Die Beschäftigten der Stadt Dortmund fühlen sich wie Zitronen, derer man sich nach dem Auspressen entledigt

Die Beschäftigten der Stadtverwaltung Dortmund leiden seit Jahrzehnten unter den Sparkonzepten, die den städtischen Haushalt entlasten sollen. Sie fühlen sich gefangen in ihrer Sandwichpostition; eingeklemmt zwischen den Sparmaßnahmen der Stadt Dortmund, die den Zweck verfolgen, Kosten zu senken, Personal abzubauen und die Arbeit zu verdichten und den stetig steigenden Aufgaben, die das Land NRW und der Bund ihnen aufbürdet.

Seit nunmehr als 10 Jahre sind die gewählten Vertreter der Städtischen Beschäftigten dabei, die Politiker in der Stadt Dortmund von den pauschalen Kürzungen des Personalbudgets abzubringen.

In ihren öffentlichen Resolutionen weisen sie immer wieder auf die Situation der Beschäftigten bei der Stadt Dortmund hin, dass die Belastungsgrenze dabei bereits vor Jahren über­schritten wurde, die physischen wie psychischen Erkrankungen immer mehr zunehmen, die Personalnot noch zusätzlich dramatisch verschärfen und dass man die Beschäftigten der Stadtverwaltung zu „Objekten“ (zur sprichwörtlichen Zitrone) degradiert, derer man sich nach dem Auspressen einfach entledigt.

Heute scheint die Personalpolitik der Stadt Dortmund vor die Wand gefahren zu sein und kann vor den Bürgern nicht mehr verheimlich werden, die erleben das Chaos am eigenen Leib, wenn sie eine kommunale Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen.

Die neue Philosophie, will heißen, ein rigoroses Kaputtsparen in der Dortmunder Personalpolitik, die seit 2009 durch CDU und SPD im Rat mehrheitsfähig ist, wird ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen. Als Begründung diente damals das von SPD und Grünen gemeinsam erwirtschaftete Haushaltsloch, das der ehemalige Oberbürgermeister Langemeyer dem Rat verschwiegen hatte. Daraus wurde ein Kürzungsmarathon abgeleitet und Flexibilisierung war das Schlagwort eines neuen Personalkonzeptes der neuen Großen Haushaltskoalition aus SPD und CDU, das unter dem Begriff „Neuorientierung der Verwaltung“ (NEO) vor 10 Jahren eingeführt wurde.

Im zweiten Quartal des Jahres 2012 hatte sich der Personalrat der Stadt Dortmund in einem offenen Brief an die Mitglieder des Stadtrates gewandt und um die Rücknahme des Beschlusses zur pauschalen Kürzung des Personalbudgets um 10 Prozent in den Jahren 2011 bis 2015 gebeten. Bei der Mitarbeiterversammlung im Dezember 2013 forderte der Personalrat die pauschale Personalkürzung von mittlerweile 2 Prozent aufzuheben.

Alle Bemühungen blieben ohne Erfolg.

Zu diesem Zeitpunkt waren bereits ein verminderter Bürgerservice, versäumte Einnahmen für den Haushalt und hohe Krankenstände nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel in der Verwaltung der Stadt Dortmund. Es war eine Spirale des Mangels entstanden und ein Status erreicht, der den Zusammenbruch der kommunalen Handlungsfähigkeit nicht mehr aufhalten konnte.

Bei den Verantwortlichen galt immer nur die Devise „weiter so“ – bis heute und sie stehen nun vor dem Scherbenhaufen ihrer Sparpolitik.

