Die Arbeitsplatzvernichtung in Dortmund geht weiter – nun bei Thyssenkrupp Industrial Solutions

Die Dortmunder Unternehmen schielen wie andere auch nach den günstigeren Produktionsstandorten im Ausland, gehen Einigungen oder Übernahmen mit ausländischen Firmen ein und schließen hier ganze Produktionsstätten, meist mit Zustimmung der Gewerkschaften.

Nach dem Kahlschlag bei den Arbeitsplätzen bei Opel in Bochum, Continental, Signal Iduna, und bei Hoesch Spundwand wurde nun bekannt, dass der Essener Thyssenkrupp-Konzern in den nächsten 3 Jahren 1.500 Arbeitsplätze abbauen will, davon 172 Arbeitsstellen bei dem früheren Dortmunder Betrieb UHDE, der nun zu Thyssenkrupp gehört.

Hier ist es für die Beschäftigten wieder einmal besonders tragisch, da sie noch im vergangen Jahr über den Betriebsrat und die IG Metall eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich mit Thyssenkrupp vereinbart hatten, im Tausch mit der Arbeitsplatzsicherheit bis 2018. Nun werden Arbeitsplätze vernichtet und das bei einer außerordentlich guten Geschäftslage, mit einem neuen Auftrag im Volumen im hohen dreistelligen Millionenbereich. Doch das alles reicht den Aktionären nicht – für sie sind die hohen Gewinne eben nicht hoch genug.

Während jede kleinste positive Entwicklung, auch im Promillebereich, bei der Zahl der erwerbslosen Menschen in Dortmund hochgejubelt und von den Lensing Medien gefeiert wird, kann man sich über den schnodderigen Journalismus beim Abbau von Arbeitsplätzen nur ärgern. Da wird der „Stellenabbau von 172 Mitarbeitern bei Thyssenkrupp in Dortmund verkündetet“ worüber die Mitarbeiter „not amused“ seien. Verschwiegen wird der massive Stellenabbau in der Stadt, trotz hervorragender Gewinne der Unternehmen in den vergangenen Jahren.

Opel

Zum Ende des Jahres 2014 hatte das Opel-Werk in Bochum die noch verbliebenen 3.300 Arbeitsplätze vernichtet. Rund 2.500 Mitarbeiter waren in eine Transfergesellschaft gewechselt. Für etwa 700 Menschen gab es weiter Arbeit in Bochum, da das europaweite Opel-Ersatzteilzentrum um 265 Stellen aufgestockt wurde.

Rund 500 Opelbeschäftigte aus Dortmund hatten sich arbeitslos melden müssen.Eine neue Beschäftigung in Dortmund zu bekommen, ist ziemlich aussichtslos. Die Resonanz  der heimischen Firmen auf eine erste Anschreibeaktion der Agentur für Arbeit Dortmund im Mai 2014 war dürftig. Von den knapp 200 angeschriebenen Unternehmen aus dem Bereich Lager/Logistik, sowie Metall und Elektro, gab es nur vereinzelte Rückmeldungen. Eine konkrete Stellenmeldung ergab sich nicht; Dortmunder Firmen hatten definitiv kein Interesse an den Opelanern. Angeblich sind sie nicht genügend qualifiziert. Aber das scheint nur vorgeschoben, denn fast alle Opelaner haben eine abgeschlossene Berufsausbildung

Zwei Jahre nach der Schließung sind rund 1.000 Ex-Opelaner noch nicht vermittelt. Die Gesellschaft TÜV Nord Transfer als Träger der Transfergesellschaft beendet ihre Vermittlungsarbeit, sie konnte nur rund 900 Mitarbeiter in eine neue Arbeit bringen, weitere 700 seien in den Ruhestand gegangen. Mehr als 1.000 früheren Beschäftigten wurden dann in die Arbeitslosigkeit entlassen

Continental

Der Dortmunder Automobilzulieferer Continental Automotive hat seine Produktion von Dortmund nach Rumänien verlagert und insgesamt 340 feste Arbeitsplätze wurden in Dortmund bis Ende 2015 vernichtet.

Die Entwicklung bei Continental ist nicht plötzlich hereingebrochen. Bereits 2008 gab es Konflikte um den Bereich Sensorik im früheren Siemens- und jetzigen Conti-VDO-Werk in Dortmund.

Massiver Widerstand der Beschäftigten, Protestkundgebungen und Arbeitsniederlegungen verhinderten damals die Verlagerung nach Osteuropa. Zunächst.

Die erste Entlassungswelle ist dann angelaufen. Nicht alle der betroffenen 65 Mitarbeiter wollten sich mit ihrer Entlassung abfinden. 5 Beschäftigte, die den Aufhebungsvertrag nicht unterschreiben wollten, gingen vor das Arbeitsgericht. Sie konnten nicht nachvollziehen, dass sie entlassen werden sollen, während gleichzeitig neue befristete Arbeitsverträge abgeschlossen wurden und dass entgegen den Behauptungen, dass wohl genügend Arbeit im Werk Dortmund vorhanden sei.

