WSI: Das Umfragehoch der AFD – Aktuelle Erkenntnisse über die AfD-Wahlbereitschaft aus dem WSI-Erwerbspersonenpanel

Der vorliegende Report analysiert anhand von zehn Erhebungswellen des WSI-Erwerbspersonenpanels die AfD-Wahlbereitschaft vor dem Hintergrund des aktuellen Umfragehochs der AfD.

Neben den Wähler*innen-Wanderungen werden die AfD-Wählenden im Profil sowohl hinsichtlich ihrer demografischen und arbeitsbezogenen Merkmale als auch ihrer Sorgen, ihres Vertrauens und ihrer Perspektive auf die Pandemie und auf den Krieg in der Ukraine vorgestellt.

Zudem wird analysiert, wie sich neu hinzugekommene Wählendengruppen der AfD von etablierten Stammwählenden in diesen Punkten unterscheiden.

Es zeigt sich, dass die AfD zuletzt auch Wählendengruppen ansprach, die sie bisher kaum erreichen konnte und die sich von etablierteren AfD-Wählenden unterscheiden. AfD-Wählende zeigen sich jedoch einheitlich als hochbelastet, misstrauisch und hochbesorgt. Die Zuwanderungsbegrenzung scheint das einende Thema zu sein, mit dem auch neu hinzugekommene Wählendengruppen angesprochen werden, die sonstige AfD-Positionen weniger stark teilen und auch bisher noch kein allzu großes Vertrauen in die AfD aufgebaut haben.

FAZIT UND DISKUSSION

Die hier dargestellten Analysen anhand des WSI- Erwerbspersonenpanels bringen zahlreiche Befunde zu den aktuellen AfD-Wählenden hervor und offenbaren einige bemerkenswerte Entwicklungen in der betrachteten Zeitspanne zwischen 2020 und 2023. Im Folgenden werden sie nochmals in vier Schritten zusammengefasst und diskutiert.

Wer sind die AfD-Wählenden?

In den dargestellten Befunden lassen sich einige deutliche Auffälligkeiten unter Wählenden der AfD erkennen. Soziodemografisch sind häufiger Männer als Frauen, häufiger Ost- als Westdeutsche, häufiger Menschen ohne Abitur und mit geringen bis mittleren Haushaltseinkommen unter den AfD- Wählenden zu finden. Zudem geben überdurch- schnittlich häufig Personen zwischen 30 und 49 Jahren an, AfD zu wählen.

Auffällig ist zudem der hohe Anteil an Arbeiter*innen unter AfD-Wählenden sowie der Befund, dass AfD-Wählende bezogen auf zahlreiche Bereiche von schlechteren Arbeitsbedingungen berichten als Wählende anderer Parteien. Als besonders ausgeprägt erscheint die Differenz beim Thema Anerkennung – sowohl in Form des als nicht an- gemessen empfundenen Lohns als auch der häufig nicht wertgeschätzten Leistung durch Vorgesetzte und den Arbeitgeber. Wie auch schon in vorherigen Studien bestätigt sich hier somit, dass die Bedingungen unter denen Menschen arbeiten und die Anerkennung, die sie daraus gewinnen (oder eben nicht gewinnen) können, nicht unerheblich für das Abwenden von demokratischen Idealen, Prozessen und Parteien ist.

Als eine der zentralen Merkmale unter AfD-Wählenden erweist sich ihr äußerst geringes institutionelles Vertrauen. Nicht nur in die Bundesregierung und öffentlich-rechtliche Medien ist dies äußerst gering, sondern auch in andere Institutionen deutlich unterdurchschnittlich. Einzig ihr Vertrauen in die von ihnen gewählte Partei ist im Vergleich zu Wählenden anderer Parteien relativ hoch, sodass viele als überzeugte AfD-Wählende bezeichnet werden können.

