Datenschutz: Vom Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung über das PRISM-Programm des NSA bis zur Datenlieferung an die Geheimdienste frei Haus

Als der Bundestag 1983 die Durchführung der Volkszählung beschlossen hatte, entbrannte in der Bundesrepublik zum ersten Mal der Kampf um den Datenschutz und es formierte sich der Widerstand gegen den „gläsernen Bürger“. Erstmals wurden auch Computer eingesetzt, um die persönlichen Umfragedaten zu speichern und mit den Melderegistern abzugleichen. Es entstand eine große Boykottbewegung, die am Ende sogar das Bundesverfassungsgericht bemühte, das mit seinem neu formulierten „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ jedem einzelnen Menschen das Recht zustand, selbst darüber entscheiden zu dürfen, wer Daten von ihm erhebt, speichert, verwendet und weitergibt.

30 Jahre später enthüllte Edward Snowden die Internetüberwachungsprogramme PRISM und Upstream Collection, mit denen Geheimdienste und Konzerne weltweit massenhaft Kommunikationsdaten abgriffen, sammelten, auswerteten und weitergaben.

Dann wurde das ID2020-Projekt aufgelegt und dazu hatte der Bundestag im Januar 2021 das sogenannte Registermodernisierungsgesetz beschlossen. Mit dem Gesetz wird der Onlinezugang relevanter Daten der Verwaltungsregister durch die persönliche Steueridentifikationsnummer verankert. Diese Nummer ist eine weltweit einheitlich lesbare, biometrisch eindeutig unterlegte Identifikationsnummer, die für die globale Bevölkerungsüberwachung über Ländergrenzen hinweg von zentraler Bedeutung ist. Mit der zentralen Nummer sind die Voraussetzungen für die automatisierte Schleppnetzüberwachung von Milliarden Menschen durch National Security Agency (NSA), Microsoft, Facebook und andere Organisationen und Konzernen geschaffen. Nur mit der Identifikationsnummer können sie die Informationen, die es in vielen tausend verschiedenen Datenbanken über all die Menschen gibt, verlässlich zusammenführen.

Nun hat die EU eine Milliardenstrafe gegen den Facebook-Konzern META verhängt, weil er private Daten aus Europa auf Server in die USA übertragen hat, wo sie von den US-Geheimdiensten überwacht werden. Seit den Enthüllungen von Edward Snowden vor 10 Jahren, als er genau diese Praxis anprangerte, hat sich nichts Substanzielles im Datenschutz getan.

Nach dem Ende der bipolaren Welt im Jahr 1989 und dem Abhandenkommen von Gegnern und Grenzen wurden unter der Regie der USA auch alle Einschränkungen im Verkehr von Gütern und Kapital aufgehoben. Dies zu einem Zeitpunkt, an dem sich fast die Hälfte der Staaten der Welt erstmalig dem ausländischen Kapital öffnete, das dann auf ein riesiges Angebot an billigen und qualifizierten Arbeitskräften, einem enormen Vorkommen an Naturschätzen und einem noch nicht dagewesenen großen Absatzmarkt traf. Das kam vor allem dem Kapital der USA, als neue unipolare Macht, zugute.

Gleichzeitig bekam die Verbreitung des Neoliberalismus einen Schub, bei dem das Kapital von Einschränkungen befreit und der Arbeitsschutz, die öffentliche Daseinsvorsorge und der Sozialstaat nachhaltig abgebaut wurden.

Vor dem Hintergrund des globalen Kapitalismus mit seinen sozialen Desintegrationsprozessen wurden parallel dazu internationale Strategien entwickelt, um zu gewährleisten, dass die Machtverhältnisse auch stabil bleiben. Dazu wurde vor allem die Polizei militarisiert, das Militär im Inneren einsetzbar gemacht und es gibt mittlerweile kaum ein gesellschaftliches Problem mehr, auf das seitens der Politik nicht mit der Verschärfung des Strafrechts reagiert wird. Gleichzeitig wurde ein Überwachungssystem errichtet, in dem die Bevölkerung total überwacht, von jeder Person massenhaft Informationen gesammelt, sie erpressbar gemacht und ein immenses Meinungs- und Unterhaltungsangebot mit dem Internet aufgebaut wurde, damit die Massen beschwichtigt und abgelenkt werden.

