Das Bild zeigt Woody Guthrie im Jahr 1943. Zu der Zeit schreibt sich Guthrie erstmals den Satz „This Machine Kills Fascists – Diese Maschine tötet Faschisten“ auf die Gitarre. Ein mächtiger Spruch, den er auch in den folgenden Jahren beibehält und der zu seinem Markenzeichen wird.
Woody Guthrie war der bekannteste und einflussreichste politische Sänger in den USA. Seit den 1940er Jahren hat sein Stil die Songkultur nachhaltig geprägt. Er war Antifaschist, aktiver Gewerkschafter und er beeinflusste die politische Linke nicht nur in den USA.
Woody Guthrie wurde am 14. Juli 1912 in Okemah, Oklahoma geboren. Benannt wurde er von seinen Eltern nach dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten von 1912, Woodrow Wilson. Er wuchs zunächst in gutsituierten Verhältnissen auf, bis sein Vater, ein Landspekulant, in die Insolvenz schlitterte und die Familie zerbrach.
Mit 17 Jahren zog Woody Guthrie zu seinem Vater nach Texas. Hier gründete seine erste Band, hielt sich mit kleinen Jobs über Wasser und versuchte, die High School zu beenden. Immer auf der Arbeitssuche, landet er mal in Kalifornien oder er schlug sich als Schildermaler durch, trat in Bars, Kneipen und als Straßenmusiker auf. Dann fand er einen zunächst unbezahlten Job bei einem Radiosender und moderierte dort linke Talk-Sendungen. Um seine Familie ernähren zu können, war er dauernd auf Wanderschaft. Es war die Zeit der „Großen Depression“ der Weltwirtschaftskrise. Als „Okies“ verschrien, erlebte er die Feindschaft, die diesen heimatlosen Arbeitsuchenden entgegen gebracht wurde; als „Okie“ bezeichnet man einen Einwohner des US-Bundesstaats Oklahoma. In den Krisenjahren bekam der Begriff die diskriminierende Bedeutung des Wirtschaftsflüchtlings aus dem mittleren Westen der USA.
In dieser Zeit orientierten sich seine Lieder immer mehr am Folk und wurden sozialkritischer. Vor allem unter den einfachen Menschen wurde er populär. Er sang über ihre Sorgen, fasste ihre stolze Ohnmacht in Worte und machte so seine Lieder zu ihren eigenen Liedern.
In Los Angeles wurde er einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Er moderierte eine bekannte Radiosendung und schrieb erste Kolumnen. 1939 zog er nach New York. Dort trat er bei unzähligen Gewerkschaftsveranstaltungen auf und lernte die bekanntesten politischen Folksänger seiner Zeit kennen, wie Pete Seeger und die spätere Folk-Gruppe „The Weavers“. Daneben schrieb er eine tägliche Kolumne für den „Daily Worker“, das offizielle Organ der Kommunistischen Partei. Mit der Partei sympathisierte er Zeit seines Lebens, trat ihr aber nie bei. In witzigen, bodenständigen Kolumnen thematisierte er die Sache der Arbeiterklasse, prangerte das Missverhältnis zwischen Arm und Reich an und wies auf die Notwendigkeit des Kampfs gegen Ausbeutung und Diskriminierung der Arbeiterschaft hin. In dieser Zeit entstand auch sein wohl berühmtestes Lied „This Land Is Your Land“ und seine Autobiographie „Bound For Glory“.
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Vor rund 80 Jahren, im April 1945, wurde Woody Guthries wohl bekanntestes Lied „This Land is Your Land“ veröffentlicht.
This Land Is Your Land
Woody Guthrie schrieb die ursprüngliche Fassung des Songs im Februar 1940 in einem New Yorker Hotel. Aber erst 1944, während eines Urlaubs von der Handelsmarine wurde das Lied im Tonstudio des Musikproduzenten Moses „Moe“ Asch aufgenommen.
