Was erwartete die 8,1 Millionen Menschen, die von 2000 bis 2022 nach Deutschland zugewandert sind – wo sind sie verblieben?

Bild: scharf links.deZwischen den Jahren 2000 und 2022 sind 8,1 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft netto (Zuzüge abzüglich Abzüge) nach Deutschland zugewandert. Im gleichen Zeitraum haben netto 0,6 Millionen deutsche Staatsbürger das Land verlassen.

2022 machten eingewanderte Menschen rund 18 Prozent der deutschen Bevölkerung aus, weitere sechs Prozent waren direkte Nachkommen von ihnen. 40 Prozent der nach Deutschland Eingewanderten sind seit 2013 hinzugekommen. Sie waren mit einem Durchschnittsalter von knapp 30 Jahren deutlich jünger als die deutschen Staatsbürger ohne Einwanderungsgeschichte, dort liegt das Durchschnittsalter bei 47 Jahren.

In der Debatte um die Zuwanderung werden das Asylrecht, die Abwehr unwillkommener Menschen bzw. sogenannter Wirtschaftsflüchtlinge und die Behebung eines angeblichen Fachkräftemangels durch die Abwerbung qualifizierter Personen aus dem Ausland miteinander vermischt: So verschieden diese Fragen auch erscheinen, sie haben doch dieselben Ursachen.

Im Folgenden soll versucht werden, nachzuvollziehen, in welchen Arbeitsbereichen die meisten der zugewanderten Menschen unterkommen und ob sie wirklich für die moderne Reservearmee erforderlich sind.

Die Menschen, die in Deutschland eintreffen, stoßen auf eine Gesellschaft, in der aktuell und offiziell 46 Millionen Menschen erwerbstätig sind. Das sind 77 Prozent aller Personen im Alter zwischen 15 und 65 Jahren und 35 Millionen von ihnen sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Die Hälfte der erwerbstätigen Frauen arbeitet, meist unfreiwillig, in unterbezahlter Teilzeit oder Minijobs. Dem gegenüber stehen 3,5 Millionen Menschen, die erwerbslos bzw. unterbeschäftigt sind bei 750.000 gemeldeten offenen Stellen.

Nachdem in den „Corona-Jahren“ 2020 und 2021 ein vergleichsweises geringes Wachstum an Zuwanderern gegenüber dem jeweiligen Vorjahr zu verzeichnen war (2020: +16.000 Personen; 2021: +21.000 Personen), stieg Ihre Anzahl der im Jahr 2022 im Vorjahresvergleich um 56.000 Personen oder 19 Prozent und um weitere 68.000 Personen oder 19 Prozent im Jahr 2023, das entspricht einem guten Fünftel mehr gegenüber dem jeweiligen Vorjahr in den beiden letzten Jahren.

Im Januar 2024 kamen auf 1,7 Millionen offene Stellen 2,8 Millionen arbeitslose Menschen. Rechnet man all jene Arbeitslose hinzu, die in der Statistik nicht auftauchen, wie über 58-Jährige, Arbeitslose in Weiterbildung oder Ein-Euro-Jobber, lag die tatsächliche Arbeitslosenzahl bei rund 3,6 Millionen Menschen.

Beschäftigte mit „Einwanderungsgeschichte“ sind etwa in Reinigungsberufen (rund 60 Prozent) oder in der Gastronomie (45,6 Prozent) überdurchschnittlich häufig anzutreffen. Gleiches gilt für die Bereiche Bau, Fahrzeugführung und Körperpflege (z.B. Friseure). Bei einem Anteil von 25 Prozent aller erwerbstätigen Menschen stellen diese Personen mit mehr als die Hälfte der Beschäftigten in „gering qualifizierten Berufen“.

Unter den „Hilfsarbeitskräften“ liegt ihr Anteil bei 52 Prozent. In Führungspositionen (18 Prozent), akademischen Berufen (19 Prozent) oder im Gerichtswesen (sechs Prozent) waren zugewanderte Menschen dagegen deutlich unterrepräsentiert.

