Wohnen wird immer teurer. Tatsächlich sind die Wohnungspreise und Mieten insbesondere in den Ballungsräumen deutlich schneller gestiegen als die Einkommen der abhängig Beschäftigten. Immobilien sind zum Spekulationsobjekt verkommen. Das Kapital sucht nach lukrativer Anlage. Der Wohnungsmarkt ist zum Schauplatz von Verteilungskämpfen zwischen Kapital und Arbeit degeneriert. Wer weiter auf Marktkräfte setzt, setzt darauf, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Die aktuellen wohnungspolitischen Entwürfe lassen die Überforderung der Politik erkennen: Seit die Proteste von Mieterinnen und Mietern nicht mehr ignoriert werden können, ist an die Stelle demonstrativer Untätigkeit teils hektische Betriebsamkeit getreten.
In dieser brisanten Situation legt die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (AAW e.V.) das Sondermemorandum „Wohnen“ vor. Im Mittelpunkt stehen die Ursachenanalyse, die Bestandsaufnahme und die Eigentumsfrage. Es werden Szenarien zur Zukunftsgestaltung vorgestellt. Dabei wird auch klar, dass die Schuldenbremse wie eine Gestaltungsbremse wirkt.
Zehn Thesen zum Wohnen:
- Die Probleme auf dem Wohnungsmarkt gehen auf langfristige Fehlsteuerungen zurück. Dazu gehören insbesondere die Deregulierung des Wohnungsmarktes, die Privatisierung öffentlicher Wohnungsbestände und die faktische Beendigung der Wohnungsbauförderung. Die Krise am Wohnungsmarkt ist ein Symptom der neoliberalen Umverteilungspolitik zugunsten des Kapitals.
- Das Kapital weicht bei der Suche nach lukrativen Anlagen angesichts niedriger Zinsen auf die Immobilienmärkte aus. Immobilien sind zum Spekulationsobjekt verkommen. Dadurch wurden die Kaufpreise in die Höhe getrieben, der Verwertungsdruck wiederum treibt die Mieten. Diese beanspruchen einen wachsenden Teil der Einkommen der abhängig Beschäftigten. Um die durchschnittliche Mietpreisentwicklung für abhängig Beschäftigte im Durchschnitt bezahlbar zu machen, müssten die Lohneinkommen massiv steigen. Ein solcher Lohnanstieg ist jedoch aus vielen Gründen unrealistisch.
- Trotz frei verhandelbarer Marktmieten im Neubau entwickelt der private Markt keine ausreichende Bautätigkeit. In Deutschland fehlen mehr als eine Million Wohnungen, vor allem in Ballungsräumen. Die Angebotsmieten sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Besonders knapp ist bezahlbarer Wohnung vor allem in Ballungsgebieten. Wohnungen werden hier vielfach am Bedarf vorbei gebaut. Es entstehen luxuriöse Wohnungen, die für die meisten Menschen unbezahlbar sind.
- Die aktuelle Baukonjunktur trägt alle Züge eines kurzfristigen Booms mit deutlichen Preiserhöhungen ohne nachhaltigen Ausbau der Kapazitäten in der Bauwirtschaft. Ohne eine nachhaltige Auslastungsperspektive wird es keinen Ausbau der Bauwirtschaft geben.
- Eine marktwirtschaftliche Lösung der Wohnungsfrage ist nicht in Sicht. Das aktuelle Marktversagen auf dem Wohnungsmarkt wird durch die ungleiche Verteilung von Vermögen befeuert.
- Auch in der Vergangenheit wurde der Wohnungsmarkt durch staatliche Maßnahmen strukturiert. Heute sind wieder staatliche Eingriffe notwendig, um die gesellschaftliche Spaltung zwischen Kapital und Arbeit nicht weiter voranzutreiben.
- Ein Mietendeckel verschafft der Wohnungspolitik kurzfristige Entlastung, wird aber das Problem nicht lösen können. Eine Enteignung von Wohnungsunternehmen ändert am fehlenden Wohnungsangebot nichts und würde die Investoren nur mit neuen Mitteln für neue Spekulation ausstatten.
- Staatliche Investitionsprogramme in neuen Wohnraum sind dringend notwendig. Hierbei können Fehler der Vergangenheit vermieden werden. Kommunale Wohnungsbauprogramme sollten Vorrang vor der Förderung privater Investoren haben. Die Schuldenbremse wird mehr und mehr zu Gestaltungsbremse.
- Wohnungsneubau zu tragbaren Mieten ist machbar.
- Die aktuelle Grundsteuerreform wird die Mieten (brutto) in Ballungsräumen voraussichtlich weiter steigen lassen. Die Grundsteuer als Vermögensteuer muss bei den Hauseigentümerinnen und -eigentümern verbleiben. Im Zuge der Reform muss daher untersagt werden, sie auf die Mieterinnen und Mieter zu überwälzen.
Die Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind hausgemacht und gehen auf langfristige Fehlsteuerungen zurück. Eine marktwirtschaftliche Problemlösung ist nicht in Sicht. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik fordert daher vor allem den Ausbau des kommunalen Wohnungsbaus. Das Angebot an bezahlbarem Wohnraum muss erhöht werden. Mit dem Ausbau des kommunalen Wohnungsbaus können bezahlbare Mieten dauerhaft gesichert werden. Dies scheint angesichts der aktuellen Schieflagen dringend geboten.
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