Regierung kürzt Hartz-IV Mittel für 2022 um 2,6 Milliarden Euro und zahlt den armen Menschen lächerliche 10 Cent pro Tag mehr aus

Zum Jahresbeginn 2022 werden die Hartz-IV Regelleistungen angehoben. Der Eckregelsatz soll um 3 Euro steigen. 3 Euro mehr Hartz-IV im Monat entsprechen 10 Cent am Tag, einer Anhebung von nicht einmal 1 Prozent und das in einer Zeit, in der die Inflationsrate in Deutschland bei 3,8 Prozent liegt und zum Ende des Jahres weiter steigen könnte. Schon daraus ergibt sich eine reale Kürzung.

Das Soll im Bundeshaushalt lag in diesem Jahr für den gesamten Hartz-IV-Bereich bei über 45 Milliarden Euro. Für das kommende Jahr ist vorgesehen, die Ausgaben zu senken. Der Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2022 sieht insgesamt 2,6 Milliarden Euro weniger bei den „Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende“ vor.

Für die konkrete Lebenssituation armer Menschen gilt weiterhin: Das Leben wird teurer, doch die Hartz-IV-Regelsätze wachsen nicht mit.

Die Soll-Kürzung beim Arbeitslosengeld II im Bundeshaushalt kommt einer realen Leistungskürzung für alle leistungsberechtigten Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleich. Deutlich wird dies, wenn man die neuen Regelsätze betrachtet, die um 0,76 Prozent steigen.

Regelsätze 2022

Die jährliche Fortschreibung der Regelsätze zum 1. Januar 2022 erfolgt nach dem Sozialgesetzbuch XII auf Basis eines Mischindexes, der zu 70 Prozent die regelsatzspezifische Preisentwicklung und zu 30 Prozent die Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter berücksichtigt.

Nach  § 8 Absatz 1 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes erhalten Hartz-IV-Bedürftige 0,76 Prozent mehr Regelsatz – wobei auf volle Euro pro Monat aufgerundet wird.

Die Erhöhung der Regelsätze im Einzelnen:

  • Stufe 1 / Single-Haushalt von 446 auf 449 / + 3 Euro,
  • Stufe 2 / Partner innerhalb Bedarfsgemeinschaft von 401 auf 404  / + 3 Euro,
  • Stufe 3 / Junge Menschen unter 25 im Haushalt der Eltern von 357 auf 360  / + 3 Euro,
  • Stufe 4 / Jugendliche von 15 bis 17 Jahren von 373  auf 376  / + 3 Euro

und Stufe 5 / Kinder von 6-14 Jahren Alleinstehende von 309  auf 311  / + 3 Euro.

Im Einzelnen hat die Regelleistung in etwa folgenden Umfang:

  • Nahrung, alkoholfreie Getränke ca. 35,50 Prozent,
  • Bekleidung, Schuhe ca. 8,40 Prozent,
  • Wohnung (ohne Mietkosten), Strom…. ca. 8,36 Prozent,
  • Möbel, Haushaltsgeräte ca. 7,58 Prozent,
  • Gesundheitspflege (z.B. Kosten für Medikamente, Hilfsmittel) ca. 4,30 Prozent,
  • Verkehr ca. 6,30 Prozent,
  • Telefon, Fax ca. 8,83 Prozent,
  • Freizeit, Kultur ca. 11,04 Prozent,
  • Bildung 0,38 Prozent,
  • Beherbergungs- und Gaststättenleistungen ca. 1,98 Prozent

und sonstige Waren und Dienstleistungen (insb. Kosten für Körperpflege und Hygiene) ca. 7,32 Prozent.

Laut Statistischem Bundesamt sind Verbraucher die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke aktuell um 4,3 Prozent und für Energie um 11,6 Prozent gestiegen.

Die Kosten für Möbel und Haushaltsgeräte im Regelsatz betragen, entgegen den Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA), nachweislich 0,00 Euro. Schon seit 2011 sind die Kosten für die Warmwasserbereitung nicht mehr im Regelsatz enthalten. Werden diese Kosten nicht mit den Heizkosten abgegolten, sondern entstehen zusätzlich z.B. bei dezentraler Warmwasserversorgung, sind sie als Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II zu gewähren.

Dieser beträgt:

  • bei Alleinstehenden, Partnern und volljährigen Kindern: 2,3 Prozent des Regelsatzes,
  • bei Kindern ab 14 Jahren bis einschl. 17 Jahren: 1,4 Prozent des Regelsatzes,
  • bei Kindern ab 6 Jahren bis einschl. 13 Jahren: 1,2 Prozent des Regelsatzes

und bei Kindern bis einschl. 5 Jahren: 0,8 Prozent des Regelsatzes.

Alleinerziehende haben, wenn sie mit mindestens einem minderjährigen Kind zusammenleben, Anspruch auf Mehrbedarf nach § 21 Abs. 3 SGB II, welcher sich prozentual nach dem Regelsatz bemisst:

  • 1 Kind bis 7 Jahren = 36 Prozent,
  • 1 Kind ab 7 Jahren = 12 Prozent,
  • 2 Kinder bis 16 Jahren = 36 Prozent,
  • 2 Kinder ab 16 Jahren = 24 Prozent,
  • 1 Kind ab 7 Jahre und 1 Kind ab 16 Jahren = 24 Prozent,
  • 3 Kinder = 36 Prozent,
  • 4 Kinder = 48 Prozent

und 5 Kinder = 60 Prozent.

Ab dem 18. Geburtstag eines Kindes entfällt der Anspruch!

