Trotz insgesamt leicht sinkender Inflationsrate: Für Familien mit geringem Einkommen fällt die Inflationsbelastung weiterhin am stärksten aus, für Alleinlebende mit hohem Einkommen am schwächsten. Gemessen an den für diese Haushaltstypen repräsentativen Warenkörben sind die Preise im Juni 2022 um 8,5 Prozent bzw. um 6,3 Prozent gestiegen, während der Wert über alle Haushalte hinweg bei 7,6 Prozent lag. Auch für Alleinlebende mit höheren und mit mittleren oder niedrigen Einkommen lagen die Raten mit 7,5 bzw. 7,4 Prozent im Juni etwas unterhalb der allgemeinen Preissteigerung.
Alleinerziehende sowie Familien mit zwei Kindern und jeweils mittleren Einkommen sind leicht überdurchschnittlich von der Teuerung belastet: Für diese Haushalte betrug die Inflationsrate im Juni 8,1 Prozent. Bei Familien mit höherem Einkommen verteuerte sich der haushaltsspezifische Warenkorb weniger stark – um 7,5 Prozent. Die haushaltsspezifische Inflationsrate für kinderlose Paare mit mittlerem Einkommen liegt aktuell bei 8,0 Prozent und damit über dem Durchschnitt.Das ergibt der IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der monatlich die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen beziffert.
Die Folgen des anhaltenden Kriegs in der Ukraine dominierten im Juni weiterhin die Inflation. Unter den Nahrungsmitteln gehörten Sonnenblumenöl, Rapsöl und ähnliche Öle mit einem Preisanstieg um 85,3 Prozent und Weizenmehl mit einem Preisanstieg um 49,6 Prozent zu den Spitzenreitern. Diese Preisschübe stehen in direktem Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg, da das Land zu den wichtigsten Lieferanten von Sonnenblumenöl und Weizen gehört.
Die Energiepreise stiegen mit 38 Prozent etwas schwächer als im Vormonat. Grund hierfür waren die Kraftstoffpreise, die wegen der temporären Senkung der Energiesteuer trotz deutlich höherer Rohölpreise um 3,9 Prozent geringer ausfielen als im Mai 2022 und gegenüber dem Vorjahresmonat mit abgeschwächten 33,2 Prozent zulegten. Demgegenüber zogen die Preise für Haushaltsenergie verstärkt um 40,7 Prozent an. Diese wirken sich besonders stark bei Haushalten mit geringem Einkommen aus. Das gilt auch für Nahrungsmittel, die sich um 12,7 Prozent verteuerten – ein neuer Rekordanstieg seit Beginn der Datenreihe im Jahr 1991.
Strom, Gas, Heizöl und Nahrungsmittel als Waren des Grundbedarfs fallen bei den Ausgaben von Haushalten mit geringem Einkommen sehr stark ins Gewicht, während sie bei Haushalten mit hohem Einkommen und insbesondere bei wohlhabenden Alleinlebenden einen deutlich kleineren Anteil des Warenkorbs ausmachen.
„Da bei Haushalten mit geringen Einkommen kaum Spielräume bestehen, das Konsumniveau durch den Rückgriff auf Erspartes aufrecht zu erhalten, wäre die Inflationsbelastung für Haushalte mit geringem Nettoeinkommen zudem selbst bei gleicher haushaltsspezifischer Inflationsrate höher als für einkommensstarke Haushalte, da sie gegebenenfalls den Konsum insgesamt einschränken müssen“, erläutert Inflationsexpertin Dr. Silke Tober.
Der IMK Inflationsmonitor zeigt aber auch, dass der sich infolge des 9-Euro-Tickets stark verbilligte Personen- und Güterbeförderung – mit 29,5 Prozent um fast ein Drittel – Haushalte mit geringeren Einkommen besonders deutlich entlastet. „Das 9-Euro-Ticket und die verringerte Energiesteuer auf Kraftstoffe haben verhindert, dass die merklich stärker steigenden Preise für Haushaltsenergie und Nahrungsmittel die Inflation im Juni weiter nach oben getrieben haben“, schreibt die Forscherin. Weiterhin belaste aber der Preisanstieg bei Wohnenergie Haushalte mit geringeren Einkommen überproportional. Auch die Verteuerung der Nahrungsmittel schlage sich hier stärker nieder.
Die Art der Heizung spielt für die Inflationsbelastung eine große Rolle. Der Inflationsunterschied zwischen Paarhaushalten mittleren Einkommens, die eine Ölheizung haben und jenen mit Gasheizung betrug im Juni 1,2 Prozentpunkten verglichen mit dem Höchststand von 2 Prozentpunkten im März. Dabei hatten Paarhaushalte mit Ölheizung eine Inflationsrate von 8,8 Prozent, jene mit Gasheizung eine Inflationsrate von 7,6 Prozent. Der rasant gestiegene Börsenpreis für Gas dürfte sich in den kommenden Monaten allerdings merklich auf die Teuerungsrate auswirken, weil die kriegsbedingten Kostensteigerungen bisher erst zum Teil an die Haushalte weitergegeben wurden, so Tober. Besonders stark würde dieser Anstieg ausfallen, falls die Bundesnetzagentur nach der Aktivierung der Alarmstufe im Notfallplan Gas eine „erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland“ feststelle und es damit den Versorgungsunternehmen erlaube, die gestiegenen Gaspreise unmittelbar an die privaten Haushalte und Unternehmen weiterzugeben. In diesem Fall könnten sogar Inflationsraten im zweistelligen Bereich erreicht werden. Auch das würde Haushalte mit niedrigeren Einkommen am heftigsten treffen.
Informationen zum Inflationsmonitor
Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich.
Quelle und weitere Informationen: https://www.boeckler.de/ Bild: ver.di