Der Name Continental ist eng mit dem Namen Schaeffler verbunden. Schaeffler, eine der reichsten Familien in Deutschland, hatte sich an der weltweiten Zockerei beteiligt und unter dem Decknamen „Paul kauft Emma“ mit einer feindlichen Übernahme des viel größeren Konzerns Continental übernommen und sich verhoben. Mit dem Ergebnis, dass rund 12 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten auf Continental lasteten. Schaeffler und Conti waren mit insgesamt 22 Milliarden Euro verschuldet.

Damals gingen fast 8.000 Menschen auf die Straße und forderten, dass der Staat den angeschlagenen Konzern retten sollte. Sie merkten damals aber nicht, dass sie als Belegschaft nun doppelt bluten sollten: Zum einen sollten sie die Lasten des Produktionseinbruchs in der Autoindustrie und zum anderen die Kosten der milliardenschweren Verschuldung tragen. 20.000 der 31.000 in Deutschland Beschäftigten wurden in die Kurzarbeit geschickt und ihre Löhne eingefroren. Die Staatshilfen kamen dann auch. Sie waren aber an Bedingungen geknüpft, die vom Betriebsrat und der Gewerkschaft (IG BCE) schnell abgenickt wurden: Das Unternehmen sollte auf Kosten der Belegschaft saniert werden. Konkret sollte durch Kurzarbeit, Sparmaßnahmen, Lohnsenkungen und Entlassungen dafür gesorgt werden, dass die Banken ihr Geld zurückbekommen und das Milliarden-Vermögen der Schaeffler-Familie auch in der Familie bleibt.

Die Auswirkungen dieses Sanierungsmodells bekamen die Beschäftigten in Dortmund dann zu spüren.

Signal Iduna

Der Dortmunder Versicherer plante laut der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di bis zum Jahresende 2017 seine Kosten um 100 Millionen Euro jährlich zu senken. ver.di hat seit langem Erfahrungen mit ähnlichen Maßnahmen in der Versicherungsbranche und kann behaupten, dass der Abbau mehrerer hundert Stellen zu erwarten sei. Andere sprechen davon, dass das Unternehmen, das doch den Vorreiter beim Strukturwandel in Dortmund – hin zur Dienstleistungsstadt – übernehmen sollte, bis 2018 voraussichtlich insgesamt 1.400 Arbeitsplätze abbauen wird.

Wie immer bei solchen Sparmaßnahmen, die den Profit steigern oder erhalten sollten, gibt es die sprachlich eigenartigen und blumigen Programmnamen. Der Signal Iduna in Dortmund wurde von einer Unternehmensberatung empfohlen, doch ein „Konzerneffizienzsteigerungsprogramm“, das Einsparpotentiale aufzeigen sollte, aufzulegen.

Der Vorstand von Signal Iduna ließ verlauten, man müsse auf einen weithin gesättigten Markt und steigenden Preisdruck, etwa aufgrund des Internetvertriebs, reagieren. Dem entgegenwirken will man mit Stellenstreichungen, so, wie es die Konkurrenz, die “Ergo, Axa und Provinzial Nordwest” schon vorgemacht haben.

Es ist aber nicht das erste Mal, dass die rund 12.800 Mitarbeiter der Versicherungsgruppe Einsparungen ertragen müssen. Allein die Fusion mit der “Deutschen Ring Krankenversicherung” kostete ca. 900 Stellen.

Die Signal Iduna Versicherung will bis Ende des Jahres ihre Umstrukturierung abschließen. In den vergangenen drei Jahren wurden bereits erheblich Stellen abgebaut und Filialen zentralisiert.
In Dortmund werden zum Ende der Umstrukturierung 350 Menschen weniger für die Signal Iduna arbeiten. Der Versicherungskonzern hat an seinem Standort Dortmund dann noch rund 1.900 Mitarbeiter.

Karstadt

Seit Jahren kommen die Beschäftigten bei Karstadt nicht zur Ruhe.

Im Sommer 2014 hatten die rund 400 Karstadt-Beschäftigte in Dortmund und auch der Betriebsratsvorsitzende Gerhard Löpke aus dem Radio erfahren, dass ihre Arbeitsplätze gefährdet seien. Der Karstadt-Aufsichtsratschef Stephan Fanderl hatte schmerzhafte Einschnitte angekündigt. Seit dieser Zeit stehen die Beschäftigten unter besonderer Beobachtung. Seit der Insolvenz 2009 mussten sie schon erhebliche Zugeständnisse machen. In dem Sanierungstarifvertrag verzichteten die Beschäftigten zur Rettung des Unternehmens auf rund 150 Millionen Euro bis Ende 2012.