Beispiele für die Auswirkungen dieser Sparpolitik
  • In der Regel sind die Bürgersdienste sowohl in der Stadtmitte als auch in den Stadtbezirken bereits nach einer Stunde wegen Überfüllung geschlossen.Morgens um 6.00 Uhr stehen mehr als 200 Menschen stehen in der Warteschlange. Persönliche Termine gibt es erst in 2 oder 3 Monaten. Für die Verlängerung bzw. Neubeantragung des Personalausweises wird den Bürgern eine Bearbeitungszeit von mindestens 9 Monaten offeriert. Eine Horrorvorstellung ist die Welle der Neubeantragungen von Personalausweisen, die sich am Horizont abzeichnet. Die 10-Jahres-Gültigkeit der Ausweise wurde ab dem 1.11.2010 für Pässe eingeführt, die 10 Jahre laufen nächstes Jahr ab. 2010 wurden 115.000 Personalausweise ausgestellt, man kann also mit dieser Zahl an Neuanträge für 2020 rechnen. Zu einem Run wird es auch bei den Führerscheinen für Berufskraftfahrer kommen, die seit einiger Zeit auf 5 Jahre befristet sind und diese Frist läuft zum 09.09.2019 ab. Bei den Führerscheinen wird es auch dann eng, wenn der Pflichtumtausch der alten Führerscheine fällig wird und die alten in Kartenformatführerscheine ausgetauscht werden. Begonnen wird mit Tausch der Führerscheine, die zwischen 1953 und 1958 ausgestellt wurden, das muss bis Januar 2022 über die Bühne gehen. Die Amtsleitung der Bürgerdienste spricht von 13 bis 15 unbesetzten Stellen, das sind 10 Prozent der Belegschaft und das bei steigender Anzahl an Aufgaben, allein bei der Kranfahrzeug-Anmeldung gibt es eine Steigerung um 12 Prozent.
  • Im Jugendamt gibt es zu wenig Personal und zu viele Fälle. Dieser Spagat muss dort geleistet werden. Die Gefahr ist immer da, dass das Kindeswohl nicht immer gewährleistet werden kann, weil die empfohlene Anzahl von 35 Fällen oft auf die doppelte Fallzahl hochschnellt, sich um über 100 Familien pro Beschäftigten gekümmert werden muss und das bei ständig wachsendem Anteil der Arbeitszeit mit der Dokumentation. Das Jugendamt zahlt den Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende. Das Geld fließt dann, wenn der andere Elternteil seinen finanziellen Verpflichtungen für sein Kind nicht rechtzeitig oder nur eingeschränkt nachkommt. Anschließend fordern die Behörde die vorgestreckten Ausgaben von den säumigen Elternteil zurück. Das Problem: Der Staat bekommt einen Großteil des Geldes nicht wieder, die Rückholquote liegt auch in Dortmund bei lediglich 23 Prozent, aufgrund der personellen Situation mit fallender Tendenz. Bei der Wirtschaftlichen Jugendhilfe hat man schon aufgegeben, von der Kostenbeitragspflicht der Eltern sieht man ab, in dem man mitteilt: „Im Moment müssen von Ihnen keine Unterlagen zu Ihrer Einkommenssituation eingereicht werden, da aufgrund der Personalsituation im Bereich der wirtschaftlichen Jugendhilfe eine Bearbeitung aktuell nicht erfolgen kann“.
  • Im Amt für Wohnen/Wohngeldstelle werden die wohngeldberechtigten Menschen im Gespräch bewusst falsch darüber informiert, dass sie keinen Anspruch haben, weil sie z.B. Studierende sind oder berufstätige Menschen angeblich monatlich zu viel verdienen, obwohl die Einkommensberechnung für den Jahreszeitraum gilt. Der Antrag wird erst gar nicht angenommen und damit wird kein Verwaltungsvorgang begründet. Wird der Antrag bearbeitet, können sich die Antragsteller auf eine Bearbeitungszeit von bis zu 9 Monaten einstellen. Viele müssen dann unter dem Existenzminimum leben und sich verschulden, auch weil das Jobcenter bzw. das Sozialamt nicht mehr einspringt und die Leistung nachher mit der Wohngeldnachzahlung verrechnet.
