Erwerbslose als „Nichtleistungsempfänger“ – die im Dunkeln sieht man nicht

im-Dunkeln-webDie Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung ist in den letzten Jahren deutlich gesunken. Nur noch ein Drittel der Erwerbslosen werden von ihr erfasst. Die anderen zwei Drittel sind von Hartz IV abhängig.

Im Jahr 2013 waren bei der Arbeitslosenversicherung fast 235.000 Personen arbeitslos gemeldet, die kein Arbeitslosengeld erhielten. Sie zählen zu den so genannten Nichtleistungsempfängern und erhalten keine finanzielle Ersatzleistung bei Arbeitslosigkeit erst gar nicht oder nicht mehr. Dass es diese große Anzahl von Menschen ohne Leistungsbezug gibt, ist kaum jemandem bekannt. Da ist es wichtig, sich mit der Gruppe der arbeitslos gemeldeten Nichtleistungsempfänger einmal näher zu befassen.

Wie immer, wenn man sich im Gestrüpp der Vorschriften der Arbeitsverwaltung befindet, ist es wichtig, einige Begrifflichkeiten zu klären:

Als Nichtleistungsempfänger werden in der Regel arbeitslos gemeldete Personen bezeichnet, die vom Sozialversicherungssystem betreut werden, aber weder Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) noch auf Hartz IV (SGB II) haben bzw. einen Hartz-IV-Anspruch nicht geltend gemacht haben. Dazu gehören auch arbeitslose, arbeitssuchende und ratsuchende Nichtleistungsempfänger.

Welche Personen als arbeitslos, arbeitssuchend oder ratsuchend geführt werden, ist bei den Agenturen für Arbeit an bestimmte rechtliche Voraussetzungen geknüpft:

  • arbeitslose Nichtleistungsempfänger müssen die gleichen Voraussetzungen für eine Arbeitslosmeldung erfüllen, wie Arbeitslose mit Leistungsanspruch z.B auf Arbeitslosengeld
  • arbeitssuchende Nichtleistungsempfänger können Auszubildende, Teilnehmer an einer Maßnahme sowie Arbeitnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis sein, die eine neue Beschäftigung suchen. Es kann sich aber auch um „beschäftigungslose“ Menschen handeln, die eine Arbeit suchen, aber aus unterschiedlichen Gründen nicht arbeitslos gemeldet sind
  • ratsuchende Nichtleistungsempfänger nutzen nur das Informationsangebot der Agenturen für Arbeit oder wünschen eine Beratung, möchten aber keine Vermittlung. Auch bei den Ratsuchenden kann es sich um Personen handeln die erwerbstätig sind oder auch nicht.

Wenn die arbeitsuchenden oder ratsuchenden Personen mit gezählt würden, wäre die Gruppe der Nichtleistungsempfänger sogar noch größer, als die der rund 235.000 arbeitslos gemeldeten Personen ohne Bezug von Arbeitslosengeld.

Arbeitssuchende und ratsuchende Personen können zum Teil auch zur Stillen Reserve gezählt werden, deren Zahl nur geschätzt werden kann, da sie ja nicht erfasst sind. Zur stillen Reserve gehören insbesondere Personen

  • die beschäftigungslos sowie verfügbar sind und Arbeit suchen, aber nicht als arbeitslos registriert sind,
  • die die Arbeitssuche mittlerweile aufgegeben haben, aber wieder nach Arbeit suchen würden, wenn sich die Arbeitsmarktlage verbessert,
  • die in den vielen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sind oder junge Menschen in Warteschleifen beim Übergang von der Schule in Ausbildung

und diejenigen, die aus Arbeitsmarktgründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.

Wer den Status arbeitslos, arbeitssuchend oder ratsuchend durch die Agenturen für Arbeit erhält, muss bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllen, z.B. die Arbeitslosmeldung.

Die Voraussetzungen für eine Arbeitslosmeldung sind, dass eine Person

  • bei der Meldung in keinem Beschäftigungsverhältnis stehen darf bzw. sie aktuell nur eine Beschäftigung von weniger als 15 Stunden pro Woche ausüben darf
  • zugleich muss sie aktiv nach einer mindestens 15 Wochenarbeitsstunden umfassenden versicherungspflichtigen Beschäftigung suchen (Eigenbemühen)
  • den Vermittlungsbemühungen der für sie zuständigen Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen

und bereit sein, an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit teilzunehmen.

Die Gründe dafür, dass arbeitslose Nichtleistungsempfänger kein Arbeitslosengeld erhalten, können sein, wenn

  • sie aufgrund der vorherigen „zu kurzen“ Erwerbsphase die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben
  • sie keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor dem Eintreten in die Arbeitslosigkeit nachweisen können
  • sie ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld bereits aufgebraucht haben oder wenn die Hilfebedürftigkeit überwunden ist, weil z.B. der Partner eine Existenz sichernde Beschäftigung gefunden hat und er selbst weiterhin aufgrund eigener Arbeitslosigkeit noch arbeitslos gemeldet ist.

Die Grundvoraussetzung für den Leistungsbezug ist jedoch immer, dass keine Hilfebedürftigkeit vorliegt oder nicht geltend gemacht wird, denn dann ist ein Hartz-IV-Anspruch gegeben. Die Zuordnung einer arbeitslos gemeldeten Person ohne Arbeitslosengeldanspruch an das Versicherungssystem ist somit auch von der Einkommenssituation des Partners oder der Partnerin abhängig. Bei jungen Menschen unter 25 Jahren ist die Zuordnung unter Umständen auch von der Einkommenssituation der Eltern sowie von dem vorhandenen Vermögen und den konkreten Hartz-IV-Regelungen abhängig. Mit einer Änderung der Einkommenssituation des Partners oder der Partnerin bzw. der Bedarfsgemeinschaft oder einer Änderung der Vermögensverhältnisse kann sich dementsprechend auch die Rechtskreiszugehörigkeit (z.B. von SGB III nach SGB II) der betreffenden Person ändern.

Innerhalb der Personengruppe der Nichtleistungsempfänger gibt es auch noch eine Unterschichtung. So ist jeder zwölfte Nichtleistungsempfänger schwerbehindert und dies zeigt, dass die Ausgleichsabgabe, die Betriebe zahlen müssen, die keine Menschen mit Behinderung einstellen, viel zu niedrig ist. Nach dem geltenden Recht brauchen die Betriebe ihre Beschäftigungspflicht gar nicht so ernst zu nehmen. Die Beschäftigungspflicht sollte auf mindestens sechs Prozent erhöht und die Nichterfüllung als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldforderungen geahndet werden. Dies ist auch deshalb notwendig, da es altersbedingt und auch durch die wachsende Arbeitsverdichtung zukünftig immer mehr Menschen mit Behinderung geben wird, die arbeitslos gemeldet sind.

Generell muss der Versicherungsschutz der Arbeitslosenversicherung ausgeweitet, durch zusätzliche Mittel kofinanziert und die Anwartschaftszeit innerhalb derer ein Versicherungsanspruch aufgebaut wird, sollte wieder auf drei Jahre verlängert werden, so wie sie bis Februar 2006 galt.

Die rund 235.000 Menschen, die ohne Arbeitslosengeld am Rande existieren, müssen endlich für die Gesellschaft sichtbar werden.

Denn die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht und man siehet die im Lichte die im Dunkeln sieht man nicht. – Bertolt Brecht

 

Quelle: DGB Abteilung Arbeitsmarkt

Bild: alsocentrum