Im Mai 2013 stieg Karstadt aus der Tarifbindung aus und wechselte in die regionalen Arbeitgeberverbände ohne Tarifbindung. Man wollte eine „Tarifpause“ einlegen. Für die Mitarbeiter hieß das, dass die Gehaltserhöhungen bis 2015, die durch Tarifverträge vereinbart werden, entfielen.

Der früher als Retter gefeierte Nicolas Berggruen gab dann im August 2014 auf. Die österreichische Signa-Gruppe des Immobilien-Investors René Benko übernahm die Karstadt Warenhaus GmbH und damit auch die Karstadt-Filialen.

Bis heute jammern alle Beteiligte herum, dass ein „klares Konzept“ fehlt und vergessen dabei, dass das Konzept ganz klar ist und zwar: möglichst viel Geld in möglichst kurzer Zeit aus Karstadt heraus zu holen.

Hoesch Spundwand und Profil GmbH (HSP)

Schon lange warnte der Betriebsrat davor, dass bei einem Verkauf von HSP über 500 Arbeitsplätze in Gefahr seien, davon 26 Ausbildungsplätze. Außerdem auch rund 100 Beschäftigte, die auf der Basis von Werkverträgen oder als Leiharbeiter bei HSP tätig waren. Hinzu zu rechnen wären auch noch die Auswirkungen für die Logistik- und Zulieferfirmen.

Für die zuletzt rund 350 Beschäftigten war das Aus für HSP im Jahr 2015 eine Katastrophe. Viele von ihnen gingen direkt in die Arbeitslosigkeit.

Auch bei HSP war der Kampf um die Arbeitsplätze nichts Neues. Schon 1999 und 2006 kämpften die Beschäftigten gegen den Verkauf ihres Betriebes an sogenannte Finanzinvestoren und konnten ihn auch zweimal verhindern.

Die Belegschaft hatte Mitte Oktober 2014 der Salzgitter AG ihren Forderungskatalog vorgelegt, unter anderem ging es um die Standortgarantie, den Erhalt der Arbeits- und Ausbildungsplätze, dass ein möglicher Käufer nicht ein Konkurrent oder Finanzinvestor sein durfte und die Übernahme der bestehenden Tarifverträge und Vereinbarungen.

Die Beschäftigten wurden im Regen stehen gelassen, sie konnten nicht ein drittes Mal den Verkauf abwenden.

Thyssenkrupp Industrial Solutions

Der Industriekonzern Thyssenkrupp wird in seiner Sparte Spezial- und Großanlagenbau in den nächsten 3 Jahren 1.500 Stellen abbauen. In Deutschland werden es rund 1.000 Stellen sein, in Dortmund ist die Rede von 172 Arbeitsplätzen bei Thyssenkrupp Industrial Solutions (TKIS-früher Uhde). Auch hier gibt es eine Vorgeschichte.

Im Jahr 2016 hatten der Betriebsrat und die IG Metall eine geringere Arbeitszeit mit TKIS vereinbart, mit reduziertem Lohn bis zum Ende 2018. Doch jetzt sollen 172 Arbeitsplätze schon im kommenden Jahr vernichtet werden.

Besonders heikel ist, dass nun bekannt wurde, dass TKIS aus Dortmund eine komplette Düngemittelanlage nach Brunei liefert, der Auftrag soll im „hohen dreistelligen Millionenbereich“ liegen.

Die IG Metall zeigte hier wie so oft vorauseilenden Gehorsam mit den ewigen Deals

  • Lohnsenkung gegen Arbeitsplatzsicherung,
  • Lohnsenkung gegen billige Exportpreise,
  • Lohnsenkung gegen horrenden Gewinne der Unternehmen,
  • Lohnsenkung gegen Deutschland als Exportweltmeister,
  • Lohnsenkung gegen Konkurrenzvorteile gegenüber ausländischen Unternehmen

und

Lohnsenkung gegen die Existenz bedrohende Überschuldung anderer Staaten und deren Bevölkerung.

Das passiert genau in den Bereichen, in denen spätestens seit der HARTZ-IV-Einführung vom deutschen Niedriglohnsektor der Exportboom ausging, an dem die Unternehmen richtig viel Geld verdienen, die zuständigen Gewerkschaften dafür sorgen, dass das so bleibt und unsere Unternehmen ihre internationalen Marktanteile halten können.

Um die Mitglieder auf diesem Weg mitzuziehen, gab und gibt es bei vielen Betrieben einen Jahresendbonus von 5.000 Euro und auch mehr, also nur für die „Leistungserbringer“, nur in einzelnen Betrieb und hart am Tarifvertrag vorbei.

 

 

Quellen: WAZ, RN, ver.di, IGM, Agentur für Arbeit

Bild: ver.di