Dagegen hatten 40 Prozent aller Leiharbeiter im Jahr 2022 eine ausländische Staatsangehörigkeit, 17 Prozent stammten aus einem Asylherkunftsland. Der Anteil von Geflüchteten in der Leiharbeit liegt bei 13 Prozent, ihr Anteil an der Gesamtzahl aller Beschäftigten bei nur zwei Prozent.

Mittlerweile bilden von zugewanderten Menschen geprägte Arbeitsfelder einen wichtigen Teil der Arbeitswelt in Deutschland und werden auch schon als Ankunftsarbeit bezeichnet. Damit ist eine Situation gefördert worden, in der diese menschenverachtende Arbeit für die hier ankommenden Arbeitskräfte attraktiv scheint, weil sie leicht zugängliche Beschäftigungsmöglichkeiten bietet.

a. Stille Reserve

Seit vielen Generationen hat die auch organisierte Unternehmerschaft den Grundsatz verinnerlicht, dass Mehrwert allein durch Lohnarbeit geschaffen wird. Deshalb ist sie stets darum bemüht, genau zu wissen, mit wie vielen potenziell lohnabhängigen Beschäftigten zu rechnen ist und welche Reserven zur möglichen Mobilisierung zur Verfügung stehen. Trotz hoher Arbeitslosigkeit und der Tatsache, dass immer mehr Menschen durch Maschinen ersetzt werden, war in der Nachkriegsgeschichte die Gesamtzahl der Erwerbsbevölkerung nie größer als heute und noch nie gingen mehr Menschen einer Lohnarbeit nach als heutzutage.

Die Arbeitsverwaltung wird permanent beauftragt, alle Bewegungen und Bestände am Arbeitsmarkt angemessen zu erfassen und auch die Reserve an Arbeitskräften im Auge zu haben. Falls harte Fakten nicht ermittelt werden können, greift man auch auf Prognosen und Schätzungen zurück, denn es darf auf keinen Fall passieren, dass der Strom der lohnabhängigen Menschen als Arbeitskräfte versiegt.

Auch die Stille Reserve, die kontinuierlich bei über zwei Millionen Arbeitskräften liegt und zeitweise 3 Millionen Menschen umfasste, muss berücksichtigt werden, andernfalls unterschätzt man die Gesamtzahl des potenziellen Arbeitskräfteangebots und weiß nicht, wie groß die hiesige industrielle Reservearmee ist. Dieses Wissen ist einerseits die Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der stetigen Konkurrenz unter beschäftigten und erwerbslosen Menschen, die erst niedrige Löhne und niedrige Sozialleistungen ermöglicht und soll andererseits die wichtige Funktion und Fähigkeit der Gewerkschaften, die Arbeitskraft zu kartellieren, torpedieren.

b. Niedriglohnsektor

Im April 2023 haben 16 Prozent der abhängig Beschäftigten in Deutschland im Niedriglohnsektor gearbeitet. Konkret heißt das, der Verdienst von rund 6,4 Millionen Arbeitsstellen lag unterhalb der Niedriglohnschwelle von 13,04 Euro brutto je Stunde. Das waren 1,1 Millionen Niedriglohnstellen weniger als im April 2022 (7,5 Millionen). Der Anteil dieser Stellen an allen Beschäftigungsverhältnissen beträgt 16 Prozent.

Die Niedriglohnstellen sind zwischen den Branchen ungleich verteilt. In der öffentlichen Verwaltung (4 Prozent), in der Finanz- und Versicherungsbranche (6 Prozent) und in der Informations- und Kommunikationsbranche (7 Prozent) waren und sind Niedriglöhner eine Ausnahmeerscheinung. Ganz anders ist dies in Branchen wie dem Gastgewerbe (51 Prozent), in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft (43 Prozent) und im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung (36 Prozent) war der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten ebenfalls überdurchschnittlich hoch.

Knapp jede fünfte Frau (19 Prozent) arbeitete im April 2023 in Deutschland im Niedriglohnsektor. Bei den Männern war es knapp jeder siebte (13 Prozent).