Bemerkenswert ist zudem das konstant sehr hohe Sorgen- und Belastungslevel, das AfD-Wählende in den letzten drei Jahren angegeben haben. So gaben AfD-Wählende zuletzt bei neun von zehn erfragten Themenbereichen signifikant häufiger große Sorgen an als Wählende anderer Parteien – und zwar sowohl bei finanziellen und beruflichen als auch bei gesellschaftlichen Themen.

Betrachtet man die Themen, die jetzige AfD- Wählende kurz nach der Bundestagswahl 2021 als wichtig erachteten, zeigt sich vor allem bei der enorm hohen Zustimmung zur Zuwanderungsbegrenzung eine erhebliche Differenz zu Wählenden anderer Parteien. Die drei erfragten Themen, die ansonsten noch mit erheblichen Abweichungen zu anderen Wählenden auffielen, sind die geringe Bedeutung der Bekämpfung des Klimawandels und der Stärkung der EU sowie der Umgang mit der Pandemie.

In detaillierten Analysen zu Einstellungen während der Pandemie wird deutlich, wie abweichend die jetzigen AfD-Wählenden auf die Pandemie geblickt haben. Nicht nur waren sie in erheblichem Ausmaß unzufrieden mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung, sie hielten auch die Einschränkungen mehrheitlich für unberechtigt und für eine Bedrohung der Demokratie. Dies resultierte bei nicht wenigen von ihnen in einem erheblichen Widerstand, der sich sowohl in der Unterstützung der Proteste gegen die Einschränkungen äußerte als auch im Teilen verschwörerischer Ansichten über das Virus und seine Herkunft oder im Missachten der Verhaltensregeln zur Eindämmung des Virus.

Als ähnlich abweichend erscheint auch ihr Blick auf den Krieg in der Ukraine. Die überwältigende Mehrheit – nämlich sechs von sieben AfD-Wählenden – äußerte Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung. Fast die Hälfte der AfD-Wählenden denkt, dass die NATO Russland zum Krieg mit der Ukraine „provoziert“ hat und auch Verschwörungserzählungen in Bezug auf den Ukraine-Krieg finden unter ihnen deutlich mehr Anklang als unter Wählenden anderer Parteien. Schließlich wird deutlich, welch pessimistische bis ablehnende Ansichten und Haltungen AfD- Wählende gegenüber Geflüchteten aus der Ukraine hegen. Diese waren bereits zu Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine ausgeprägt und haben sich anschließend weiter verstärkt. Zuletzt stimmten drei von vier AfD-Wählenden zu, dass sich Geflüchtete aus der Ukraine hier in Deutschland „erstmal hintenanstellen“ sollten.

Was zeigen die Wähler*innen- Wanderungen zur AfD?

Um Hinweise zur Beantwortung dieser Frage zu bekommen, wurde zunächst detailliert die Wähler*innen-Wanderung betrachtet. Hierbei fiel auf, dass unter den Parteien, die seit der Bundestagswahl 2021 die meisten Wählenden an die AfD verloren haben, mit der FDP (zwölf Prozent) und der SPD (neun Prozent) sowohl Parteien der Ampelregierung als auch die Unionsparteien (zehn Prozent) vertreten sind. Insgesamt gaben 23 Prozent der aktuellen AfD-Wählenden an, bei der Bun- destagswahl noch für eine der drei Ampelparteien gestimmt zu haben. Dies deutet darauf hin, dass die AfD in nicht unbeträchtlichem Ausmaß Wählende für sich gewinnen konnte, die sich enttäuscht von einer der drei Ampelparteien abgewendet haben. Auffällig ist hierbei, dass die SPD – anders als die FDP – die meisten dieser Wählenden bereits im ersten Jahr nach der Bundestagswahl verlor und seit November 2022 wohl kaum noch Verluste an die AfD zu verzeichnen hatte. Gleichzeitig wird bei der Betrachtung der Neuwählenden der AfD deutlich, dass die AfD hier insbesondere zuletzt von den Unionsparteien Wanderungsgewinne verzeichnen konnte. Rund jede und jeder Dritte aktuelle AfD- Neuwählende gab zuvor noch an, CDU / CSU wählen zu wollen.