Volkszählungsurteil 1983

Einige Leser, vor allem die älteren, werden sich erinnern: Auf dem Titelbild sind die Code – Zahlen der Fragebögen zur Volkszählung 1987 zu sehen. Diese Zahlenfolge war auf jeder Seite des Fragebogens aufgedruckt und sollte die Anonymität der Volkszählung gewährleisten.

Doch an dem Schutz der Daten der einzelnen Person wurden schnell Zweifel laut.

Im Gegensatz zur heutigen Zeit, in der fast jeder alles von sich bereitwillig ins Internet stellt, gaben damals 40 Prozent der Bevölkerung an, sich um die Datensicherheit bei der Volkszählung Sorgen zu machen.

Im Jahr 1983 hatten sich viele Menschen bereits am Widerstand gegen Großprojekte, wie der Startbahn West/Frankfurter Flughafen und dem Ausbau des Rhein-Main-Donau-Kanals teilgenommen, gegen die Atompolitik protestiert oder gegen die Stationierung der Mittelstreckenraketen demonstriert. So war es nicht ungewöhnlich, dass innerhalb ein paar Wochen nach Bekanntgabe der Fragebögen sich bereits einige hundert Bürgerinitiativen zum Boykott der Volkszählung gegründet hatten. Der Hauptknackpunkt lag den Kritikern zufolge in der Absicht, die in der Volkszählung erhobenen Daten für eine Korrektur der Meldedaten zu verwenden.

Sofort wurde auch gerichtlich gegen das Vorhaben vorgegangen. Die Kläger beanstandeten, dass die Ausführlichkeit der Fragen bei ihrer Beantwortung Rückschlüsse auf die Identität der Befragten zulasse und damit den Datenschutz nicht gewährleisten würde. Es bestand die Befürchtung, dass ein weiterer Schritt hin zum „Gläsernen Bürger“ und in Richtung Überwachungsstaat getan würde.

Das „Volkszählungsurteil“ von Mitte Dezember 1983 ist im Rückblick mittlerweile historisch bedeutsam geworden.

Nach dem Bundesverfassungsgericht verstieß die Volkszählung, so wie sie organisiert werden sollte gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das sich aus der Menschenwürde und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach dem Grundgesetz ableitet.

Die Zählung, die für den 27. April 1983 geplant war, wurde dann gemäß dem Urteil untersagt.

Nach dem die Befragung neu konzipiert wurde, die personenbezogenen Angaben von den Bögen getrennt und die Anonymität besser gewährleistet sein sollte, gab es einen neuen Stichtag für die Befragung, den 25. Mai 1987.

Die groß angelegte Imagekampagne „Zehn Minuten, die allen helfen“ zeigte aber wenig Erfolg. Inzwischen standen für viele Menschen die Themen, wie der begonnene Rückbau des Sozialstaates, die Einforderung mehr Eigeninitiative und Eigenleistung („privat vor Staat“), der Abbau demokratischer Rechte, der maschinenlesbare Ausweis, zentrales Verkehrsinformationssystem, Personenkennzeichen im Sozialversicherungsausweis, Personalinfo-Systeme in der Privatwirtschaft/Überwachung der Beschäftigten und die ausufernde Datensammlungswut bei Polizei und Geheimdiensten im Vordergrund. Den Kritikern der Volkszählung ging es vor allem auch um mehr Mitbestimmung und den Kampf gegen die Beschränkung von Bürgerrechten und gegen eine Entwicklung in Richtung technokratischen Staat.

Es bildeten sich weitere Bürgerinitiativen und Boykottgruppen, die auch durch öffentliche Aktionen immer mehr Unterstützung erlangten.

Trotz umfangreicher Repressionen und der Androhung von Bußgeldern bis zu 10.000 DM wuchs die Zahl der Volkszählungsboykott-Initiativen von 350 Mitte 1986 auf über 1.100 im April 1987 an. Auch die Beschlagnahme von Flugblättern, die Überwachung der Aktivisten durch den Verfassungsschutz, die über 100 Hausdurchsuchungen bei Volkszählungsgegnern wegen angeblichen „Aufrufs zur Sachbeschädigung“, gemeint war die Sachbeschädigung durch das Abschneiden der Kontrollnummer auf den Volkszählungsbögen, schreckten kaum ab.

