut und Altersüberschuldung aufgehalten werden.

 

 

 

 

 

 

Quellen: AG Schuldnerberatung, SCHUFA, BDIU, Bundesamt für Statistik, Sparkasse Dortmund, WAZ, Rechtspflegerportal, Insolvenzordnung, Christoph Butterwegge, paritätische, Berichte von Betroffenen

Bild: pixabay cco