Kurz zusammengefasst deuten die Befunde zu den Wähler*innen-Wanderungen in diesem Bericht darauf hin, dass die SPD und die FDP seit der Bundestagswahl in nicht unbeträchtlichem Ausmaß enttäuschte Wählende an die AfD verloren haben und diese Abwanderungen von der SPD kaum noch zuletzt stattfanden. Zur Erklärung der großen Zuwächse der AfD in den letzten Monaten erscheinen die Abwanderungen von der CDU / CSU jedoch als deutlich relevanter. Dies lässt sich durchaus als Bestätigung der eingangs erläuterten und in anderen Studien (z. B. Krause et al. 2022) gezeigten Aufwertungs- und Normalisierungsprozesse des „Mainstreamings“ interpretieren, von denen jedoch nicht die etablierten demokratischen Parteien – in diesem Fall die Union – profitieren.

Zur Frage, woher die zuletzt zur AfD gewechselten Befragten politisch kommen, sind zudem zwei Befunde erwähnenswert: Zum einen, dass darunter auch ehemalige Wählende der Grünen zu finden sind, die sonst kaum bis gar nicht unter den AfD- Wählenden auftreten und die AfD damit zuletzt offenbar Neuwählende aus Gruppen gewinnt, die sie zuvor nicht erreicht hat. Zum anderen fällt auf, dass die AfD ihre Neuwählenden zu einem Großteil aus Befragten gewinnt, die bei der Bundestagswahl 2021 noch eine der fünf etablierten demokratischen Parteien wählte – und nicht etwa zu einem Großteil aus Befragten, die schon seit Langem keine demokratische Partei mehr wählen.

Wer sind diejenigen, die erst kürzlich zur AfD gewechselt sind?

In den präsentierten Ergebnissen wurde die Gruppe der AfD-Neuwählenden besonders in den Fokus gestellt – also diejenigen, die zum jüngsten Befragungszeitpunkt das erste Mal angaben, AfD wählen zu wollen. Soziodemografisch fallen diese erst kürzlich zur AfD gewechselten Befragten mit einigen Besonderheiten auf. Im Vergleich zu etablierteren Wählendengruppen der Partei gilt für die AfD-Neuwählenden, dass sie stärker unter Frauen und seltener unter Eltern und mittelalten Befragten zu finden sind. Auffällig ist zudem, dass sie bezüglich ihrer Bildungsabschlüsse und ihrer Einkommenssituation eher Wählenden anderer Parteien als Stammwählenden der AfD ähneln, welche sich stärker aus Befragten ohne hohe Bildungsabschlüsse und mit mittleren und geringen Einkommen zusammensetzen.

Bezüglich der Arbeitssituation zeigen sich viele Überschneidungen zwischen den Neu- und den Stammwählenden der AfD. Beide Gruppen setzen sich z. B. überdurchschnittlich häufig aus Arbeiter*innen zusammen und auch Neuwählen- de berichten ähnlich wie etabliertere Wählende der AfD unterdurchschnittlich häufig von guten Arbeitsbedingungen – insbesondere von einem sicheren Arbeitsplatz oder Anerkennung. Anders als unter Stammwählenden der AfD ist jedoch unter AfD-Neuwählenden der Anteil der Befragten ohne Tarifvertrag überdurchschnittlich.