Die persönlichen Daten von über 900 Volkszählungsgegnern wanderten in die „APIS“-Dateien des Bundeskriminalamts, allein in Baden-Württemberg wurden 653 Personen im „polizeilichen Meldedienst“ gespeichert. Die überwiegende Mehrzahl der Strafverfahren wurde zwar 1988 eingestellt, aber die Reaktion des Staates hatte insgesamt die Argumente der Volkszählungsgegner geradezu bestärkt und er sich selbst vorgeführt.

Dann war es so weit: Über eine Million Menschen folgten damals dem Boykottaufruf. Viele andere machten bewusst falsche Angaben, sodass bis heute die statistischen Ergebnisse der letzten großen Volkszählung höchst umstritten sind.

Während die statistischen Ämter der Befragung eine gute Qualität bescheinigten, sprachen unabhängige Informatiker von einem „Daten-Gau“.

Was die Volksbefragungsboykottbewegung erreichte war aber, dass die Sensibilität der Menschen in den 1980 Jahren für das Aushorchen der Bürger durch den Staat größer geworden, die Notwendigkeit der gesetzlichen Regelung des Datengebrauchs erforderlich war und ein noch immer aktuelles BVG-Urteil erstritten wurde.

Diese Bewegung wird auch gern als ein weiteres Beispiel dafür herangezogen, dass eine Bewegung, die sich ursprünglich gegen einen konkreten Missstand gründet auch eine Erweiterung von Grund- und Freiheitsrechten erstreiten kann. Erstreiten durch das Engagement des Einzelnen, im Verbund mit dem gemeinsam geschaffenen gesellschaftlichen Druck von unten der Vielen.

Allerdings konnte damals niemand erahnen, wie es mit dem Datenverkehr in der digitalisierten Welt 30 Jahre später im Jahr 2013 aussah.

Die Enthüllungen von Eward Snowden – Die Internetüberwachungsprogramme PRISM und Upstream Collection der US-Geheimdienste

Mit der Einführung des Überwachungsprogramms PRISM konnte die National Security Agency (NSA) Daten in einer unglaublichen hohen Anzahl sammeln. Sie generiert sie aus E-Mails, Fotos, Video- und Audiochats, Webbrowsing-Inhalten, Anfragen an Suchmaschinen und allen Daten, die in den Clouds gespeichert sind. Dazu kommen noch die routinemäßig gelieferten Daten von Google, PalTalk, YouTube, Microsoft, Yahoo, Facebook, Skype, AOL und Apple.

PRISM ist nicht allein eine Software oder ein Datenzentrum, es besteht aus mehreren Komponenten. Die wichtigste ist dabei eine Ausleitungsschnittstelle, über die Daten von den Firmen an die Dienste übergeben werden. Dabei funktioniert die Schnittstelle wie ein elektronischer Briefträger.

Das Programm Upstream Collection ermöglicht die permanente Datensammlung unmittelbar aus der Internetinfrastruktur des privaten Sektors, hervorgeholt aus den Switches und Routern, die den Internetverkehr aus den am Meeresboden verlegten Kabeln oder über die Satelliten abwickeln. Das Programm ist mit seinen Werkzeugen in der Lage, ganz nah an der überwachten Person und seiner Privatsphäre zu operieren. Jedes Mal, wenn die Person eine Website besucht, einen Webbrowser öffnet, die URL eingibt, geht die Anfrage auf Serversuche. Bevor die Anfrage den entsprechenden Server erreicht, muss sie aber die mächtigste Waffe der NSA die sogenannte TURBULENCE durchlaufen. Bei dem Durchlauf muss die Anfrage einige „schwarze Server“ überwinden, die übereinander gestapelt kaum größer als ein Quadratmeter sind und in allen verbündeten Staaten in besonderen Räumen der Telekommunikationsunternehmen aufgestellt sind, ebenso auf US- Militärstützpunkten und in US-Botschaften rund um den Globus.