Beispiel: Stromkosten

Der Regelsatz für einen Single beträgt in diesem Jahr noch 446 Euro. Von diesen 446 Euro sind vom Gesetzgeber 8,59  Prozent für den Posten „Energie und Wohninstandhaltung“, monatlich 38,31 Euro für Strom vorgesehen.

Für eine Person, die alleine lebt, stehen im neuen Jahr 38,32 Euro monatlich für Strom zur Verfügung. Geht man von dem Durchschnitt, einem jährlichen Stromverbrauch von 1.500 Kilowattstunden aus, müssten Alleinstehende monatlich rund 47,50 Euro zahlen. Auf das gesamte Jahr gerechnet ergibt sich so ein Fehlbetrag von rund 110 Euro.

Die aktuelle Krise sorgt dafür, dass die Menschen deutlich mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen. Die direkte Folge davon ist ein höherer Stromverbrauch. Gleichzeitig sind die Kosten pro Kilowattstunde gestiegen.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts stieg der Strompreis im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2019 um 6,8 Prozent, auf sage und schreibe 31,94 Cent pro Kilowattstunde. Die Gründe dafür sieht das Bundesamt zum einen in höheren Netzentgelten und zum anderen in den gestiegenen Kosten für Energie und Vertrieb.

Haushaltstrick: Griff in das Eingliederungsbudget

Das Eingliederungsbudget ist unter anderem für Weiterbildungskurse für langzeitarbeitslose Menschen gedacht, das in den vergangenen Jahren auch unrechtmäßig  für die Bezahlung des  Personals der Jobcenter verwendet wurde. Dabei handelt es sich um rund 1 Milliarde Euro jährlich, also fast ein Viertel des Eingliederungsbudgets, das ursprünglich für Umschulungen, Ausbildung und Training vorgesehen war.

Für die wachsenden Verwaltungsausgaben nennt die BA Gründe, wie steigende Löhne, erhöhter Stellenbedarf wegen der Zuwanderung und ein stärkerer Einsatz gegen Langzeitarbeitslosigkeit, dieses Klientel würde eine intensivere Betreuung durch Mitarbeiter des Jobcenters benötigen.

Dieses Vorgehen der BA hat dazu geführt, dass die Zahl der erwerbslosen Menschen, die mit einer Weiterbildung gefördert werden, in den vergangenen zehn Jahren deutlich abgenommen hat. Belief sich die Zahl der Teilnehmer an Förderungen der beruflichen Weiterbildung 2010 im Jahresdurchschnitt bundesweit auf rund 141.000, waren es 2020 nur noch rund 104.000. Besonders stark war der Rückgang im Hartz-IV-Bereich. Hier sank die Zahl der Weiterbildungen von rund 80.000 im Jahr 2010 auf rund 39.000 im vergangenen Jahr, das entspricht einem Rückgang von 51 Prozent.

Allgemein ist der Anteil der erwerbslosen Menschen, die mit einer Weiterbildung gefördert werden, an allen Erwerbslosen  insgesamt gering. Nur 3,2 Prozent durften im Jahr 2020 an einer Weiterbildung teilnehmen, im Bereich Hartz-IV lag der Anteil nur bei 2,0 Prozent und bei den sogenannten Optionskommunen (zugelassene kommunale Träger der Jobcenter) bei nur 1,1 Prozent.

Hier wird Geld, das für die Wiedereingliederung von langzeitarbeitslosen Menschen vorgesehen ist, für Budgeteinsparungen verschleudert. Diese Mittel sollten ausschließlich dafür ausgegeben werden, Betroffenen mit dem Einsatz von Fortbildungsmaßnahmen den Weg aus der Arbeitslosigkeit, hinein in die Arbeitswelt zu ebnen.

Weitere Einsparungen

  • Die Leistung für Unterkunft und Heizung fällt mit 11,2 Milliarden Euro um etwa 1,1 Milliarden Euro geringer aus.
  • Die Ausgaben für Forschung, Untersuchungen und Ähnliches“ sind mit 16,5 Millionen Euro (minus 1,0 Millionen Euro) angesetzt.

Ohne großes Aufsehen ist kurz vor dem Ende der Legislaturperiode von der Bundesregierung nicht nur die geringe Regelsatzerhöhung, die eine reale Kürzung bedeutet, durchgepaukt worden, sondern es wurde noch massiv im Haushalt für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II umgeschichtet und eingespart, sodass noch weniger als befürchtet bei den einzelnen Menschen unten ankommt.

Berechnung ändern und die Nettolöhne erhöhen

Die Wohlfahrtsverbände und Erwerbsloseninitiativen fordern von der Bundesregierung zum einen die Anhebung der Grundsicherung von 449 Euro auf mindestens 600 Euro und dass die Anhebungen auf eine andere Berechnungsgrundlage gestellt werden, beziehungsweise mindestens die jeweils aktuellen Preissteigerungen umfassen.

War es bisher so, dass die Regelsätze für Hartz-IV Jahr für Jahr in einem Fortschreibungsmechanismus zu 30 Prozent an die Entwicklung der Nettolöhne und zu 70 Prozent an die Preisentwicklung angepasst werden. Die dramatischen Lohneinbußen während der letzten 1 ½ Jahre haben diese Rechnung nun ad absurdum geführt. Die lächerlichen Lohnerhöhung die in dem Zeitraum „erkämpft“ wurden, sind den Gewerkschaften schon heute auf die eigenen Füße gefallen.

Auch die Frage, wer die Lasten der Krise trägt, ist mit der aktuellen Kürzung im Rechtskreis SGB II beantwortet.

 

 

 

 

Quellen: BA, Statistisches 
Bundesamt, Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ), gegen-hartz.de, hartziv

Bild: Hartz IV com