Der Song beschreibt in sechs Strophen die geografischen Regionen Amerikas zwischen Kalifornien und New York, den Redwood-Wäldern und der Golfregion, glorifiziert die Landschaften und stilisiert das Reisen als großartige Erfahrung. Woody Guthrie erreichte hiermit zwar nie die Hitparaden, doch war er in aller Munde und schrieb einen Evergreen. Sein Arbeitstitel „This Land Was Made for You and Me“ deutet bereits Guthries eigentliche Intention an: Das Lied war eigentlich nicht als Glorifizierung gedacht, sondern als Parodie auf das übertrieben patriotische „God Bless America“. Nicht von ungefähr werden üblicherweise nur die ersten drei Strophen gespielt und die restlichen weggelassen. In den restlichen Strophen wendet sich Guthrie nämlich gegen das bedrückende Privateigentum, das man in sein Gegenteil kehren müsse und kritisiert am Ende die durch den Kapitalismus verursachte Armut und den Hunger in einem eigentlich reichen Land.
Die Schlüsselzeilen lauten:
There was a big, high wall there that tried to stop me
A sign was painted said „Private Property“
But on the backside, it didn’t say nothing
This land was made for you and me
Vor diesem Hintergrund wirft Woody Guthrie die Frage auf, ob dieses Land denn wirklich „für dich und mich gemacht“ wurde. Die ungesagte Botschaft des Liedes lautet wohl eher: Wir müssen das Land erst zu unserem Land machen – und hierfür muss es ein sozialistisches Land werden.
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This Land Is Your Land
Übersetzung:
Dieses Land ist dein Land
Dieses Land ist dein Land, dieses Land ist mein Land
von Kalifornien bis nach New York Island,
von den Redwood Wäldern bis zu den Wassern des Golfstroms,
dieses Land wurde geschaffen für dich und mich.
Als ich dieses Band der Autobahn entlang ging,
und ich über mir diesen endlosen Weg des Himmels sah,
und ich unter mir das goldene Tal sah, sagte ich mir:
Dieses Land wurde geschaffen für dich und mich.
Ich zog und schweifte und folgte meinen Fußspuren
zu dem glitzernden Sand ihrer diamantenen Wüsten,
und überall um mich herum erklang eine Stimme:
Dieses Land wurde geschaffen für dich und mich.
Da war eine hohe Mauer, die versuchte, mich aufzuhalten
Ein Schild war gemalt und es sagte: Privatbesitz,
aber auf der Rückseite stand nichts geschrieben –
Dieses Land wurde geschaffen für dich und mich.
Als die Sonne schien, da streunte ich herum,
in den wogenden Weizenfeldern und den rollenden Staubwolken;
die Stimme sang, als der Nebel sich hob:
Dieses Land wurde geschaffen für dich und mich.
Niemand, der lebt, kann mich jemals aufhalten,
wo ich diesen Freiheitsweg beschreite;
Niemand, der lebt, kann mich dazu bringen, zurückzukehren
Dieses Land wurde geschaffen für dich und mich.
Eines hellen, sonnigen Morgens, im Schatten des Kirchturms
sah ich am Fürsorgeamt meine Leute –
wie sie so hungrig dastanden, stand ich dort und wunderte mich, ob
dieses Land für dich und mich geschaffen wurde.
Solche klassenkämpferischen Ansätze waren natürlich in der anbrechenden McCarthy-Ära (ca.1947-1955) – also in der Anfangsphase des Kalten Krieges und der beginnenden Verfolgung von Kommunisten und deren Sympathisanten in den USA – nicht erwünscht und widersprechen auch heute noch dem Selbstverständnis, mit dem sich das offizielle Amerika gerne darstellt.
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1943 wurde Woody Guthrie zum Militärdienst einberufen. Da er nicht die Waffe in die Hand nehmen wollte, ging er freiwillig zur Handelsmarine. Zwischen seinen Einsätzen nahm er immer wieder Platten auf. Auf seiner Gitarre stand die unmissverständliche Aufschrift „This Machine Kills Fascists“.
This machine kills fascists
Woody Guthrie hatte sich in New York der Kommunistischen Partei der USA (CPUSA) angenähert und schrieb für deren Zeitung, den „Daily Worker“, eine populäre tägliche Kolumne. Er positionierte sich eindeutig für die Sowjetunion und die Führung der KPdSU und nach dem deutschen Überfall auf die UdSSR stellte er den Antifaschismus in den Vordergrund.
Im Jahr 1943 schrieb Guthrie das Kriegslied „Talking Hitler’s Head Off Blues“. Aus dieser Zeit stammt auch das Foto das ihn mit seiner Gitarre und dem Schriftzug „This machine kills fascists“ zeigt.