Die TURBULENCE enthält 2 wichtige Werkzeuge:

  1. TURMOIL betreibt die „passive Datensammlung“ indem es Kopien der durchlaufenden Daten sammelt und bei seiner Wächterfunktion untersucht sie die Metadaten, ob sie etwas enthalten, was „prüfungswert“ erscheint bis hin zu bestimmten Schlüsselwörtern. Werden die Daten als verdächtig eingestuft, gibt TURMOIL den Internetverkehr weiter an die
  2. TURBINE, dieses Werkzeug gibt die Anfrage an die Server der NSA weiter. Dort wird mithilfe von Algorithmen entschieden, welche Schadprogramme der NSA gegen die Person eingesetzt werden. Die Entscheidung wird durch den Typ der Website die angefragt wurde begründet oder durch die Software des Computers und die Art der Internetverbindung. Das ausgewählte Schadprogramm wird dann wieder an die TURBINE gesendet. Diese führt das Schadprogramm zurück in den Kanal des Internetverkehrs und liefert sie dem Anfragenden frei Haus zusammen mit der gewünschten Website. Der gesamte Vorgang dauert weniger als 680 Millisekunden, ohne dass der Nutzer etwas davon mitbekommen hat. Ab diesem Zeitraum gehört das gesamte digitale Leben des Nutzers dem Geheimdienst.

Beide Programme können durch die obligatorische Datensammlung auf den Servern der Provider (PRISM) und durch die unmittelbare Datensammlung aus der Internetinfrastruktur (Upstream Collection) über den gesamten Globus Informationen überwachen, egal ob sie gespeichert oder übermittelt wurden.

Der nächste Schub: Einheitliche Identifikationsnummern für alle Zwecke

Das Hauptproblem beim Datenschutz ist gar nicht mehr so sehr der Überwachungsstaat, wie noch bei der Volkszählung befürchtet. Viel umfassender sammeln Konzerne Daten und überwachen die einzelne Person. Sie verfügen über unzählige Daten, die sie sich ohne Probleme zusammenkaufen können. Über die Mehrzahl der Erdenbewohner existieren bereits komplette Dossiers.

Ein Problem bestand bisher darin, dass die Datenbanken nicht so gut zusammengeführt werden können und eine sichere automatische Identifizierung nicht gewährleistet ist. Mit der Etablierung der einheitlichen Identifikationsnummer für alle Zwecke wird das Problem dahingehend gelöst, dass die Unternehmen ihre Konsumenten mit deren Identifikationsnummer in den Datenbanken haben und sie zielsicher ansprechen können.

Finanzierer dieser ID2020-Initiative sind die Gates- und – und Rockefeller-Stiftungen, die auch die Harmonisierungsbemühungen der Weltgesundheitsorganisation bezüglich digitaler Impfnachweise bezahlt haben.

Die Initiative ID2020 strebt an, bis 2030 alle Menschen auf der Welt mit digitalen, biometrisch unterlegten Identitätsnachweisen auszustatten, die für viele verschiedene öffentliche und private Zwecke verwendbar sein sollen. Am Ende wird es sich um miteinander vernetzte Mega-Datenbanken handeln, in denen alle Menschen mit einer Nummer und ihren biometrischen Merkmalen eindeutig und maschinenlesbar identifiziert sind und schließlich alle Informationen über diese Menschen leicht zentral abrufbar werden.

Der Bundestag hat Anfang 2021 einen entscheidenden Schritt bei der Umsetzung des sogenannten ID2020-Projekts von Microsoft, Accenture und Rockefeller Stiftung getan, indem er die Steuer-Identifikationsnummer zur „einheitlichen Bürgernummer“ für alle Behörden gemacht hat. Das Ganze wurde schnell durchgesetzt, obwohl alle Datenschutzbehörden warnten, dass das Gesetz verfassungswidrig sein könnte. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte ebenfalls „erhebliche Schwierigkeiten“ gesehen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich mehrfach gegen eine solche Nummer ausgesprochen.

Doch die Bundesregierung hat erst gar nicht wirklich nach alternativen, datenschutzfreundlicheren Modellen gesucht, sondern von Anfang an auf die Steuer-ID als Kennzahl gesetzt.

