Rente muss zum Leben reichen

Von Jonny Bruhn-Tripp

Dieses Redemanuskript ist aus dem gleichnamigen Vortrag beim Seniorenbeirat der Stadt Dortmund am 30.11 2017 entstanden. Der Vortrag bestand aus drei Teilen: Thesen zu der Forderung „Rente muss zum Leben reichen“, Exkursen über das Thema „Armut und Sozialhilfe im Alter“ und Informationen zur Sache, sprich: Informationen über die Politik, Systematik und Geschichte der Rente. Diese Konzeption ist für das überarbeitete Redemanuskript beibehalten worden. 

Rente muss zum Leben reichen! – Was das für die Konzeption der Rente bedeutet

„Die Rente muss zum Leben reichen!“ –  Dieser Forderung des DGB und der Sozialverbände kann man nur zustimmen. Ja, wer langjährig versichert ist, darf erwarten und damit rechnen, dass er mit seiner (beitragsfinanzierten) Rente vor Armut geschützt ist,  mit seiner Rente besser gestellt ist als ein Leistungsberechtigter in der (steuerfinanzierten) Fürsorge der Sozialhilfe im Alter (Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung) im Alter und bei voller Erwerbsminderung des Sozialgesetzbuches XII.

„Die Rente muss zum Leben reichen!“ –  Warum wird diese Forderung erhoben?

Dafür gibt es viele Gründe:

  • die „Rückkehr“ der Altersarmut
  • die gestiegene und prognostiziert weiter steigende Fürsorgebedürftigkeit im Alter
  • die verbreitete und generationsübergreifende Angst vor Altersarmut
  •  die Statusangst, mit der Rente nicht den im Arbeitsleben aufgebauten Lebensstandard halten zu können, kurz: Die Angst vor „Rentenlücken“
  • das profitable Geschäft der Finanz- und Versicherungsindustrie mit der Angst vor Altersarmut und hohen Einkommenslücken beim Übergang in die Rente
  • die Rentenpolitik seit der Agenda 2010, insbesondere der vorgenommene Abbau des Sozialausgleichs in der Rente und die vorgesehene Senkung des Rentenniveaus
  • die Instrumentalisierung der Angst vor Altersarmut für Geschäfte mit der „Privaten Altersvorsorge“ und der äußerst wirksame – und leider erfolgreiche – neoliberale Angriff auf das Vertrauen in die Rente und in die Legitimität der Rente.

Zur Agenda 2010 Politik in der Rente

Durch die Agenda 2010 Politik wurden der Sozialstaat und insbesondere die Beiträge zur Sozialversicherung als „Lohnkostenfaktoren“ ins Blickfeld genommen. Ziel der Agenda 2010 Politik war es, einen Niedriglohnarbeitsmarkt zu schaffen und die Sozialbeiträge zu kürzen. Für die Rente hieß das Ziel: die Beitragssätze zur Rente auf dem Hintergrund der Demografiefaktoren „rückläufige Kinderzahlen“, „längere Rentenlaufzeiten aufgrund steigender Lebenserwartung“, „steigender Rentnerquotient“ zu stabilisieren das Rentenniveau, sprich die Dynamisierung der Renten dem  Ziel  der „Beitragssatzstabilität“ anzupassen den Sozialausgleich einzuschränken.

In die Rente wurde der Grundsatz der Beitragssatzstabilität eingeführt. Nach diesem Grundsatz folgen die Renten steigenden Bruttolöhnen nur in dem Maße, wie der Beitragssatz stabil bleibt. Um steigende Beitragssätze von 24% bis 26% zu vermeiden und den Beitragssatz bis 2020 bei maximal 20% und bis 2030 bei maximal 22% zu stabilisieren, wurde im Rahmen der RiesterRentenreform 2001 beschlossen, das Nettorentenniveau um 6,3%-Punkte zu reduzieren: nominell von 70,7% > auf 69,0% bis 2010 > auf 67,2% bis 2020 > und bis 2030 auf 64,4%. 1 Im Rahmen des Nachhaltigkeitsgesetzes (Rürup-Rentenreform 2004) wurde beschlossen, das Bruttorentenniveau von 48% auf 40% und das Nettorentenniveau auf 60% bis zum Jahr 2030 zu senken.

„Rentenniveau“,  „Rentenniveausenkung“- was so abstrakt klingt, heißt konkret:

  • bei gleichen Löhnen fällt die Rente – je nach Rentenzugangsjahr – immer niedriger aus
  • der Abstand zwischen den Renten und Löhnen ist immer größer geworden ist, die Renten verlieren immer mehr ihre Lohnersatzfunktion
  • die Renten folgen nicht mehr 1 : 1 den Löhnen
  • die Rentner werden im Verhältnis zu den Arbeitnehmern immer schlechter gestellt
  • bei gleichen Erwerbs- und/oder Versichertenbiografien werden die Einkommensunterschiede zwischen den verschiedenen Generationen der Rentner und Arbeitnehmer immer größer.

Einschränkung des Sozialausgleichs in der Höhe der Rente

Gleichzeitig mit der Rentenniveausenkung wurde der Sozialausgleich in der Höhe der Rente eingeschränkt.

  • der Sozialausgleich für Arbeitslosenzeiten wurde auf Zeiten der Arbeitslosigkeit mit Bezug von Arbeitslosengeld I eingeschränkt. Seit 2011 werden Zeiten der Arbeitslosigkeit mit Bezug von Hartz IV (Arbeitslosengeld II) für die Höhe der Rente nicht mehr bewertet.
  • durch das Altersgrenzenanpassungsgesetz 2008 wurde das Regelalter von 65 auf 67 Jahre angehoben
  • gestrichen wurde die pauschale Anhebung der ersten 3 Arbeitsjahre für Zeiten vor dem 25. Lebensjahr, sofern es sich nicht um Zeiten einer Berufsausbildung handelt
  • für Schul-, Fachhochschul- und Hochschulzeiten wurde der Sozialausgleich komplett abgeschafft. Diese Zeiten werden für Rentenzugänge ab 2009 nicht mehr rentensteigernd berücksichtigt.

Als Ersatz für die durch die Kürzung des Nettorentenniveaus entstandene Rentenlücke wurde das System einer kapitalgedeckten arbeitnehmerfinanzierten Privaten Altersvorsorge eingeführt: Die steuergeförderte Riester-Rente und die steuer- und sozialabgabenfreie Entgeltumwandlung zur betrieblichen Altersversorgung.

 

 

 

Weiter im Vortrag unter:

http://www.portal-sozialpolitik.de/uploads/sopo/pdf/2018/2018-01-04_Bruhn_Tripp_Rente_muss_zum_Leben_reichen.pdf
Bild: ver.di.de