Und wie ist das mit dem Mindestlohn? Dazu berichten die Statistiker: Im April 2023 wurden deutschlandweit 2,4 Millionen Jobs mit dem gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro bezahlt. Das entspricht 6,2 Prozent aller mindestlohnberechtigten Beschäftigungsverhältnisse. Jedes vierte geringfügig entlohnte Beschäftigungsverhältnis erhielt den Mindestlohn (26,6 Prozent). Die Arbeit in Voll- oder Teilzeit wurden dagegen deutlich seltener mit Mindestlohn vergütet (1,4 Prozent bzw. 5,0 Prozent).

c. Personen, die dem „freien Arbeitsmarkt“ ausgeliefert sind

Die Zersplitterung des Arbeitsmarktes schreitet seit Jahren voran und lässt eine Wild-West- Atmosphäre sich ausbreiten, die davon geprägt ist, dass:

  • ein hoher Sockel von langzeitarbeitslosen Menschen und der massive Ausbau des Niedriglohnbereichs sowie die prekäre, ungesicherte Beschäftigung dazu geführt haben, dass ein großer Teil der Marginalisierten sich abgehängt und überflüssig fühlt.
  • mittlerweile rund 20 Prozent der Beschäftigten in Deutschland für einen Niedriglohn von unter zehn Euro in der Stunde arbeitet. In Ostdeutschland liegt ihr Anteil sogar bei 30 Prozent.
  • sich die Minijobs mit derzeit rund 7,5 Millionen geringfügig entlohnten Beschäftigten im Arbeitsmarkt fest verankert haben.
  • es inzwischen rund 50.000 Sklavenhändler gibt, die rund eine Million Arbeitskräfte verleihen, so viele, wie noch nie.
  • für die zugewanderten Menschen fast nur der Niedriglohnsektor offen steht und dieser Niedriglohnbereich ein geschlossener Arbeitsmarkt ist, in dem die Beschäftigten kaum eine Chance haben, jemals eine Anstellung mit besseren Bedingungen zu erhalten

und am ganz unteren Ende des Arbeitsmarktes sich die Tage- und Stundenlöhner wiederfinden, deren Lebenssituation einfach nur als elendig zu beschreiben ist.

Beispiel Tage- und Stundenlöhner

Den Teil des Arbeitsmarkts, in dem sich die Tage- und Stundenlöhner verdingen, nennt man in den Ruhrgebietsstädten u.a. den „Arbeiterstrich“ und meint damit diejenigen Menschen, die an der Straße stehen und auf einen „Arbeitgeber“ warten, der sie für einen „Appel und ein Ei“ einige Stunden für sich schuften lässt. Dabei wird leicht übersehen, dass der Personenkreis viel größer ist, als die Menschen, die dort sichtbar sind.

Kaum jemand weiß, dass es regelrechte Kolonien gibt, in denen vor allem Menschen aus den östlichen Nachbarländern als „illegale“ Menschen unter Plastikplanen hausen und auf dem Stundenlöhnermarkt immer weniger konkurrenzfähig sind, da sie gesundheitlich dazu gar nicht mehr in der Lage sind.

Die zunehmende Anzahl von obdachlosen Menschen ist ebenfalls auf diese Beschäftigung angewiesen, vorausgesetzt, das Pfandflaschensammeln lässt ihnen noch Zeit dafür. Die anderen Flaschensammler müssen stundenweise für ein Trinkgeld arbeiten, weil sie mit dem Geld vom Jobcenter nicht auskommen können oder durch Sanktionen nur noch einen Teil vom Regelsatz erhalten.

Allen gemeinsam ist, dass sie Teil des Arbeitsmarktes sind und zum System der örtlichen Lohnarbeit gehören. Eingesetzt werden diese Menschen vorrangig auf dem Bau, in der Gastronomie und in privaten Haushalten.

d. Die Bundesregierung hat für Teilgruppen der ausländischen Bevölkerung mit einem befristeten Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit folgende Besonderheiten eingeführt, beispielsweise