Im Gegensatz zu anderen Linken distanzierte sich Guthrie auch nie vom Kommunismus und Stalinismus, obwohl nicht sicher ist, dass er formell Mitglied der CPUSA war. Das „Federal Bureau of Investigation (FBI)“ ging auf alle Fälle davon aus und setzte ihn auf den Index der staatsgefährdenden Personen, auch das Komitee für „unamerikanische Aktivitäten“ interessierte sich für ihn. Guthrie selbst nahm es gelassen und meinte: „Wenn man mich als Kommunisten bezeichnet, dann macht mich das stolz, denn nur eine kluge und hart arbeitende Person kann ein Kommunist sein.“
Guthries Widerstand gegen den Faschismus resultiert aus seiner Überzeugung, dass der Faschismus „eine Form der wirtschaftlichen Ausbeutung ähnlich der Sklaverei“ sei. Er verurteilte die Faschisten – insbesondere ihre Führer – als Gruppe von Verbrechern, die angetreten waren, „die Welt auszurauben“.
Er bezeichnete die Gegner des Faschismus nicht als bloße Gesetzlose in einem faschistischen Staat, sondern als „Helden, die in Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen und sozialer Ungleichheit“ aufstanden, um ein höchst illegitimes kriminelles Unterfangen zur Ausbeutung des einfachen Volkes zu bekämpfen“.
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Nach dem Krieg gründete Woody Guthrie unter anderem mit Pete Seeger „Peoples Songs“, eine Folk-Musiker-Gewerkschaft, mit den damals üblichen Folgen in den USA. Er stand zunehmend unter dem Druck des FBI, trotzdem schrieb er weiter seine Lieder. Mittlerweile waren es über 3000 Stücke geworden.
Dann traten die ersten Anzeichen seiner Krankheit auf. Er wurde immer unzuverlässiger und schwieriger im Umgang. Viele sahen in seinem Verhalten eine Alkoholsucht oder Schizophrenie, doch in Wirklichkeit handelt es sich um Chorea Huntington („Veitstanz“), eine unheilbare erbliche Krankheit, an der er bereits seine Mutter gestorben war.
Die meiste Zeit bis zu seinem Tod 1967 verbringt Woody Guthrie in psychiatrischen Kliniken. Dort haben ihn Bob Dylan und andere aufstrebende Folk-Sänger besucht. Joan Baez oder Phil Ochs hielten seine Songs am Leben. Bruce Springsteen, John Mellencamp, Jeff Tweedy (Wilco), Willie Nelson, Billy Bragg, Steve Earle, Bono (U2) oder Joe Strummer (The Clash), um nur einige wenige zu nennen, beziehen sich immer wieder auf Woody Guthire. Harry Rowohlt und H.-E. Wenzel haben zahlreiche Lieder von ihm ins Deutsche übertragen.
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Woody Guthries Erbe besteht nicht nur aus den über 3.000 geschaffenen Liedern, sondern auch aus seinem klaren Bekenntnis zu den Verdammten dieser Erde. Ihnen fühlte er sich selbst zugehörig fühlte. Er war ein Kritiker des Kapitalismus und seiner Verwerfungen und hat auch mit seinen „Dust Bowl Ballads“ in prophetischer Weise die dramatischen Auswirkungen menschengemachter klimatischer Veränderungen beschrieben. Als kompromissloser Gegner des Faschismus sollte Woody Guthrie in Zeiten des Wiedererstarkens der Rechten uns mehr denn je in Erinnerung bleiben.
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„Seit dem Jahr 2007 findet in Münster in jedem Herbst das Woody Guthrie Festival statt. Es dient der Darstellung und Vernetzung von politischer Songkultur in Deutschland. Eingeladen sind Chöre, Bands und Liedermacher/Songwriter, die entweder explizit politische Aussagen durch ihre Kunst transportieren und/oder mit ihrer Kunst die Aktionen der sozialen Bewegungen und der politischen Linken unterstützen“ (Folk Treff Münster e.V.).
Das letzte Woody Guthrie Festival Münster fand vom 11. Bis 13. November 2022 in Zusammenarbeit mit dem Folk-Treff Münster, der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Rosa-Luxemburg-Club Münster statt.
Quellen: http://www.woodyguthrie.org, spiegel.de, Folk-Treff Münster, Leo K. Bild: stevesilver.org.uk