Hinsichtlich des Misstrauens in die Bundesregierung zeigt sich, dass die AfD-Neuwählenden den etablierteren AfD-Wählergruppen in nichts nachstehen, da auch unter ihnen die überwältigende Mehrheit (neun von zehn) kaum bis gar kein Vertrauen mehr in die Ampel-Regierung äußert. Etwas besser sieht es da für das Vertrauen in andere Institutionen, wie beispielsweise die öffentlich-rechtlichen Medien, aus, die zwar auch von einer großen Mehrheit der AfD-Neuwählenden mit Misstrauen belegt werden, nicht jedoch in dem Ausmaß wie beispielsweise unter AfD-Stammwählenden. Große Differenzen zeigen sich dann jedoch beim Vertrauen in die AfD: Dieses ist unter den Neuwählenden der Partei deutlich unterdurchschnittlich ausgeprägt. Unter den Neuwählenden gibt es mehr Befragte, die geringes Vertrauen äußern als Befragte, die hohes Vertrauen in die AfD äußern. Dies mag sicherlich auch in ihrem noch recht jungen Parteibekenntnis begründet sein, also damit zu tun haben, dass diese Befragten erst kürzlich zur AfD wechselten. Gleichzeitig ist dieser relativ hohe Anteil, der von der Partei wenig überzeugt ist, eventuell ein Grund zur Hoffnung, dass hier einige Befragte den Weg zurück zu demokratischen Parteien finden.

Bezüglich der Sorgen und Belastungen sind die Ähnlichkeiten der AfD-Neuwählenden mit etablierteren AfD-Wählenden groß, da auch sie hochbesorgt und hochbelastet sind – insbesondere im finanziellen Bereich. Auffällig unter AfD-Neuwählenden ist zudem das außerordentlich hohe Ausmaß an Sorgen um den sozialen Zusammenhalt. Hier scheint das latente Gefühl einer immer weiter auseinanderdriftenden Gesellschaft offenbar sehr zu verfangen und zu besorgen. Ein besonders relevanter Grund zur Besorgnis scheint in dem Zusammenhang die Zuwanderung darzustellen, die aus ihrer Sicht unbedingt begrenzt werden muss. In dieser äußerst geschlossenen Ablehnung weiterer Zuwanderung besteht große Übereinstimmung mit etablierteren AfD-Wählenden und gleichzeitig große Abweichung zu vielen Wählenden anderer Parteien. Interessanterweise sind die thematischen Übereinstimmungen der vielen AfD-Neuwählen- den in anderen AfD-Positionen bei weitem nicht so deutlich ausgeprägt. Beispielsweise wurde die Stärkung der EU oder die Bekämpfung des Klimawandels unter AfD-Neuwählenden noch deutlich häufiger als wichtiges politisches Ziel genannt als unter Stammwählenden der AfD.

Was könnte den Wechsel zur AfD unterstützt haben? Ein Versuch einer zeitlichen Rekonstruktion

Um auf diese Frage Antworten zu finden, wurden die zeitlichen Entwicklungen betrachtet, die an- hand der Panelstruktur der Daten nachgezeichnet werden konnten. Bezüglich des unter AfD-Wählenden enormen Misstrauens in die Bundesregierung und in öffentlich-rechtliche Medien lässt sich unter den zuletzt zur AfD abgewanderten Befragten nachzeichnen, wie im Laufe der letzten 20 Monate immer mehr von ihnen Vertrauen verloren haben.

