Die Arbeitgeber und die IG Metall haben sich in Köln auf einen Abschluss für das Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen geeinigt, der auch auf die übrigen Regionen übertragen werden soll. Vollmundig wird getitelt: „4,8 Prozent mehr Lohn für Metaller“ und die IG Metall spricht von einem Abschluss mit „Pilotcharakter“.
Der tatsächliche Abschluss dürfte in seiner Umrechnung, bezogen auf eine Jahreslaufzeit von 12 Monaten, so war ja die 5 Prozent Forderung gedacht, nur knapp über 2 Prozent liegen. Die vereinbarte Laufzeit beträgt nun 21 Monaten.
In Wirklichkeit ist es also ein erbärmliches Ergebnis, wobei ein Konzept für eine gewerkschaftliche Lohnpolitik überhaupt nicht zu erkennen ist. Außer so einem, dass die Niedriglohnpolitik in den Exportbereichen der deutschen Wirtschaft aufrecht erhalten bleibt, die anderen Länder sich weiter verschulden müssen und die Überschüsse bei uns in den Kapitalmarkt fließen.
Engagierte Gewerkschafter rieben sich die Augen, als sie sahen, mit welchen Forderungen die IG Metall in die diesjährige Tarifauseinandersetzung ging.
Die IG Metall zeigte mit ihrer Forderung von 5 Prozent mehr Lohn, bei einer Laufzeit von 12 Monaten an, dass ihr auch ein Ergebnis unter 3 Prozent reicht. Genau in den Bereichen, in denen spätestens seit der HARTZ IV Einführung vom deutschen Niedriglohnsektor der Exportboom ausging, an dem die Unternehmen richtig Geld verdienten, will die zuständige Gewerkschaft jetzt dafür sorgen, dass das so bleibt und unsere Unternehmen ihre internationalen Marktanteile halten können. Um die Mitglieder auf diesem Weg mitzuziehen, gab es z.B. bei Daimler einen Jahresendbonus von über 5.000 Euro, also nur für die Daimlers und hart am Tarifvertrag vorbei.
Dann kam das Warnstreikritual mit dem Auftrieb der überwiegend männlichen Demonstranten, mit ihren markigen Sprüchen und den lächerlichen Streikuniformen, Trillerpfeifen und relativ neu, mit den gelben Schweißerkulleraugenbrillen.
Das Einigungsergebnis, das nun vorliegt, hat alle Befürchtungen noch einmal übertroffen:
- die Laufzeit beträgt 21 Monate,
- es gibt eine Einmalzahlung von 150 Euro für die Monate April, Mai und Juni 2016,
- in der ersten Stufe gibt es für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2016 bis Ende März 2017 2,8 Prozent mehr,
- in der zweiten Stufe erfolgt ab 1. April 2017 eine Steigerung um 2 Prozent.
Der Abschluss dürfte in seiner Umrechnung, bezogen auf eine Jahreslaufzeit von 12 Monaten, wie ursprünglich gefordert, im Durchschnitt nur knapp über 2 Prozent liegen
Die gewerkschaftliche Lohnpolitik ist mehr, als für 2 Prozentpunkte mehr Lohn zu kämpfen.
Ihr kommt große gesamtwirtschaftliche Bedeutung zu.
So kann Lohnpolitik z.B. solche Auswirkungen entfachen:
- Löhne bzw. Entgelte sind der größte Kostenfaktor für die Unternehmen, deshalb hat die Auseinandersetzung um sie immer einen besonderen Stellwert für die Gewerkschaftsbewegung. Lohn- und Entgelterhöhungen steigern die Konsumnachfrage, stabilisieren damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und tragen so zur Sicherung der Arbeitsplätze bei, ohne dass von der Lohnseite inflationstreibende Effekte ausgehen.