  • Blaue Karte EU: Ende 2023 verfügten 113.000 Personen in Deutschland über eine Blaue Karte EU. Das waren mehr als ein Viertel aller zugewanderten Arbeitskräfte. Die Blaue Karte EU war damit der häufigste Aufenthaltstitel im Bereich der befristeten Erwerbsmigration. Voraussetzung für die Erteilung der Blauen Karte EU ist in der Regel ein abgeschlossenes Hochschulstudium sowie ein konkretes, der Qualifikation angemessenes Arbeitsplatzangebot mit einem bestimmten Mindestgehalt. Mit Abstand die meisten Inhaber einer Blauen Karte EU kamen 2023 aus Indien (33.000), gefolgt von Personen mit russischer (10.000) und türkischer (8.000) Staatsangehörigkeit.
  • Fachkraft mit akademischer Ausbildung: Für Akademiker aus Staaten außerhalb der EU gibt es neben der Blauen Karte EU noch weitere Aufenthaltstitel, zum Beispiel eine Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte mit akademischer Ausbildung. Voraussetzung ist unter anderem ein konkretes Arbeitsplatzangebot; anders als bei der Blauen Karte EU gilt hierfür keine Mindestgehaltsgrenze. Auch gibt es breitere Beschäftigungsmöglichkeiten, da nicht nur eine Beschäftigung in dem der eigenen Qualifikation entsprechenden Beruf, sondern auch in verwandten Berufen möglich ist. Diese Möglichkeiten, in anderen Berufen zu arbeiten, wurden mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz ab November 2023 erweitert.
    Ende 2023 verfügten 49.000 Personen über eine solche Aufenthaltserlaubnis. Am häufigsten war bei diesen Akademikern eine Staatsangehörigkeit aus Indien (6.000), China (4.000) oder der Türkei (3.000).
  • Fachkraft mit Berufsausbildung: Seit dem 1. März 2020 bietet das erste Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch Fachkräften mit Berufsausbildung aus Nicht-EU-Staaten die Einreise und den Aufenthalt für die Ausübung einer Beschäftigung. Die Möglichkeiten, eine Aufenthaltserlaubnis mit Berufsausbildung zu erhalten, wurden ebenfalls seit November 2023 geboten.
    52.000 Personen verfügten Ende 2023 über eine Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte mit Berufsausbildung. Die häufigsten Staatsangehörigkeiten unter den Fachkräften mit Berufsausbildung waren bosnisch-herzegowinische und die philippinische (jeweils 7.000) Personen.
  • Westbalkanregelung: Die sogenannte Westbalkanregelung soll Arbeitskräften aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien seit 2016 unter bestimmten Voraussetzungen einen befristeten Zugang zum Arbeitsmarkt in Deutschland ermöglichen.
    Auf Grundlage der Westbalkanregelung hielten sich Ende 2023 rund 76.000 Nicht-EU-Staatsangehörige mit einer Aufenthaltserlaubnis für Erwerbszwecke in Deutschland auf. Mit 20.000 bildeten Staatsangehörige des Kosovo die größte Gruppe. Fast 1.000 Euro lag der mittlere Lohn der Westbalkanbeschäftigten 2021 unter dem aller sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten in Deutschland. Mehr als ein Drittel von ihnen bekam gar einen Niedriglohn.

Die zum Jahresende 2023 registrierten Personen mit einem Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit waren mehrheitlich männlich (281.000 Personen oder 67 Prozent) und zwischen 25 und 35 Jahren alt (233.000 Personen oder 56 Prozent). Lediglich bei den Fachkräften mit einer Berufsausbildung überwogen die Frauen (58 Prozent). Der Männeranteil war mit 87 Prozent am höchsten für die Fachkräfte mit einem Aufenthaltstitel nach der Westbalkanregelung und einer Blauen Karte EU (71 Prozent). Bei den Fachkräften mit akademischer Ausbildung war das Geschlechterverhältnis mit einem Männeranteil von 52 Prozent fast ausgeglichen.

e. Maßnahmen der Arbeitsverwaltung bzw. der BA

Beispiel: Beschäftigung nach dem Teilhabechancengesetz

Seit 2019 hat die Bundesregierung das Programm Beschäftigung nach dem Teilhabechancengesetz aufgelegt. Die anvisierte Zahl von 800.000 Menschen insgesamt, die „im Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit“ mit diesem Programm eine Beschäftigung erhalten sollten, wird wohl schwer zu erreichen sein.