Auch die Analysen der Entwicklung des Sorgenausmaßes bringt hier einige Erkenntnisse zu Tage. Sie zeigen, dass die jetzigen AfD-Neuwählenden bereits zu Beginn der Pandemie ein überdurchschnittlich hohes Ausmaß an Sorgen äußerten, dass auf sehr vergleichbarem Niveau mit Gruppen lag, die bereits zu dem Zeitpunkt AfD wählten. In den darauffolgenden rund anderthalb Jahren der Pandemie lag deren Sorgenlevel bezüglich gesellschaftlicher Themen zwar weiterhin über dem von Wählenden anderer Parteien, jedoch deutlich unter dem etablierterer AfD-Wählender. Mit anderen Worten: In den ersten Phasen der Pandemie zeigten sich die jetzigen AfD-Neuwählenden für viele Themen noch nicht so hochbesorgt. Erst im Frühjahr 2022 im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine und deren Auswirkungen schnellten die Sorgenwerte der jetzigen AfD-Wählenden auf ein Niveau von etablierteren AfD-Wählenden. Diejenigen, die erst vor kurzem zur AfD wechselten blickten also lange Zeit nicht ganz so negativ auf die Gesellschaft und die wirtschaftliche Entwicklung wie sie es jetzt tun und wie dies etabliertere AfD- Wählende damals schon taten. Wichtig hierbei: Das gilt vor allem für die gesellschaftlichen Sorgen; ihre Sorgen um die eigene, individuelle Situation war in den letzten drei Jahren ähnlich stark ausgeprägt wie unter etablierteren AfD-Wählenden. Diejenigen, die zuletzt zur AfD wechselten, berichteten bereits vor dem starken Anstieg der Inflation im Jahr 2022 überdurchschnittlich häufig davon, finanziell belastet zu sein – nur entschieden sie sich damals noch nicht dazu, AfD zu wählen. Das heißt jedoch keineswegs, dass die eigenen finanziellen Belastungen keine Rolle für die Parteiwahl spielen müssen. Es ist sehr wohl möglich, dass der enorme Anstieg finanzieller Sorgen – auch unter AfD-Wählenden – seinen Anteil daran hatte, dass sich Viele von etablierten demokratischen Parteien abgewendet haben.

Schließlich hilft der Blick auf die beiden großen Themenblöcke Pandemie und Ukraine-Krieg, um die Abkehr der zuletzt zur AfD abgewanderten Wählenden nachzuzeichnen. Bezüglich der Pandemie wird sehr deutlich, dass diese weniger als Auslöser zum Rechtsdrift erscheint – zumindest nicht in den ersten anderthalb Jahren der Pandemie. Hier waren die meisten der jetzigen AfD-Neu- wählenden noch einverstanden und sind weitgehend solidarisch den vorgeschlagenen Weg mit- gegangen, wie beispielsweise an der hier geringen Impfverweigerungsquote oder dem geringen Anteil derer, die angaben, sich nicht an die Verhaltensregeln zu halten, deutlich wird. Gleichzeitig ist aber erwähnenswert, dass sich unter den jetzigen AfD-Neuwählenden zu einem späteren Zeitpunkt der Pandemie – Anfang 2022 – im Zuge der Unzufriedenheit mit weiteren politischen Themen der Blick auf das Pandemie-Krisenmanagement deutlich eintrübte.

Der Blick auf den Krieg in der Ukraine offenbart dann schon abweichendere Einstellungen unter den jetzigen AfD-Neuwählenden im Vergleich zu Wählenden anderer Parteien. Hier werden einerseits überdurchschnittlich häufig die Russland- freundliche Deutung der Kriegsschuld sowie Verschwörungserzählungen zum Krieg geteilt und eine sehr große Unzufriedenheit über das Krisenmanagement der Bundesregierung geäußert. Andererseits wird augenscheinlich, wie groß und auch ansteigend die Zustimmung zu ablehnenden Einstellungen gegenüber Geflüchteten aus der Ukraine ist. Hierbei bestätigt sich die sehr große Bedeutung des Themas Zuwanderungsbegrenzung unter AfD-Wählenden insgesamt, aber auch nur geringfügig weniger unter denen, die erst zuletzt zur AfD wechselten.

Abschließend lässt sich daher sagen, dass auch dieser Bericht eines ganz klar zeigt: Wer AfD wählt, macht dies nicht trotz, sondern wegen ihrer migrationsfeindlichen Positionen. AfD-Wählende, die sich enttäuscht von etablierteren demokratischen Parteien abwenden und gleichzeitig nicht die rechten Positionen der AfD in Migrationsfragen teilen, finden sich kaum in den Daten. Besonders deutlich wird dies an dem Wert, dass 95 Prozent der jetzigen AfD-Wählenden die Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland bei der Bundestagswahl 2021 als wichtiges Thema angegeben haben. Gleiches gilt auch für die jetzigen AfD-Neuwählenden, da unter ihnen die Zuwanderungsbegrenzung ebenfalls eine überwältigende Wichtigkeit zugesprochen bekommt – und das bereits vor knapp zwei Jahren. Die Daten deuten also eindeutig darauf hin, dass sich die neu hinzugewonnen Wählenden in ihren Einstellungen beim Thema Zuwanderung nicht wesentlich von ihren etablierteren, häufig fremdenfeindlichen Wählenden unterscheiden. Es ist davon auszugehen, dass die stark verbreitete Sorge um den gesellschaftlichen Zusammenhalt unter AfD-Wählenden also vermutlich auf einem sehr homogenen und exkludierenden Bild der Gesellschaft beruht.

