Hartz IV Reform: BA will Bürgergeld Start verschieben

Von André Maßmann

Das könnte peinlich werden – für Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Beide hatten versprochen, Hartz IV werde pünktlich am 1. Januar 2023 durch das neue Bürgergeld ersetzt. In der Theorie mag das funktionieren.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) als ausführendes Organ hegt jedoch ernste Zweifel daran, dass der Termin gehalten werden kann. Wahrscheinlicher und vor allen Dingen sinnvoller sei der Bürgergeldstart ab Juli 2023. Hartz IV Reform: BA will Bürgergeld Start verschieben weiterlesen

Gasumlage für die Rettung von Konzernen

Von Leo Mayer

Am Montag hat die Bundesregierung die Katze aus dem Sack gelassen: Zusätzlich zu den explodierten Gaspreisen müssen alle Gaskunden, Privathaushalte ebenso wie Firmen, eine Gasumlage von 2,419 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Die Gasumlage wird ab Oktober fällig. Ob auch noch die Mehrwertsteuer auf die Umlage hinzukommt, ist noch nicht klar. „Die Bundesregierung sieht, dass da erhebliche Mehrbelastungen auf die Menschen in diesem Land zukommen“, gab die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann zu. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte, er rechne pro Jahr mit „einigen Hundert Euro pro Haushalt“.

Mit der Umlage will die Bundesregierung systemrelevante Gasimporteure stützen. Anlass war das kriselnde Unternehmen Uniper. Der Bund stützt den größten deutschen Gas-Importeur Uniper mit insgesamt bis zu 15 Milliarden Euro, wird sich mit 30 Prozent an Uniper beteiligen und bei der Finanzierung des Düsseldorfer Unternehmens helfen.

Aufgrund bestehender Lieferverträge konnten Importeure die höheren Beschaffungskosten bislang nicht weitergeben. Das ändert sich mit der Umlage. Ab Oktober können sich die Rohstoffhändler die Differenz zwischen vertraglich vereinbarten Preisen und dem aktuellen Einkaufspreis an der Börse erstatten lassen. Die entstehenden Kosten werden mit der Gasumlage auf alle Gasverbraucher, Wirtschaft wie Privatkunden, umgelegt. Gasumlage für die Rettung von Konzernen weiterlesen

Das Modell der 24-Stunden-Pflege: Um die Löhne zu drücken und arbeitsrechtliche Bestimmungen zu umgehen

Die häusliche Pflege in Deutschland ist mittlerweile vielfach zur Ausbeutungsinstitution osteuropäischer Pflegerinnen und Tummelplatz von zwielichtigen und kriminellen Pflegediensten verkommen. Unterbezahlung und Überarbeitung der Pflegekräfte gehören zum Alltag der Branche der 24-Stunden-Pflege. Offene Ausbeutung heißt das Geschäftsmodell, mit dem die Unternehmen arbeiten, indem sie gezielt Beschäftigte aus Osteuropa anwerben, die die Sprache oft nicht beherrschen und in keinerlei gewerkschaftlichen Strukturen eingebunden sind, um so die Löhne zu drücken und arbeitsrechtliche Bestimmungen zu umgehen.

Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Juni des vergangenen Jahres geriet  zumindest einmal das Modell der 24-Stunden-Pflege auf den Prüfstand und einer breiten Öffentlichkeit wurde erstmals bekannt, dass es dieses Modell in der Pflege gibt und wie es funktioniert. Das Modell der 24-Stunden-Pflege: Um die Löhne zu drücken und arbeitsrechtliche Bestimmungen zu umgehen weiterlesen

Das Vermögensgeflecht – Die heimlichen Herrscher des Finanzsystems verfügen über eng geknüpfte Seilschaften