Mit dem Gesetz ist es möglich, den Onlinezugang relevanter Daten der Verwaltungsregister durch die persönliche Steueridentifikationsnummer zu verankern. Damit wird gewährleistet, „dass Basisdaten natürlicher Personen von einer dafür verantwortlichen Stelle auf Inkonsistenzen geprüft, verlässlich gepflegt, aktualisiert und bereitgestellt werden“. Zur eindeutigen Zuordnung in den Registern soll die Steueridentifikationsnummer als „einheitliches, nicht-sprechendes Identifikationsmerkmal“ verwendet werden. Für die Transparenz soll ein sogenanntes Datencockpit aufgebaut, das eine „einfache und zeitnahe Übersicht über zwischen Behörden vorgenommenen Datenübermittlungen ermöglicht“. Mit so einer Form der umfassenden Datenerfassung und des Datenaustauschs wird ein perfektes totalitäres Überwachungs- und Kontrollsystem geschaffen.

Demnächst werden überall Felder zum Eintrag der Bürger-ID eingebaut, die Bundesregierung warb und wirbt wieder einmal damit, alles diene nur der Bequemlichkeit für die Menschen und mit der Nummer würde alles einfacher und schneller. Wieder beteuert die Regierung, dass eine Zusammenführung der Register nicht geplant und wegen der dezentralen Datenhaltung gar nicht möglich sei, doch die Erfahrung zeigt, dass einmal installierte Überwachungsmöglichkeiten später ausgeweitet werden, zur Freude von Geheimdiensten und Polizeibehörden. Als die Steuer-ID-Nummer eingeführt wurde, versprach man noch hochheilig, dass sie nur für Steuerangelegenheiten genutzt werden sollte.

So ist durchaus davon auszugehen, dass demnächst auch die Hürden bei der Personenkennzahl fallen und die Daten aus den Registern und Datenbanken zusammengeführt werden, weil vorgeblich dies für die Digitalisierung der Behörden erforderlich sei.

Einheitliche Identifikationsnummern für alle Zwecke innerhalb eines Landes sind der erste Schritt in Richtung einer global einheitlichen Nummer, mit der auch private Unternehmen ihre Datenbanken einfacher und viel zuverlässiger als bisher zusammenführen können, damit ein lückenloses Profil des einzelnen Menschen entsteht.

Mit der Einheitlichen Identifikationsnummer für alle Zwecke ist derzeit wieder ein weiterer Höhepunkt der Ausforschung erreicht. Der Staat hat damit seine Instrumente für die Ausspähung, Überwachung und die Möglichkeit das Verhalten der Menschen vorherzusagen, perfektioniert. In Zusammenarbeit mit den Superkonzernen und Eliten schreitet die Idee vom „gläsernen Menschen“ weiter voran.

Uneingeschränkte Unternehmensmacht gekoppelt mit unkontrollierbaren staatlichen Diensten

Das Internet ist eine grundlegende Infrastruktur für die Ausübung zahlreicher Menschenrechte. Konzerne wie Facebook und Google sind Torhüter dieser digitalen Welt. Sie haben eine historisch einmalige Macht über den „digitalen öffentlichen Platz“ und bestimmen auch, unter welchen Bedingungen und mit welchen Einschränkungen Meinungs- und Informationsfreiheit online ausgeübt werden können und welchen Preis man dafür zahlen muss.

Die Dominanz von Onlinediensten, wie sie IT-Riesen wie Google und Facebook anbieten, geben diesen Unternehmen eine nie dagewesene Macht über die persönlichsten Daten von Millionen Menschen: 2,8 Milliarden Personen pro Monat nutzen einen Facebook-Dienst, mehr als 90 Prozent aller Internetsuchen finden auf Google statt und mehr als 2,5 Milliarden Handys nutzen das Google-Betriebssystem Android.

Konzerne wie Facebook und Google sammeln Daten in einem unfassbaren, nie dagewesenen Ausmaß – unbeschränkt, dauerhaft. Dies umfasst nicht allein freiwillig zur Verfügung gestellte Informationen, sondern die digitale Erfassung und Überwachung aller Aktivitäten, weit über die Nutzung einzelner Social-Media-Plattformen hinaus. Auch ist das Sammeln nicht auf die Daten derer beschränkt, die sich bewusst dafür entschieden haben, diese Dienste zu nutzen.