Die nicht selten verbreitete These, die AfD werde nur aus Protest gewählt, ohne dass eine große inhaltliche Übereinstimmung vorliegen würde, erscheint aber auch vor dem Hintergrund eines weiteren Befundes als eher selten zuzutreffen: AfD- Wählende äußern in bemerkenswerter Breite hohes Vertrauen in die Partei (46 Prozent) – übertroffen wird dieser Wert lediglich von Anhänger*innen der Grünen. Auch die Befunde zum Anteil derer, die nur geringes Vertrauen in die Partei haben bestätigt dies. Ein geringes Vertrauen in die eigene Partei ließe sich als Indiz dafür deuten, dass es sich hierbei um Protestwählende handelt, die eigentlich kaum mit den inhaltlichen Positionen der Partei übereinstimmen. Der Anteil von AfD-Wählenden, die nur geringes Vertrauen in die Partei haben, ist jedoch kaum höher als bei den meisten anderen Parteien.

Einzig der Befund, dass unter Neuwählenden der AfD das Vertrauen in die Partei deutlich unterdurchschnittlich ist, deutet zumindest in dieser Gruppe darauf hin, dass hier noch einige Wählende zu finden sind, die noch nicht komplett von der AfD überzeugt sind. Diese Wählenden gilt es mit anderen als mit migrationsfeindlichen Positionen anzusprechen – mit Positionen, die im Stande sind, ihre sozialen und finanziellen Sorgen abzumildern. Gute Politik, die Probleme und empfundene Ungerechtigkeiten angeht und löst, kann dafür sorgen, dass Menschen wieder Vertrauen in die Politik fassen. Wenn aber öffentliche Infrastruktur häufig nicht funktioniert oder (bezahlbarer) Wohnraum in vielen Regionen ausgesprochen knapp ist und hier tatsächliche Konkurrenzsituationen mit zugewanderten Personen entstehen, wenn unzureichend Geld zur Verfügung gestellt wird, um ankommende Menschen erfolgreich zu integrieren, ist all das Wasser auf die Mühlen der politischen Akteure, die weiteres Misstrauen in demokratische Institutionen schüren und einheimische gegen geflüchtete Menschen aufbringen wollen. Austeritätspolitik – in Zeiten derartiger politischer und gesellschaftlicher Herausforderungen – wie sie derzeit vom Bundesfinanzminister vorgegeben wird, erscheint vor diesem Hintergrund als ein sehr gefährlicher Weg.

Die Sparvorgaben drohen jedoch noch in einem anderen Bereich ihre destruktive Wirkung zu entfalten: Die angekündigten erheblichen Sparpläne im Bereich der politischen und demokratischen Bildung erscheinen als fatales Zeichen in einer Zeit, in der sich mehr und mehr Menschen von Demokratie abwenden. Für Demokratie braucht es Verständnis; demokratische Praktiken und Kompetenzen müssen eingeübt werden. Es braucht Engagement und das Mitmachen – dazu braucht es Menschen, die Gelegenheiten bekommen, mitmachen zu können, aber auch Menschen, die mitmachen wollen. Eine funktionierende und lebendige Demokratie braucht mündige Demokrat*innen, die sich für sie einsetzen.

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PDF herunterladen: Das Umfragehoch der AFD – Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung

 

 

 

 

 

Quelle und weitere Infos: https://www.wsi.de/
Bild: DKP Saarland - Aufstehen gegen Rassismus.de