Von Werner Rügemer

„Konkurrenz belebt das Geschäft“, heißt es. Wettbewerb ist stressig, aber im Idealfall auch fair. Die Besten setzen sich durch, und Wettbewerber spornen sich durch den Vergleich stets zu Höchstleistungen an. So weit die Theorie. Hinter den Kulissen wird der Wettbewerb aber andauernd umgangen, haben wenige mächtige Akteure überall ihre Finger im Spiel. Über Unternehmensbeteiligungen zum Beispiel. Vereinfacht ausgedrückt, konkurrieren bestimmte Absahnerfirmen meist nur mit sich selbst und kontrollieren sich auch selbst. Die Verlierer sind oft die Verbraucher, Umwelt und Sozialstandards. Dabei widerspricht das Fehlen von wirklicher Konkurrenz und echten Alternativen dem Ideal des kapitalistischen Wirtschaftens, das nach außen hin laut tönend vertreten wird. Überall lassen „BlackRock“, „Vanguard“ & Co diskret die Puppen tanzen — Regierungen, Leitmedien und auch Gewerkschaften schweigen komplizenhaft. Das Vermögensgeflecht – Die heimlichen Herrscher des Finanzsystems verfügen über eng geknüpfte Seilschaften weiterlesen

Anmerkungen zum Aufruf des DGB zum Antikriegstag 2022

Seit 1957 wird am 1. September an die Schrecken des Ersten und Zweiten Weltkriegs sowie an die schrecklichen Folgen von Krieg, Gewalt und Faschismus erinnert. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat aus Anlass des diesjährigen Antikriegstags eine Erklärung unter dem Motto: „Für den Frieden! Gegen einen neuen Rüstungswettlauf! Die Waffen müssen endlich schweigen!“ herausgebracht.

Wer sich davon jedoch eine klare Abgrenzung von der derzeitigen deutschen Wirtschafts-, Finanz,- Kriegs,- und Außenpolitik erhofft, wird enttäuscht. Anmerkungen zum Aufruf des DGB zum Antikriegstag 2022 weiterlesen

„E-Mobilität, ist das die Lösung?“ – Eine Befragung von Beschäftigten zum sozialökologischen Umbau der Autoindustrie

Ohne eine Unterstützung aus der Industriearbeiterschaft ist jedes Projekt einer sozial-ökologischen Transformation zum Scheitern verurteilt. In der Bundesrepublik Deutschland gilt dies in besonderem Maße mit Blick auf die Beschäftigten der Leitindustrie Automobilbau. Für die breite gesellschaftliche Unterstützung einer klimagerechten Verkehrswende ist darüber hinaus auch die Haltung der Beschäftigten in anderen mit der Verkehrsinfrastruktur zusammenhängenden Branchen wichtig. Doch wie schauen Belegschaften der Automobilhersteller und anderer verkehrsmittelproduzierender Industriebetriebe auf Themen wie Klimawandel, Transformation und sozial-ökologische Verkehrswende? Welche Anknüpfungspunkte ergeben sich daraus für einen sozial-ökologischen (Green) New Deal?

Auf Grundlage von 38 leitfadengestützten Interviews vor allem mit mittleren betrieblichen Gewerkschaftsfunktionär*innen können wir sagen: Die Sicht in den Betrieben und gewerkschaftlichen Gremien ist differenzierter, als die durch Einlassungen von Gewerkschafts- und Betriebsratsspitzen sowie der Regierung geprägte öffentliche Meinung nahelegt. „E-Mobilität, ist das die Lösung?“ – Eine Befragung von Beschäftigten zum sozialökologischen Umbau der Autoindustrie weiterlesen

„… sonst ändert sich nix!“ – Hartz IV heißt bald Bürgergeld, aber die Vergötzung der Arbeit wird fortgesetzt

Von Basta! Berlin*

Wir sind es, die expandierenden Arbeitslosen, Unterbeschäftigten und prekär Beschäftigten von Basta! Der Erwerbsloseninitiative aus Berlin. Dieses Mal treibt uns die Sorge um, dass schon lange nicht alle Leute jeden Tag zu essen haben. Grund genug, sich die „Reformvorhaben“ der Bundesregierung im Bereich Grundsicherung genauer anzuschauen.

