Post vom Erzbischof: das Image der katholischen Kirche soll aufpoliert werden

Man kann davon ausgehen, dass die ganze Wahrheit über den systematischen Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche nie ans Licht kommen wird. Vermutlich gibt es viel mehr Täter und viel mehr Opfer als derzeit bekannt ist, weil die katholische Kirche selbst eine umfassende Aufklärung behindert und auch die Studie zum Missbrauchsskandal nicht ernsthaft unterstützt hat.

Was nützen da die Krokodilstränen der Kirchenoberen, wenn alles ohne Konsequenzen bleibt? Solange es in der katholischen Kirche nach wie vor Strukturen gibt, die den sexuellen Missbrauch begünstigen, muss einfach vor dieser Kirche gewarnt werden.

Nun ist die katholische Kirche dabei, das Image des Männerbundes mit einem rückständigen, gestörten Verhältnis zur Sexualität aufzupolieren.

Franz- Josef Becker, Erzbischof von Paderborn, hat dem Autor einen Brief übersandt.

HANS-JOSEF BECKER
Erzbischof von Paderborn
Paderborn, zum Jahreswechsel 2018/2019
„Kündet allen in der Not,

fasset Mut und habt Vertrauen“

Gotteslob Nr. 221; vgl. Jesaja 35,1-10

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Jahreswechsel wende ich mich aus besonderem Anlass mit diesem Brief an Sie und gleichzeitig an alle katholischen Christinnen und Christen des Erzbistums Paderborn.

Das Ende eines Jahres bietet eine gute Gelegenheit zu einem Rückblick, aber auch zu einem Ausblick: Was gab es an Lichtblicken, was aber auch an Schattenseiten? Was werden wir daraus für die Zukunft lernen? Was dürfen wir künftig erwarten?

Das vergangene Jahr hat für die Kirche im Erzbistum Paderborn wie auch für die Kirche in Deutschland insgesamt dazu beigetragen, sich einem großen und schmerzhaften Verfehlen nachhaltig zu stellen: Die deutschen Bischöfe haben vor einigen Jahren die „MHG-Studie: Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch Kleriker“ in Auftrag gegeben. Im Herbst 2018 wurde diese Studie nun veröffentlicht. Den Erkenntnissen daraus ist inhaltlich nichts hinzuzufügen. Die Ergebnisse sind für uns erschreckend und beschämend. Nichts davon ist zu relativieren. Durch Vertuschung und Verdrängung hat die Kirche in dieser Hinsicht jahrzehntelang schwere Schuld auf sich geladen. Als Kirche sind wir unserer Verantwortung vor Gott und den Menschen oft nicht gerecht geworden.

Dies wollen und werden wir konsequent ändern: Wir arbeiten nicht erst seit der MHG-Studie mit den staatlichen Ermittlungsbehörden zusammen und haben der Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich Zugang zu allen von dort angefragten Unterlagen verschafft. Im Erzbistum Paderborn werden wir die konkreten Handlungsschritte, die die Studie empfiehlt, umsetzen und fortführen. Diese Konsequenzen werden zeitnah und unmittelbar erfolgen. Wir intensivieren damit die bereits seit 2010 getroffenen Maßnahmen sowie unsere umfangreiche Präventionsarbeit. Wir werden diesen eingeschlagenen Weg weitergehen und die Öffentlichkeit über die Fortschritte auf diesem Weg informieren.2

Das Bewusstsein um menschliche Schwächen und menschliches Versagen sowie die Aufarbeitung werden für uns weiter handlungsleitend sein. Zugleich wollen wir jedoch auch hoffnungsvoll in das neue Jahr schauen und uns auf unseren eigentlichen Auftrag als Kirche besinnen: An Weihnachten haben wir gefeiert, dass Gott Mensch wird — in Gestalt eines schwachen und hilfsbedürftigen Kindes. Jedem einzelnen Gläubigen ist der Schutz des Schwächeren, der Einsatz für den Armen und Bedürftigen, als Auftrag mitgegeben. Erinnern wir uns im kommenden Jahr neu an diesen Auftrag. Unsere Botschaft ist eine Frohe Botschaft, die es immer wieder zu übersetzen gilt. Daran muss die Kirche sich messen lassen. Unser Ziel muss ein lebendiger Glaube sein, der den Menschen hilft und gut tut. Diesem Ziel müssen die Kirche und die Menschen, die in ihr wirken, dienen.

Es gibt viele Menschen, die sich im ganzen Erzbistum Paderborn mit ihren je eigenen Talenten für das soziale Miteinander und einen lebendigen Glauben engagieren. Die Rahmenbedingungen in den größeren Pastoralen Räumen werden herausfordernder. Umso mehr weiß ich das Engagement der Vielen zu schätzen, die in den Gemeinden das Feuer des Glaubens wachhalten — vom Einsatz in der Kinder- und Jugendarbeit, in den Gremien und verschiedenen Aufgabenfeldern bis zur Mitarbeit in Verbänden oder auch im Engagement für Flüchtlinge. Ihnen allen danke ich dafür, dass Sie dem Glauben in unserem Erzbistum ein Gesicht verleihen.

Ich weiß auch um die Vielen unter Ihnen, deren körperliche Kraft vielleicht nachlässt, die aber ihre Sorge um ihre Mitmenschen im Gebet beständig vor Gott tragen. Auch Ihnen danke ich für dieses Glaubenszeugnis.

Die Geschichte Jesu beginnt mit Menschen, die bereit sind zum Aufbruch, zum Unterwegs-

Sein, zu Wagnis und Neubeginn. Es ist von Anfang an eine Geschichte von Herbergssuche, Vertreibung und Flucht. Und es ist auch eine Geschichte von Verfehlungen und Irrwegen der Menschen, die nur Gott heilen kann.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Familien und allen Menschen, die Ihnen am Herzen liegen, ein gutes, erfülltes Jahr 2019 unter Gottes Segen!

Ihr

Hans-Josef Becker

Erzbischof von Paderborn