Gegner der Arbeitzeitverkürzung übersehen gern, dass auch die Arbeitslosigkeit, Kurz- und Teilzeitarbeit Formen von Arbeitszeitverkürzung sind. Auch die Vollbeschäftigten zahlen dafür: Lohndrückerei, wachsender psychischer und physischer Druck, steigende Gesundheits- und Sozialkosten sind der Preis. Je mehr Arbeitslose, desto weniger Gewerkschaftsmitglieder und mangelnde Tarifbindung. Eine faire Arbeitzeitpolitik könnte das verfügbare Erwerbsarbeitspotential und das entsprechende Arbeitsvolumen so umverteilen, dass die Arbeitslosen eine Arbeit bekämen, aber auch die Teilzeitbeschäftigten ihre Arbeitszeit nach ihren Bedürfnissen erhöhen könnten.
Auch hier geht es um Umverteilung. Würde man die Arbeitzeit der Vollbeschäftigten über fünf Jahre jährlich um fünf Prozent reduzieren, so kämen die 3,5 Millionen Vollzeitbeschäftigten auf eine 30-Stunden-Woche. Dies würde nach und nach 4,7 Millionen zusätzliche Arbeitskräfte oder ein zusätzliches Arbeitsvolumen von 6,6 Milliarden Stunden bedeuten. Zusätzlich muss es zu einem Ausbau an Beschäftigung im öffentlichen Sektor kommen. Dort fehlen derzeit hunderttausende Fachkräfte z.B. in der Pflege, Kindertageseinrichtungen und Schulen. Allein die vollständige Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit würde etwa 80 Milliarden Euro freisetzen, die der Staat jährlich für die Arbeitslosigkeit aufbringt. Eine solidarische Steuerpolitik könnte mit zur Gegenfinanzierung genutzt werden.
Hauptadressat der Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung sind die Gewerkschaften und Arbeitgeber.
Arbeitzeitverkürzung, wie hier dargestellt, muss aber als ein gesamtgesellschaftliches Projekt ausgerichtet werden, das die Arbeitslosen, Parteien, Kirchen und Sozialversicherungsträger mit einbezieht. Arbeitszeitverkürzung hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die große Mehrheit der Beschäftigten von ihrem Sinn überzeugt und auch bereit ist, dafür zu kämpfen.
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Bild: ver.di Jugend