Nachdem einzelnen Gruppen von Zuwanderern, wie den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, sofort nach Ankunft der Leistungsbezug von Bürgergeld gestattet wurde, bot man diesen Menschen damit auch die Voraussetzung für die Teilnahme an den Programmen der Arbeitsverwaltung wie den Arbeitsgelegenheiten / 1-Euro-Jobber und der Beschäftigung nach dem Teilhabechancengesetz. So will man damit die vor sich hin dümpelnden Maßnahmen auffüllen und auch den profitorientierten Betrieben billige Arbeitskräfte zuführen bzw. die Lohnkosten in voller Höhe erstatten.

Das Teilhabechancengesetz sieht im Einzelnen vor, dass

  • die Maßnahme fünf Jahre dauert oder auch eine kürzere Befristung mit optionaler einmaliger Verlängerung explizit erlaubt ist.
  • nach 5 Jahren keine Verpflichtung für die Betriebe zur Weiterbeschäftigung besteht und ein Großteil der Betroffenen wieder in den Hartz-IV-Bezug/Bürgergeld gehen wird.
  • der typische Arbeitsvertrag im Rahmen dieser Förderung voraussichtlich zunächst auf zwei Jahre angelegt sein wird und bei guter Führung und Leistung anschließend für drei Jahre verlängert werden kann.
  • es sich nur zum Teil um sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handelt. Da keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung erhoben werden, ist am Ende nur der Hartz-IV-Bezug/Bürgergeld möglich und das Hartz-IV-System greift wieder. Es braucht nicht Arbeitslosengeld 1 nach dem SGB III gezahlt zu werden und es fallen keine Vermittlungskosten an.
  • die Jobcenter zusammen mit den potentiellen Betrieben entscheiden, welcher Mensch welche Stelle annehmen muss. Der Arbeitszwang seitens der Jobcenter steht dabei der Selbstbestimmung des Einzelnen entgegen.
  • ein Angebot nicht abgelehnt werden kann. Auf jegliche Verweigerung folgt die Sanktionierung durch die Jobcenter.
  • falls der Mindestlohn überhaupt gezahlt wird, das selbst in Vollzeit zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel ist. Schon gar nicht kann man davon eine Familie ernähren.
  • es sich um eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme handelt und sich damit kein Arbeitsverhältnis begründet. So sind Verstöße gegen Arbeitsrechte und Arbeitsschutz vorprogrammiert.
  • im Zuge der Beschäftigung von Zusatzjobbern reguläre Beschäftigung in nicht zu vernachlässigendem Umfang verdrängt und der bestehende Wettbewerb beeinflusst wird.
  • Maßnahmeteilnehmer aus der Maßnahme durch die Arbeitsverwaltung abberufen werden können, z.B. für Bildungsmaßnahmen oder eine andere Arbeitsaufnahme

und dass die Beschäftigten immer noch unter der Knute der Jobcenter stehen. Da es sich um eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme handelt, sind sie während der gesamten Laufzeit nicht nur ihren Unternehmen, sondern auch der „Betreuung“ durch die Jobcenter unterworfen.

f. Gastronomie, Reinigungsbranche und Pflege als typische Ankunftsarbeitsbereiche

Das erste Arbeitsverhältnis wird von vielen zugewanderten Menschen als eine Art Sprungbrett und Übergangsphase in die eigentlich und zukünftig angestrebte Form der Erwerbsarbeit betrachtet. Die Ankunftsarbeit scheint zwar als einfach zugängliche Beschäftigungsmöglichkeit attraktiv zu sein, doch wird die Erwerbsarbeit im Rahmen einer qualifizierten Tätigkeit als sozial höherwertig und damit als erstrebenswert angesehen wird.

1. Die Gastronomie ist eine Branche, die nur wenig dem ähnelt, was sich die zugewanderten Menschen unter den Arbeitsverhältnissen in Deutschland vorstellen, wie hohe Löhne, soziale Sicherheit, geregelte Arbeitsbedingungen, Rechtsansprüche und Aufstieg durch Bildung, sondern eher den Strukturen ähnelt, die sie aus ihren Herkunftsländern kennen. Vieles geschieht informell. Die Gastronomie gilt als die Branche in der vieles informell passiert und mit dem höchsten Anteil Beschäftigter ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Die Löhne der rund 1,5 Millionen Beschäftigten dort sind meist niedrig, Tarifbindung ist die Ausnahme, Betriebsräte sind extrem selten und die Personalfluktuation ist hoch.