  • Amt für Soziales und Wohnen/Wohnraumsicherung: Diese Stelle schickt vermehrt Rat- und Hilfesuchende weg, mit dem Hinweis, dass viele Angestellte erkrankt und zu wenig Personal vorhanden sei. Der alleinerziehenden Mutter, der die Stromsperre droht, wird bedeutet, wenn sie die Energieschulden mit einem Darlehen der Stadt Dortmund bezahlen möchte, was ihr Recht ist, dann sollte man doch mal das Jugendamt über ihr „unwirtschaftliches“ Verhalten informieren. Einer „Mutter, die nicht haushalten könne, könne man auch die Kinder wegnehmen“. Die Frau verzichtete auf das Darlehen, sie lieh sich das Geld im Bekanntenkreis. Die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) sind klar geregelt, sie werden auf Antrag erbracht. Die Antragstellung ist an keine Form gebunden. Die Behörde ist gehalten, den wirklichen Willen des Antragstellers – ggf. durch Rückfragen – zu erforschen und den Antrag auszustellen. Wird der Antrag angenommen kann es sein, dass eine Bearbeitung auch nach 2 Monaten wegen „Langzeiterkrankung der Mitarbeiterin“ nicht stattfand – eine Vertretung „gibt es nicht“. Zu weiteren Verzögerungen kommt es, wenn Unterlagen, die nachweislich eingereicht wurden, immer wieder angefordert werden.
  • Die Auskunfts- und Beratungspflicht der städtischen Behörden gibt es praktisch gar nicht mehr. Die Rechte der Betroffenen werden verletzt, Unterlagen erreichen die Institutionen angeblich nicht und den Menschen wird mangelnde Mitwirkung unterstellt. Die zunehmenden Einsparungen durch dem Personalabbau und in der Folge von Überlastung hohen Krankenständen, hat mit dazu beigetragen, dass bei den Stellen oftmals die Auskunft und der Rat in der Art gegeben werden, um die Menschen davon abzubringen ihre gesetzlich garantierten Leistungen zu beantragen und beim Sparen der Stadt Dortmund mitzuhelfen.
  • Die Stadt Dortmund erhielt vor kurzem einen Förderbescheid des Landes NRW für das Projekt: Emissionsfreie Innenstadt“, mit den Mitteln sollte das Radwegenetz der Stadt ausgebaut werden. Die Umsetzung dieses Vorhabens ist nicht möglich, da in der Stadtverwaltung in den zuständigen Ämtern das Personal fehlt, so ist im Stadtplanungs- und Bauordnungsamt nur eine Planstelle vorhanden, die alle Koordinierungs- und Planungsarbeit zum Radverkehr bearbeitet. Diese Person hat keine Zeit, für neue Projekte und so kommt es zu keiner Verbesserung des Radverkehrs in Dortmund
  • Das „Virtuelle Rathaus“ sollte eigentlich die Effizienz, den Komfort, die Zeitersparnis und die Schonung von Ressourcen gewährleisten. Das System versagt in der Praxis allerdings, weil z.B. die online gemeldeten Daten immer noch zwei Mal mit der Hand in das System eingegeben werden müssen, da es keine Schnittstelle zwischen den Systemen der Beschäftigen der Stadt und dem „Virtuellen Rathaus“ gibt oder bei der Anmeldung/Ummeldung eines KFZ persönliches Erscheinen mit langen Wartezeiten die einzige zielführende Maßnahme ist geblieben ist.

Hoffnung macht man sich bei der Stadt Dortmund wieder einmal mit einer neuen Software, die bis Jahresende 2019 die bessere Terminerinnerung und Terminmanagement verbessern soll. Bis Ende 2022 soll das Projekt „Bürgerdienste Digital“ laufen, um alle online fähigen Leistungen der Bürgerdienste digital anbieten zu können.

 

Trotz des Zauberwortes Digitalisierung ist es an der Zeit, das Ziel der Personalkostenreduzierung grundsätzlich in Frage zu stellen.

Die Gewerkschaften und hier sind vor allem ihre Mitglieder selbst sind gefordert, die Diskussion um die Rahmenbedingungen ihrer Erwerbsarbeit aufzugreifen und öffentlich lautstark zu führen.

 

 

 

Quellen Statistisches Bundesamt, DGB, Resolution ver.di VL u. PR Stadt Do,

Bild: lecker.de