Zwei Veränderungen wurden hier großspurig angekündigt: Ein Bürgergeld soll Hartz IV ersetzen und eine Kindergrundsicherung eingeführt werden. Das Bürgergeld wird kommen, wie auch immer. In der Kabinettsvorlage für den Haushalt 2023 sind für das ALG II und die Kosten der Unterkunft/Heizung insgesamt 31,3 Mrd. Euro angesetzt.[1] Doch die Kindergrundsicherung zur Bekämpfung von Kinderarmut kostet die Regierung offensichtlich zu viel. So deutet Familienministerin Lisa Paus bereits an: „Mein Zeitplan ist ehrgeizig, sieht eine Auszahlung aber frühestens 2025 vor.“ (taz, 16. Juni 2022).

Es sind die Parteien der Agenda 2010 ‒ SPD und Grüne ‒, die nun aus Hartz IV, dem Unerträglichen, das Bürgergeld, die Schweinerei, machen werden. Beide Parteien haben ein Interesse, Hartz IV „offiziell“ zu beenden. Denn es wird von sehr vielen Leuten gleichgesetzt mit sozialem Abstieg, Demütigung, Armut und Zwang. Die Agenda 2010 war ein Paradigmenwechsel für die SPD, ein Weg hin zum schlanken Staat und zum Ausbau des europaweit größten Niedriglohnsektors. Diesen Niedriglohnsektor weiter auszubauen ist wohl gemeinsames Bestreben von SPD, FDP und Grünen. „… sonst ändert sich nix!“ – Hartz IV heißt bald Bürgergeld, aber die Vergötzung der Arbeit wird fortgesetzt weiterlesen

Die Krise der Partei DIE LINKE – Was Münchhausen geschafft hat, kann eine Basisbewegung in der LINKEn auch schaffen

Von Winfried Wolf

Eine Linke, die konsequent die neoliberale Unordnung bekämpft, die ohne Wenn und Aber für Abrüstung und Frieden eintritt und die den Kapitalismus nicht als das Ende der Welt, wohl aber als Ursache für das absehbare Ende akzeptabler Lebensbedingungen auf dem Planeten erkennt, ist heute notwendiger denn je. Denn die innere Logik des bestehenden Wirtschaftssystems führt erkennbar in zerstörerische Krisen, zu weltweitem Hunger, in einen neuen großen Krieg und in die Klimakatastrophe. Umso tragischer sind der Niedergang der Partei DIE LINKE. Umso größer die Herausforderungen auf deren Parteitag am letzten Juni-Wochenende.

Dabei ist die Krise dieser Partei erkennbar Teil einer umfassenden Krise der europaweiten Linken. Die Krise der Partei DIE LINKE – Was Münchhausen geschafft hat, kann eine Basisbewegung in der LINKEn auch schaffen weiterlesen

42-Stunden-Woche: Eine antiquierte Scheinlösung

Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, trommeln die Arbeitgeber nach der 42-Stunden-Woche. Dieser Vorschlag ist antiquiert. Längst leisten die Beschäftigten genug Mehrarbeit. Längere Arbeitszeiten würden nur ihre Gesundheit gefährden.

Stark steigende Energiepreise, Klimakrise und der heranrückende Corona-Herbst – an Themen, die gerade nach politischen und ökonomischen Antworten verlangen, mangelt es derzeit nicht. Doch stattdessen sehen sich das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Arbeitgeberverbände und Polit-Rentner aus Goslar dazu veranlasst, eine Debatte über die Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden vom Zaun zu brechen. Als Argumente müssen dafür der Fachkräftemangel und die Finanzierung der Sozialsysteme herhalten. Es heißt also mal wieder: Zurück in die Vergangenheit. 42-Stunden-Woche: Eine antiquierte Scheinlösung weiterlesen

„Westbalkanregelung“ bringt hunderttausenden Wanderarbeitern und Tagelöhnern Elend, Armut und Ausgrenzung – Sie setzt ein weiteres globales Rotationsverfahren von Arbeitskräften in Gang

Bild: scharf links.deDeutschland zählt zu den Staaten, die am stärksten vom Zuzug hoch qualifizierter Arbeitskräfte aus ärmeren Regionen Europas profitieren und konnte über die Jahre einen gigantischen Niedriglohnsektor und unregulierten Arbeitsmarkt auf dem Rücken der prekär beschäftigten Menschen aufbauen.