Weder bei den Beschäftigten noch bei den Leitungen von Gastro-Betrieben ist ein erkennbares Bedürfnis nach formalen Qualifikationen vorhanden. In der Praxis herrscht Learning by Doing, bei der auf eine kurze unbezahlte Erprobungsphase die Einarbeitung im Job erfolgt. Für die Beschäftigten stellt sich dies wie eine private Ausbildung dar, ohne Zertifikat und bei der man davon ausgeht, dass man in dem Beruf, in dem man aktuell arbeitet, auch woanders eine Stelle bekommt.

Die Betriebe sind in der Regel klein und familiäre Beziehungen spielen eine große Rolle. Das ist auch der Grund dafür, dass es praktisch keine Aufstiegsmöglichkeiten gibt. Allenfalls kann man sich informell für bestimmte Tätigkeiten qualifizieren und so etwas wie „Grillmeister“ oder „die rechte Hand des Chefs“ werden.

Raum für eine formale Interessenvertretung wird da meist nicht gelassen und viele Beschäftigte wissen nicht, was eine Gewerkschaft ist.

Alle Beteiligten meinen, dass Deutsche ohnehin nicht bereit seien, die angebotenen Jobs zu übernehmen und den geforderten Einsatz zu zeigen.

Für die Arbeitskräfte in der Gastronomie dürfte entscheidend sein, dass sie mit ihrer Arbeit nicht nur eine Einkommensquelle erhalten, sondern auch ihren Aufenthaltsstatus absichern können. Entsprechend sind sie zu großen Abstrichen bei Lohn und Arbeitsbedingungen bereit.

Die meisten Beschäftigten im Gastrobereich streben langfristig den Ausstieg an und wollen nicht ein Leben lang am unteren Ende der Befehlskette ausharren. Sie hoffen darauf, früher erworbene Qualifikationen nutzen zu können, wenn sie genug Deutsch gelernt haben und die Anträge auf Anerkennung im Herkunftsland erworbener Abschlüsse erfolgreich sind. Eine andere Aufstiegsmöglichkeit sehen viele darin, sich mit einem eigenen Gastrobetrieb selbständig zu machen. So sehen die meisten Arbeitskräfte die Arbeit im Gastrobetrieb als notwendige hinzunehmende, aber vorübergehende Phase in ihrer Erwerbsbiografie.

2. Die Reinigungsbranche ist der zweite große Bereich für die Ankunftsarbeit und ist anders organisiert als das Gastgewerbe. Hier dominieren einige wenige Großunternehmen den Markt und es gilt ein Branchenmindestlohn.

Doch gibt es eine ganze Reihe Parallelen zur Gastronomie. Eine Niedriglohnbranche ist die Reinigungswirtschaft mit ihren knapp zwei Millionen Beschäftigten, von denen die meisten zugewanderte Frauen sind. Die Arbeit erfordert keine bestimmte Ausbildung, die körperliche Belastung ist hoch und der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Beschäftigten ist durchweg gering.

Der Bereich wird auch hier eher als Durchgangsstation betrachtet und die Identifikation mit der Arbeit oder dem Betrieb ist gering. Aufstiege im Betrieb sind kaum möglich, nur selten erhalten besonders zuverlässig eingeschätzte Personen eine informelle Überwachungs- oder Kontrollaufgabe.

Weiterbildung oder formelle Schulungen gibt es kaum und das Lernen beschränkt sich darauf, zu schauen, was die anderen tun und es nachzumachen.

Die Machtverhältnisse sind denen in der Gastronomie ähnlich. Einerseits suchen die Betriebe zwar händeringend Personal, andererseits haben viele Beschäftigte große Angst, ihre Stelle zu verlieren und harren unter schlechten Bedingungen aus.

