Von Jana Mattert, Laura Valentukeviciute und Carl Waßmuth
Die Heinrich-Böll-Stiftung und der Verein Gemeingut in Bürgerinnenhand haben unter dem Titel »Gemeinwohl als Zukunftsaufgabe – Öffentliche Infrastrukturen zwischen Daseinsvorsorge und Finanzmärkten« nun eine Studie veröffentlicht, die die wirtschaftlichen Zusammenhänge hinter der globalen ÖPP-Strategie erklärt.
„Die Daseinsvorsorge in Deutschland basiert auf Infrastrukturen, deren Erhalt und Ausbau fortlaufende Investitionen benötigen. Dabei kann es um Abwasserrohre gehen, um die Schlaglochsanierung auf den Straßen, um Schulen oder um den Ausbau der Versorgungsnetze für erneuerbare Energien. Doch die notwendigen Investitionen wurden in den letzten Jahrzehnten in Deutschland kaum getätigt. Die Folge: Hochwertige Anlagen verfallen, neue werden nur zögerlich gebaut. Woher die notwendigen Investitionen kommen sollen – das ist umstritten. Sogenannte «öffentlich-private Partnerschaften» kommen immer wieder ins Gespräch, aber sie haben gewaltige Nachteile.
In der vorliegenden Studie werden die aktuellen Entwicklungen öffentlich-privater Partnerschaften beleuchtet und in einen Zusammenhang mit den Diskussionen um die G20-Infrastrukturpolitik gebracht, um letztlich die Frage zu beantworten: Wie kann so investiert werden, dass Gemeinwohlinteressen gewahrt bleiben?
Öffentliche Daseinsvorsorge hat eine anhaltend hohe Bedeutung für die Gesellschaft. Die diesbezüglichen Erwartungen der Bürger/innen nehmen eher zu. Dennoch gab es in den vergangenen 15 Jahren eine lange Phase der Unterinvestition, die einen steten Verfall der Infrastrukturen nach sich gezogen hat. Dieser Investitionsstau ist Ausdruck der teils prekären Lage der öffentlichen Haushalte, die durch große Unterschiede zwischen einzelnen öffentlichen Körperschaften sowie durch die Schuldenbremse und Maastricht-Kriterien in Zukunft noch verstärkt wird. Das Diktum zum Sparen betrifft öffentliche Infrastrukturen in besonderem Maße, weil Konsequenzen einer Sparpolitik hier nicht sofort sichtbar werden, sondern erst wenn der Verfall deren Nutzbarkeit einschränkt.
Als Problemlösung wird bislang meist vorgeschlagen, Private in die Leistungen der Daseinsvorsorge einzubeziehen. Diese Entwicklung hat sich jedoch als problematisch erwiesen. Durch privates Kapital werden die Probleme der öffentlichen Haushalte nicht gelöst – im Gegenteil: Vielerorts explodieren die Kosten für die Errichtung und den Betrieb privat finanzierter Anlagen. Zudem gehen demokratische Legitimation, Transparenz und das entsprechende Know-how der Verwaltungen verloren. So entstehen Umverteilungsprozesse, die den Privatisierungsprozess noch verstärken.
Tatsächlich kann es jedoch einen anderen Umgang mit Verschuldung geben als immer neue Privatisierungen. Dazu ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen denkbar und möglich. Eine Rückkehr zu klassischer Haushaltspolitik gehört ebenso dazu wie eine Erhöhung der Einnahmen, etwa durch eine Wiederbelebung der Vermögenssteuer und eine Reform der Erbschaftssteuer. Eigene Ressorts für Infrastrukturpolitik böten die Möglichkeit, entsprechende Maßnahmen planerisch und in der Umsetzung besser aufeinander abzustimmen – und dabei entsprechendes Know-how in den Verwaltungen zu bündeln und Synergieeffekte zu nutzen. Gleichzeitig ließe sich, etwa durch Änderungen im Baurecht, die öffentliche Hand als Bauherr stärken, entsprechende Zielvereinbarungen kämen den Beschäftigten zugute.
Zudem ist zu bedenken, dass die Infrastrukturen der Daseinsvorsorge den Bürger/innen dienen, die sie bezahlt haben. Umso wichtiger ist, dass sie die Kontrolle darüber behalten, was mit diesen Infrastrukturen geschieht. Mehr direkte Demokratie, beispielsweise in Form von Volksentscheiden oder durch einen obligatorischen Plebiszit-Vorbehalt für den Verkauf und die Beleihung, wären geeignete Mittel, diese demokratische Kontrolle wieder her- und dauerhaft sicherzustellen. Aber auch bei der Verwaltung der Güter und Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge sollten wichtige Reformen folgen, die Transparenz und die Beteiligung der Bürger/ innen im alltäglichen Geschäft etablieren.“
Studie »Gemeinwohl als Zukunftsaufgabe – Öffentliche Infrastrukturen zwischen Daseinsvorsorge und Finanzmärkten«, 2017, Bezug unter www.boell.de oder https://www.boell.de/sites/default/files/gemeinwohl_als_zukunftsaufgabe_-_oeffentliche_infrastrukturen_zwischen_daseinsvorsorge_und_finanzmaerkten.pdf
Herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung in Zusammenarbeit mit Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V. Bild: labournet.de