Mit Wirkung zum 28.10.2015 wurden die gesetzlichen Bestimmungen für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für Arbeitskräfte aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Republik Nord Mazedonien, Montenegro und Serbien gelockert. Seit dem 01.01.2016 können sie befristet bis zum 31.12.2023 in Deutschland für jede Beschäftigung eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, obwohl sie nicht aus EU-Staaten kommen. Sie müssen für die Einreise ein Visum beantragen, sie benötigen dafür nur die verbindliche Zusage eines Unternehmens, eine bestimmte Qualifikation oder Deutschkenntnisse brauchen sie nicht. Ausgenommen sind Tätigkeiten im Rahmen der Leiharbeit.

Die sogenannte Westbalkanregelung wurde 2020 für weitere 3 Jahre verlängert und eine Kontingentfestsetzung für bis zu 25.000 Personen jährlich eingeführt. „Westbalkanregelung“ bringt hunderttausenden Wanderarbeitern und Tagelöhnern Elend, Armut und Ausgrenzung – Sie setzt ein weiteres globales Rotationsverfahren von Arbeitskräften in Gang weiterlesen

Nach den bislang vorliegenden Abschlüssen steigen die Tariflöhne 2022 durchschnittlich nominal um 2,9 Prozent, nach Abzug der Inflationsrate sinken sie real um 3,6 Prozent

Unter Berücksichtigung der im 1. Halbjahr 2022 abgeschlossenen Tarifverträge und der in den Vorjahren für 2022 bereits vereinbarten Tariferhöhungen steigen die Tariflöhne in diesem Jahr nominal um durchschnittlich 2,9 Prozent. Vor dem Hintergrund der Inflation im ersten Halbjahr 2022 ergibt sich hieraus real ein Rückgang von 3,6 Prozent. Dies ist das Ergebnis der aktuellen Halbjahresbilanz, die das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung heute vorlegt.

Für knapp 11 Millionen Beschäftigte werden in 2022 Tariferhöhungen wirksam, die bereits 2021 oder früher in Tarifverträgen mit mehrjähriger Laufzeit festgelegt wurden. Hierzu gehören auch große Tarifbranchen wie z. B. der öffentliche Dienst oder der Einzelhandel. Diese älteren Abschlüsse wurden zu einem Zeitpunkt vereinbart, an dem noch von deutlich geringeren Inflationsraten ausgegangen wurde. Demnach schlagen diese Vereinbarungen für 2022 mit einer Tariferhöhung von lediglich 2,5 Prozent zu Buche. Nach den bislang vorliegenden Abschlüssen steigen die Tariflöhne 2022 durchschnittlich nominal um 2,9 Prozent, nach Abzug der Inflationsrate sinken sie real um 3,6 Prozent weiterlesen

Über die konkrete Lebenssituation armer Menschen in der Großstadt – Vom Leben an der Pfändungsfreigrenze

Immer mehr der rund sieben Millionen überschuldeten  Menschen werden dazu gezwungen oder entschließen sich aus der Situation heraus dazu, ihre konkrete Lebenssituation an der, in der Zivilprozessordnung (ZPO) festgelegten Pfändungsfreigrenze auszurichten. Die Einhaltung dieser Grenzen bei Pfändungen sollte ursprünglich trotz Schulden das Existenzminimum garantieren.

Die Einkommensgrenze des Arbeitseinkommens, das nicht gepfändet werden darf, liegt derzeit bei monatlich 1.330,16 Euro für eine Einzelperson, bei Unterhaltsverpflichtungen erhöht sich der Betrag. Aber auch Sozialleistungen können wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. Dies gilt insbesondere für sogenannte Sozialleistungen mit Lohnersatzfunktion, wie Arbeitslosengeld, Renten, Krankengeld, Übergangsgeld oder Unterhaltsgeld.

Menschen, deren Einkommen gepfändet wird, leben in einer existentiellen Dauerstresssituation, der sie meistens allein nicht entkommen können und nicht selten endet das Schuldnerleben in der Selbsttötung.