3. Im Arbeitsfeld Pflege sind derzeit rund 800.000 Menschen tätig, die meisten davon sind Frauen. Hier sind die psychischen und körperlichen Belastungen sehr hoch und gearbeitet wird rund um die Uhr. Der Anteil der zugewanderten Menschen ist in der Pflege nicht so hoch wie in den anderen beiden Branchen und der Zugang ist in der Regel nur mit einer Ausbildung möglich.

Wie die meisten zugewanderten Beschäftigten in Gastronomie und Reinigungsgewerbe betrachten viele die Tätigkeit in der Pflege lediglich als Zwischenstation auf dem Weg in einen höher angesehenen Beruf mit weniger aufreibenden Arbeitsbedingungen. Auch hier sehen viele keinen Sinn darin, sich im Pflegebereich weiterzubilden. Andere wünschen sich, dauerhaft in der Pflege bleiben zu können und kämpfen darum, gemäß ihrer im Ausland erworbenen Qualifikation eingesetzt zu werden oder sich später durch ein Studium weiter zu qualifizieren.

Die Pflege ist aber aus Sicht der zugewanderten Arbeitskräfte der Bereich, der für sie am ehesten für eine dauerhafte Beschäftigung infrage kommt.

Internationalismus

Für die Ware Arbeitskraft gelten die Gesetze der kapitalistischen Ökonomie, so wie für alle anderen Waren auch.

Der von internationalistischen Positionen getragene Kampf um die vollständige Gleichbehandlung der Menschen die in Einwanderungsländer kommen, richtet sich letztlich gegen eine Seite der Verwertung dieses Unterschieds.

Die vollständige Gleichbehandlung bzw. Nicht-Diskriminierung ist aber nur eine Bedingung für die Abwehr von Lohndumping durch Einwanderung. Doch auch die vollständige Gleichbehandlung der zugewanderten Menschen ändert nichts daran, dass der Import von Arbeitskräften durch die Vergrößerung des Angebots der Ware Arbeitskraft auf deren Preis drückt. Es kommt hinzu, dass die Gesellschaften in Einwanderungsländern selbst bei der vollständigen Durchsetzung der Nicht-Diskriminierung von der Ausbeutung der Herkunftsländer profitieren, die den Aufwand für die Reproduktion der Arbeitskraft vollständig oder zu einem erheblichen Teil selbst tragen und der unter großen Anstrengungen entwickelten Potentiale mit der Auswanderung verlustig gehen.

Diese Ausplünderung treibt die Migration noch weiter an. Der gewünschte Teil der Zuwanderer wie Fachkräfte oder Ärzte ist willkommen. Der ungewünschte Teil wird mit administrativen, polizeilichen und sogar militärischen Mitteln bekämpft. Interessengeleitet soll der Kampf gegen diese Opfer der kapitalistischen Ökonomie dann als Durchsetzung des Rechts verkauft werden.

Letztendlich ist das eine Frage des Maximalprofits, wobei Rassismus und ähnliche Begleiterscheinung nachrangig sind.

Beim Import von Fachkräften z.B. für die Krankenhäuser geht es tatsächlich um die Aufrechterhaltung einer profitorientierten Krankenhausfinanzierung zu Lasten nicht nur der Beschäftigten hierzulande, sondern auch zu Lasten der Gesundheitssysteme der Herkunftsländer.

Es gibt bei der Zuwanderung von Arbeitskräften den direkten Zusammenhang zwischen der Bereicherung eines Landes auf Kosten des anderen und der Bereicherung einer Klasse auf Kosten einer anderen im Lande. In den „Zielländern“ wird so der Preis der Arbeitskraft gedrückt. Das ist klassischer Imperialismus, eine moderne Form der Ausplünderung.

Die Zuwanderung hat nicht nur dazu geführt, dass die Bevölkerungszahl in Deutschland stabil geblieben ist, sondern sie hat auch das proletarische Subjekt verändert. Nicht mehr die Metall- oder Bergbaubeschäftigten dominieren, sondern die Klasse der abhängig, meist prekär Beschäftigten ist migrantisiert worden.

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Quellen: Marios Nikolinakos,(ro ro ro aktuell,1973), ÖGB, Hans Böckler Stiftung, multipolar, destatis, BA
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