- Wenn die Einkommen durch höhere Tarifabschlüsse steigen, schlägt sich das auch bei den Renten nieder. Entscheidend für die Rentenberechnung ist die Entwicklung der Bruttolöhne. Der Rentenwert ergibt sich aus den Bruttolöhnen des Vorjahres. Steigen diese an, wird auch dieser Wert angehoben.
- Lohndumping der letzten Jahre bei uns mit seinen geringen Lohnstückkosten ist eine der wichtigsten Ursachen für die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse, für das Auseinanderlaufen der Wettbewerbsfähigkeit der Mitglieder der Europäischen Währungsunion (EWU), für die Handelsungleichgewichte und somit eine Hauptursache der Eurokrise.
- Die gesamtwirtschaftliche Lohnentwicklung ist verantwortlich für das Außenhandelsgleichgewicht, ob mehr im- als exportiert wird. Wenn der meiste Handel auch noch mit Ländern im gleichen Währungsraum stattfindet, sind die gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten im Vergleich zu denen der Währungspartnerländer der wichtigste verbleibende Faktor dafür, ob es Handelsüberschüsse oder -defizite gibt. Auch der europäische und weltweite Markt funktioniert so, wächst eine Volkswirtschaft so muss eine andere naturgemäß schwächer werden. Das Vermögen der einen sind die Schulden der anderen.
- Das Märchen von der Lohnentwicklung, die im Vakuum der Tarifparteien stattfindet, wird immer wieder erzählt, ist deshalb aber nichtzutreffend. Lohnpolitik ist abhängig von der Wirtschaftspolitik der Regierung, was seit der HARTZ IV Gesetzgebung ganz einfach zu belegen ist.
- Die gesamtwirtschaftliche Lohnentwicklung hat einen besonderen Einfluss auf die Entwicklung der Preise, weil die vielen Vorleistungen, die die Industrie neben dem Faktor Arbeit zusätzlich zur Produktion benötigt, stammen, sofern sie nicht importiert sind, aus anderen inländischen Unternehmen. Deren Produktpreise werden von den dort anfallenden Kosten bestimmt. Diese Vorleistungen sind gesamtwirtschaftlich betrachtet fast alles Lohnkosten.
- Seitdem der Euro eingeführt wurde, blieben die deutschen Löhne bzw. Lohnstückkosten auf niedrigem Niveau, mit der Folge, dass die Preise bei uns nicht anstiegen. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit verbesserte sich um fast 25 Prozent. In Südeuropa stiegen die Preise enorm an, die Waren und Dienstleistungen verteuerten sich gegenüber dem Ausland immens, die Folgen sind ja heute jedem bekannt.
- Die Lohnentwicklung hat maßgeblich zur Verarmung beitragen, mit Auswirkungen bis in die sogenannten Mittelschichten hinein.
- Die Umverteilung von unten nach oben ist als Ursache für die wirtschafts- und finanzpolitische Krise seit nunmehr 8 Jahren zu sehen. Die wachsende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen hat nachweislich zur Destabilisierung des gesamten Finanzsystems beigetragen.
Doch gibt es Leute, die dies wissen und zu verhindern wissen, dass gewerkschaftliche Lohnpolitik diese Entfaltung bekommt.
So betonte der NRW-Arbeitgeberpräsident und Verhandlungsführer Arndt Kirchhoff, der Abschluss sei ein „Türöffner für einen Wiedereinstieg in die innovative Tarifpolitik. Für Rainer Dulger, dem Präsidenten von Gesamtmetall ist das Ergebnis ein „solider Dreiklang aus akzeptabler Lohnerhöhung, betrieblicher Flexibilität und langer Laufzeit“, damit habe man „erreicht, dass die Belastung der Unternehmen deutlich unter den Vorjahren liegt, dass die Laufzeit deutlich länger ist und dass den Unternehmen die Möglichkeit gegeben wird, Teile des Abschlusses zu differenzieren.“
Das müsste doch auch die IG Metallern in den Ohren klingeln oder stehen diese bei ihnen auf Durchzug?
Quelle: dpa, IG Metall
Bild: IG Metall