Richtig organisiert, gibt es sogar ein würdevolles und selbstbewusstes Leben an und mit der Pfändungsgrenze. Über die konkrete Lebenssituation armer Menschen in der Großstadt – Vom Leben an der Pfändungsfreigrenze weiterlesen

Tachelesstellungnahme zum Bürgergeldgesetz fertig und veröffentlicht

Im Zusammenhang des Gesetzgebungsverfahrens zum sog. „Bürgergeldgesetz“ wurde der Verein Tacheles vom Bundesarbeitsminsterium um die Abgabe einer Fachstellungnahme im Rahmen der jedes Sozialgesetzgebungsverfahren begleitende „Verbändeanhörung“ gebeten. Nach fast zwei Wochen Arbeit ist diese mit 71 Seiten sehr umfassende Stellungnahme nun fertig und auf der Webseite von Tacheles zu finden.

In der Stellungnahme werden die einzelnen geplanten gesetzlichen Änderungen zerlegt, bewertet und zudem notwendige und sinnvolle Änderungen umfänglich aufgezeigt. Besonders bearbeitet wird, was nicht im Bürgergeldgesetz enthalten ist und wie Nichtdeutsche, alte, kranke und behinderte Menschen diskriminiert werden.

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Umgang mit den explodierenden Preisen und Energiekosten, hier werden eine Reihe von Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Es ist auf jeden Fall ein lesenswertes Papier, weil es in die Tiefen des Bürgergeldgesetzes und in die Untiefen des defizitären und oft auch diskriminierenden Sozialrechts entführt.
Der Angang der Stellungnahme ist mit einem eindringlichen Appell an den Gesetzgeber verbunden, jetzt sofort mit konkreten Regelungen auf die Inflation und Energiekrise zu reagieren. Tachelesstellungnahme zum Bürgergeldgesetz fertig und veröffentlicht weiterlesen

Vom Ende der Meinungsfreiheit in Europa

Von Johannes Mosmann*

Im Juni 2022 stimmte der EU-Binnenmarktausschuss der „Verordnung über digitale Dienste“ zu, die weitreichende Folgen für die Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung hat. Unverblümt sprechen die EU-Funktionäre nun auch das zu Grunde liegende Weltbild aus: Unwahrheiten verhalten sich wie Viren, weshalb eine gute Regierung die Wahrheit ebenso pflegen muss wie die Volksgesundheit. Und zwar mit denselben Methoden: Verhinderung des Erstkontakts mit Unwahrheiten, Isolierung der infizierten Träger und perspektivisch sogar Impfungen gegen falsche Meinungen. Vom Ende der Meinungsfreiheit in Europa weiterlesen

Was ist aus der Gelbwestenbewegung geworden? Oder: Über die zentrale Erfahrung des kritischen Vertrauens

Von Sophia

Die Frage kann ich nur sehr begrenzt, von meiner Erfahrungsgrundlage aus, beantworten.

Diese besteht aus drei Komponenten: Ab Dezember 2018 nahm ich an Pariser Gelbwesten-Demos und -Versammlungen teil, ab Januar 2019 – mit Unterbrechungen – an der assemblée générale (Generalversammlung) der Gelbwesten (Gilets Jaunes, GJ) meines Stadtteils Belleville.Zu Anfang fasste die Kneipe, in der wir uns 1-mal wöchentlich trafen, kaum den Ansturm. Die da zusammenkamen waren altersmäßig und vom sozialen Hintergrund sehr vielfältig. Jedes Mal kamen Neue hinzu, oft auch “Besuch” von anderen assemblées. Es gab (wie in diesem Viertel allgemein) relativ viele Linksintellektuelle unter uns, die “immer schon” an diversen Kämpfen teilgenommen hatten, z.B. als Kommunist*innen (PCF), als Gewerkschafter*innen, als einst “68er*innen”, ehemalige Maoisti*innen, als attac-Aktivist*innen, bei der FI, der NPA, als Beteiligte an den Kämpfen gegen das Arbeitsgesetz, bei Nuit Debout etc. Von diesen Pariser Linksintellektuellen waren nicht wenige überwältigt, beglückt von der gelben Bewegung. Was ist aus der Gelbwestenbewegung geworden? Oder: Über die zentrale Erfahrung des kritischen Vertrauens weiterlesen