Während internationales Recht und Verfassungen elementare Menschenrechte garantieren, staatliche Behörden reglementieren und diese einer rechtsstaatlichen Gewaltenkontrolle unterwerfen, haben die Internetkonzerne ein privates Überwachungsregime geschaffen, welches sich der unabhängigen öffentlichen Kontrolle weitgehend entzieht. Parallel zum Ausbau des weltweiten Überwachungssystems, in dem die Bevölkerung total ausgehorcht, von jeder Person massenhaft Informationen gesammelt werden, sie erpressbar macht, wurde nebenbei ein immenses Meinungs- und Unterhaltungsangebot mit dem Internet aufgebaut, mit dem man die Massen beschwichtigen und ablenken will. Dazu kommt, dass die USA und auch die europäischen Staaten über ein Heer von Einflussjournalisten in Kooperation mit der monopolisierten Medienmacht verfügen, die die globale Kommunikation weitgehend steuern.

EU verhängt Milliardenstrafe für META – Private Daten aus Europa werden von den US-Geheimdiensten überwacht

Zum fünften Jahrestag der Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat die EU eine Milliardenstrafe gegen den Facebook-Konzern Meta verhängt. Zu der Strafe von 1,2 Milliarden Euro kam es, weil der Konzern private Daten aus Europa auf Server in die USA übertragen hat, wo sie von den US-Geheimdiensten überwacht werden.

Die Data Protection Commission (DPC) der EU erklärte, dass der US-Konzern die europäische DSGVO verletzt habe und deshalb keine personenbezogenen Daten europäischer Nutzer mehr an die USA übermitteln dürfe. Das Unternehmen habe „die Risiken für die Grundrechte und -freiheiten“ der Nutzer nicht berücksichtigt, obwohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) einen besseren Schutz von personenbezogenen Daten vor US-Überwachungsprogrammen gefordert hatte. Laut EU – Datenschutzbehörde DPC hat der US-Konzern nun fünf Monate Zeit, um „jede künftige Übermittlung personenbezogener Daten in die USA“ auszusetzen. Auch muss Facebook binnen eines halben Jahres die Verarbeitung aller personenbezogenen Daten europäischer Bürger in den USA einstellen, dazu zählt auch das Speichern dieser Daten.

Die Strafe regelt aber nicht das eigentliche Übel, die Schnüffelei durch US-Geheimdienste in privaten Daten aus Europa. Doch könnte sie Meta nun zum Umdenken veranlassen und einen Teil der Daten künftig in Europa verarbeiten, aber selbst das ist fraglich, da die EU schon mehrere Abkommen mit den USA ausgehandelt hat, die den Datenschutz angeblich sichern sollten, anschließend jedoch von Gerichten gekippt wurden.

Für META kommt die Geldbuße zu keinem guten Zeitpunkt. Das Unternehmen hat zwar immer noch einen Börsenwert von 630 Milliarden Dollar, doch gab es bereits mehrere Entlassungsrunden, um die eingebrochenen Werbeeinnahmen auf dem Rücken der Beschäftigten auszugleichen. Nun ist ein „Jahr der Effizienz“ angekündigt worden. Dazu gehört auch, dass Facebook/META in der Strafe einen gefährlichen Präzedenzfall für zahllose andere Unternehmen sieht. META kündigte an, in Berufung zu gehen, weil es sich um eine „ungerechtfertigte und unnötige Strafe“ handele. Auch Experten gehen davon aus, dass der US-Konzern rechtlich gegen die Entscheidung vorgehen wird, obwohl ein Gerichtsverfahren sich allerdings über Jahre hinziehen dürfte.

Mit der Strafe endet vorerst ein Verfahren, in dem es um die Beteiligung von Facebook an der Massenüberwachung durch amerikanische Geheimdienste geht, die vor zehn Jahren vom US-Whistleblower Edward Snowden aufgedeckt wurde.

Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

Mit dem Volkszählungsurteil von 1983 schuf das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Danach verstößt es gegen die Menschenwürde, also den ersten und wichtigsten Artikel des Grundgesetzes, wenn der Staat Persönlichkeitsprofile von einzelnen Menschen anlegt und es zulässt, dass Unternehmen Privatdaten sammeln können, mit ihnen Handel treiben und den in- und ausländischen Geheimdiensten zur Verfügung stellen.

 

 

 

 

 

 

Quellen: netzpolitik.org, Permanent Record/ Meine Geschichte von Eward Snowden, Gegenrevolution von Bernard E. Harcourt, Amnesty-Bericht: "Surveillance Giants“, George Orwell: 1984, Norbert Häring, Hannes Hofbauer, telepolis    

Bild: L.N.